BNHO Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland e.v.

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Transkript:

Die KrebsSpezialisten. Weil Kompetenz und Engagement zählen. BNHO Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland e.v. DICE-Gutachten zum Wettbewerb in der ambulanten onkologischen Versorgung Sehr geehrte Damen und Herren, wir möchten Ihre Aufmerksamkeit auf das DICE-Gutachten Wettbewerb in der ambulanten onkologischen Versorgung Analyse und Reformansätze lenken. Bisher wurde noch keine systematische Diskussion über die Bedingungen und Folgen einer wettbewerblichen Ausrichtung an der Schnittstelle Krankenhaus niedergelassene Ärzte, speziell in der onkologischen Versorgung, geführt. Ein vom BNHO in Auftrag gegebenes Gutachten soll diese Diskussion jetzt in Gang bringen. Der renommierte Wettbewerbstheoretiker Prof. Justus Haucap vom Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie (DICE) hat sich der Thematik angenommen. Auch auf Grundlage des Gutachtens strebt der BNHO an, die onkologische Versorgung weiterhin patientenorientiert und sicher zu gewährleisten. Heute erhalten Sie ein druckfrisches Exemplar dieses Gutachtens. Wir freuen uns auf eine intensive Auseinandersetzung mit Ihnen zu diesem Thema! Mit freundlichen Grüßen Prof. Dr. Stephan Schmitz Vorsitzender Dr. Karsten Kratz-Albers Stellvertretender Vorsitzender Armin Goetzenich Geschäftsführer

Warum DICE-Gutachten? I. Onkologie zwischen Wettbewerb und Heilungswunsch Besondere ethische Verantwortung Die Gesundheitspolitik setzt seit vielen Jahren auf eine wettbewerbliche Steuerung der Gesundheitsversorgung. Dabei ist allen Beteiligten klar, dass die Gesundheitsversorgung einem komplexen Zielsystem unterliegt. Daher bedarf Wettbewerb in der Gesundheitsversorgung eines besonderen Rahmens, um neben den wirtschaftlichen Optimierungszielen auch die übrigen Ziele zu bedienen. Die Schwierigkeit eines angemessenen Wettbewerbsrahmens ist in der onkologischen Versorgung besonders deutlich. Krebspatienten erzeugen mit Ihrem Heilungswunsch (in Verbindung mit einer solidarisch finanzierten Gesundheitsversorgung) eine besonders intensive Nachfrage nach Behandlungsleistungen, die sie in Verbindung mit dem Preisvolumen derartiger Leistungen zu besonders umworbenen, aber gleichzeitig auch besonders schutzbedürftigen Marktteilnehmern macht. Daher stehen bei der Behandlung von Krebspatienten Leistungsanbieter und Kostenträger unter besonderer ethischer Verantwortung (und unter gesellschaftlicher Beobachtung). Der Gesetzgeber, Selbstverwaltung und Rechtsprechung haben eine Vielzahl von Vorgaben entwickelt (z.b. zuletzt Strafbarkeit von Korruption, früher NUB bei aussichtslosen Fällen usw.), um diese besondere ethische Verantwortung zu gewährleisten und zu stärken. Widerspruch zwischen Arzt und Unternehmer Gesetzgeber und Selbstverwaltung entwickeln parallel seit vielen Jahren eine Fülle von Anforderungen an Leistungsanbieter in der onkologischen Versorgung, die einer hochwertigen Versorgung und der Qualität im Patienteninteresse dienen sollen. Diese Maßnahmen richten sich u.a. auf Vernetzung der Strukturen, der Integration von Versorgungsprozessen, der gemeinsamen Arbeit von Ärzten aus verschiedenen Sektoren usw. Neben diesen versorgungsorientierten Anforderungen setzt der Gesetzgeber aber verstärkt auch auf eine wettbewerbliche Orientierung der Leistungsanbieter. Das hat zur Konsequenz, dass heute Ansprüche des versorgungsorientierten Handelns und des ökonomischen Handelns nebeneinander stehen und die beteiligten Ärzte in den Widerspruch verstricken, nämlich versorgender Arzt oder Medizinunternehmer zu sein. 2

