3. Sonderausbildung für Kinder- und Jungendlichenpflege am Bildungszentrum der Landeskliniken Salzburg SALK/ Landeskrankenhaus

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Transkript:

3. Sonderausbildung für Kinder- und Jungendlichenpflege am Bildungszentrum der Landeskliniken Salzburg SALK/ Landeskrankenhaus Das Leben ist süüüß! schriftliche Abschlussarbeit eingereicht von Sylvia Streck Betreuungslehrer Eva Maria Kellner Salzburg, Mai 2007

Vorwort Im Rahmen meiner Ausbildung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester bot sich mir die Möglichkeit auf der Kinderstation in Vöcklabruck ein Praktikum zu absolvieren. In dieser Zeit machte ich Bekanntschaft mit einigen Kindern, die an Diabetes mellitus Typ-1 erkrankt waren. Bestimmte Handlungen kindgerecht vorzunehmen fielen schwer. Beispielsweise könnte man die Insulininjektion in ein Spiel integrieren. Unsicherheit machte sich breit, ob das Kind die Anweisungen richtig verstanden hatte. Bekanntlich erhöht sich der Lerneffekt aufgrund der Qualität der Medien und Gesprächsführung. Die Frage kam auf, wie der Inhalt am besten altersgerecht vermittelt werden könnte. Aus der Sicht des Pflegepersonals dieser Station gab es verschiedene Ansichten. Da sich noch niemand tiefgehend mit diesem Thema auseinandergesetzt hatte, handelte jeder auf die Art und Weise, die er für richtig hielt. Im Erwachsenenbereich gehört das Behandeln und Betreuen eines Diabetikers bereits zum Alltag des Pflegepersonals. Aber auch immer mehr Kinder erkranken an Diabetes mellitus. Den Pflegenden kommt dabei eine ganz entscheidende Aufgabe zu, da sich das Kind oder die Eltern bei Fragen oft zuerst an die Schwester oder den Pfleger wenden. Kinder mit Diabetes bleiben Kinder wie alle anderen auch. Sie möchten nicht anders spielen, fühlen, leben und erleben. Ich halte es daher für sinnvoll und wichtig, viele praktische Anregungen zusammenzustellen, damit Kinder mit ihrer Krankheit besser umgehen lernen und die Pflegenden korrekt und kindgerecht anleiten. Bedanken möchte ich mich bei Sr. Birgit, die ebenfalls die Kinder- und Jugendliche absolviert hat und nun auf der Kinderstation in Vöcklabruck tätig ist. Sie hatte mich auf dieses Thema aufmerksam gemacht und mir Literatur zukommen lassen. Weiters danke ich DKKS Ulrike Humpel, Diabetesberaterin am Landesklinikum in Salzburg, bei der ich meine Praktikumstunden verbringen durfte. Diese Zeit war sehr informativ und ich bekam Gelegenheit, mich mit betroffenen Kindern und Eltern zu unterhalten. Von DKKS Ulrike Humpel bekam ich Literatur für meine Arbeit und auch Anschauungsmaterial für meinen Präsentationstisch. Ich bedanke mich auch bei Dr. Schlager vom Landeskrankenhaus in Vöcklabruck, der mir Bücher und Skripten zur Verfügung stellte und meinem Freund Christian, der meine Arbeit Korrektur gelesen hat und viel Geduld aufbringen musste. Zu guter Letzt möchte ich meiner Betreuungslehrerin, Eva Maria Kellner, Pflegedienstleitung am Landesklinikum Salzburg, danken, die mir Tipps und Verbesserungsvorschläge präsentierte und mich auf dem Weg zu meiner vollendeten Arbeit begleitet hat. Sylvia Streck

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Diabetes mellitus was ist das eigentlich? 6 2.1 Manifestationsfördernde Faktoren 6 2.2 Symptome beim Typ-1-Diabetes 7 2.2.1 Hypoglykämie 8 2.2.2 Hyperglykämie 10 2.3 Behandlung 11 2.3.1 Diabetesgerechte Ernährung 11 2.3.2 Insulintherapie 12 2.3.3 Schulsport 15 3. Kindgerechte Schulung 17 3.1 Diabetes einmal anders vermitteln 17 3.2 Abwechslungsreiche Inhaltsvermittlung 17 3.3 Von großer Bedeutung ist das Alter des Kindes 19 3.4 Selbstkontrollen durch das Kind 19 3.4.1 Blutzuckermessung 20 3.4.2 Messung von Keton und Glukose im Urin 21 3.4.3 Diabetiker-Tagebuch 21 3.4.4 Berechnung der Kohlenhydrate 22 3.4.5 Verabreichen von Insulin 22 3.4.6 Gefahren selbstständig erkennen 24 4. Schulung der Eltern und des sozialen Umfeldes 25 4.1 Wie Eltern ihr Kind unterstützen können 25 4.2 Sachliche Information der Lehrpersonen 25 4.3 Miteinbeziehen der Klassenkameraden 26 5. Zusammenfassung 27 Literaturverzeichnis 28 Abbildungsverzeichnis 29 Anhang Ehrenwörtliche Erklärung Sylvia Streck

Einleitung Die Diagnose Diabetes mellitus verändert das ganze Leben von Kind, Eltern und sozialem Umfeld. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass das erkrankte Schulkind und deren Begleitpersonen entsprechend geschult werden. Die Wissensvermittlung muss altersentsprechend und unter Berücksichtigung der Kooperationsbereitschaft erfolgen. In meiner schriftlichen Abschlussarbeit werde ich folgenden Fragen nachgehen: Worüber muss das Kind Bescheid wissen, wenn es nach dem Krankenhausaufenthalt nach Hause entlassen wird? Welche Rolle spielen die Eltern? Mein Ziel ist, für Eltern und Pflegepersonen kindgerechte Informationen darzulegen, um diese altersentsprechend vermitteln zu können. Die Arbeit ist in drei Kapitel unterteilt. Im ersten Teil werde ich auf die Grundzüge des Diabetes eingehen. Worum es sich bei Diabetes handelt, zu welchen Symptomen es kommt und wie die Behandlung bei Diabetes mellitus Typ-1 aussieht, wird von mir erläutert. Im zweiten Kapitel gehe ich genau auf die kindgerechte Schulung ein und wie die korrekte Inhaltsvermittlung für das Schulkindalter aussieht. Weiters stelle ich praktische Spiele und Aufgaben, die das Kind nach der Entlassung selbstständig durchführen sollte, vor. Im letzten Teil der Arbeit beschreibe ich, wie unerlässlich die Diabetesschulung für Eltern ist. Überaus wichtig erscheint mir auch, dass die Lehrpersonen sowie die Klassenkameraden des erkrankten Schulkindes wissen, was bei einer Diabetesentgleisung zu tun ist. Zunächst werde ich auf die Frage eingehen, worum es sich bei Diabetes eigentlich handelt, denn darüber muss das Kind Bescheid wissen, um bedrohliche Symptome zu erkennen und behandeln zu können. Sylvia Streck 5

