Optimierte Stabilität von Hochleistungs-Präzisionsschleifmaschinen planlauf GmbH, Aachen Kreuztal, 03. März 2015 Dr.-Ing. Severin Hannig
planlauf GmbH Messung / Berechnung von Maschinen und Prozessen Frequenzgangmessung Modalanalyse Produkte und Dienstleistungen: Messung Verlagerungen / Zerspankräfte Schwingungen / Steifigkeiten Modalanalyse / Frequenzgänge Geometrie / dyn. Spindelrundlauf Boden- / Fundamentanalysen Langzeitüberwachung von Maschinen Messung Berechnung Berechnung Berechnung der Strukturmechanik Mechatroniksimulation Zerspansimulation Fundamentanalyse Werkzeugberechnung Maschinensimulation Zerspansimulation Entwicklung Schwingungserreger und -dämpfer Messelektronik Mess- und Berechnungsprogramme 2
Gliederung Prozessstabilität statt Schwingungen beim Präzisionsschleifen Herausforderungen für die Schleifmaschinenkonstruktion Methoden zur Schwachstellenerkennung und -vermeidung Maßnahmen zur Stabilitätsoptimierung beim Walzenschleifen Zusammenfassung 3
Ratterschwingungen ein allgegenwärtiges Risiko der Feinbearbeitung 1 Relative dynamische Nachgiebigkeit in X [µm/n] Biegeeigenschwingung des gespannten Werkstücks Y Z X Charakteristik des Ratterns am allgemeinen Beispiel einer Außenrund- Schleifmaschine Selbstverstärkende Schwingung 0,1 Ursache ist eine Resonanzstelle der Maschine/Werkstück/Spannvorrichtung Schwingungsfrequenz ist ohne Drehzahlproportionalität von Massen- / Steifigkeitseigenschaften abhängig 0,01 0 100 200 300 400 500 600 Frequenz [Hz] Auftreten leicht oberhalb einer dominanten Resonanz der Maschine Werkstück mit Rattermarken Bei kurzen Wellenlängen z.t. als Facetten sichtbar, bei größeren Wellenlängen oft nur messbar 4
Selbsterregte Schwingungen der werkstückseitige Regenerativeffekt F c + F Stör F c Werkstück Schleifscheibe Zeitpunkt T 1 Zeitpunkt T 2 F c F c Zeitpunkt T 3 Zeitpunkt T 4 Der Mechanismus des Ratterns T 1 : Äußere Störkräfte erzeugen eine Relativverlagerung zwischen Scheibe und Bauteil. T 2 : Die resultierende Schwingung klingt dämpfungsbedingt wieder ab. T 3 : Nach einer Werkstückumdrehung führt die Welligkeit im Schleifspalt zu einer Schleifkraftänderung. T 4 : Die Schleifkraftschwankung führt zur erneuten, verstärkten Auslenkung und zur Welligkeitsverstärkung. Hinweis: Ein ähnlicher Ablauf ist auf der Scheibenseite beim Schleifen und beim Abrichten möglich! 5
Schwingungsprobleme sind komplex und vielfältig aber lassen sich nach Herkunftsort klassifizieren Abrichteinheit: Kippen/Schieben der Abrichtschlitten/Gehäuse Biegung/Schieben/Torsion der Abrichtspindel Eigenverformung des Abrichtwerkzeugs Werkstückeinheit Kippen/Schieben von Schlitten/Gehäuse/Spindelstock Biegung/Schieben/Torsion von Spindel/Spannfutter/Werkstück Eigenverformung des Werkstücks Sonstige Ursachen: Unwuchtanregung Geom. Rundlaufabweichung Steigungsfehler der KGT Lagerschäden Riemenschwingungen Pumpenpulsationen Schleifeinheit Grundmaschine: Kippen/Schieben von Schlitten/Gehäuse/Spindelstock Kipp-/Pendelschwingung von Ständern Biegung/Schieben/Torsion von Spindel/Flansch/Scheibe Aufstellschwingung des Maschinenbetts Plattenschwingung von Scheibe/Werkzeug 6
