WÄCHTLER UND KOLLEGEN



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Transkript:

RECHTSANWÄLTE WÄCHTLER UND KOLLEGEN HARTMUT WÄCHTLER. ANNEMARIE GAUGEL THOMAS HESSEL. HUBERT HEINHOLD. GISELA SEIDLER NICOLE LEHMBRUCK. MARCO NOLI Hubert Heinhold Stellungnahme für den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft (BT-Drs. 16/3291) 23. Mai 2007 A) Grundsätzliches Der Entwurf will zur Bekämpfung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen zu Zwecken der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit ein befristetes behördliches Anfechtungsrecht einführen. Weder die Gesetzesbegründung noch der Abschlussbericht des Arbeitskreises I der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 07./08.10.04 in Husum können empirisches Material vorlegen noch einen Gesetzesänderungsbedarf überzeugend begründen. In dem einen Jahr des Erhebungszeitraums (01.04.03 bis 31.03.04) erhielten 1.694 unverheiratete, ausländische, ausreisepflichtige Mütter infolge einer Vaterschaftsanerkennung einen Aufenthaltstitel und 1.414 Väter einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung. Die letztgenannte Zahl trägt wenig zur Aufhellung bei, da der Besitz einer Duldung die Ausreisepflicht unberührt lässt ( 60a III AufenthG) und damit unklar ist, ob sich der Status der Väter durch die Vaterschaftsanerkennung verbessert hat. Insgesamt wird man wohl von circa 2.000 Fällen pro Jahr ausgehen können, bei denen ein ausländischer Elternteil von einer Vaterschaftsanerkennung profitiert hat. Unklar ist der Prozentsatz derjenigen, die auch so (vielleicht später und auf einer anderen Rechtsgrundlage) einen Aufenthaltstitel bekommen hätten. Die Vergangenheitsform ist an dieser Stelle wichtig, da der Erhebungszeitraum 01.04.03 bis 31.03.04 war. Während dieses Zeitraums hatte sich, unter der Geltung des Ausländergesetzes, ein Berg von circa 220.000 geduldeten Personen angesammelt 1, was den Gesetzgeber des Aufenthalts- 1 Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 07.02.03 (Zuwanderungsgesetz), BT-Drs. 15/420, ging von knapp 227.000 Personen aus, die im Besitz einer Duldung sind, davon circa 25 %, denen die Duldung bereits 1997 oder früher ausgestellt wurde. Rechtsanwälte Wächtler und Kollegen Rottmannstr. 11a 80333 München Telefon (089) 542 75 00 Telefax (089) 54 27 50 11 heinhold@waechtler-kollegen.de www.waechtler-kollegen.de Stadtsparkasse München Konto-Nr. 901 139 816 BLZ 701 500 00 Postbank München Konto-Nr. 288 647 805 BLZ 700 100 80 Steuernummer: 644/14206 USt-ID: DE 130751887 RAin Gaugel: Fachanwältin für Familienrecht RA Wächtler, RAin Lehmbruck, RA Noli: Fachanwälte für Strafrecht

2 gesetzes zur Neuregelung mit dem Ziel der Abschaffung der sog. Dauerduldungen und der Verringerung dieses Personenkreises veranlasste, die Innenministerkonferenz zur sog. Bleiberechtsregelung vom 17.11.06 und den Gesetzgeber des 2. Aufenthaltsänderungsgesetzes 2, das gegenwärtig beraten wird, zur Einführung einer weiteren Bleiberechtsregelung durch 104a AufenthG-E und 104b AufenthG-E. Zum 31.12.06 betrug die Zahl der geduldeten Personen 165.089 3, die Bleiberechtsregelungen werden eine weitere Verringerung der Zahl mit sich bringen. 4 Die Zahl der potentiell von einer Vaterschaftsanerkennung profitierenden Personen von circa 2.000 im Zeitraum 2003/2004 dürfte sich in etwa halbieren. Weiter ist zu bedenken: Von den circa 220.000 geduldeten Personen hielt sich ein Großteil länger als 5 Jahre in Deutschland auf. Aus der langen Aufenthaltsdauer und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Migranten meist jüngeren Alters sind und die Geburtenrate bei der ausländischen Bevölkerung ebenso wie bei den unteren Sozialschichten höher ist, erklärt sich der relativ hohe Prozentsatz von Personen, bei denen eine Vaterschaftsanerkennung mit einer Ausreisepflicht von Vater oder Mutter zusammentrifft. Ungeachtet dessen beschreibt die Zahl von circa 2.000 Personen davon gehen auch die Gesetzesbegründung und der Empiriebericht aus nicht die Zahl der Missbrauchsfälle pro Jahr, sondern zeigt nur den Rahmen auf, in dem missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen stattfinden können. Die realen Missbrauchsfälle machen einen Bruchteil hiervon aus, wobei nach meiner Einschätzung ein 2-stelliger Prozentbereich nicht erreicht wird. Diesen geringen Anlassfällen gegenüber zu stellen ist die weitreichende Wirkung des Eingriffs und seine Grundrechtsrelevanz im Hinblick auf den Schutz der Ehe und Familie und das Kindeswohl. Auch wenn Anlass der Gesetzesänderung die Fallkonstellationen waren, in denen ausreisepflichtige Ausländer durch die Vaterschaftsanerkennung ein Aufenthaltsrecht erworben haben, ist ein weit größerer Personenkreis betroffen. Die Gesetzesformulierung lässt eine Anfechtung nämlich nicht erst dann zu, wenn (nur) durch die Anerkennung ein Rechtsanspruch auf einen Aufenthalt oder die deutsche Staatsangehörigkeit erworben wurde, sondern schon dann, wenn durch die 2 3 4 Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 23.04.07, BT-Drs. 16/5065 Statistisches Bundesamt, http://www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoetab9.php Nach dem Bericht des BMI zur Umsetzung des Bleiberechtsbeschlusses vom 17.11.06 hielten sich Ende April 2006 164.000 Geduldete im Bundesgebiet auf. 94.332 Personen waren seit mehr als 6 Jahren hier und von diesen wiederum 64.362 seit über 8 Jahren. Sie sind potentiell Begünstigte der Bleiberechtsregelung. Bis Ende April 2007 wurden 58.259 Anträge gestellt, 4.486 Personen erhielten eine Aufenthaltserlaubnis, 19.242 eine Duldung zur Arbeitsplatzsuche nach der Bleiberechtsregelung.