2. Diabetes mellitus was ist das eigentlich? Bei Menschen mit Diabetes fehlt das Hormon Insulin. Es wird in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gebildet. Dort befinden sich stecknadelkopfgroße Zellhaufen, in denen zwei Zelltypen unterschieden werden. Es gibt die β-zellen, welche Insulin bilden. Der zweite Zelltyp sind die A-Zellen, welche das Hormon Glukagon herstellen. Besagte Hormone weisen eine entgegengesetze Wirkung auf: Glukagon lässt den Blutzuckerspiegel ansteigen und Insulin senkt ihn (vgl. Hürter & Lange, 2005, S. 29-30). Typ-1-Diabetes (kindlicher-/jugendlicher Diabetes) ist also gekennzeichnet durch das Versagen der Insulinsekretion in den β-zellen, sodass der Patient von Anfang an insulinpflichtig ist. Es handelt sich um eine chronisch unheilbare Krankheit, die durch dauerhafte oder situationsbedingte überhöhte Blutzuckerkonzentrationen charakterisiert ist. Der Diabetes tritt erst dann klinisch in Erscheinung, wenn mehr als 80% der β-zellen funktionsuntüchtig geworden sind. Der Typ-2-Diabetes entwickelt sich im Gegensatz zum Typ-1- Diabetes langsam, möglicherweise über Jahrzehnte. Nahrungsmittelüberangebot und verringerte körperliche Aktivität begünstigen die Entstehung des Altersdiabetes. In Österreich liegt die Neuerkrankungsrate bei Kindern pro Jahr bei etwa 7 von 100.000 Einwohnern. Etwa 5% aller Erkrankten sind Typ-1-Diabetiker (vgl. Sailer, 2001, S. 17-19). Welche Faktoren für die Entwicklung des Diabetes mellitus Typ-1 auslösend sein könnten, werde ich in der Folge beschreiben. 2.1 Manifestationsfördernde Faktoren Einen Typ-1-Diabetes in der erstgradigen Blutsverwandtschaft lässt sich nur bei 10 bis 15% der Typ-1-Diabetiker feststellen (zum Beispiel bei Bruder und Schwester). War ein Elternteil diabetisch, ist das Risiko mit 7% sehr gering. Hatte der Vater einen Typ-1- Diabetes, ist das Risiko viel größer, als wenn die Mutter erkrankt war. Warum der kindliche Diabetes in den verschiedenen Ländern mit unterschiedlicher Häufigkeit vorkommt, ist nicht bekannt. Möglicherweise liegt es an der unterschiedlichen genetischen Belastung und an der abwechselnden Verbreitung von Typ-1- Diabetes auslösenden Viren oder anderen Faktoren. In England wurde nachgewie- Abb. 2: Neuerkrankungen weltweit sen, dass in Gebieten, wo sich die unteren Gesellschaftsschichten befinden, Typ-1-Diabetes doppelt so oft auftritt, als in Gebieten mit oberen Gesellschafts- Sylvia Streck 6

schichten. Weiters wurde entdeckt, dass Säuglinge, die längere Zeit voll gestillt wurden, weniger häufig einen Diabetes mellitus Typ-1 entwickeln, als solche, die zu früh Kuhmilch erhalten haben. Es wird zusätzlich angenommen, dass es sich beim Typ-1-Diabetes um eine Autoimmunerkrankung handelt, da immunologische Phänomene nachgewiesen wurden. Zum Beispiel konnten bei 80% der neumanifestierten juvenilen Diabetiker Inselzellantikörper, auch ICA genannt, gefunden werden. Diese Antikörper greifen die Langerhansschen Inseln an. Weiters kommt es bei 25% aller Kinder zu einem Typ-1-Diabetes, wenn die Mutter in der Schwangerschaft an Röteln erkrankte. Auch Coxackie-B- Viren können Auslöser sein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hauptsächlich genetisch prädisponierte Kinder nach Virenkontakt einen Diabetes mellitus Typ-1 entwickeln (vgl. Sailer, 2001, S. 18-21). Bis dann die ersten Symptome in Erscheinung treten, vergehen einige Jahre. Oft wird die Diagnose erst nach Auftreten der Kardinalsymptome, die ich im nächsten Kapitel beschreiben werde, gestellt. 2.2 Symptome beim Typ-1-Diabetes Diabetes manifestiert sich erst, wenn nur noch 15-20% der β-zellen vorhanden sind. Letztendlich kommt es zum Untergang dieser Zellen. Stresssituationen, Infekte oder Operationen sind oft zum Zeitpunkt der Manifestation nachweisbar, denn sie erhöhen den Insulinbedarf, den die geschädigten β-zellen nicht mehr decken können. Aufgrund der fehlenden Insulinproduktion kann Glukose nicht mehr in ausreichender Menge von insulinabhängigen Gewebetypen wie Muskel-, Fett- und Lebergewebe aufgenommen werden. Die Folge ist, dass sich die Glukose im Blut erhöht und als Hyperglykämie nachgewiesen werden kann. Der Körper des erkrankten Kindes versucht diesen Überschuss wieder loszuwerden, indem der Zucker über die Niere ausgeschieden wird (Glukosurie). Es kommt zu einer vermehrten Harnausscheidung (Polyurie), da Glukose stark osmotisch wirksam ist. Durch den großen Flüssigkeitsverlust kommt es in der Folge zu vermehrten Trinkmengen (Polydipsie) und Durstgefühlen. Weiters kommt es nicht nur zum Wasserverlust und zur Dehydration, sondern es werden auch andere Stoffe dem Körper entzogen, wie Elektrolyte, Kalium, Natrium, Magnesium und Phosphat. All dies führt zu Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Gewichtsverlust, bis hin zum Koma. Außerdem bekommen die Körperzellen keine Glukose. Es fehlt ihnen an Energie und sie hungern, was wiederum dazu führt, dass sich das Kind schwach fühlt, kraftlos und müde ist und immer dünner wird, obwohl es viel trinkt und isst (vgl. Sailer, 2001, S. 20). Bei Hyper- und Hypoglykämie können auch noch weitere Symptome auftreten, die das Kind und deren Eltern kennen sollten. Welche Rolle spielen jedoch die Eltern? Ihnen kommt aufgrund der hohen Anzahl an Symptomen und des damit verbundenen Risikos einer Entgleisung eine Schlüsselrolle zu. Sylvia Streck 7

2.2.1 Hypoglykämie Unter Hypoglykämie (auch Hypo genannt) versteht man einen Blutzuckerwert, der kleiner als 50 mg/dl ist. Der absolute Blutzucker ist nicht allein ausschlaggebend, sondern auch die Geschwindigkeit des Abfalls, die Höhe des Ausgangswerts und die Dauer der Hypoglykämie. Zu einer Unterzuckerung kommt es, wenn zu viel Insulin vorhanden ist. Das kommt vor bei - zu geringer Nahrungszufuhr Sind Nahrung und Insulinwirkung nicht auf einander abgestimmt, können Hypoglykämien auftreten. Verweigert das Kind, überhaupt etwas zu essen? Leidet es an Infekten, die zu Appetitlosigkeit führen? Eine häufige Ursache ist, dass der Kohlenhydratgehalt einer Mahlzeit falsch eingeschätzt wird. - Ausfallen von Zwischenmahlzeiten - starker körperlicher Belastung oder Bewegung Plötzliche Anstrengungen, wie zum Beispiel Toben oder ein Fußballspiel, können Auslöser einer Hypoglykämie sein. Die arbeitende Muskulatur benötigt viel Glukose, wodurch es zu einem Glukosemangel im Blut kommen kann. - zu hoher Insulindosis - zu langer Spritz-Ess-Abstand Oft handelt es sich um eine Kombination von mehreren Ursachen (vgl. Hürter & Lange, 2005, 199-204). Es können verschiedene Symptome hervorgerufen werden: - Hungergefühl - Schweißausbrüche - Konzentrationsstörungen - ständiges Gähnen - Müdigkeit - lallende Sprache - Unruhe - Verwirrtheit - Zittern - weite Pupille - Sehstörungen - Tachykardie - Bewusstlosigkeit - Krämpfe Jedes Kind reagiert anders, darum ist es sehr wichtig, dass die Eltern die Symptome ihres Kindes kennen lernen. Ziel der Diabetesschulung ist, dass das Kind eine beginnende Unterzuckerung rechtzeitig anhand seiner Symptome erkennen kann und in der Lage ist, die entsprechende Behandlung selbst durchzuführen (vgl. Sailer, 2001, 213-214). Wird bei dem Kind ein Blutzuckerwert unter 50 mg/dl festgestellt, sollte es Traubenzucker zu sich nehmen. Dieser kann in Form von Plättchen, Stückchen oder Pulver zu sich genommen werden, aber auch als Getränk, wie Fruchtsaft oder Cola. Weiters gibt es Jubin-Gel und Carrero-Flüssigzucker. Dieses Notfall- Medikament muss das Kind immer bei sich haben und soll auch mit zitternden Fingern schnell ausgepackt werden können. Auch Messgerät, Test- Abb. 3: rasch wirksame KH Sylvia Streck 8