Schwingungsprobleme treten an allen Schleifmaschinentypen auf die Ursachen sind jedoch nicht gleichmäßig verteilt Prozentuale Verteilung der Ratterursachen: Sonstige (Unwucht/Rundlauf) 19,8% Schwingung der Abrichteinheit 9,3% Schwingung der Werkstückeinheit 17,4% Schwingung der Schleifeinheit 46,5% Schwingung der Grundmaschine 7% Anteil der Schwingungsursachen [%] 0 10 20 30 40 Statistik: Messtechnische Problemanalysen an 62 Schleifmaschinen unterschiedlicher Größe und Typ: 16 Außenrundschleifmaschinen (zwischen Spitzen) 4 Innenrundschleifmaschinen 11 Portal- oder Ständerschleifmaschinen (große Bauformen) 9 Flach- oder Profilschleifmaschinen (ein- und doppelspindlig) 12 Spitzenlosschleifmaschinen 10 Sonstige Schleifmaschinen (Verzahnung- / Messer- etc.) Hinweis: Schwingungsprobleme mit mehreren Ursachen wurden auch mehreren Bereichen zugeordnet. 7
Gliederung Prozessstabilität statt Schwingungen beim Präzisionsschleifen Herausforderungen für die Schleifmaschinenkonstruktion Methoden zur Schwachstellenerkennung und -vermeidung Maßnahmen zur Stabilitätsoptimierung beim Walzenschleifen Zusammenfassung 8
Walzenschleifen eine besondere Herausforderung für die dynamische Prozessstabilität Die Maschinenentwicklung muss zwei wesentliche Anforderungen erfüllen: Hohe dynamische Stabilität beim Leistungs-Schruppschleifen Hohe Schleifpräzision und Rundheitsgenerierung beim Feinschlichten Besondere Herausforderungen des Walzenschleifens: Schwere, weit auskragende Werkstücke Risiko Walzenbiegeschwingungen Schwere Schleifscheiben mit großen Schleifbreiten Risiko Spindelschwingungen Hohe Schleifkräfte durch große Schleifbreiten Risiko Gesamtmaschinenschwing. Große Messwege bei der Überprüfung des Messergebnisses Risiko Messarmschwingungen 9
Walzenschleifmaschinen die dynamische Leistungsfähigkeit wird schon in der Entwicklungsphase entschieden Wichtige, gewünschte Eigenschaften einer Walzenschleifmaschine: Führungssysteme (z.b. Hydrostatik) mit dämpfenden Eigenschaften bei hoher Steifigkeit vermeiden Kippschwingungen der Schlitten. Spindel-Lagersysteme (z.b. Hydrostatik) mit hoher Laufruhe bei ausreichender Dämpfung vermeiden Spindeleigenschwingungen. Scheibenflansch und Scheibe mit steifer Anbindung zur Spindel vermeiden Kippschwingungen des Flansches. Spindelstock, Reitstock und Schlitten mit flachem Aufbau reduzieren das Risiko von Kippschwingungen der Maschinenaufbauten. Abrichter mit flachem, gedrungenem Aufbau reduziert die Gefahr von Abrichterschwingungen. Fundamentierung und Maschinenaufstellung mit hoher Kontaktsteifigkeit vermeiden Aufstellschwingungen. Messsysteme aus leichten, eigensteifen Materialien vermeiden Schwingungen bei der Walzenvermessung. Setzstöcke mit breitem Aufbau und flächigen Spannbacken reduzieren das Risiko von Walzeneigenschwingungen. 10
Gliederung Prozessstabilität statt Schwingungen beim Präzisionsschleifen Herausforderungen für die Schleifmaschinenkonstruktion Methoden zur Schwachstellenerkennung und -vermeidung Maßnahmen zur Stabilitätsoptimierung beim Walzenschleifen Zusammenfassung 11
