Sebastian Kurz. Hochgeschätzter Herr Abt, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Herr Vizepräsident, Herr Außenminister, sehr geehrte Damen und Herren,

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Transkript:

Sebastian Kurz, Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres 1 Sebastian Kurz Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Hochgeschätzter Herr Abt, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Herr Vizepräsident, Herr Außenminister, sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für die Einladung und für die Möglichkeit, heute da sein zu dürfen. Ich freue mich, dass wir gemeinsam das Außenministerium und das Land Niederösterreich hier einladen durften. Ich möchte mich eigentlich gar nicht allzu sehr auf die Herkunftsdiskussion einlassen und möchte auch gar nicht beurteilen, ob Wien jetzt grau war oder nicht, oder nach wie vor grau ist oder nicht, ich habe nämlich gleich zu Beginn meiner politischen Tätigkeit feststellen müssen, dass man mit diesen Herkunftsdiskussionen eigentlich fast nur verlieren kann. Als ich vor einigen Jahren als Bundesobmann der Jungen ÖVP kandidieren wollte und dann auch kandidiert habe, habe ich mich auf den Weg gemacht auf eine Vorstellungstour durch die unterschiedlichen Landesorganisationen der Jungen ÖVP. Ich habe schnell bemerken müssen, als ich Wien verlassen habe, dass das nicht immer ein Wettbewerbsvorteil ist, als Wiener in den Bundesländern unterwegs zu sein, und je weiter ich in Richtung Westen vorgerückt bin, desto schwieriger ist es geworden. Der Höhepunkt war dann, als ich in Tirol angekommen bin und selbstbewusst ein Tiroler so neben mir gesessen ist mit einem Aufdruck auf dem Leiberl, auf dem draufgestanden ist: Tausche Wien gegen Südtirol. Das war der Moment, wo ich dann der Meinung war, es ist jetzt ein Wettbewerbsvorteil, auf meine ursprünglichen Wurzeln einzugehen und habe ganz selbstbewusst berichtet in meinen einleitenden Worten, dass ich zwar in Wien lebe und in Wien auch politisch sozialisiert bin, dass aber eigentlich beide meiner Eltern aus Niederösterreich kommen, und ich auch da aufge-

Sebastian Kurz, Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres 2 wachsen bin und freudestrahlend über diesen Wettbewerbsvorteil donnert dann auf einmal der Tiroler gegenüber von mir er war sehr mächtig gebaut mit der Faust auf den Tisch und sagt, unglaublich, in der ÖVP wird man nur mehr etwas, wenn man aus Niederösterreich ist. Insofern habe ich sehr früh die Erfahrung machen müssen, dass das mit der Herkunft nicht allzu leicht ist in Österreich, und daher ist es gerade für einen Wiener eigentlich sehr positiv, dass eine Zahl stetig steigt, nämlich, unabhängig von der wichtigen regionalen Zugehörigkeit, steigt die Zahl derer, die sich als Europäer sehen. In einer Umfrage haben unlängst schon über 60 % der Österreicher und das ist ein immer höher werdender Wert angegeben, ja, sie sind Europäer. Ich denke, das ist gut so, das ist zwar verbesserungswürdig, aber es immerhin schon eine relativ hohe Zahl. Es ist auch zu Recht so, denn wenn man sich anschaut wie international wir mittlerweile in Österreich geworden sind, dann merkt man schnell, wir sind eigentlich ein Land, in dem Europa auch stattfindet. Wir haben über 500.000 EU-Bürger, die in Österreich leben, über 300.000 Österreicher leben außerhalb Österreichs in der Europäischen Union. Wir liegen also durchaus über dem europäischen Schnitt, indem ja mittlerweile nur 14 Millionen Menschen in anderen Ländern leben in der Europäischen Union als sie geboren sind, also noch nicht allzu viele, die da wirklich mobil sind. Österreich liegt da über dem Schnitt. Auch unsere Wirtschaft zeigt uns, dass wir europäisch sind. 70 % unserer Exporte fließen in die Europäische Union, und gerade für einen jungen Menschen kann man nur sagen, ist die Europäische Union eigentlich eine totale Selbstverständlichkeit. Ich bin mit offenen Grenzen, mit dem Euro, mit der Mobilität, mit der Freiheit, überall zu studieren, aufgewachsen und kenne eigentlich gar nichts anderes mehr. Die Herausforderung, die ich aber sehe für uns als junge Generation, ist, dass wir uns wünschen, dass Europa nicht nur ein Kontinent mit viel Vergangenheit ist, sondern auch ein Kontinent mit viel Zukunft sein soll. Ich bin durchaus besorgt, wenn ich mir anschaue Alfred Gusenbauer hat das angesprochen, dass hier durchaus an vielen anderen Orten der Welt Wirt-