3 Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen werden. Dies ist aber fast stets der Fall, wenn im Fall einer Vaterschaftsanerkennung einer der Elternteile ein Ausländer ist. Nicht nur die ausländische Studentin, die mit der Geburt eines deutschen Kindes ein Aufenthaltsrecht gemäß 28 I Nr. 3 AufenthG erhält, ist betroffen, sondern auch die ausländische Studentin, bei deren Kind die Vaterschaft von einem ausländischen Arbeitnehmer anerkannt wird. Denn das Aufenthaltsrecht des Kindes bemisst sich nun nach 33 AufenthG; für die Mutter entsteht neben dem Aufenthaltsrecht aus Studiengründen ein solches aus familiären. Es gibt weitere zahlreiche Fallkonstellationen, in denen sich die Rechtsstellung der ausländischen Mutter oder des Kindes durch eine Vaterschaftsanerkennung verbessern kann. Damit ist ein Großteil der allein stehenden Ausländer von der Regelung betroffen. Nicht nur die große Zahl der potentiell betroffenen Ausländer, sondern auch die Eingriffstiefe wirft die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Regelung auf. Zum einen ist zu bedenken, dass die Tatbestandsvoraussetzungen unpräzise sind. Neben dem schon angerissenen Aspekt eines ausländerrechtlichen Vorteils setzt die Anfechtung voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozialfamiliäre Beziehung besteht, welche wiederum durch den genauso unpräzisen Begriff der tatsächlichen Verantwortung erläutert wird. Beide Begriffe können nur vor dem konkreten sozialen und kulturellen Hintergrund sachgerecht bewertet werden. Selbst in Deutschland ist die Übernahme tatsächlicher Verantwortung durch den Vater manchmal mehr gesetzliches Gebot und gesellschaftlicher Appell als gesellschaftliche Realität. In manchen Kulturkreisen ist das Vaterbild und - selbstverständnis ein anderes. Oft wird die tatsächliche Verantwortlichkeit für Kleinkinder den Müttern zugeschoben; die väterliche Verantwortung erschöpft sich darin, einen angemessenen finanziellen Rahmen zu bieten. Erst mit dem Größerwerden übernimmt der Vater in manchen Kulturkreisen eine tatsächliche Verantwortung in dem hier gebräuchlichen Sinn. Dass Väter ihre Kinder wickeln und auf den Spielplatz ausführen, war noch im Nachkriegsdeutschland mit dem Etikett der Lächerlichkeit versehen und ist in manchen Kulturen auch heute noch mit dem dortigen Vaterrollen-Verständnis unvereinbar. Die Gefahr, dass die reale Beziehung in ihrer Komplexität nicht erkannt wird, ist daher nicht von der Hand zu weisen. Will man dies vermeiden, ist eine Ausforschung der familiären Beziehungen unvermeidbar. Der Vater, der frei bekennt, die Windel des Kindes nicht zu wechseln, wird nach der in der Gesetzesbegründung dargelegten sekundären Beweislast gehalten sein, Einblick in die Privat-, ja sogar Intimverhältnisse zu geben. Die