streifen, Diabetiker-Ausweis, Stechhilfe und die Telefonnummer der Kontaktpersonen gehören zum Notfall-Set, das jedes Kind mit Diabetes in einem kleinen Täschchen oder in der Schultasche bei sich tragen sollte, wenn es das Haus verlässt. Süßigkeiten wie Schokolade, Kekse oder Nussriegel sind als Notfall-Medikament ungeeignet, da sie neben Zucker auch viel Fett enthalten und der Blutzucker während einer Hypoglykämie viel zu langsam ansteigt. Liegen solche Leckereien verführerisch in der Schultasche, können Kinder schwer widerstehen oder täuschen Hypo-Symptome vor, um Süßes zu bekommen (vgl. Hürter & Lange, 2005, S. 209-214). Bei leichten oder fraglichen Hypoglykämien sollte vorher der Blutzucker gemessen werden, bevor die Nahrungsaufnahme erfolgt. Bei einem Wert von über 50 mg/dl müssen eine bis zwei Broteinheiten (BE) langsam resorbierbarer Kohlenhydrate aufgenommen werden. Dazu zählt 50 g Brot mit Butter und dünn belegt mit Käse oder Wurst (vgl. Sailer, 2001, S. 215). Es hilft auch ein Apfel oder anderes Obst. Tritt die Hypoglykämie kurz vor einer Mahlzeit auf, sollte das Kind gleich essen. Kommt es zu einer Unterzuckerung in der Schule oder draußen beim Spielen, ist es wichtig, dass dies der Mutter hinterher mitgeteilt wird (vgl. Hürter, et.al., 2005, S. 107). Bei Bewusstlosigkeit darf natürlich keine Nahrung eingeflößt werden. Sind die Eltern in dieser Situation anwesend, sollten sie möglichst schnell Glukagon injizieren. Die Spritze enthält 1 mg Glukagon und wird am besten in die Muskulatur des Oberschenkels gespritzt. Stellt Abb. 4: Glukagonspritze sich die Wirkung nur langsam ein, kann die Injektion nach fünf bis zehn Minuten wiederholt werden. Um zu verhindern, dass es erneut zu einer schweren Unterzuckerung kommt, müssen dem Kind nach Wiedererlangen des Bewusstseins Kohlenhydrate gegeben werden. Ist ein Arzt erreichbar, wird eine 40- oder 50%ige Glukoselösung intravenös injiziert (vgl. Hürter & Lange, 2005, S. 211-213). Um eine Hypoglykämie vorzubeugen, sollten die Insulintherapie und der Speiseplan eingehalten werden und regelmäßige Blutzuckerkontrollen sowie ambulante Kontrollen durchgeführt werden. Im Gegensatz zur Hypoglykämie tritt eine Hyperglykämie seltener auf. Sylvia Streck 9

2.2.2 Hyperglykämie Bei einer Blutzuckererhöhung von über 160 mg/dl spricht man von Hyperglykämie. Die häufigste Ursache ist die Manifestation des Diabetes mellitus Typ-1. Überzuckerung kann aber auch bei Krankheiten mit Fieber auftreten, da in diesen Situationen der Insulinbedarf stark erhöht ist. Weitere wesentliche Faktoren wären das Weglassen von Insulin bei defektem Pen oder unterbrochene Insulinzufuhr bei Pumpenträgern. Aber auch Nachlässigkeit, wie seltene Blutzuckermessungen und Ignorieren von hohen Werten, kann zu Hyperglykämie führen (vgl. Humpel, 2006, S. 12) Kardinalsymptome des entgleisten Diabetes mellitus sind gesteigerte Trinkmengen und Durstgefühle (Polydipsie) sowie die vermehrte Harnausscheidung (Polyurie). Gleichzeitig kommt es zu einer zunehmenden Ausscheidung von Elektrolyten. Die Folge ist Gewichtsverlust. Befindet sich die Blutzuckerkonzentration des Kindes unter 160 mg/dl ist der Urin zuckerfrei. Erst, wenn die Nierenschwelle überschritten ist, lässt sich Glukose im Harn mittels Teststreifen nachweisen. Unter Nierenschwellenwert versteht man, wenn ein bestimmtes Niveau an Glukose überschritten wird. Dieser Wert ist individuell und liegt zwischen 180 und 240 mg/dl. Zunehmend kommt es zu Müdigkeit und Kraftlosigkeit und letztlich zu Bewusstseinsstörungen (Präcoma diabeticum). Im Körper wird vermehrt Fett abgebaut. So entstehen Ketonkörper, die mit dem Urin ausgeschieden werden und einen lebensbedrohlichen Zustand signalisieren. Die schwerste Form (Coma diabetikum) tritt bei über 400 mg/dl auf und kann unbehandelt zum Tode führen. Ketonkörper werden auch über die Lunge abgeatmet. Es entsteht der typische Azetongeruch, der an saure Äpfel oder Nagellackentferner erinnert. Weiters kommt es zu einer schnellen und vertieften Atmung (Kußmaul sche Atmung). Das bewusstlose Kind ist stark exsikkiert mit vermindertem Hautturgor (stehende Hautfalten) und hat tief in den Augenhölen liegende Augäpfel. Weiters kann es zu Krämpfen in der Bauch- und Wadenmuskulatur kommen. Hyperglykämie lässt sich nach einer Blutzuckermessung diagnostizieren. Sofortige Einweisung in das Krankenhaus ist erforderlich, wo eine Rehydration, Insulin- und Elektrolytsubstitution und Kalorienzufuhr durchgeführt wird. Schwere Formen sind heute relativ selten, zeichnen sich jedoch bei nicht fachgerechter Behandlung durch eine schlechte Prognose aus (vgl. Sailer, 2001, S. 219-228). Um die beiden Formen der Entgleisung zu verhindern, ist es unerlässlich, regelmäßige Blutzuckermessungen, die richtige Ernährung und korrekte Insulintherapie durchzuführen. Darauf gehe ich im nächsten Kapitel genau ein. Sylvia Streck 10