Sebastian Kurz, Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres 3 schaftswachstum stattfindet, dass es viele Kontinente gibt, die jünger sind als wir, dass es Länder und Märkte gibt, die hungriger sind als wir. Ich glaube, gerade, wenn wir uns dessen bewusst sind, ist es notwendig, dass wir alle auch die Möglichkeit nutzen, an dieser Europäischen Union weiterzuarbeiten und eine stetige Weiterentwicklung und eine stetige Bewegung voranzutreiben. Im Inneren, glaube ich, kann sich die Europäische Union weiterentwickeln, es ist schon angesprochen worden, kleiner zu werden in den kleinen Dingen und etwas stärker und mehr zu werden in den großen Dingen, aber ich glaube auch, was die Weiterentwicklung über die derzeitigen Grenzen der Europäischen Union hinaus betrifft, ist noch einiges zu tun, und auch, wenn das unpopulär ist, möchte ich durchaus das Stichwort der Erweiterung heute erwähnen. Österreich ist ein kleines, aber durchaus ein selbstbewusstes Land, das ein Interesse daran hat, in dieser Europäischen Union auch stark mitzugestalten. Ich glaube, die Aufgabe der Länder in der Europäischen Union wird es immer mehr sein, sich gewisse Nischen zu suchen, in denen man Kompetenz hat, in denen man Anliegen hat und in denen man sich auch stark machen möchte. Eine dieser Nischen ist für uns definitiv der Westbalkan. Wir haben dort Kompetenz, wir haben eine starke Verbundenheit, historisch, wirtschaftlich, aber auch menschlich, es leben irrsinnig viele Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich, die Wurzeln am Westbalkan haben, und wir haben eine starke Verbundenheit mit dieser Region. Wenn wir uns dafür einsetzen, dass die Länder des Westbalkan mehr und mehr Perspektive haben, auch Teil der Europäischen Union zu werden, dann ist das nicht nur, weil es 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs gescheit und höchst an der Zeit ist, dann ist das nicht nur, weil es im Interesse dieser Länder ist und die europäische Perspektive auch Reformmotor für diese Länder sein kann und wird, sondern dann ist es auch in unserem eige-

Sebastian Kurz, Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres 4 nen Interesse, weil wir nach wie vor, was die öffentliche Sicherheit, was unsere Wirtschaftssituation betrifft, ganz massiv davon profitieren wie sich diese Länder am Westbalkan entwickeln. Aber neben unserem Schwerpunkt am Westbalkan und neben der Gewissheit, dass wir für diese Länder Partner auf ihrem Weg in die Europäische Union sein wollen, werden wir uns selbstverständlich in den nächsten Jahren auch intern, innerhalb der Europäischen Union, gerne einbringen. Ein Stichwort, das Othmar Karas genannt hat, ist die Bürgerbeteiligung. Das ist mir ganz wichtig, ich habe mich in Österreich immer wieder für mehr direkte Demokratie und Mitsprache eingesetzt, weil ich glaube, das Schlimmste, was einer politischen Institution passieren kann, ist, wenn keiner mehr teilnimmt, wenn keiner mehr teilhaben will, wenn sich auch keiner mehr auskennt. Insofern, glaube ich, sollten wir bei all der Komplexität der Europäischen Union und bei all den durchaus schwierigen Themen stets versuchen, dass die Europäische Union bürgernah bleibt, noch bürgernäher wird und dass direkte Demokratie auch wächst, wenn die Europäische Union ein großes Gebilde ist. Zum Zweiten glaube ich sollten wir uns einsetzen für Transparenz in der Europäischen Union. Es haben viele immer Angst, wenn eine Institution transparenter wird, dass man dann die Schattenseiten sieht, ich glaube, das Gegenteil ist die Wahrheit mehr Transparenz hilft jeder Organisation, und wenn der Bürger weiß, wohin sein Steuergeld fließt auch innerhalb Europas, dann wird er im Normalfall mehr Bewusstsein dafür entwickeln können, dass es auch gut investiert wird beziehungsweise entwickelt er auch ein stärkeres Interesse mitzugestalten und mitzureden, wohin denn das Geld überhaupt fließen soll. Zum Dritten glaube ich, dass es innerhalb der Europäischen Union wichtig sein wird, Zukunftsthemen rechtzeitig zu erkennen. Wenn wir nicht aufpassen und wenn wir keine aktive Netzpolitik betreiben, dann, glaube ich, lau-

