Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung am Beispiel des Projekts Selbstständige Schule



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Transkript:

Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung am Beispiel des Projekts Selbstständige Schule von Ulrich Kober (Bertelsmann Stiftung) Die Schule in Deutschland steht auf dem Prüfstand. Alle Verantwortlichen spüren, dass es einen gravierenden Modernisierungsrückstand im deutschen Schulsystem gibt und der Reformbedarf dringlich ist. Dabei blicken viele in einer Mischung aus Bewunderung und Neid auf Länder, die im PISA-Ranking oben stehen. Konsens ist, dass deutsche Schulen sich entwickeln müssen. Aber wie soll das gehen? Hilft dabei z.b. die finnische Praxis als Orientierungshilfe? Eine gewisse Skepsis ist angeraten, denn die kontextblinde Extrapolation vermeintlicher Gelingensbedingungen ist nicht unbedingt ein Erfolg versprechendes Unternehmen. Die Warnung der alten Volksweisheit, wonach der Weg in die Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist, lässt sich für unsere Fragestellung dahingehend variieren, dass der Weg zum Scheitern mit guten Beispielen gepflastert sein kann... Denn es gibt keine Blaupause für Entwicklung, da wir es mit handelnden Akteuren und spezifischen Rahmenbedingungen zu tun haben. Gleichwohl macht es Sinn, sich mit den Erfahrungen derer auseinander zu setzen, die sich auf das Wagnis von umfassenden Veränderungsprozessen eingelassen haben und dabei zu fragen, was sich in diesen Fällen als förderlich oder hinderlich erwiesen hat. Die Erfahrungen, die hier dargestellt werden, reflektieren die Praxis des Modellvorhabens Selbstständige Schule, des zurzeit wohl umfassendsten Projekts zur Schulentwicklung in Deutschland. Ob es sich dabei wirklich um good practice bzw. ein gutes Beispiel oder gar ein Modell handelt, ist abschließend noch nicht zu beurteilen. Allerdings gibt es vor allem vor dem Hintergrund der Projekt begleitenden Befragungen der Projektbeteiligten tragfähige Hinweise dafür, dass in diesem Projekt ein Weg der Schulentwicklung beschritten wird, der Erfolg verspricht. Zunächst werden einige Grunddaten des Projekts Selbstständige Schule dargestellt, dann das dem Projekt zugrunde liegende Konzept von Schulentwicklung erläutert, drittens vor diesem Hintergrund wichtige Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung abgeleitet und schließlich einige Gedanken zum Übergang von der Schule in den Beruf erörtert, die sich aus dem beschriebenen Ansatz regionaler Schulentwicklung ergeben. Damit dieser Übergang gelingt, braucht es so die abschließende These eine systematische regionale Schulentwicklung. Seite 1 von 13

1. Fakten zum Projekt Selbstständige Schule 1.1. Kooperationsprojekt zwischen nordrhein-westfälischem Schulministerium und Bertelsmann Stiftung Das Projekt ist Ausdruck der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen der nordrhein-westfälischen Landesregierung und der Bertelsmann Stiftung im Bereich der Schulentwicklung. Der Stifter Reinhard Mohn war Mitglied der Kommission des damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau, die Mitte der 90er Jahre Empfehlungen zu einem zukunftsfähigen Schulwesen aussprachen (vgl. Bildungskommission NRW 1995). Seit dieser Zeit gab und gibt es vielfältige Kooperationsprojekte zwischen Landesregierung und Bertelsmann Stiftung, z.b. das Projekt Schule & Co. (1997-2002) und aktuell das Modellvorhaben Selbstständige Schule. Das Projekt, das im Schuljahr 2002/03 begann, hat mit sechs Jahren eine lange Laufzeit, was allerdings für Schulentwicklungsprojekte angemessen ist. Entwicklung braucht Zeit das zeigen die erfolgreichen PISA-Länder, die ihre zentralen Reformen in den 70er und 80er Jahren durchführten. 1.1. Projektbeteiligte Schulen und Regionen Es handelt sich um ein Projekt der regionalen Schulentwicklung: Schulen konnten sich nicht einzeln bewerben, sondern nur gemeinsam mit dem Schulträger (vgl. Abbildung 1). 278 Schulen aller Schulformen in Nordrhein-Westfalen nehmen teil. Diese Zahl ist vor dem Hintergrund von landesweit über 6.700 Schulen nicht besonders eindrucksvoll. Wenn man aber an die regionale Beteiligung denkt, so wird das strukturelle Veränderungspotenzial des Projekts deutlich: denn es nehmen mehr als ein Drittel der Flächenkreise in Nordrhein-Westfalen teil. Als Region im Projekt gilt wie in den Empfehlungen der Rau-Kommission i.d.r. eine Gebietskörperschaft, d.h. ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt. Abbildung 1: Schulen und Regionen Der Durchdringungsgrad der Regionen mit Modellschulen ist sehr unterschiedlich: er reicht von fast 40 Prozent bis unter 10 Prozent. Der Kreis Herford spielt eine Sonderrolle, weil dort das Projekt Selbstständige Schule in das regionale Schulentwicklungsprogramm integriert ist, das Seite 2 von 13

