IVc /000. Rundschreiben

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Transkript:

14. November 2007 IVc 1 46651 8 511 2258 04/000 Rundschreiben Kostenerstattung zwischen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge in Fällen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) In der Sitzung der Arbeitsgruppe Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) vom 07. bis 09. März 2007 in Naumburg war das Kostenerstattungsverfahren gemäß 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zwischen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge in Fällen nach dem OEG Gegenstand der Diskussion. Zwischen diesen beiden Sozialleistungsträgern ist es in letzter Zeit zu Unstimmigkeiten gekommen, weil die Kriegsopferfürsorgeträger in einigen Fällen keine oder keine vollständige Kostenerstattung an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe vorgenommen haben. Teilweise haben Träger der öffentlichen Jugendhilfe angekündigt, aus diesem Grund die weitere Förderung nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) von Beschädigten oder Waisen, bei denen ein Anspruch nach dem OEG gegeben ist, einzustellen. Es wurde ein gemeinsames klarstellendes Rundschreiben von BMAS und BMFSFJ angeregt. Vor diesem Hintergrund weisen wir für das Kostenerstattungsverfahren zwischen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge auf folgende rechtlichen Grundsätze hin: I. Realisierung des Nachranges der Kinder und Jugendhilfe im Wege der Kostenerstattung Das Verhältnis der Leistungen nach dem SGB VIII zu den Leistungen der Kriegsopferfürsorge ergibt sich aus 10 Abs. 1 SGB VIII. Danach sind Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, gegenüber den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe vorrangig. Das bedeutet, dass sich ein Leistungsträger seiner Verpflichtung nicht unter Hinweis auf eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe entziehen kann. Der Vorrang der Verpflichtung anderer gilt jedoch nur soweit die vorrangige Leistung

Seite 2 von 8 tatsächlich realisiert oder demnächst realisiert werden kann. Leistet z. B. der vorrangig verpflichtete Leistungsträger nicht, obwohl er nach seinen Bestimmungen dazu verpflichtet wäre, so greift der Nachrang der Kinder- und Jugendhilfe. Im Kontext einer Leistung der Kinder- und Jugendhilfe ist zudem zu beachten, dass dort Gegenstand der Leistung nicht die wirtschaftliche Sicherstellung des Bedarfs durch die Gewährung einer Geldleistung, sondern die unmittelbare Deckung des psychosozialen Bedarfs in Form einer personenbezogenen sozialen Dienstleistung ist. Dazu zählt auch die Steuerung des Hilfeprozesses durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach 36 SGB VIII als unverzichtbare pädagogische Begleitung jeder Hilfe zur Erziehung oder Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche. Der damit verbundene hohe fachliche Anspruch kann nur unter Einsatz von entsprechend ausgebildeten und geschulten Fachkräften erfüllt werden. Besteht ein inhaltsgleicher Anspruch gegenüber dem Träger der Kriegsopferfürsorge, der von diesem vorrangig zu erfüllen ist, so ist zu beachten, dass dieser über keine der Steuerungsverantwortung der Kinder- und Jugendhilfe entsprechende Möglichkeit der Hilfesteuerung verfügt. Würde dies von ihm verlangt, so müsste ein Parallelsystem zur Kinder- und Jugendhilfe entwickelt werden. Eine solche Forderung würde jedoch dem Grundsatz der Verwaltungseffizienz zuwiderlaufen. Besteht Anspruch auf eine erzieherische Hilfe oder eine Leistung der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche sowohl gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe als auch gegenüber dem Träger der Kriegsopferfürsorge, so wird deshalb empfohlen, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe in Vorleistung tritt, er also auf der Grundlage seiner Hilfeplanung die Hilfe gewährt (vgl. Landeswohlfahrtsverband Baden: OEG, Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten [Opferentschädigungsgesetz], Arbeitshilfe für die praktische Fallbearbeitung in der Jugendhilfe, Stand: Oktober 2001, S. 13). Der Nachrang der Kinderund Jugendhilfe wird anschließend im Wege der Kostenerstattung wiederhergestellt. Dieses Prinzip entspricht auch dem Verhältnis der Pflicht zur Selbsthilfe gegenüber Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Um das Wohl der betroffenen Kinder und Jugendlichen sicherzustellen, darf der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht auf die Pflicht zur Selbsthilfe verweisen (Schindler, in: Münder/Wiesner, Handbuch KJHR, 2007, Kap. 5.5 Rn. 4). Vielmehr ist er gemäß 91 Abs. 5 SGB VIII zur Vorleistung verpflichtet und stellt den Nachrang seiner Leistung im Wege der Kostenbeteiligung wieder her. Zur Vermeidung von Erstattungsstreitigkeiten wird deshalb empfohlen, dass beide Leistungsträger schon vor der Leistungsentscheidung kooperieren. Beispielsweise könnten die Träger der Kriegsopferfürsorge die Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Erstellung eines Hilfeplanes unterstützen, indem sie darüber informieren, ob und in welchem Umfang die Kosten der erbrachten Leistungen erstattet werden können.