2.3 Behandlung Im Vordergrund stehen lebenslange Insulintherapie und Ernährung des Schulkindes. Es bekommt von der zuständigen Diätassistentin einen Ernährungsplan, der auflistet, wie viele Broteinheiten das Kind essen darf. Wichtig ist, dass es gesättigt ist und dass das Wachstum nicht beeinträchtigt wird. An diesen Plan schließt die Insulinbehandlung an. Insulin und Ernährung sind von einander abhängig. Nur wenn sie im Gleichgewicht stehen, geben sie dem Kind die Kraft, die es zum Spielen und Toben braucht. Sind Insulin und Nahrung im Ungleichgewicht, kann der Blutzucker zu hoch oder zu niedrig sein (vgl. Hürter, et. al., 2005, S. 21-26). Abb. 5: Ungleichgewicht führt zu Hypo- oder Hyperglykämie Das erkrankte Kind muss die Therapie unter Aufsicht durchführen können. 2.3.1 Diabetesgerechte Ernährung Eine konsequente Ernährungsumstellung ist beim Typ-1-Diabetiker unumgänglich. Vorraussetzung ist, dass das Kind mit dem Berechnen von Kohlenhydraten vertraut ist, da die Insulinmenge darauf abgestimmt wird. Kohlenhydrate werden in BE (Broteinheiten) angegeben, die nach der derzeitig gültigen Diätverordnung vorgegeben sind. 1 BE = 12 g Kohlenhydrate (vgl. Sailer, 2001, S. 76) Im Darm erfolgt die Umwandlung von Kohlenhydraten zu Glukose, die über die Darmschleimhaut ins Blut aufgenommen wird und sich so zu Blutglukose entwickelt. Nahrungsmittel wie Hülsenfrüchte oder Nüsse enthalten Kohlenhydrate mit einem hohen Anteil an Ballaststoffen. Diese, aber auch Lebensmittel mit einem hohen Fruktose-, Fett- und Eiweißgehalt, lassen den Blutzucker nur langsam ansteigen. Hingegen lassen Stärkeprodukte oder Einfach- und Zweifachzucker (Traubenzucker oder Haushaltszucker) den Blutzuckerspiegel rasch in die Höhe schießen. Der Blutglukosespiegel steigt umso schneller an, wenn die Nahrungsmittel flüssig eiweiß- und fettarm arm an Ballaststoffen und reich an Zucker sind. Sylvia Streck 11

Getränke, die kohlenhydrat- und energiefrei sind, beeinflussen den Blutzucker nicht und dienen somit als ideale Durstlöscher. Die Freude an Süßigkeiten soll Kindern mit Diabetes mellitus nicht genommen werden. Schließlich bedeuten diese Hochgenuss und Lebensqualität. Um Speisen zu süßen, ohne dass dadurch der Blutzucker zu hoch ansteigt, eignen sich Süßstoffe besonders gut. Bekommt das Kind einmal keine Süßigkeiten, soll es nicht mit dem Diabetes begründet werden, denn sonst erweckt das den Anschein, dass Kinder ohne Diabetes immer Süßes essen dürfen. Das Kind soll lernen, welche Nahrungsmittel kohlenhydratreich sind und wie viel davon in einer Portion enthalten sind. Dies lässt sich an Hand einer Kohlenhydrat-Austauschtabelle festlegen (siehe Anhang). Dort steht genau, wie viel Gramm eines Nahrungsmittels einer BE entsprechen. Ist das Schulkind erst seit kurzem an Diabetes erkrankt, ist es sinnvoll, die Nahrung auf etwa ein Gramm genau abzuwiegen, um mit der Zeit ein sicheres Gefühl für die Menge entwickeln zu können. Die Diabetesberaterin wird beim Erstaufenthalt möglichst viele Mahlzeiten mit den Eltern und deren Kind auswiegen und einen Ernährungsplan erstellen. Eltern sind immer Vorbilder für ihre Abb. 6: Ernährungsplan in Augenhöhe des Kindes platzieren Kinder, auch was Essen und Trinken betrifft. Daher sollen die Ernährungsempfehlungen von allen Familienmitgliedern eingehalten werden (vgl. Hürter & Lange, 2005, S. 72-101). Neben der Ernährung spielt die Insulintherapie eine wichtige Rolle, auf die ich in der Folge eingehen werde. 2.3.2 Insulintherapie Insulin ist nötig, damit das Kind Spielen, Laufen und Denken kann. Es muss injiziert werden, damit der Blutzucker nicht zu hoch ansteigt und die Nahrung Kraft geben kann (vgl. Hürter, et.al., 2005, S. 63-64). Es gibt zwei Arten von Insulinpräparaten: Normalinsulin Der Wirkungseintritt beginnt 15 Minuten nach Injektion. Nach 6 Stunden endet die Wirkung. Da sie nicht lange anhält, muss Normalinsulin mehrmals täglich injiziert werden. Weiters wurden vor einigen Jahren so genannte Insulinanaloga auf den Markt gebracht, die noch schneller als Normalinsulin wirken, jedoch nur zwei bis drei Stunden anhalten. Sylvia Streck 12

Verzögerungsinsulin Dabei handelt es sich um Verzögerungsstoffe, die dafür sorgen, dass die Wirkung später einsetzt und länger anhält. Häufig werden NPH-Insuline (trübe Lösung) und Semilente MC (Monokomponente) von Novo Nordisk verwendet. Es gibt jedoch auch Insulinanaloga mit verzögerter Wirkung (zum Beispiel Lantus der Firma Aventis oder Levemir der Firma Novo Nordisk). Diese Insuline unterscheiden sich im Wirkungseintritt (vgl. Hürter & Lange, 2001, S. 60-61). Jedes Schulkind muss darüber Bescheid wissen, welches Insulin es für seine Therapie verwendet. Weiters gibt es drei Phasen des Insulinbedarfs: Anfangs- oder Initialphase: Bei Beginn der Insulintherapie im Krankenhaus benötigt das Schulkind den Insulintagesbedarf, also eine Einheit pro/kg/körpergewicht. Erholungs- und Remissionsphase: Nach zwei oder drei Wochen sinkt der Insulinbedarf. Das Kind benötigt oft weniger als 0,5 Einheiten Insulin pro/kg/körpergewicht. Die β-zellen erholen sich langsam und beginnen, wieder mehr Insulin zu produzieren. Die Phase kann mehrere Jahre andauern. Nacherholungs- oder Postremissionsphase: Es wird kein eigenes Insulin mehr hergestellt. Dieses muss nun lebenslang zugeführt werden (vgl. Hürter & Lange, 2001, S. 66-67). Mir erscheint besonders wichtig, dass die Eltern intensiv in der Schulung über oben Genanntes aufgeklärt werden. Gerade nach dem Krankenhausaufenthalt sind beide Elternteile noch sehr unsicher. Wenn dann plötzlich der eingestellte Insulinbedarf zu schwanken beginnt, kann es sein, dass manche Eltern an ihren Fähigkeiten zu zweifeln beginnen. Es werden drei Arten der Insulintherapie unterschieden: Konventionelle Insulintherapie Darunter versteht man eine zweimalige Gabe von Verzögerungs- oder Kombinationsinsulin. Diese Therapie ist bei Kindern nicht die erste Wahl beziehungsweise wegen des unregelmäßigen Tagesablaufes ungeeignet. Jedoch lassen sich häufige Insulininjektionen bei jüngeren Kindern (Volkschulkinder) schwer durchführen. Aus diesem Grund wird zu dieser Therapieform geraten (vgl. Sailer, 2005, S. 87, S. 117). Das Schulkind muss fünf bis sieben Mahlzeiten pro Tag zu sich nehmen. Nahrungsmenge und Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme müssen exakt eingehalten werden, da die Insulinzufuhr an die Mahlzeiten angepasst ist. Ein Nachteil ist, dass es zur Hypoglykämie kommen kann, wenn das Kind ein Essen ausfallen lässt (vgl. Humpel, 2006, S. 6). Sylvia Streck 13