durch Schule & Co. angestoßen wurde und fast alle Schulen der Region in einen regional vermittelten Entwicklungsprozess einbezieht. Das Projekt verfolgt das Ziel, die Qualität schulischer Arbeit, vor allem des Unterrichts, zu verbessern (vgl. Brabeck/ Lohre 2004). Das setzt Anstrengungen auf der einzelschulischen Ebene, aber auch auf der regionalen Ebene voraus. Im Einzelnen werden im Projekt folgende Ziele angestrebt: - im Bereich der qualitätsorientierten Selbststeuerung der Modellschulen: - systematische Unterrichtsentwicklung zur Förderung der Lernkompetenz bei Schülerinnen und Schülern, - Verbesserung des schulinternen Managements, - eigenverantwortliches und effizientes Arbeiten im Rahmen größerer Gestaltungsfreiräume in den Bereichen Personalentwicklung, Ressourcenbewirtschaftung, Unterrichtsorganisation und Mitwirkung bzw. Partizipation, - Aufbau eines Systems der Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung und Rechenschaftslegung auf schulischer Ebene; - und im Bereich der Entwicklung regionaler Bildungslandschaften in den Modellregionen: - Aufbau regionaler Beratungs- und Unterstützungsstrukturen für selbstständige Schulen, - Aufbau einer qualitativen Schulentwicklung in der Region, insbesondere durch die Kooperation zwischen Schulträgern, Schulaufsicht, Schulen gleicher und verschiedener Schulformen und die Vernetzung der Bildungsakteure in der Region, - Aufbau eines regionalen Systems der Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung und Rechenschaftslegung. Grundlage der Projektteilnahme sind Kooperationsvereinbarungen zwischen den Projektträgern Bertelsmann Stiftung und Landesregierung, vertreten durch die Bezirksregierungen, sowie den projektbeteiligten Schulen und Schulträgern (vgl. Hoppe/ Kober 2004). In den Kooperationsvereinbarungen sind die schulindividuellen und regionalen Entwicklungsvorhaben im Rahmen der gemeinsamen Projektziele und Arbeitsfelder aufgeführt und die Leistungen der Vertragspartner geregelt: im Jahr werden vom Land und vom Schulträger jeweils 2.500 Euro pro Schule in den regionalen Entwicklungsfonds eingezahlt, die Schulen erhalten für ihre Entwicklungsarbeit eine halbe Zeitbudgetstelle, sie bekommen die Möglichkeit, nicht-besetzte Lehrerstellen zu kapitalisieren und verpflichten sich zu Fortbildung und Rechenschaftslegung. Rechtliche Grundlage des Projekts ist das Schulentwicklungsgesetz vom 27.11.2001 und die entsprechende Verordnung für die Durchführung des Modellvorhabens Selbstständige Schule (VOSS) vom 12.4.2002: hier sind die neuen Gestaltungsräume der Modellschulen im Bereich der Unterrichtsorganisation und -gestaltung, der Schulleitung Schulleiterinnen und Schulleiter werden Dienstvorgesetzte, der Mitwirkung und des Lehrerrates aufgeführt. 2.1. Perspektiven für den Transfer Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet. Das Schulministerium beauftragte nach einer bundesweiten Ausschreibung und einem Begutachtungsverfahren durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein Konsortium aus Wissenschaftlern der Universitäten Dortmund und Duisburg/ Essen mit der Begleitforschung. Im ersten Jahr des Projektes 2002/03 wurde eine Seite 3 von 13