Seite 3 von 8 II. Kostenerstattung nur bei Bestehen eines Anspruches gegen den Träger der Kriegsopferfürsorge Wenn ein vorrangiger Anspruch der Betroffenen gegen den Träger der Kriegsopferfürsorge nicht vorhanden ist, so kann der Träger der öffentlichen Jugendhilfe von diesem keine Kostenerstattung verlangen. Ein wichtiger Grund, warum gegen den Kriegsopferfürsorgeträger kein Anspruch besteht, ist die fehlende medizinische oder wirtschaftliche Kausalität. Häufig sind auch Fälle, in denen die Opfer so hohes Einkommen oder Vermögen haben, dass Leistungen nach dem OEG i. V. m. dem BVG vollständig oder teilweise ausgeschlossen sind. Außerdem sind Fallgestaltungen denkbar, in denen keine Kostenerstattung möglich ist, weil der Träger der Kinder- und Jugendhilfe Leistungen erbringt, die der Leistungskatalog nach dem BVG nicht vorsieht. Im Einzelnen geht es um folgende Konstellationen: a.) Keine Kostenerstattung bei fehlender Kausalität Die Leistungen der Kriegsopferfürsorge setzen einen speziellen Kausalzusammenhang voraus. Gemäß 25a Abs. 1 BVG werden Leistungen der Kriegsopferfürsorge erbracht, wenn und soweit die Beschädigten infolge der Schädigung und die Hinterbliebenen infolge des Verlustes des Angehörigen nicht in der Lage sind, ihren anzuerkennenden Bedarf aus den übrigen Leistungen des BVG und dem sonstigen Einkommen und Vermögen zu decken. Bei der Kausalitätsprüfung in der Kriegsopferfürsorge wird zwischen medizinischer und wirtschaftlicher Kausalität unterschieden: Der Träger der Kriegsopferfürsorge entscheidet nicht selbst über den Anspruch auf Versorgung gemäß 1 OEG, sondern ist an die Feststellung der Versorgungsverwaltung gebunden. Im Rahmen des Erstanerkennungsverfahrens entscheidet die Versorgungsverwaltung darüber, ob eine Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge anzuerkennen ist. Auf dieser Grundlage erfolgt die Prüfung der Kausalität durch die Träger der Kriegsopferfürsorge. Die Schädigung bzw. der Verlust des Angehörigen muss darüber hinaus einen wirtschaftlichen Schaden des Berechtigten verursacht haben (sog. wirtschaftliche Kausalität). Der Ursachenzusammenhang wird nach 25a Abs. 2 Satz 3 BVG (neu) bei bestimmten Personengruppen stets unwiderlegbar angenommen: bei Beschädigten, die eine Grundrente mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und Berufsschadensausgleich oder die eine Pflegezulage erhalten,