Funktionelle Insulintherapie Darunter versteht man mehrmalige Gaben von Normal- und Basalinsulin. Normalinsulin wird vor jeder Mahlzeit verabreicht. Basalinsulin deckt den physiologischen Insulingrundbedarf ab, der mahlzeitenunabhängig benötigt wird (vgl. Sailer, 2005, S. 88-89) Bei dieser Therapie wird die natürliche Insulinausschüttung nachgeahmt. Bei größeren Kindern wird diese Art der Behandlung vorgezogen. Vorausgesetzt wird Kooperationsbereitschaft von Kind und Eltern. Vorteil ist, dass das Schulkind sein Leben flexibel gestalten kann, denn es werden keine fixen Essenszeiten benötigt. Dem juvenilen Diabetiker bietet sich die Möglichkeit, seinen Blutzucker exakt zu beeinflussen - die Selbstständigkeit wird gefördert. Nachteile sind, dass häufig Blutzuckermessungen und Insulininjektionen vorgenommen werden müssen (vgl. Humpel, 2006, S. 6-7). Insulinpumpentherapie Hierbei handelt es sich um kleine und tragbare Infusionsgeräte. Über die Pumpe können minimale und kurzfristige Änderungen der Insulinzufuhr vorgenommen werden. Unterschieden wird die Basalrate, die über 24 Stunden schnell wirksames Insulin in den Körper abgibt und die Bolusrate (vgl. Sailer, 2001, S. 92). Mit der Gabe des Bolus werden zusätzliche Insulineinheiten zur Abdeckung einer Mahlzeit über die Pumpe abgegeben. Es kann bei der Pumpentherapie eine sehr feine Dosierung in Schritten von 0,1 I.E. (Internationale Einheiten) pro Stunde verabreicht werden. In der Insulinpumpe befindet sich eine Ampulle, über die das Insulin durch ein Infusionsset, auch Katheter genannt, mit einer Stahl- oder Teflonkanüle in das subkutane Fettgewebe verabreicht wird. Indikationen Kinder mit Diabetes, die trotz aller Anstrengungen mit der funktionellen Insulintherapie keine gute Blutglukoseeinstellung erreichen oder stark schwankende Blutzuckerwerte aufweisen. Wenn der Wunsch nach Flexibilität und Lebensqualität besteht. Auftreten von häufigen Unterzuckerungen, besonders nachts. Juvenile Diabetiker mit sehr niedrigem Insulinbedarf. Kontraindikationen Pumpe muss rund um die Uhr am Körper getragen werden. Die Möglichkeit eines technischen Defektes verursacht Unsicherheit. Durch mangelnde Hygiene beim Legen des Infusionssets oder zu langer Verweildauer der Kanüle können Hautirritationen, Infektionen sowie Allergien auftreten. Bei unzureichender Blutzuckerkontrolle besteht eine erhöhte Gefahr für Stoffwechselentgleisungen. Diese Form der Therapie ist sehr teuer (vgl. Thurm, 2006, S. 19-28). Sylvia Streck 14

In meinem zweitägigen Praktikum war ich bei der Einschulung der Eltern auf die Insulinpumpe anwesend. Dadurch konnte ich feststellen, dass immer mehr Eltern die Insulinpumpentherapie in Anspruch nehmen oder dazu wechseln. Neben der Insulintherapie und der Ernährungsumstellung gehört auch die körperliche Aktivität zu den therapeutischen Maßnahmen, die ich zunächst beschreiben werde. 2.3.3 Schulsport Die körperliche Aktivität gehört genauso zum Alltag wie Essen und Trinken. Besonders wichtig ist, dass Aktivitäten, die weniger häufig durchgeführt werden, im Vorhinein geplant werden sollten. Vor dem Sport ist die Blutzuckerkontrolle unerlässlich. Liegt der Blutzuckerwert über 250 mg/dl muss eine Urinkontrolle auf Ketonkörper durchgeführt werden. Ist der Ketonkörpernachweis positiv, darf die körperliche Aktivität nicht ausgeführt werden, da die Gefahr einer Hyperglykämie besteht. Bei einer zu hohen Blutzuckerkonzentration liegt ein Insulinmangel vor. Dann soll das Kind abwarten bis der Spiegel sinkt oder Korrekturinsulin (die Menge der Einheiten wird von der Diabetesassistentin ausgerechnet) injizieren. Der Blutzucker liegt im Idealfall unter 200 mg/dl. Bei Werten unter 100 mg/dl darf das Kind erst nach ausreichender Kohlenhydratzufuhr, also mehr als zwei BE, Sport betreiben. Der Energieverbrauch des Diabetikers steigt bei körperlicher Aktivität. Auch das damit verbundene Risiko einer Unterzuckerung erhöht sich. Um es möglichst gering zu halten, müssen das erkrankte Kind und deren Eltern Richtlinien einhalten: Abb. 7: Anzeichen einer Hypoglykämie Keinen Sport bei Blutzuckerwerten über 200 mg/dl. Werden voraussichtlich körperliche Aktivitäten länger dauern, soll die Insulindosis um 30 bis 50% herabgesetzt werden. Gleiches gilt nach der Aktivität. Sport-BE (zum Beispiel Früchte, Fruchtsäfte, Müsliriegel) müssen immer mitgeführt werden und zusätzlich soll das Kind nach Sportende Kohlenhydrate essen. Blutzuckermessungen vor, während und nach dem Sport durchführen. Mitschüler und Sportlehrer über die Maßnahmen einer Hypoglykämie informieren. Diabetikerausweis mitführen (vgl. Sailer, 2001, S. 119, S. 246-247). Sylvia Streck 15

Nicht immer lässt sich eine Hypoglykämie vermeiden, aber um das Risiko zu senken, sollte das Kind gemeinsam mit der Unterstützung der Eltern eine Sporttasche für den Notfall zusammenstellen. Hinein gehören Teststreifen und ein Blutzuckermessgerät, eine Stechhilfe und der Diabetesausweis. Weiters sollen Traubenzucker, Fruchtsaftpäckchen und Glukagon eingepackt werden. Im Eifer des Sportunterrichtes besteht die Gefahr, dass das Kind Hypoglykämieanzeichen übersieht. Aus diesem Grund muss der Turnlehrer über Diabetes informiert sein, um für ausreichend Sicherheit sorgen zu können (vgl. Hürter & Lange, 2005, S. 240-241). Nach der ersten Diabetesschulung muss das Kind wissen, was es essen darf und wie es die Kohlenhydrate berechnet, aber auch welches Insulin es verwendet und wie Insulin verabreicht wird. Sport gehört ebenfalls zu den therapeutischen Maßnahmen, darum muss das Kind wissen, wie sein Körper auf die vermehrte Bewegung reagiert. Zusammenfassend kann man sagen, dass der juvenile Diabetiker sehr viel über seine Krankheit lernen muss. Um ihm das Lernen zu erleichtern, ist eine kindgerechte und altersentsprechende Schulung unerlässlich. Darauf gehe ich im nächsten Kapitel genau ein. Sylvia Streck 16