Maschinenentwicklung: FE-Maschinensimulationen zur frühzeitigen Erkennung und Vermeidung dynamischer Schwachstellen CAD-Modell der Maschine Maschinensimulation: FE-Modellierung und flexible Mehrkörpersimulation der Maschine Berücksichtigung aller Strukturkomponenten, Spindeln, Führungsbahnen, Lagerungen und der Aufstellung / Fundamentierung Kopplung der Antriebsregelung X Y Z Berechnungsmöglichkeiten: Statische Steifigkeiten Nachgiebigkeitsfrequenzgänge Modalanalyse / Eigenschwingungen Aufstellungs- / Fundamenteinfluss Wandstärkenoptimierung Auslegung von Hilfsmassendämpfern Flexibles Mehrkörpermodell mit Schwingfundament des Kunden Keine Aufgabe von Monaten: Zeitaufwand für die Berechnung einer Gesamtmaschine inkl. Varianten: ca. 5 7 Tage 12
Maschinenentwicklung: Messtechnische Prozess- und Maschinenanalyse Scan der Schleifoberfläche Dyn. Nachgiebigkeit Schleifseite Werkstück Analyse der zerspanten Oberflächen Schwingungsanalyse der Prozesse Frequenz Shakeranregung Maschinensteifigkeitsanalyse Komplettuntersuchung: Messung vor Ort: Vorauswertung: Ergebnisbericht: Gesamt: davon: Maschinenstillstand: Ergebnis nach: Zeitaufwand 1-2 Tage sofort 2 5 Tage 4 7 Tage 1 2 Tage 4 7 Tagen Dyn. Nachgiebigkeit X C B Beurteilung von Verbesserungsmaßnahmen A: Prozessänderungen B: Versteifung von Komponenten C: Bedämpfung der Maschinenstruktur Frequenz D: Schwachstellenanalyse/Maßnahmen Gesamt- und Detailmodalanalysen Z X Y 13
Prozessuntersuchung: Ausrüstung der Maschine mit Sensoren Schleifspindelstock Reitstock Setzstock A Setzstock B Werkstückspindelstock 14
Prozessuntersuchung: Niedriges Schwingungsniveau beim Schleifen Zeitbereich: Schwingungsniveau in 3 Richtungen Y Z X Frequenzbereich: Frequenzanteile im zeitlichen Verlauf Betrachtung der X-Richtung Abricht- und Schleifprozessanalyse Messung in jeweils 3 Richtungen Auswertung im Zeit- und Frequenzbereich Ermittlung und Bewertung der wesentlichen Schwingungsbereiche, -amplituden und -frequenzen 15
Prozessuntersuchung: Bewertung und Optimierung der Oberflächen Schleifergebnis mit ungünstigen Prozessparametern Abtastung der Oberflächen Schneller Scan der Oberfläche zur Beurteilung möglicher Welligkeitsanteile mit räumlicher Ausdehnung Schleifergebnis mit günstigen Prozessparametern 16
Nachgiebigkeit Maschinenuntersuchung: Das dynamische Steifigkeitsverhalten von Maschine und Walze bestimmt die Prozessstabilität Gemessene Resonanzstellen der Walze (am Kran hängend) C-förmige Eigenschwingung Hinweis: Die Auflage auf den Setzstöcken wird die Resonanzen deutlich dämpfen. S-förmige Eigenschwingung W-förmige Eigenschwingung Frequenz Dynamisches Steifigkeitsverhaltens: Erfassung der wesentlichen Resonanzen von Maschine und Walze Abgleich der Resonanzfrequenzen mit möglichen Schwingungsanteilen im Schleifprozess Betrachtung der Dämpfung der Walzeneigenschwingung durch die Auflage auf den Setzstöcken 17
Maschinenuntersuchung: Ermittlung und Bewertung der Eigenschwingungsformen von Maschine und Walze S-Bett Z-Schlitten S-Motor X-Schlitten (Support) Schleifscheibe Spindel (S) W-Motor W-Bett Reitstock Setzstock A Werkstück (W) Setzstock B Messpunktegitter der Maschine mit 400 Messpunkten W-Spindelstock Fixator Boden Modalanalyse: Relative oder absolute Anregung Gerichtete oder räumliche Anregung Messung der Maschinenbewegung an 200 600 Messpunkten Darstellung aller Messpunkte und Animation der kritischen Bewegungsformen 18