Seite 4 von 8 bei Schwerbeschädigten (das sind Personen mit einem Grad der Schädigungsfolgen von wenigstens 50), die das 60. Lebensjahr vollendet haben, bei Hinterbliebenen, die voll erwerbsgemindert oder erwerbsunfähig im Sinne des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind oder das 60. Lebensjahr vollendet haben. Bei den sonstigen Berechtigten wird das Vorliegen der wirtschaftlichen Kausalität vermutet, sofern nicht das Gegenteil offenkundig oder nachgewiesen ist (widerlegbare Rechtsvermutung; 25a Abs. 2 Satz 1 BVG). Probleme bei der Beurteilung der Kausalität kann es z.b. dann geben, wenn mehrere Ursachen für die Bedürftigkeit von Bedeutung sind. Dann ist die Theorie der wesentlichen Bedingung heranzuziehen. Diese Kausalitätstheorie setzt voraus, dass die Schädigung wesentliche Bedingung des Unvermögens ist, nicht aber dass sie die alleinige Ursache ist. Wenn andere Umstände für das Unvermögen mitverantwortlich sind, dann muss die anerkannte Schädigungsfolge aber zumindest annähernd gleichwertig gegenüber den anderen Ursachen sein. Wenn anderen Ursachen die überwiegende Bedeutung für das Unvermögen zukommt, ist die wirtschaftliche Kausalität nicht gegeben. Je nachdem, welchem Personenkreis der Betroffene angehört, sind für die Prüfung der wirtschaftlichen Kausalität spezielle Prüfkriterien anzuwenden. Insbesondere bei minderjährigen Betroffenen kann nicht nur auf die wirtschaftlichen Umstände abgestellt werden. Für minderjährige Beschädigte und Waisen nach dem OEG setzen Leistungen der Kriegsopferfürsorge deshalb einen kausalen Bezug zur Schädigung voraus. So muss ein Ursachenzusammenhang zwischen anerkannter Schädigungsfolge bzw. zwischen dem Verlust des Ernährers einerseits und dem geltend gemachten Bedarf andererseits gegeben sein. Dies bedeutet, dass Leistungen der Kriegsopferfürsorge in diesen Fällen nur dann in Betracht kommen, wenn Bedarfe auf der als Schädigungsfolge anerkannten Gesundheitsstörung oder dem Verlust des Ernährers beruhen. Aus diesen Grundsätzen der Kausalität in der Kriegsopferfürsorge ist für das Kostenerstattungsverfahren zwischen den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge Folgendes zu beachten: An der wirtschaftlichen Kausalität als Voraussetzung von Leistungen der Kriegsopferfürsorge kann es z.b. dann fehlen, wenn die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht aufgrund einer Gewalttat im Sinne des OEG erforderlich werden, sondern zum Beispiel wegen einer erheblichen gesundheitlichen Vorschädigung des Opfers oder wegen vorangehender

Seite 5 von 8 schwerwiegender sozialer Belastungen. In Fällen, in denen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bereits Leistungen an die Berechtigten erbracht haben, bevor diese Opfer einer Gewalttat wurden, ist das Vorliegen einer für Leistungen der Kriegsopferfürsorge erforderlichen Ursache - also einer als Gesundheitsstörung anerkannten Schädigungsfolge bzw. der Verlust des Ernährers (s. o.) - zweifelhaft. Eine Kostenerstattung durch den Träger der Kriegsopferfürsorge kann deshalb ggf. ausgeschlossen sein (vgl. Teilabschnitt 16.2.5.1.2 der Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge). In solchen Fällen wäre es hilfreich, wenn die Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit Zustimmung der Leistungsberechtigten die Unterlagen, aus denen sich der Leistungsbezug nach dem SGB VIII vor der Gewalttat ergibt, den Trägern der Kriegsopferfürsorge zur Verfügung stellen könnten. Ebenso wenig liegt die wirtschaftliche Kausalität in den Fällen vor, in denen nach dem OEG leistungsberechtigte Waisen gar nicht von dem verstorbenen Elternteil unterhalten wurden (vgl. im Einzelnen Teilabschnitt 16.2.5.1.3 der Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge). Wenn der Kriegsopferfürsorgeträger wegen fehlender Kausalität keine Kostenerstattung vornehmen kann, ist auch die Billigkeitsvorschrift des 25a Abs. 2 Satz 2 BVG nicht anwendbar. Die Leistung aus Billigkeit kommt nur in Betracht, wenn sich direkte Nachteile für den Betroffenen ergeben. Das ist im Erstattungsverfahren aber nicht der Fall. b.) Keine Kostenerstattung in Folge unterschiedlicher Regelungen zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen Wenn Beschädigte bzw. Hinterbliebene Ansprüche auf Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach dem OEG i. V. m. dem BVG haben, können diese aufgrund unterschiedlicher Vorschriften zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen hinter den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zurückbleiben. Beispielsweise haben Kinder und Jugendliche nach 94 Abs. 6 SGB VIII nur Einkommen einzusetzen. Diese Personengruppe muss dagegen in der Kriegsopferfürsorge gemäß 25a Abs. 1 BVG Einkommen und Vermögen einschließlich des Vermögens aus angesparter Grundrente, das über dem kriegsopferfürsorgerechtlichen Vermögensschonbetrag nach 25f BVG liegt, einsetzen. Der Träger der Kriegsopferfürsorge braucht dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur das zu erstatten, was er selbst bei direkter Leistung an den Berechtigten zu erbringen hätte. Dies ergibt sich bereits aus der in 104 Abs. 3 SGB X getroffenen Regelung, wonach sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften richtet. Dieser Grundsatz liegt auch in den verschiedenen Zielrichtungen beider Leistungssysteme begründet. Leistungen nach dem SGB VIII zählen im