3. Kindgerechte Schulung Ziel in der Erstschulung ist es, nur die nötigsten Inhalte über den Typ-1- Diabetes mitzuteilen. Dazu gehören Blutzuckerselbstkontrollen, Umgang mit Insulin sowie die Injektionstechnik. Weiters muss das Kind über die Ernährungsumstellung Bescheid wissen und die Behandlung und Prävention der wichtigsten Akutkomplikationen (Hypo- und Hyperglykämie) kennen. Die erste Schulung ist beim Typ-1-Diabetiker sehr umfassend und muss dazu noch rasch vermittelt werden. Daher empfiehlt es sich, die Schulung während dem stationären Aufenthalt durchzuführen. Jedoch ist das Kind kurz nach der Manifestation in einer Abwehrhaltung, vor allem, wenn man versucht, es mit seiner Diagnose zu konfrontieren. In dieser Situation ist es kaum dazu in der Lage, Wissensinhalte einzuordnen. Darum soll das Kind aktiv in die Behandlung mit einbezogen werden und ihm der selbstsichere Umgang mit Diabetes beigebracht werden (vgl. Sailer, 2001, S. 54-55). 3.1 Diabetes einmal anders vermitteln Die soll nicht nur auf das Vermitteln von Wissensinhalten ausgerichtet sein. Es ist bekannt, dass das Erinnerungsvermögen beim ausschließlichen Sehen nur bei 10% liegt. Werden die Inhalte nur über das Gehör vermittelt, behält das Kind 20% im Gedächtnis. Bei Inanspruchnahme von Hör- und Sehorgan liegt das Erinnerungsvermögen bei 65%. Spricht das Schulkind zudem über das Gelernte kann es sogar 75% behalten. Muss das Kind das Gelernte auch noch selbst erarbeiten, wird bis zu 90% davon gespeichert. Ersichtlich ist, dass das bildhafte Gedächtnis hervorragend ausgeprägt ist. Wird zum Beispiel eine Begriffserklärung visuell dargestellt, ist die Chance um ein vielfaches höher, sie in Erinnerung zu behalten. Wie bereits erwähnt stehen auch Wiederholungen im großen Zusammenhang zum Lerneffekt. Weiters soll das Kind seine Lernerfolge durch positive und negative Erlebnisse wie Angst, Freude, Aufregung und Spannung erlangen, um das gelernte Wissen längerfristig zu behalten (vgl. Haller, 2005, S. 11-20). Im nächsten Kapitel möchte ich auf die Wissensvermittlung in Form von praktischen Übungen und Spielen näher eingehen. 3.2 Abwechslungsreiche Inhaltsvermittlung Im Allgemeinen unterstützen Broschüren, Folien und Bücher. In den Schulungsunterricht können jedoch auch Spiele, Poster, Lebensmittelkarten und Videos miteinbezogen werden. Leider werden in vielen Schulungen ausschließlich die oben genannten ersten drei Medien verwendet, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann. Eine abwechslungsreiche Inhaltsvermittlung würde die Qualität des Lerneffektes verbessern. Schließlich sollen die gewählten Medien neugierig machen und auch zum Handeln anregen. Sylvia Streck 17

Nun möchte ich einige Übungen beziehungsweise Spiele vorstellen: 1) Symptomsäckchen Bei diesem Spiel lernt das Kind, wie es zu hohe Blutzuckerwerte erkennt und zuordnet. Es dauert in etwa 15 Minuten und ist für Kinder ab acht Jahren geeignet. Benötigt werden verschiedenfarbige Tischtennisbälle oder Kugeln, die mit Symptomen der Hyperglykämie beschriftet werden und ein Stoffsack. Jedes Kind darf nacheinander in den gefüllten Sack greifen und sich einen Ball oder eine Kugel herausholen. Das Symptom wird dann laut vorgelesen und in der Runde diskutiert, ob es sich hierbei um ein Zeichen für zu hohe Blutzuckerwerte handelt. Die Symptome werden genau beschrieben. Manches Kind wird merken, dass es einige Anzeichen schon erlebt hat (vgl. Haller, 2005, S. 62). Abb. 8: Symptomsäckchen 2) Würfelzucker im Vergleich Dem Kind wird visuell dargestellt, wie viele Würfelzuckerstückchen dem Kohlenhydratgehalt oder BE-Wert von Lebensmitteln entsprechen. Dieses Spiel hat keine Zeitgrenzen und ist ab sechs Jahren geeignet. Es werden kohlenhydrathaltige Lebensmittelattrappen oder auch echte Speisen und Würfelzucker benötigt. Neben dem Lebensmittel werden Zuckerstückchen entsprechend dem Kohlenhydratgehalt aufgestapelt. Für 12 g Abb. 9: Würfelzucker im Vergleich Kohlenhydrate sind vier Stück Zucker zu verwenden. Zum Beispiel hat ein Apfel eine BE und entspricht somit vier Stück Würfel-zucker. Eine Scheibe Brot hat zwei BE und ist vergleichbar mit acht Zuckerstückchen (vgl. Haller, 2005, S. 126). Für solche Übungen sind meist Altersgruppen vorgegeben. Von welcher Wichtigkeit das Alter des Schulkindes für die Schulung ist, werde ich im anschließenden Kapitel beschreiben. Sylvia Streck 18

3.3 Von großer Bedeutung ist das Alter des Kindes Altersentsprechend und unter Berücksichtigung der geistigen Fähigkeiten und auch der Kooperationsbereitschaft des Patienten muss die Wissensvermittlung ablaufen. Je jünger das Kind ist, desto wichtiger ist es, dass die Eltern in die Schulung mit einbezogen werden. Neben der Inhaltsvermittlung wird auch das Bewältigen und Akzeptieren der Krankheit erarbeitet. Dabei kann es hilfreich sein, Kinder mit gleichaltrigen Betroffenen zusammen zu bringen. Dies geschieht zum Beispiel in Feriencamps, an Schulungswochenenden oder in einer Kinderschulungsklinik (vgl. Sailer, 2001, S. 119). Als ich während meines zweitägigen Praktikums bei Diabetesberatungen anwesend war, konnte ich feststellen, dass vor allem größere Kinder Desinteresse zeigen, wenn Treffen verschiedener Art vorgeschlagen oder empfohlen werden. Weiters wurden während meiner Anwesenheit nur Einzelgespräche durchgeführt, da jedes Kind individuelle Bedürfnisse und Probleme hat. Zur Vorbereitung auf die Schulung soll der Trainer folgende Kriterien beachten: Die Aufgabenstellung soll dem Alter des Kindes angepasst sein. Dieses darf sich nicht überfordert oder gelangweilt fühlen. Der juvenile Diabetiker soll geistig und körperlich in der Lage sein, die Aufgabe zu lösen. Jedes Kind kann sich durch Berücksichtigung seiner individuellen Bedürfnisse die wichtigsten Inhalte merken. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Mischung aus Theorie und Praxis ausreichend Abwechslung bieten sollte (vgl. Haller, 2005, S. 21). Ebenso das Vermitteln von Kontrollen, die das Kind selbstständig durchführen können soll, muss altersgerecht erfolgen. Darüber werde ich im Folgenden berichten. 3.4 Selbstkontrollen durch das Kind Die Durchführung von Selbstkontrollen ist unverzichtbar für eine gute Stoffwechsellage. Dadurch wird das Kind zur Selbstständigkeit angeleitet und lernt Akutkomplikationen zu vermeiden. Auch das Risiko diabetischer Spätfolgen kann vom Schulkind beeinflusst werden (vlg. Sailer, 2001, S. 64). In den nächsten Kapiteln werde ich erklären, welche Kontrollen das Schulkind selbstständig durchführen können muss. Sylvia Streck 19