Gliederung Prozessstabilität statt Schwingungen beim Präzisionsschleifen Herausforderungen für die Schleifmaschinenkonstruktion Methoden zur Schwachstellenerkennung und -vermeidung Maßnahmen zur Stabilitätsoptimierung beim Walzenschleifen Zusammenfassung 19
Nachgiebigkeit Realteil Phase Hydrostatik vs. Wälzlagerung Vorteile im Dämpfungsverhalten Radialer Nachgiebigkeitsfrequenzgang -95% Wälzgelagerte Spindel Hydrostatisch gelagerte Spindel Die hydrostatische Lagerung dämpft die kritische Biegeeigenschwingung der Spindel um -95% und erhöht damit deutlich die Prozessstabilität. Statik 0,00357 µm/n Statik 280,15 N/µm 144,50 Hz / 0,07344 µm/n 433,00 Hz / 0,00040 µm/n 555,00 Hz / 0,00034 µm/n Statik 0,00183 µm/n Statik 545,39 N/µm 216,00 Hz / 0,00402 µm/n Wälzgelagerte Spindel Hydrostatisch gelagerte Spindel Frequenz 20
Maschinenaufstellung: Erhöhung des Steifigkeitsniveau im Schleifspalt bei ausreichender Fundamentierung X Y Z Anteile der einzelnen Komponenten an der Gesamtverformung Führungen Werkstück Fundament Setzstöcke Schleifbett Reitstock Spindelstock Z-Schlitten Mit Schwingfundament des Anwenders wird eine gleichmäßige Verteilung der Verformungsanteile erreicht Werkstückbett Schleifspindel und -scheibe X-Schlitten 21
Ratterfrequenz Drehfrequenz Werkstück Nachgiebigkeit Prozessführung: Drehzahlmodulation als Werkzeug zur Schleifprozessstabilisierung Resonanzverhalten der Walze Df R : Variationsbereich der Ratterfrequenz f W +/- Df W Walze Scheibe Frequenz Df R f R f W f W +/- Df W Df W Schleifzeit Df W : Modulation der Werkstückdrehfrequenz Drehzahlmodulationen: Schleifdrehzahlmodulation: Reduziert den Einfluss durch die geometrische bzw. massebedingte Restunwucht Werkstückdrehzahlmodulation: Stört die Welligkeitsbildung durch den regenerativen Rattereffekt über mehrere Überschliffe 22
Gliederung Prozessstabilität statt Schwingungen beim Präzisionsschleifen Herausforderungen für die Schleifmaschinenkonstruktion Methoden zur Schwachstellenerkennung und -vermeidung Maßnahmen zur Stabilitätsoptimierung beim Walzenschleifen Zusammenfassung 23
Zusammenfassung Verschiedenste Schwingungseinflüsse können die Werkstückqualität beim Schleifen reduzieren. Die Entwicklung von Walzenschleifmaschinen muss die Anforderungen hohe dynamische Stabilität beim Leistungsschleifen und hohe Schleifpräzision beim Feinschlichten kombinieren. Modernste Simulationsverfahren helfen bereits frühzeitig bei der Optimierung des statischen und dynamischen Steifigkeitsverhalten einer Walzenschleifmaschine. Bewährte Messstrategien zur Schwingungs- und Steifigkeitserfassung ermöglichen eine schnelle und systematische Maschinen- und Prozessanalyse. Beispiele zeigten die Relevanz einer guten Maschinenfundamentierung und einer Schleifspindel mit hohem Dämpfungsverhalten zur vollen Nutzung der dynamischen Leistungsfähigkeit einer Walzenschleifmaschine. 24
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! planlauf GmbH Steinbachstraße 25 52074 Aachen Telefon 0241 / 568 2768-0 Telefax 0241 / 568 2768-98 www.planlauf.com Heinrich Georg GmbH Langenauer Str. 12 57223 Kreuztal Telefon 02732 / 779 306 wzm@georg.com Ihr Ansprechpartner Dr.-Ing. Severin Hannig Telefon 0241 / 568 2768-11 s.hannig@planlauf.com 25