4 Gesetzesbegründung verheimlicht dies nicht: Es ist in diesen Fällen Sache von Vater und Kind als den Anfechtungsgegnern, im Einzelnen zu ihrer Beziehung vorzutragen. Die weitgehenden Eingriffe in das private Leben sind vor dem Hintergrund der geringen Zahl der potentiellen Missbrauchsfälle und der großen Zahl der potentiell Betroffenen mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar. B) zu einzelnen Regelungen 1) 1600 III BGB Die Anfechtung soll unter 2 Voraussetzungen möglich sein, nämlich wenn durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für den erlaubten Aufenthalt geschaffen werden und keine sozial-familiäre Beziehung existiert oder existierte. a) Es wurde einleitend schon dargelegt, dass über den Gesetzgebungsanlass hinaus die vorgesehene Regelung nicht nur ausreisepflichtige Ausländer betrifft, sondern auch solche mit Aufenthaltserlaubnissen. Dies sieht wohl auch die Begründung so, wenn es dort heißt (Seite 14), dass zweite Tatbestandsvoraussetzung sei, dass für das Kind oder einen Elternteil ein ausländerrechtlicher Vorteil entstanden sein müsse. Auch die dort aufgezählten Fallbeispiele schildern nicht Fallkonstellationen mit ausreisepflichtigen Ausländern, sondern sprechen von Ausländern ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Sollte ein so weiter Anwendungsbereich nicht gewollt sein, sondern entsprechend des Gesetzgebungsanlasses eine Regelung nur für ausreisepflichtige Personen beabsichtigt sein, empfiehlt sich eine Klarstellung. b) Die zweite Voraussetzung, nämlich das Nicht-Bestehen einer sozial-familiären Beziehung ist nicht nur wegen der Unschärfe des Begriffes fragwürdig. Es wird auch erhebliche Beweisprobleme geben, aufgrund derer dann zwangsläufig ein staatlicher Eingriff in das innerfamiliäre Leben erforderlich wird. Es wird, wie schon jetzt bei einem Verdacht der sog. Scheinehe, zu getrennten Anhörungen der Ehepartner kommen, die dann gehalten sind, angebliche Widersprüche aufzuklären bzw. Abweichungen von den üblichen Lebensformen zu rechtfertigen. Kinder werden wenn nicht direkt durch Befragung zumindest mittelbar einbezogen.

5 Trotz dieser schon erheblichen Eingriffe in den innerfamiliären Bereich, wird der Erfolg ungewiss sein. Eine Anfechtung scheitert nämlich, a. wenn eine sozial-familiäre Beziehung zum aktuellen Zeitpunkt vorliegt; b. wenn zum Zeitpunkt der Anerkennung eine sozial-familiäre Beziehung vorlag; c. bei Anerkennung während der Schwangerschaft, zum Zeitpunkt der Geburt oder d. im Zeitpunkt des Todes des Anerkennenden. Die Konsequenz wird eine mindestens doppelte Beweiserhebung sein, nämlich zum einen im Hinblick auf die aktuelle Situation, zum anderen auf eine die möglicherweise schon Jahre zurückliegt. Erfolgt die Anfechtung, weil aktuell die tatsächliche Verantwortung nicht übernommen wird, wird man ergänzend Ermittlungen anstellen müssen, wie die Situation Jahre vorher war. 2) 1600b BGB; Fristen Weil die Gesetzesbegründung hier nur von der Rechtsfolge des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit ausgeht und von daher die Fristen begründet, sei eingangs festgehalten, dass die Rechtsfolgen der Vaterschaftsanerkennung in vielen Fällen nicht der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit sein wird, sondern der Erwerb eines Aufenthaltstitels. Bedenken bestehen im Hinblick auf die Höchstdauer der Anfechtungsfrist. Als solche benennt der Gesetzentwurf 5 Jahre seit der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, ansonsten 5 Jahre nach der Einreise des Kindes. Die letztgenannte Frist ist nicht nur objektiv feststehend, sondern auch unveränderbar; anders hingegen ist es mit der Anfechtungsfrist für ein in Bundesgebiet geborenes Kind. Denn Voraussetzung für den Fristenlauf ist die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung. Diese kann aber durch verschiedene Umstände hinausgezögert werden, z. B.: a. Das Anerkennungsverfahren kann sich hinziehen. Dies ist dann der Fall, wenn Identitäts- oder Geburtsurkunden nicht vorhanden sind. b. Die Zustimmung der Mutter liegt erst später vor. Sowohl tatsächliche Gründe (Auslandsaufenthalt) als auch persönliche können zu einer erheblichen Verzögerung der Zustimmungserklärung durch die Mutter führen.

