Hauptberufliche in der Jugendarbeit

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Transkript:

Hauptberufliche in der Jugendarbeit Betritt das neue Land In seinem geheimen Tagebuch während des vielleicht schwierigsten Abschnittes seines Lebens beschreibt Henri J. M. Nouwen Situationen, die ihn prägen herausfordern Angst machen lähmen -... und das Neue, das ihm bevorsteht, noch nicht erkennen lassen. Er schreibt, ohne genau zu wissen, wie es aussehen könnte: Du hast eine Vorstellung davon, wie das neue Land aussieht, doch bist du noch viel zu sehr - wenn auch nicht wirklich in Frieden im alten Land zu Hause. Du kennst seine Wege, seine Freuden und Leiden, seine glücklichen und traurigen Augenblicke. Du hast dort die meisten deiner Tage verbracht. Selbst wenn du weißt, dass du in ihm nicht gefunden hast, wonach dein Herz am meisten verlangt, bist du noch ganz mit ihm verbunden. Es ist ein Teil deiner Selbst geworden. Jetzt heißt es einzusehen, dass du das alte Land verlassen und das neue Land...betreten musst. 1 Abschied nehmen, das Alte verlassen und in das Neue aufbrechen, fällt immer schwer. Selbst wenn ich im Alten nicht mehr glücklich bin, brauche ich viel Kraft für den auch vielleicht nicht immer selbst gewählten Abschied und den Neubeginn. Dies gilt in besonderer Weise für engagierte Hauptamtliche in der Jugendarbeit, weil das Abschied nehmen ein permanenter Prozess ihrer eigenen Persönlichkeitsentwicklung und ihrer Professionalität ist. Aufbruch Seit vielen Jahren begleite ich hauptamtliche Mitarbeitende (besonders Diakoninnen und Diakone) in der Evang. Landeskirche in Württemberg und damit besonders auch in der evang. Jugendarbeit in ihrer beruflichen Biografie und zum Teil auch in ihrem persönlichen Leben. Damit hineinverwoben ist auch meine persönliche und berufliche Lebensgeschichte, weil ich auch zu denen gehörte, die einst beglückt in das Feld Jugendarbeit starteten und irgendwann begriffen habe, dass es auch ein Leben nach der Jugendarbeit geben könnte. Der Regelkreislauf in der evang. Jugendarbeit gilt noch immer: Ausgehend von eigenen Erfahrungen in der Jugendarbeit, geprägt von persönlichen spirituellen Erfahrungen, fällt die Lebensentscheidung, sich hauptamtlich in der evang. Jugendarbeit selbst zu engagieren bzw. eine dementsprechende Ausbildung bei einer diakonisch-missionarischen Ausbildungsstätte 2 oder ein Studium an einer Evang. Fachhochschule zu beginnen. Diese Lebensentscheidungen werden oft noch dadurch unterstützt, dass prägende positive Erfahrungen vorliegen im Umgang mit Hauptamtlichen, die bereits im Dienst als glaubwürdige Vorbilder leben und handeln. Gratwanderung 1 Beseelt von dem Wunsch, bald selbst als Jugendreferentin oder Jugendreferent tätig zu sein, pädagogisch zu handeln, diakonisch zu wirken, verkündigend zu reden wird manchmal die Ausbildung das Studium im inneren Schnelldurchlauf absolviert. Manche sind bereits berufsbegleitend in der evang. Jugendarbeit aktiv und probieren voller Lust das neue Wissen aus. Dabei bleibt aber manchmal das innere Wachstum auf der Strecke, die neu zu lernende Professionalität in ihren Anfängen stecken. Dabei ist dies kein Vorwurf, keine Bewertung, sondern eine alltägliche Erfahrung der Personen, die in den Landeskirchen Verantwortung für hauptamtliche Mitarbeitende tragen. Und eine Erfahrung, die deutlich 1 Henri J. M. Nouven, Die innere Stimme der Liebe, Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1997 2 Feststehender Begriff in der Württ. Landeskirche für unterschiedliche landeskirchlich anerkannte Ausbildungsstätten nach dem Diakonen und Diakoninnengesetz. 1