3.4.1 Blutzuckermessung Durch die Messung des Blutzuckerwertes kann die Stoffwechselsituation eingeschätzt werden. Die alleinige theoretische Aufklärung ist nicht ausreichend; Auch die praktische Vorgangsweise muss eingeübt werden. Befindet sich das Kind im Krankenhaus, sollten die Pflegepersonen von Zeit zu Zeit die Blutzuckerselbstkontrolle überprüfen, um Fehlerquellen frühzeitig erkennen zu können. Das Kind soll mindestens vier Mal täglich Blut- Abb. 10: modernes Blutzuckergerät zuckerkontrollen durchführen (morgens, mittags, abends und vor dem Schlafen gehen). Oft auftretende Fehler sind: Der Blutstropfen ist zu wenig oder verschmiert Die Teststreifen sind bereits abgelaufen Verwendung der falschen Codierung Die Teststreifen werden in offener Dose aufbewahrt (vgl. Sailer, 2001, S. 66-68) Ich möchte darauf hinweisen, dass sich die Eltern des Kindes beim Üben der Blutzuckerbestimmung beteiligen sollten, damit sie sich in ihr Kind einfühlen können. Um das Schulkind sanft an die Blutzuckermessung heranzuführen, ist es äußerst wichtig, die Blutgewinnung so schmerzarm wie möglich durchzuführen. Das Schmerzempfinden ist bei jedem Kind anders. Jedoch können vermehrte Schmerzen auch durch falsche Handhabung bei der Blutabnahme auftreten. Die Haut ist an verschiedenen Stellen des Körpers unterschiedlich dick. Dafür gibt es bereits moderne Stechhilfen (zum Beispiel Accu-Chek Softclix) mit individuellen Einstichtiefen, die besonders gut für zarte und dünne Kinderhaut geeignet ist. Hemmungen und Ängste vor dem Selbst-Stechen können in der Schulung meist behoben werden, indem die Blutabnahme mittels Trockenübungen gemacht oder vom Pflegepersonal vorge- Abb. 11: Softclix führt wird. Bei den modernen Stechhilfen ist die Lanzettenspitze nicht zu sehen, wodurch viele Kinder die Angst leichter verlieren. Nun noch einige Tipps für schmerzarmes und hygienisches Messen: Vor der Abnahme Hände waschen. Die Lanzette sollte vor jeder Messung gewechselt werden. Die Hände sollen warm und abgetrocknet sein, um die Durchblutung zu verbessern. Mit einer geringen Einstichstufe beginnen. Ist diese nicht ausreichend, beim nächsten Mal um eine Stufe erhöhen. Stechhilfe beim Einstechen fest gegen die Haut drücken. Sylvia Streck 20

Der erste Blutstropfen kann sofort für die Blutzuckermessung verwendet werden. Die Punktionsstelle soll jedes Mal gewechselt werden. An den seitlichen Fingerspitzen ist der Stich am schmerzlosesten (vgl. Accu-Chek Journal, 2007, S. 16-18). 3.4.2 Messung von Keton und Glukose im Urin Zur Ketonkörperbildung kommt es, wenn der Fettstoffwechsel des Kindes gestört ist. Ursache ist einerseits der Insulinmangel. Glukose kann nicht von den Zellen aufgenommen werden und es kommt zum Blutzuckeranstieg. Andererseits kann die Ketonausschüttung durch Glukosemangel auftreten, wenn das Kind zu wenig isst. In diesem Fall liegen niedrige Blutzuckerwerte vor (vgl. Hürter & Lange, 2005, S. 140). Keton im Urin kann für das Kind gefährlich werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Eltern darüber zu informieren. Der Ketonstreifen wird kurz in den mit Urin gefüllten Becher eingetaucht und am Rand abgestreift. Das Kind erkennt an der Farbe des Teststreifens, ob es Keton im Harn hat (vgl. Hürter et.al., 2005, S. 134). Diese Urinuntersuchung sollte unbedingt bei Gefahr oder Verdacht einer Stoffwechselentgleisung gemacht werden. Einen zu hohen Blutzucker soll das Kind auch durch den Urinzuckertest erkennen können. Ab einem Blutzuckerwert von 160 mg/dl lässt sich Zucker im Urin nachweisen. Eine Hypoglykämie kann nicht festgestellt werden. Weiters kann anhand der Harnzuckerausscheidung keine Therapieanpassung erfolgen. Die Selbstkontrolle wird auf gleiche Weise wie die Ketonkörperbestimmung durchgeführt (vgl. Sailer, 2001, S. 65). Ein genauer Blutzuckerwert kann jedoch nur durch die Blutzuckermessung gewonnen werden, der dann ins Diabetiker-Tagebuch eingetragen werden muss. 3.4.3 Diabetiker-Tagebuch Das Schulkind erhält noch während des Krankenhausaufenthaltes ein Diabetiker-Tagebuch. Darin werden hauptsächlich Blutzuckerwerte, gegessene BE s und die injizierten Einheiten vermerkt. Weiters werden Besonderheiten wie Krankheit oder Entgleisungen im Tagebuch festgehalten (vgl. Hürter et.al., 2005, S. 135-136). Das Heftchen muss bei jeder Diabetesberatung, sowie bei einem Arztbesuch mitgeführt werden. Daraus ist ersichtlich, ob das Kind richtig eingestellt ist oder ob Änderungen vorgenommen werden müssen. Während meines zweitägigen Praktikums bemerkte ich, dass kaum ein Kind das Tagebuch eigenständig führt. Vor allem die älteren Kinder haben kein Interesse, auch noch alles dokumentieren zu müssen. Meistens sehen sich dann die Mütter verpflichtet, die Arbeit des Kindes zu übernehmen. Sylvia Streck 21

3.4.4 Berechnung der Kohlenhydrate Da es nur bei Kohlenhydraten zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels kommt, müssen Fett und Eiweiß nicht berechnet werden. Zu den kohlenhydratreichen Lebensmitteln gehören: Brot, Getreide, Müsli, Haferflocken Kartoffeln, Reis, Nudeln Obst, Obstsäfte, Mais, Erbsen Milch und Milchprodukte Jede Art von Zucker, Honig, Süßes, Ketchup, Kekse, Kuchen, Eis, gezuckerte Getränke und noch vieles mehr. Gemüse und grüne Salate müssen nicht berechnet werden, da sie fast keine verdaulichen Kohlenhydrate beinhalten. Der Kohlenhydratanteil muss bei verpackten Lebensmitteln ersichtlich sein. Für nicht verpackte Nahrungsmittel gibt es Tabellen, die den Kohlenhydratgehalt anzeigen (siehe Anhang). Diese Werte müssen jedoch nicht auswendig gelernt werden (vgl. http://www.accuchek.de/parents/de/content/diabetes_ verstehen.html, 2007, 04. 04. 2007). Jetzt werde ich noch ein kindgerechtes Übungsbeispiel anführen, wobei das Kind das Einschätzen des Kohlenhydratgehaltes lernt. Zuckerflaschen Kinder ab sieben Jahren können an diesem Spiel teilnehmen. Es werden Flaschen mit Zucker verschiedener Füllhöhe benötigt und Lebensmittel. Diese können auch Attrappen oder Abbildungen sein. Die Materialien werden auf einem Tisch aufgebaut. Nun schätzen die Kinder den Kohlenhydratgehalt der Lebensmittel und ordnen diese den entsprechenden BE-Flaschen zu (vgl. Haller, 2005, S. 131). Abb. 12: Zuckerflaschen im Vergleich 3.4.5 Verabreichen von Insulin Insulin kann entweder mit einer Kunststoffspritze oder mit einem Pen in das Unterhautfettgewebe injiziert werden. Heute werden aufgrund der leichten Handhabung fast nur mehr Pens verwendet. Das Insulininjektionsgerät ist gefüllt mit einer Insulin-Patrone und durch Drehen und Drücken kann die eingestellte Insulindosis unter die Haut eingebracht werden. Die Kanülen des Pens müssen regelmäßig ausgetauscht werden, um die Haut zu schützen. Das Insulin muss nicht mehr aufgezogen werden, was dem Schulkind die Verabreichung enorm erleichtert. Die Insulindosis muss immer von den Eltern oder anderen Erwachsenen bestimmt und überwacht werden. Wenn sich manche Kinder noch nicht selbst spritzen trauen, sollten sie an einer Diabetesschulung mit Gleichaltrigen teilnehmen oder gemeinsam mit einer Sylvia Streck 22