6 c. Die Ablehnung der Beurkundung des Standesbeamten gemäß 29a I PStG entsprechend dem vorliegenden Entwurf. Lehnt der Standesbeamte die Beurkundung der Vaterschaft ab, ist hiergegen ein gerichtlicher Antrag zulässig; die Entscheidung kann sich über Monate, wenn nicht Jahre, hinziehen. Eine spätere Anfechtung ist gleichwohl nicht ausgeschlossen. Bei all diesen Fallkonstellationen kann die Anfechtungsfrist weit mehr als 5 Jahre betragen. Während dieser Zeit leben nicht nur die Eltern, sondern vor allem das Kind in rechtlicher Unsicherheit. Dieser Aspekt sollte Anlass zu der Überlegung sein, ob nicht die Anfechtungsfrist entsprechend der im Fall eines Zuzugs an den Geburtszeitpunkt geknüpft werden soll. Im Regelfall wird die Vaterschaftsanerkennung zeitnah zur Geburt erfolgen. Für die Ausnahmefälle, in denen die Vaterschaftsanerkennung deutlich später erfolgt, ist zu bedenken, dass das Kind während des gesamten Zeitraums in Deutschland aufgewachsen und entsprechend verwurzelt ist, so dass in nicht wenigen Fällen eine Aufenthaltsbeendigung trotz Anfechtung nicht mehr in Betracht kommen wird. Es ist deshalb überlegenswert, ob nicht generell eine Höchstfrist von 5 Jahren ab Geburt festgelegt werden sollte, die in den Fällen einer späteren Anerkennung um die Jahresfrist verlängert werden sollte. Im Hinblick auf die geringe Zahl der betroffenen Fälle dürfte eine solche Lösung dem Kindeswohl am meisten entsprechen. 3) 29a PStG Die Regelung ist abzulehnen. Die in der Gesetzesbegründung angeführten Umstände, dass die familienrechtlichen Wirkungen von den Beteiligten erkennbar nicht gewollt sind und die Erlangung ausländerrechtlicher Vorteile im Vordergrund stehen, sind in der Praxis nie offenkundig, was aber der Gesetzeswortlaut verlangt. Offenkundig sind lediglich äußere Umstände, wie z. B. die Ausreisepflicht des ausländischen Elternteils oder die mangelnde Unterhaltsfähigkeit des Deutschen, Umstände, die auch die Gesetzesbegründung als Verdachtsgründe benennt. Eine wortlautgerechte Handhabung macht daher die Regelung überflüssig. Zu befürchten ist jedoch auch weil eine Soll-Regelung vorgesehen ist eine exzessive Interpretation dahingehend, dass schon ein Verdacht (so er offenkundig ist) dazu führt, dass die Beurkundung abgelehnt wird.

7 Da die Ablehnung der Beurkundung durch den Standesbeamten auch nicht zum Verbrauch des Anfechtungsrechts führt, sollte die vorgesehene Regelung ersatzlos gestrichen werden. Denkbar wäre es, dem Standesbeamten eine Mitteilungspflicht entsprechend der vorgesehenen Regelung in 87 II AufenthG aufzuerlegen. 4) Mitteilungspflicht nach 87 II Nr. 4 AufenthG Die vorgesehene umfassende Mitteilungspflicht ist zu weitgehend. Im Gegensatz zu den anderen Fallkonstellationen, bei denen jeweils relevante Verstöße vorliegen, greift hier die Mitteilungspflicht schon im Vorfeld ein. Es soll genügen, dass Tatsachen die Annahme eines Anfechtungsgrundes rechtfertigen, um jede öffentliche Stelle zu einer Mitteilung an die Ausländerbehörde zu verpflichten. Die Gesetzesbegründung selbst zeigt auf, dass eine solche umfassende Mitteilungspflicht zu weit geht. Die dortige Aussage, die Meldung eines gemeinsamen Wohnsitzes sei ein Indiz für eine sozial-familiäre Beziehung, während das Getrenntleben Anlass für weitere Sachverhaltsermittlungen sein kann, bedeutet im Ergebnis, dass die Einwohnerbehörde verpflichtet sein soll, von sich aus die Ausländerbehörde zu unterrichten, wenn Eltern, die ein ausländisches Kind haben, nicht mit diesem zusammenleben. Überträgt dieses Beispiel auf den anderen in der Begründung erwähnten Verdachtsfall eines Sozialhilfebezugs durch den Vater, muss, sofern hiervon ein Kind oder ein Ausländer als Elternteil betroffen ist, ebenfalls der Ausländerbehörde Meldung gemacht werden. Eine generelle Mitteilungspflicht für alle Behörden ist daher abzulehnen. Allenfalls kann den für die Vaterschaftsanerkennung zuständigen Stellen eine Mitteilungspflicht auferlegt werden. Im übrigen genügt die Mitteilungspflicht auf Anforderung nach Absatz 1. (Hubert Heinhold) Rechtsanwalt