machen kann, dass, wenn ich zu schnell vorwärts schreite, das Jetzige (Alte) nicht intensiv genug auskoste, mich auch nicht auf das Neue einlassen kann. Konsequenz der Evang. Württ. Landeskirche 1 Neues entdecken, Altes loslassen bedarf der Reflexion; Identifikation mit einer neuen Rolle, einem neuen Aufgabenfeld, der evang. Jugendarbeit, bedarf der Begleitung durch Supervision; geistliche Beauftragung bedarf der Begleitung durch einen Spiritual. Damit dies nicht alles selbst zu organisieren ist, wurde von Personalverantwortlichen entwickelt und steht zur Verabschiedung in der Arbeitsrechtlichen Kommission auf der Tagesordnung, die verpflichtende Fortbildung in den ersten Dienstjahren für Absolventinnen und Absolventen Evang. Fachhochschulen (parallel zur Aufbauausbildung für Absolventinnen und Absolventen der diakonisch-missionarischen Ausbildungsstätten). Was sich auf den ersten Blick vielleicht etwas trocken liest, ist eine wichtige Grundlage/Hilfestellung, damit Hauptamtliche ermutigt werden können, ihre Arbeit im Hier und Jetzt gut zu tun, aber auch befähigt werden, den Zeitpunkt zu erkennen, wann der Aufbruch in das neue Land sinnvoll ist und welche Form der professionellen Begleitung sie dazu benötigen. Im Alltag gefordert Es gibt kaum ein Berufsfeld, in dem so viel Dynamik von Hauptamtlichen erwartet wird, wie im Bereich der Jugendarbeit. Geistig: Neue Aufbrüche geschehen in der Regel durch die junge Generation. Junge Menschen brechen auf, verändern und gestalten ihr Leben und das der Gesellschaft. Sie formen neue Entwicklungen und prägen zukünftige Modelle des Umgangs miteinander. Technische Umwälzungen und industrielle Umbrüche werden permanent durch die nächsten Generationen in die Wege geleitet. Geistlich: Im immer neuen Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Gott und seiner Wirklichkeit sind junge Frauen und Männer je in ihrer Geschlechtlichkeit auf der Suche nach neuen geistlichen Formen, um ihre persönlichen Fragen adäquat beantworten zu können. Sie wollen die vorhandenen auch kirchliche Strukturen berechtigterweise hinterfragen, um ihre eigene geistliche Wirklichkeit zu entwickeln und zu gestalten. Persönlich: Dazu kommen vielfältige Prozesse, in denen junge Menschen stecken. Die einen pubertieren noch heftig, die anderen versuchen in der Adoleszenz ihren eigenen Weg zu entwickeln und permanent kommen neue junge Menschen als Suchende, als Teilnehmende oder als Mitarbeitende in der Jugendarbeit hinzu oder verabschieden sich, um woanders oder mit anderen ihren neuen Weg zu finden. In all diesen Bereichen soll der/die Hauptamtliche fit sein: Kompetent z. B. in der Computerentwicklung und all ihren Anwendungsmöglichkeiten; spritzig im neuen Zweitgottesdienst; einfühlsam in der Begleitung junger Menschen, damit diese ihren Lebensplan entwerfen können und auch ihr geistiges Profil als lebenslanges Fundament entstehen lassen können und durch Krisen hindurch gefestigte Persönlichkeiten erwachsen. Gratwanderung 2 In einem Berufsfeld, das vor Dynamik köchelt, in dem pubertäre Krisen zum Alltag gehören, in dem kontinuierlich Abschied stattfindet und permanent Neues geschieht, in diesem Berufsfeld muss der/die Hauptamtliche selbst auch seine/ihre eigene Persönlichkeit entwickeln, um selbst reifen zu können. Gleichzeitig muss er/sie aber auch einerseits als gereifte Persönlichkeit den jungen Menschen in seiner Wegsuche begleiten und gleichzeitig andererseits der kantige Fels sein, am dem sich eben dieser junge Mensch auch reiben kann, um sein eigenes Profil zu entwickeln. Dazu gehört auch permanent junge Menschen zu verabschieden, damit diese weiter ihren eigenen Lebensweg beschreiten können und täglich 2