II. Onkologie als spezielles Wettbewerbsfeld Die medizinische Versorgung von Krebspatienten entwickelt sich zu einem wirtschaftlich ganz besonders interessanten Feld des Gesundheitswesens. Die wesentlichen Treiber sind hier zum einen die biotechnologischen Fortschritte der Krebsmedizin und zum anderen die demographisch bedingte Ausweitung der Morbidität. Die Aussicht auf neue und erweiterte Behandlungsoptionen beflügelt die Prognosen der Versorgungsnachfrage. Marktbeobachter sehen die stärksten Umsatzzuwächse der pharmazeutischen Industrie in den kommenden Jahren im Bereich der Onkologie. In keinem anderen Sektor der Gesundheitsversorgung ist in den nächsten Jahren eine vergleichbare Marktexpansion zu erwarten. Versorgungsbedarf, Nachfrage und Umsätze im Bereich von medizinischer Technologie, medizinischer Infrastruktur und personellen Ressourcen werden in kaum einem anderen Bereich in vergleichbarer Weise zunehmen. Gerade wegen des hohen Anpassungsdrucks durch den technologischen Wandel steht ebenso kein anderer Bereich der Gesundheitsversorgung unter vergleichbaren Anforderungen eines schnellen und andauernden Strukturwandels. Investitionen in die onkologische Versorgung beinhalten daher für viele Marktteilnehmer im Gesundheitswesen besonders interessante Aussichten auf profitable Geschäfte in der Zukunft. Die Onkologie ist zu einem ganz besonderen Wettbewerbsfeld geworden. Der Schwerpunkt dieses Wettbewerbsfeldes ist die medikamentöse Tumortherapie, die sich in den letzten Jahren bis auf wenige Ausnahmeindikationen in den ambulanten Versorgungsbereich verlagert hat. Diese ambulante medikamentöse Therapie von Krebspatienten wird bislang zum großen Teil von niedergelassenen Fachärzten durchgeführt. Durch ihren breiten diagnostischen Kompetenzbereich und eine hohe Spezialisierung haben die niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in der antineoplastischen Systemtherapie eine besondere Bedeutung erlangt. Die Gesundheitspolitik hat die Ausbildung eines derartigen spezialisierten Kompetenzbereiches im Rahmen der sogenannten Onkologie-Vereinbarungen, die zwischen den Krankenkassen und den kassenärztlichen Vereinigungen abgeschlossen worden sind, nachdrücklich unterstützt. Durch diese Politik hat sich ein Leistungsangebot entwickelt, das für eine enge, vernetzte Kooperation zwischen stationären und ambulanten Leistungsanbietern, eine hohe Versorgungskontinuität und eine flächendeckende, wohnortnahe Patientenversorgung steht. Diese Versorgung wird überwiegend von freiberuflichen Fachärzten ausgeübt, die eine oft langjährige Betreuung gewährleisten und den besonderen Bedürfnissen von hoch belasteten Krebspatienten verbunden sind. Marktexpansion und Strukturwandel Medikamentöse Tumortherapie als Domäne der freiberuflichen niedergelassenen Onkologen 3