Orange erste Versuche wagen. Dadurch wird ihr Ehrgeiz und Mut gesteigert. Wie und wo nun das Insulin verabreicht wird, lernt das Kind gemeinsam mit den Eltern bei der Diabetesberaterin (vgl. Hürter & Lange, 2005, S. 54-57). Was beim Verabreichen beachtet werden muss, kann auch in Form von Spielen vermittelt werden: 1) Sanduhr Dadurch kann die Dauer der Injektionszeit demonstriert werden. Geeignet ist das Spiel für Kinder ab acht Jahren. Benötigt wird eine Sanduhr mit der Aufschrift 10 Sekunden. Die Kinder werden gefragt, wie lange die Injektionsnadel in der Haut verbleiben muss. Nachdem verschiedene Antworten gegeben wurden, erklärt der Trainer, dass die Nadel 10 Sekunden in der Haut bleiben muss, damit das gesamte Insulin in den Körper aufgenommen werden kann. Durch die Sanduhr kann ein Zeitgefühl entwickelt werden (vgl. Haller, 2005, S. 90). 2) Nadel-Bleistift-Zahnstocher Bei diesem Spiel wird die Notwendigkeit des Nadelwechsels verdeutlicht. Es ist für Kinder ab sechs Jahren geeignet. Benötigt werden ein stumpfer und ein spitzer Bleistift, ein Zahnstocher und eine Kanüle. Zusätzlich werden mehrere aufgeblasene Luftballons gebraucht. Den Kindern wird erklärt, dass nach drei Injektionen die Nadel gewechselt werden muss. Bei längerem Gebrauch kommt es nämlich zur Belastung der Haut und zu Schmerzen. Dies wird nun mit den Materialen vorgezeigt. Den Ballon mit dem stumpfen Bleistift zum Platzen zu bringen, misslingt. Mit dem spitzen Bleistift wird ein Erfolg erzielt. Die Übung wird auch mit dem Zahnstocher und der Kanüle durchgeführt (vgl. Haller, 2005, S. 89). Abb. 13: Bleistiftexperiment Sylvia Streck 23

3.4.6 Gefahren selbstständig erkennen Da die Eltern nicht immer anwesend sein können, müssen die Zeichen einer Stoffwechselentgleisung vom erkrankten Kind selbst richtig erkannt werden. Auch hier kann durch aktives Erleben die Qualität des Lerneffektes verbessert werden. Hypo-Tafel Das Kind lernt Zeichen einer Hypoglykämie an sich selbst wahrzunehmen. Die Angehörigen lernen ebenfalls, Symptome des erkrankten Kindes zu erkennen. Bei diesem Spiel geht es um Selbst- und Fremdeinschätzung. Kinder ab acht Jahren und deren Angehörige können teilnehmen. Benötigt werden Karten und eine Tafel. Auf den Karten stehen hypoglykämische Symptome. Bei Selbstwahrnehmung werden Worte wie Hunger, Unruhe, Herzklopfen, Unkonzentriertheit, Zittrigkeit aufgeschrieben und bei Fremdeinschätzung Sehund Sprachstörungen, Blässe, Aggressivität, unsicherer Gang und Schwitzen. In die Mitte der Tafel wird nun ein Kreis gezeichnet. Darin steht Hypo = unter 50 mg/dl. Links und rechts neben dem Kreis werden die Worte Selbstwahrnehmung und Fremdeinschätzung geschrieben. Jetzt müssen Kinder und Angehörige Signale eines Hypos nennen und zuordnen können. Die Begriffe werden an die Tafel geheftet und diskutiert (vgl. Haller, 2005, S. 101). Zusammenfassend möchte ich sagen, dass jedes Kind Anspruch auf eine alters- und kindgerechte Schulung hat. Gerade im Schulkindalter braucht die Wissensvermittlung nicht nur über die Eltern erfolgen. Die Aufklärung soll auf Niveau des Kindes passieren, damit es sich nicht überfordert fühlt und Freude am Lernen hat. Trotzdem kommt den Eltern eine Schlüsselrolle zu. Wie sie die Akzeptanz der Erkrankung ihres Kindes beeinflussen können und welche Aufgaben die Bezugspersonen nun erwarten, wird im Folgenden beschrieben. Sylvia Streck 24

4. Schulung der Eltern und des sozialen Umfeldes Oft fühlen sich Elternteile schuldig an der Erkrankung ihres Kindes, weil sie glauben, dass zu viele Süßigkeiten die Ursache für Diabetes sind. Doch diese Erkrankung im Kindes- und Jugendalter kann nicht verhindert werden. Eltern haben oft Angst, weil sie nicht ausreichend über Diabetes Bescheid wissen oder sich unsicher fühlen, darum ist eine ausführliche Schulung von besonderer Wichtigkeit (vgl. Hürter & Lange, 2005, S. 22-23). Aber auch das Lehrpersonal gehört aufgeklärt. Worauf bei der Information der Klassenkameraden geachtet werden muss, werde ich demnächst erläutern. 4.1 Wie Eltern ihr Kind unterstützen können Das erkrankte Kind spürt die Unruhe und Reaktion der Eltern, darum hängt es von ihnen ab, wie ihr Kind Diabetes erlebt. Zunehmende Ängste entstehen, wenn Mutter oder Vater Verzweiflung zeigen. Hingegen lässt hoffnungsvolle Ausstrahlung das Kind verstehen, dass alles in Ordnung ist. Für jedes Kind ist die Unterstützung und Zuwendung seiner Eltern notwendig. Aus diesem Grund sollte immer ein Elternteil mit ins Krankenhaus aufgenommen werden. Jedoch macht übermäßige Behutsamkeit auf Dauer hilflos und kann das Kind zusätzlich entmutigen. Im Laufe der Kindheit tragen die Eltern die Verantwortung. Sie sorgen dafür, dass das Kind möglichst unbeschwert aufwachsen kann. Später muss das Schulkind lernen, seinen Diabetes selbst zu behandeln. Nun haben die Eltern die Aufgabe, zu unterstützen und die Selbstständigkeit ihres Kindes zu fördern. Dieses soll Anerkennung und Bewunderung für seine große Leistung erhalten, auch wenn die Behandlung nicht immer korrekt ausgeführt wird. Weiters haben die Eltern dafür zu sorgen, dass ihr Kind angemessen mit Problemen und Schwierigkeiten umzugehen weiß (vgl. Hürter & Lange, 2005, S. 25-26, S. 342-346). 4.2 Sachliche Information der Lehrpersonen Jeder Lehrer muss verständigt werden, wenn einer seiner Schüler an Diabetes erkrankt ist. Er sollte wissen, dass das Kind im Notfall, zum Beispiel bei Unterzucker, etwas essen oder trinken muss und dies auch während des Unterrichts gestatten. Kommt es zu einer stark ausgeprägten Hypoglykämie soll die Lehrperson in der Lage sein, bei Bewusstlosigkeit des Kindes Glukagon zu injizieren und den Notarzt zu verständigen. Alles, was für den Schulalltag mit Diabetes notwendig ist, soll von den Eltern mit den wichtigsten Lehrern besprochen werden. Die Information muss enthalten, dass das Kind normal gefördert werden kann und dass die Behandlung allein in elterlicher Verantwortung liegt. Nur im Notfall ist Hilfe durch die Lehrperson erforderlich. Das Kind sollte sich im Unterricht so viel wie möglich beteiligen. Voraussetzung ist, dass jederzeit eine Blutzuckerkontrolle durchgeführt werden darf (vor allem im Sportunterricht), um eine Hypoglykämie abzuklären. Führt das Kind bei Sylvia Streck 25