Seite 6 von 8 System der sozialen Sicherung zu den Leistungen der sozialen Förderung, Kriegsopferfürsorgeleistungen hingegen zu den sozialen Hilfen. Im Leistungssystem des SGB VIII ist - im Unterschied zur Kriegsopferfürsorge - die materielle Bedürftigkeit und das Unvermögen, die erforderlichen Hilfeleistungen selbst zu finanzieren, nicht Leistungsvoraussetzung. Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind lediglich für eine spätere Kostenbeteiligung des Anspruchsinhabers oder ihm nahe stehender Personen maßgeblich (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten, in JAmt 2006, S. 236 f). In der Praxis können die unterschiedlichen Regelungen zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen insbesondere dann zu verschiedenen Ergebnissen führen, wenn die Grundrente über den Vermögensschonbetrag hinaus angespart wird. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben sich darauf verständigt, den Einsatz dieses Vermögens auch dann nicht zu verlangen, wenn dies nach 94 Abs. 6 SGB VIII möglich wäre. Dies entspricht nicht den Vorgaben der Träger der Kriegsopferfürsorge, die in diesem Fall grundsätzlich die angesparte Grundrente als Vermögen des Beschädigten anrechnen müssen. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass den verschiedenen Regelungen zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen auch unterschiedliche Zwecke zugrunde liegen: Die Leistungen der Jugendhilfe kommen nur für Kinder, Jugendliche und - eingeschränkt - für junge Volljährige in Betracht und sind damit auf bestimmte Lebensabschnitte begrenzt. Das Anliegen der Jugendhilfe, jungen Menschen für die Zeit nach dem Leistungsbezug Mittel zu belassen, die sie aus geschütztem Einkommen angespart haben, ist damit aus ihrer Sicht sinnvoll und unterstützenswert. Die Leistungen für Beschädigte nach dem OEG i. V. m. dem BVG jedoch unterliegen nicht diesen engen zeitlichen Einschränkungen. Erwachsene Beschädigte nach dem OEG erhalten weiterhin ihre Versorgungsbezüge und können für anzuerkennende Bedarfe auch weiterhin Leistungen der Kriegsopferfürsorge erhalten. Der Vorsorge- und Anspargedanke der Jugendhilfe greift damit in der Kriegsopferfürsorge nicht. Aus diesem Grund wird eine Übertragung der Anrechnungsvorschriften nach dem SGB VIII in das System der Kriegsopferfürsorge abgelehnt. Außerdem bestehen in der Kriegsopferfürsorge bereits sehr großzügige Vorschriften zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen, die nicht noch ausgeweitet werden können. Bei ausschließlich schädigungsbedingtem Bedarf ist nach 25c Abs. 3 Satz 2 BVG kein Einkommen und nach 25f Abs. 1 BVG i. V. m. 25c Abs. 3 Satz 2 BVG kein Vermögen einzusetzen. Ein ausschließlich schädigungsbedingter Bedarf liegt immer dann vor, wenn der Zusammenhang zwischen der anerkannten Schädigung und dem geltend gemachten Bedarf besonders eng ist, so dass der Bedarf ohne die Schädigung nicht vorhanden wäre (vgl. Abschnitt 12.2 der Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge. Hier sind auch zahlreiche Beispiele für ausschließlich schädigungsbedingte Bedarfsfälle genannt).