III. Öffnung der Krankenhäuser Bestandsschutz für Krankenhäuser Gefährdung der bestehenden Netzwerke Steuerungsfunktion des Krankenhauses Vor diesem Hintergrund vollzieht sich seit einigen Jahren eine Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung. Die immer weitergehenden Optionen von Krankenhäusern für die ambulante Patientenversorgung werden teilweise mit Versorgungsbedarf begründet, sind aber im Wesentlichen geleitet von einer verfehlten Gesundheitspolitik, die Krankenhäusern ohne Rücksicht auf bestehende Leistungsstrukturen Bestandsschutz gewährleisten will. Krankenhäuser greifen bei Optionen zur ambulanten Versorgung allerdings nicht die wenig attraktiven Felder der allgemeinen Grundversorgung oder der kostenträchtigen Spezialversorgung auf. Die ambulante onkologische Versorgung ist für viele Krankenhäuser deswegen ein bevorzugtes Investitionsfeld, weil hier bei geringem technischen Erstellungsaufwand (keine teuren Erweiterungen nötig) hohe Renditemöglichkeiten winken, wenn die vorhandene Krankenhausinfrastruktur (Radiologie, Labor, Krankenhausapotheke u.a.) integriert und ausgelastet wird. Gleichzeitig können durch die Bindung von multimorbiden Krebspatienten an das Krankenhaus schwächelnde stationäre Aufnahmeraten flexibel verbessert werden. Die Öffnung der Krankenhäuser im Bereich der ambulanten onkologischen Versorgung schafft großenteils Angebote in Bereichen, wo weder Unterversorgung noch qualitative Versorgungsverbesserung als begründende Argumente angeführt werden können. Im Gegenteil: Krankenhäuser schaffen einen Verdrängungswettbewerb in der ambulanten onkologischen Versorgung, der bewährte Strukturen der Behandlung von Krebspatienten gefährdet. Weder fachärztliche Standards, noch Betreuungskontinuität, noch Vernetzung mit einer weit gefächerten ambulanten ärztlichen und pflegerischen Versorgung können von ambulanten Einrichtungen an Krankenhäusern in vergleichbarer Weise sichergestellt werden. Die mittlerweile einigermaßen eingespielte interdisziplinäre und intersektorale Versorgung, die weitgehend auf einer vertrauensvollen Kooperation von niedergelassenen Ärzten und Krankenhausärzten beruht, um für den einzelnen Patienten den Behandlungsverlauf optimal zu koordinieren, wird gefährdet. Gerade weil die Behandlung von Krebspatienten vielfach mit stationären Maßnahmen beginnt, haben Krankenhäuser primären Zugang zu den betroffenen Patienten und der weiteren Steuerung der Behandlung. Die niedergelassenen Fachärzte werden von der Versorgungskette weitgehend ausgeschaltet bzw. können nur noch nachrangig zu den fallbezogenen Versorgungsinteressen der Krankenhäuser antreten. Ein ggf. wünschenswerter Qualitätswettbewerb von Krankenhäusern und niedergelassenen Fachärzten im Bereich der ambulanten Therapie ist aufgrund der 4

Versorgungssituation und der eingeschränkten Nachfragesouveränität von Krebspatienten nicht möglich. IV. Verfehlte Wettbewerbsausrichtung Die ambulante onkologische Versorgung belegt exemplarisch, in welchem Umfang wettbewerbliche Umstellungen in der Gesundheitsversorgung ohne weitere Regulierung angesichts nicht vorhandener Nachfragemacht bzw. nachfrageorientierter Steuerungsmöglichkeiten ihren eigenen Anspruch verfehlen. Die vermeintliche Erweiterung von Behandlungsangeboten schafft keinen Wettbewerb, sondern stärkt in erster Linie die angebotsorientierte Marktbeherrschung selektiver Anbieter. Qualitätsparameter oder Versorgungsziele sind für eine derartige Positionierung am Markt nicht relevant und auch nicht zu operationalisieren. Wettbewerbliche Ausrichtung zwingt Versorgungsanbieter Krankenhäuser wie auch niedergelassene Fachärzte dazu, ihre traditionellen (Kern-)Geschäftsbereiche zu überschreiten. Je nach regionalen Marktbedingungen müssen Krankenhausleitungen ebenso wie verantwortliche Praxisleiter darauf hinwirken, ihre jeweiligen Unternehmungen in bislang unerschlossene Marktbereiche hineinzuführen. Es entsteht eine Hybridisierung von Unternehmensformen, die durch eine komplexe Verschachtelung gekennzeichnet sind. Krankenhäuser und Praxen sind Kooperationspartner ( gewünschte Integration der Versorgung ) und gleichzeitig Wettbewerber auf denselben Handlungsfeldern. Beide Imperative bedrohen sich gegenseitig permanent und gefährden stabile Vernetzungen. Wettbewerb ohne Regulierung Wettbewerber und gleichzeitig Partner Die Hybridisierung der Unternehmungen führt darüber hinaus dazu, dass die Unternehmensgrenzen ins Schwimmen geraten. Weder ist klar, was stationäre Versorgung im Kern ist, noch was ambulante Versorgung ausmacht und welche Organisation hierfür eine besondere Zuständigkeit und Kompetenz erhält. Hybridisierung veranlasst Krankenhaus- wie Praxisunternehmer dazu, den Markterfolg auf mehr oder weniger beliebigen Geschäftsfeldern zu suchen, die für den Unternehmenserfolg geeignet erscheinen. Gerade die Versorgung von Krebspatienten braucht die vorbehaltlose Zusammenarbeit von fachlich hochqualifizierten Ärzten ohne Rücksicht auf Marktanteile. Patienten befürchten immer mehr, dass Therapieentscheidungen von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst sind. Die unverzichtbare Vertrauensbasis für die ärztliche Behandlung ist in Gefahr und der Onkologe immer mehr belastet mit einer komplexen Reflexion auf die kommunikativen Folgen seines Tuns. Vertrauensbasis zu Patienten wird beeinflusst 5