Sebastian Kurz, Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres 5 fen wir Gefahr, dass wir in diesem Bereich in eine Abhängigkeit geraten, wie wir das bei Öl und Gas vielleicht schon lange sind. Wenn wir auf Themen wie Integration innerhalb der Europäischen Union vergessen, dann wird Mobilität und Migration stets ein Problem sein, weil ohne ordentliche Integration wird die Angst vor Mobilität und Migration stetig größer werden. In diesem Sinne glaube ich, dass es viele Bereiche gibt, wo wir innerhalb der Europäischen Union, aber auch, was die Erweiterung am Westbalkan betrifft, als Österreich aktiv mitgestalten wollen und das werden wir auch, glaube ich, selbstverständlich tun. Der 25. Mai ist für uns alle ein wichtiges Datum in dieser Mitgestaltung. Wir haben es beim letzten Mal geschafft, in der Wahlbeteiligung etwas über dem europäischen Schnitt zu liegen, und ich glaube das muss auch unser Ziel für diesen 25. Mai sein. Unabhängig davon, wen man am 25. Mai unterstützt oder wählt, freue ich mich als Außenminister, wenn unsere Wahlbeteiligung möglichst hoch ist, wenn wir wieder über den europäischen Schnitt kommen, und ich glaube, dass das auch ein starkes Zeichen sein kann, dass wir in Europa als Republik ordentlich mitgestalten wollen. Ich möchte abschließend aber noch auf ein anderes Land hinweisen, bei dem der 25. Mai eine ganz entscheidende Rolle spielen wird, nämlich die Ukraine auch. In der Ukraine sind am 25. Mai Wahlen, die entscheidend dafür sein werden, ob die Ukraine einen kleinen Schritt in Richtung mehr Stabilität machen wird können. Es gibt viele, die Separatisten, unterschiedlichste Gruppierungen in der Ukraine, die alles daran setzen werden, diese Wahlen zu behindern und schwierig zu machen. Ich hoffe dennoch, dass es möglich sein wird, dass möglichst viele Menschen in der Ukraine an der Wahl teilnehmen, einen neuen Präsidenten wählen und somit einen kleinen Schritt in Richtung mehr Stabilität nehmen können.

Sebastian Kurz, Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres 6 Wir werden weiterhin auch über den 25. Mai hinaus aus österreichischer Perspektive nicht nur unsere Interessen, sondern vor allem auch unsere Werte vertreten, werden unsere Neutralität versuchen zu nutzen, um immer wieder auch Gesprächskanäle zu öffnen und werden in der Europäischen Union stets diejenigen sein, die einfordern, dass man neben Sanktionen und Drohgebärden, die es selbstverständlich auch braucht, wenn ein Land wie Russland Völkerrecht verletzt, dass wir neben diesen Sanktionen stets jede Möglichkeit nutzen, um das Gespräch zu suchen, denn am Ende des Tages streben wir alle eine friedliche Lösung mit Russland an. Ich glaube, unser großes Ziel muss es sein, auch was unsere östliche Partnerschaft betrifft hier vielleicht ein bisschen flexibler zu werden als in der Vergangenheit. Vielleicht gibt es mehr als nur ein Assoziierungsabkommen, vielleicht gibt es mehr als nur ein Dabeisein oder auch nicht. Ich glaube, wir sollten wachgerüttelt sein durch die Ukraine und uns bewusst sein, dass wir als Europäische Union auch die Verantwortung haben, Länder wie Georgien, die Moldau und die Ukraine nicht in eine Zerreißprobe zu drängen zwischen der Europäischen Union oder einer eurasischen Zollunion, sondern vielleicht Konzepte entwickeln wie es möglich ist, dass diese Länder näher an die Europäische Union rücken und gleichzeitig mit regionalen Partnern wie Russland stark zusammenarbeiten. Ich glaube, das ist in unserer Verantwortung, als neutrales Land hier auch einen Beitrag zu leisten, dass die Europäische Union für diese Länder eine Perspektive ist, ohne sie vor eine Zerreißprobe zu stellen. Sehr geehrte Damen und Herren, ich darf abschließend an diesem Vormittag mich noch einmal ganz herzlich beim Abt bedanken, dass wir hier zu Gast sein dürfen. Anders als Alfred Gusenbauer habe ich keine Vorfahren in diesem Kloster, auch keine Erbansprüche, aber ich bin trotzdem sehr gerne da, und ich möchte mich namens des Außenministeriums ganz herzlich bei Ihnen und bei Dir, Herr Außenminister, für Dein Kommen nach Niederösterreich be-

Sebastian Kurz, Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres 7 danken und bei Dir, Barbara Schwarz, ganz herzlich danke sagen für die gute Zusammenarbeit in Vorbereitung dieses Europa-Forums Wachau. Vielen, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.