neue junge Menschen zu begrüßen, die in der Jugendarbeit hinzukommen mit all ihren Lebensfragen und ihrem geistlichen Hunger. Eine zu große Nähe bzw. zu geringe Distanz verhindert die eigene Reifung und lässt Hauptamtliche in ihrer eigenen Welt verbleiben, die sie dann zwischen Abschied und Neubeginn unendlich und unerlöst pendeln lässt! Konsequenz der Evang. Württ. Landeskirche 2 Hauptamtliche Männer und Frauen in der evang. Jugendarbeit benötigen deshalb einen vertrauensvollen Rahmen, in dem sie die Fülle der Prozesse reflektieren und bearbeiten können. Nur wenn sich Hauptamtliche diesen Fragen stellen, diese Herausforderungen konstruktiv angehen, bleiben sie in ihrem eigenen Reifungsprozess und können Abschiede annehmen und Neues zulassen. Sie können dann auch gelassen prüfen, ob und wie lange ihr Platz noch im Feld Jugendarbeit ist oder ob neues Land betreten werden sollte (muss). Zu diesem vertrauensvollen Rahmen gehören u. a. Kollegiale Beratung Supervision Coaching geistliche Begleitung geistlich-theologische Fortbildung 3. Es gehört aber auch dazu die Bereitstellung von Ressourcen für Fortbildung im Berufsfeld und mögliche Weiterbildung für geplante berufliche Veränderungen. Dazu gehören auch intensive Begleitungen z. B. durch Personalentwicklungsgespräche, damit auch Hauptamtliche spüren, dass sie in diesen schwierigen Aufgaben nicht auf sich alleine gestellt sind (Hinter diesen Stichworten stehen eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen, die hier nicht aufgeführt werden sollen, aber andeutungsweise deutlich machen, welch großer Regelungsbedarf gegeben ist). Exkurs Eine besonders spannende Form der Begleitung wird in der Zeitschrift Organisationsberatung Supervision Coaching aufgegriffen, die auch für kirchliche Mitarbeitende interessant ist. Berufungscoaching Systemisches Coaching in Phasen der (beruflichen) Neuorientierung 4. Dabei versucht der Autor, Prof. Dr. A. Kaiser, aufzuzeigen, wie in Phasen der beruflichen Orientierung für Menschen an beruflichen Wendepunkten aufgrund ihres Lebensthemas eine sinnvolle Beratung möglich ist. Kreuzgang In einem Benediktinerkloster ist der Kreuzgang immer das Zentrum der Anlage. Um von einem Ort innerhalb des Klosters zu einem anderen zu gelangen, muss man in den Kreuzgang hineingehen und ihn dann wieder verlassen, ein direkter Weg ist nicht möglich. Es gibt also immer einen Raum, der Abstand ermöglicht (der Abschied) und eine neue Annäherung zulässt (das Neue). Und es ist immer ein Raum, der Übergänge zulässt und Entscheidungsräume ermöglicht. Es ist der Raum, der die zentrale Frage der hauptamtlichen Mitarbeitenden aufnimmt: Wie lange noch Jugendarbeit? Es ist die Frage, die Hauptamtliche früh erfasst und sie immer wieder in diesen Kreuzgang treibt: Bin ich noch dran an den Fragen der jungen Menschen? Halte ich noch die Hektik dieses Arbeitsfeldes aus? Es ist aber auch der Kreuzgang, in dem ich mir deutlich machen muss: Es gibt kein anderes Berufsfeld, mit so viel Freiheiten, mit unendlich vielen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, von denen ich auch Abschied nehmen müsste, um dann evtl. von 8.30Uhr bis 19.20Uhr oder noch länger im Businessoutfit mit Krawatte, einem Bürojob meinen neuen Aufgaben nachzugehen (Als Jugendarbeiter, der in den Oberkirchenrat gewechselt hat, weiß ich, wovon ich schreibe!). 3 Für Diakone und Diakoninnen nach dem Diakonen und Diakoninnengesetz der Evang. Württ. Landeskirche 4 Organisationsberatung Supervision Coaching Heft 4/05 Jahrgang 12/2005 Verlag für Sozialwissenshaften / GWV Fachverlage, Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden 3