V. Systematische Politikfolgenabschätzung ist unabdingbar Systematische Diskussion zu den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen Freiberufliche Ärzte als Basis der patientennahen Versorgung Reformeifer ohne Folgenabschätzung Bisher wurde noch keine systematische Diskussion über die Bedingungen und Folgen einer wettbewerblichen Ausrichtung in der onkologischen Versorgung geführt. Diese Diskussion soll das vorgelegte Gutachten anschieben. Dabei geht es nicht darum, rückwärtsgewandt und defensiv der Besitzstandswahrung das Wort zu reden. Es geht darum, die onkologische Versorgung auch in Zukunft patientenorientiert und sicher zu gewährleisten. Die Herausforderungen des Gesundheitssystems in Deutschland durch die Versorgung Krebskranker sind erheblich und werden in den nächsten Jahren noch zunehmen. Dafür ist eine sorgfältige Abklärung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen unverzichtbar. Wir sind davon überzeugt, dass das Gutachten dazu einen guten Beitrag liefern kann. Es wird in den nächsten Jahren insbesondere darauf ankommen, den entstehenden dritten Sektor im Gesundheitswesen zu gestalten und weiterzuentwickeln. Eine besondere Aufmerksamkeit muss dabei der Stellung und der Rolle des freiberuflichen selbstständigen Arztes gelten. Freiberufliche und selbstständige niedergelassene Ärzte sind bislang die Basis einer flächendeckenden, patientennahen onkologischen Versorgung. Sollen sich diese niedergelassenen Ärzte im Wettbewerb gegenüber anderen Anbietern im Gesundheitswesen behaupten, müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit eine am Patientenwohl orientierte Versorgung nicht hinter den ökonomischen Zielen von Marktteilnehmern unweigerlich zurückbleiben muss. Die Gesundheitspolitik muss in ehrlicher und realistischer Weise Rechenschaft darüber ablegen und Verantwortung dafür übernehmen, welche Folgen und Wirkungen ihre Entscheidungen für das Gesundheitssystem haben. Sollen die bewährten Säulen der Patientenversorgung weiterhin unabhängige, den Patienten verpflichtete Ärzte sein? Sollen wirtschaftliche Interessen auf allen Ebenen des Gesundheitswesens im Vordergrund stehen? Führt die Profitorientierung von Gesundheitsunternehmen am Ende zu einer effizienten Versorgung? Aus unserer Sicht bewegt sich die Politik derzeit unter wettbewerbstheoretischen Aspekten in einem gesundheitspolitischen Blindflug. Es reihen sich Reformen an Reformen, die im Endeffekt zu einer Stärkung der Krankenhäuser und gleichzeitig zu einer Schwächung der niedergelassenen Spezialisten geführt haben. Ein ordnungspolitisches Konzept ist dabei nicht wirklich sichtbar. Wir befürchten, dass diese letztlich ungesteuerte Entwicklung zu einer Verdrängung der freiberuflich tätigen Ärzte führt. Wir haben einigen Grund zu der Annahme, dass dies die Patientenversorgung im Allgemeinen und die der Krebspatienten im Besonderen verschlechtern wird! 6