Seite 7 von 8 Weiterhin werden in der Kriegsopferfürsorge bei der Anrechnung von Vermögen Schonbeträge berücksichtigt, die deutlich über denen im Bereich der Sozialhilfe liegen. Es geht also stets nur um die Anrechnung des Vermögens, das über die Schonbeträge hinausgeht. Allerdings erfolgt bei jeder Erstattungsanforderung eine erneute Prüfung, ob und in welcher Höhe Vermögen oberhalb der Schongrenze vorhanden ist. Ein bei der vorhergehenden Erstattung bereits angerechneter Betrag ist - soweit weiterhin vorhanden und nicht verbraucht - erneut anzurechnen. Der im Bereich der Kriegsopferfürsorge geltende Grundsatz, dass Vermögen aus angesparter Grundrente oberhalb des Vermögensschonbetrages anzurechnen ist, wird darüber hinaus verständlicher, wenn man den Sinn und Zweck der Grundrente betrachtet. Diese Rentenleistung soll eine Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit sein und die hierdurch bedingten Mehraufwendungen und Ausgaben ausgleichen (BSG, Urteil vom 28. Juli 1999 - B 9 VG 6/98 R-). Dies gilt auch für die Hinterbliebenengrundrente, die nicht nur einen ideellen Charakter hat, sondern auch das Ziel einer Linderung der wirtschaftlichen Folgen durch den Verlust des Ernährers verfolgt. Eine Linderung der wirtschaftlichen Folgen wird in den meisten Fällen aber gerade nicht durch ein Ansparen der Grundrente, sondern durch den Verbrauch derselben erreicht. c.) Keine Kostenerstattung in Folge verschiedener Leistungskataloge im SGB VIII und in der Kriegsopferfürsorge In Einzelfällen kann fraglich sein, welche Leistungen unter welchen Voraussetzungen von den jeweiligen Trägern überhaupt gewährt werden können. In der Praxis kommt es hierbei besonders dann zu Unklarheiten, wenn der Träger nach dem SGB VIII Hilfe zur Erziehung nach den 27 ff. SGB VIII leistet und vom Träger der Kriegsopferfürsorge Kostenerstattung für Erziehungsbeihilfe nach 27 BVG verlangt. Die Erziehungsbeihilfe nach 27 BVG ist eine Leistung, die nur Beschädigte für ihre Kinder oder Waisen (von Beschädigten) erhalten können. In den Fällen, in denen Waisen Beschädigter diese Leistung erhalten, korrespondiert die Leistung nach 27 BVG mit den Hilfen zur Erziehung gem. 27 ff. SGB VIII. Kostenerstattung ist also möglich. Sind Kinder oder Jugendliche selbst Beschädigte und erhalten Leistungen nach 27 ff. SGB VIII, kommt eine Kostenerstattung nicht für Leistungen der Erziehungsbeihilfe nach 27 BVG in Betracht, da ein Anspruch von Beschädigten auf diese Leistung nicht besteht. Der Kriegsopferfürsorgeträger muss aber zusätzlich prüfen, ob im Rahmen der Eingliederungshilfe nach 27d Abs. 1 Nr. 3 oder 5 bzw. nach 27d Abs. 2 BVG Kostenerstattung möglich ist.

Seite 8 von 8 III. Zusammenfassung Zusammenfassend ergibt sich Folgendes für die Praxis des Kostenerstattungsverfahrens: 1. Eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe darf nicht unter Hinweis auf die vorrangige Leistungspflicht des Kriegsopferfürsorgeträgers verweigert werden. 2. Der Anspruch auf Kostenerstattung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe besteht nur in Höhe des Anspruchs des Beschädigten (bzw. der Waise) gegenüber dem Träger der Kriegsopferfürsorge. 3. Eine Kostenerstattung kommt nicht in Betracht, wenn keine übereinstimmenden Leistungsansprüche vorliegen. Besteht gar kein Anspruch auf Leistungen nach dem OEG i. V. m. dem BVG, ist eine Kostenerstattung in jedem Fall ausgeschlossen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn a. die Kausalität nach 25, 25a BVG nicht vorliegt, b. im Rahmen der Kriegsopferfürsorge Einkommen- oder Vermögen in einer Höhe zu berücksichtigen ist, die Leistungen vollständig oder teilweise ausschließt, oder c. die gewährte Kinder- und Jugendhilfeleistung nicht zum Leistungskatalog der Kriegsopferfürsorge zählt. Im Auftrag Im Auftrag gez. Marietta Jüchter-Bieber gez. Prof. Dr.Dr. h.c. R. Wiesner