Dazu kommt noch, dass je nach Ausbildungsabschluss nicht alle Möglichkeiten einer beruflichen Veränderung gegeben sind, wie ich es mir vorstelle oder gerne hätte. Gratwanderung 3 Gereift oder noch zwischen den Welten pendelnd stehen Entscheidungen an, die das weitere Leben entscheidend prägen. Schon frühzeitig ist im Feld der hauptamtlichen Jugendarbeit zu klären, ob und wann ich mich aus ihr verabschiede aber nicht zu früh, weil dann keine Identifikation mit dieser wunderbaren Aufgabe möglich ist (In Württemberg bedeutet dies, sich nicht nur mit einem Arbeitsfeld zu identifizieren, sondern auch mit einem Werk 5, das dieses Arbeitsfeld verantwortet und deshalb ein Wechsel in andere Arbeitsfelder aufgrund dieser hohen Identifikation noch einer größeren Überwindung bedarf). Also: Wann und wie verabschiede ich mich aus diesem Feld pulsierendem Lebens, das auch mir die Möglichkeit eröffnet, vielleicht länger als hilfreich jugendlich zu sein? Wobei die Option möglich und auch sinnvoll sein kann, bis zum Eintritt in den Ruhestand im Feld Jugendarbeit in Leitungsaufgaben zu verbleiben. Dies sollte aber geplant sein und nicht als notwendiges Übel verwirklicht werden! Im Übergang, im Kreuzgang stehen Entscheidungen der eigenen Lebensplanung an, mögliche Weiterbildungen für Übergänge gehören geplant und umgesetzt, der Abschied gehört gut vorbereitet und vielleicht bedarf es in der einen oder anderen Lebenssituation der Begleitung durch einen Trauerbegleiter, damit das neue Land betreten werden kann. Konsequenz der Evang. Württ. Landeskirche 3 Weil diese Übergänge wirklich schwierig sind und der intensiven Vorbereitung bedürfen, hat die Landeskirche in der Zwischenzeit einen Fonds aufgebaut, mit dem Hauptamtliche finanziell unterstützt werden können, damit umfangreiche Weiterbildungen möglich sind. Dazu kommen Angebote im Rahmen der geistlich-theologischen Fortbildung, die berufsbiografische Begleitungen und Beratungen ermöglichen, um Kompetenzen für neue Berufsfelder zu erschließen bzw. um Hauptamtliche für neue Berufsfelder zu motivieren. Ebenso sinnvoll und hilfreich sind Angebote des ejw, u. a. des dortigen Personalreferenten, um Hauptamtliche in der Jugendarbeit in ihren Alltagsfragen der Jugendarbeit, aber auch in Zukunftsfragen ihrer eigenen Person zu beraten. Und manchmal fällt trotz aller Theorie der Abschied doch schwerer als man denkt und Einzelne geraten in eine persönliche Krise, die der gesonderten Begleitung bedarf. Abschied und Neubeginn betreffen immer die ganze Persönlichkeit und rufen manchmal überraschende Reaktionen hervor. Manche Personen brennen aus im Laufe vieler Jahre und geraten dann in die Situation der eigenen Handlungsunfähigkeit weshalb sie eine besondere Form der Krisenbegleitung brauchen. Hier bietet die Landeskirche in Kooperation mit der badischen und bayrischen Landeskirche im Haus Respiratio einen Aufenthalt an. Dort können kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Kosten der Landeskirche eine Auszeit nehmen, ihre aktuellen Fragen bearbeiten und neu an Leib und Seele gestärkt in ihren beruflichen Alltag zurückkehren. Eine segensreiche Institution, die auch gerne in Anspruch genommen wird. Betritt das neue Land Anselm Grün, der an vielen Fragen unserer Zeit dran ist, hat sich bereits frühzeitig mit dem Thema Lebensmitte als geistliche Aufgabe 6 befasst. Was ist in welcher Phase unseres Lebens zu klären und welche Konsequenzen für mein weiteres Leben sind damit verbunden? 5 Evangelisches Jugendwerk in Württemberg ejw dass in langer Tradition selbstständig im Auftrag der Landeskirche für die Jugendarbeit verantwortlich ist. 6 Lebensmitte als geistliche Aufgabe, Münsterschwarzacher Kleinschriften 13, Vier-Türme-Verlag 1980 4

Er versucht dies an Fragen der Lebensmitte zu verdeutlichen, auch verbunden mit der Fragestellung: Was ist an Altem zu lassen was an Neuem zu gewinnen, Abschied und Neubeginn. Und er macht deutlich, dass es sich lohnt, auch wenn es manchmal schmerzhaft ist, sich dieser Frage zu stellen, sie im Alltag zu leben, weil nur so Entwicklung möglich ist und Reifung geschieht. Und Reifung nur dort geschehen kann, wo ich mich in der Begegnung mit Gott meinen Fragen und meiner Berufung stelle. Betritt das neue Land als Herausforderung, in Abschied und Neubeginn zu reifen und die eigene Berufung zu erkennen und zu leben! Dieter Hödl Diakon/Kirchenrat 5