Krebs ist eine häufige Erkrankung Der Bedarf an ambulanter onkologischer Versorgung wird in den nächsten 20 Jahren überproportional zunehmen. Grund dafür ist die demografische Entwicklung: Die Menschen werden immer älter, und das Risiko an Krebs zu erkranken steigt mit zunehmendem Alter. Gleichzeitig wächst die Anzahl der Menschen, die mit einer Krebserkrankung leben. Dank verbesserter Therapiemöglichkeiten werden viele Krebspatienten geheilt oder erfolgreicher behandelt als noch vor Jahren. Krebs bedeutet deshalb eher ein Leben mit einer chronischen Erkrankung und kann weitestgehend ambulant behandelt werden. Viele der Betroffenen können heute mithilfe einer engagierten, hochqualifizierten Langzeitbetreuung ein lebenswertes Leben führen. Die niedergelassenen KrebsSpezialisten Diese Entwicklungen sowie die zunehmende Komplexität von Therapieoptionen in der Krebsmedizin stellen hohe Anforderungen an die behandelnden Ärzte. Niedergelassene KrebsSpezialisten haben sich diesen Herausforderungen gestellt. Die KrebsSpezialisten. Weil Kompetenz und Engagement zählen. BNHO Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland e.v. Sie bieten ihren Patienten in den onkologischen Schwerpunktpraxen eine medizinisch hochqualifizierte Versorgung und behandeln nach den aktuellen wissenschaftlichen Therapiestandards. Dabei koordinieren die niedergelassenen KrebsSpezialisten die gesamte Behandlung innerhalb ihres interdisziplinären und sektorübergreifenden Netzwerks. Dadurch können sich die Patienten trotz der psychisch belastenden Situation, in der sie sich befinden, sicher und geborgen fühlen. Ob Kassen- oder Privatpatient, niedergelassene Krebs- Spezialisten sind gleichermaßen stets erreichbar und vergeben Termine zeitnah. Der BNHO e.v. Um die Rahmenbedingungen für eine solch qualitativ hochwertige ambulante Versorgung jetzt und in Zukunft zu sichern, benötigen die KrebsSpezialisten im vielgliedrigen Gesundheitssystem eine berufspolitische Vertretung. Deshalb haben die niedergelassenen Hämatologen und Onkologen im Mai 2000 einen unabhängigen Berufsverband (BNHO e.v.) gegründet. Der BNHO ist das Sprachrohr der niedergelassenen KrebsSpezialisten Der BNHO vertritt bundesweit die berufspolitischen, wirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen seiner Mitglieder. Der BNHO ist engagiert für Patienten da Der BNHO unterstützt die Entwicklung hochqualifizierter, vernetzter Versorgungssysteme und den Ausbau onkologischer Schwerpunktpraxen zu einer flächendeckenden ambulanten Versorgungsstruktur für Krebspatienten in ganz Deutschland. Onkologische Schwerpunktpraxis Onkologische Schwerpunktpraxen mit gleicher PLZ Die im BNHO zusammengeschlossenen rund 600 niedergelassenen Hämatologen und Onkologen übernehmen in Deutschland mehr als die Hälfte aller medikamentösen Krebstherapien und betreuen in 370 Schwerpunktpraxen über 600.000 Patienten pro Jahr. Der BNHO ist der Verband mit wissenschaftlicher Kompetenz Der BNHO setzt sich für die Weiterentwicklung der modernen onkologischen Versorgung und die Etablierung qualitätssichernder Maßnahmen in der Hämatologie und Onkologie ein. Dabei arbeitet der Verband eng mit wissenschaftlichen Fachgesellschaften sowie mit seinem wissenschaftlichen Institut WINHO zusammen. 7

Stand: 15.2.2016 Herausgegeben vom: BNHO e.v., Geschäftsstelle, Sachsenring 57, 50677 Köln, Tel. 0221-99 87 980, Fax 0221-99 87 98 22 Mail: info@bnho.de, www.bnho.de 8