Bestandsaufnahme durchgeführt, die auch Leistungstests in zufällig ausgewählten Schulen umfasste. Eine Zwischenerhebung wurde im Schuljahr 2004/05 durchgeführt und eine Abschlusserhebung ist für das Schuljahr 2006/07 geplant. Beide Erhebungen arbeiten mit jeweils demselben Instrumentarium und den gleichen Schul-Stichproben wie die Anfangserhebung. Die Leistungstests werden in einem Längsschnitt erhoben. Zwischen diesen Erhebungswellen werden qualitative Fallstudien durchgeführt, die sich sowohl auf die Entwicklung von Einzelschulen als auch auf die Entwicklung regionaler Bildungslandschaften beziehen werden. Der Zwischenbericht wird voraussichtlich Anfang 2006, der Abschlussbericht 2008 vorgelegt werden. Von der wissenschaftlichen Begleitforschung werden wichtige Aufschlüsse über die Bedeutung von Selbstständigkeit für die Schulentwicklung erwartet. Bereits jetzt sind Impulse aus dem Projekt zur größeren Selbstständigkeit der Schulen in das neue Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen vom 1.8.2005 eingegangen. Auch in den Regionen gibt es bereits eine Dynamik zur Ausweitung und zum Transfer des Projekts. Zum 1.8.2003 wurden noch einmal 41 weitere Schulen in den Modellregionen in das Projekt aufgenommen. Ein Schritt in den Transfer ist die Aufnahme von Korrespondenzschulen : diese werden vor allem in die Fortbildungsangebote des Projekts einbezogen. Die Stadt Dortmund mit ihren 27 Modellschulen hat z.b. zum neuen Schuljahr 2005/06 mit 20 Korrespondenzschulen Kooperationsvereinbarungen geschlossen. Ebenfalls unter Transfergesichtspunkten ist die Einrichtung regionaler Bildungsbüros in den Modellregionen von Interesse: sie können zu institutionellen Garanten für die Verstetigung der mit dem Projekt eingeleiteten regionalen Schulentwicklung werden, sofern das Land und die jeweiligen Kommunen dies politisch wollen. 2. Schulentwicklung im Projekt Selbstständige Schule 2.1. Die Bedeutung von Selbstständigkeit für die Qualitätsentwicklung von Schulen Die Ergebnisse der ersten PISA-Studie zeigen einen Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Schulautonomie (vgl. Abbildung 2). Allerdings bedeutet Korrelation nicht gleich Kausalität und der Zusammenhang ist auch nicht eindeutig, wie der Vergleich zwischen Deutschland und Portugal bzw. Italien zeigt. Diese Länder verfügen über einen höheren Grad an Schulautonomie, erzielen aber schlechtere Schülerleistungen als Deutschland. Gleichwohl scheint der Grad der Selbstständigkeit prima facie ein wichtiger Ansatzpunkt für die Qualität einer Schule und damit für Schulentwicklung zu sein. Seite 4 von 13

Schulautonomie 100 80 60 40 20 0 Schweden UK Spanien Japan Finnland Portugal Italien Deutschland OECD 440 460 480 500 520 540 560 Schülerleistungen Abbildung 2: Korrelation zwischen Schülerleistungen und Schulautonomie (PISA I) Denn Selbstständigkeit spannt einen hilfreichen Rahmen auf, in dem sie den Akteuren vor Ort mehr Verantwortung gibt. Entscheidend ist aber dann, worauf die Akteure in diesem Rahmen den Fokus legen. Dabei spielen der Unterricht und die Lern- und Lehrkultur einer Schule die zentrale Rolle. Michael Fullan, der renommierte kanadische Schulentwicklungsforscher, unterstreicht dies folgendermaßen: Bildungsreformen schlagen hauptsächlich aus zwei Gründen fehl: Zum einen sind die Probleme komplex und hartnäckig. Es ist schwer, sich wirksame Lösungen einfallen zu lassen, und noch schwerer, sie tatsächlich in die Praxis umzusetzen. Der zweite Grund ist, dass die verwendeten Strategien nicht die Dinge in Angriff nehmen, die wirklich wichtig wären. Sie sind weder auf eine grundlegende Unterrichtsreform noch auf die damit verbundene Entwicklung einer neuen pädagogischen Teamkultur ausgerichtet (Fullan 1999: S.85). Im Projekt Selbstständige Schule ist Selbstständigkeit kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck, Qualität schulischer Arbeit und insbesondere des Unterrichts zu verbessern. Was meint in diesem Zusammenhang eigentlich Qualität? Für das Projekt Selbstständige Schule bemisst sich die Qualität der Schule daran, was sie zur Förderung optimaler Lern- und Lebenschancen für Kinder und Jugendliche in einer Region beiträgt. Sie macht sich zuallererst an dem fest, was Schülerinnen und Schüler lernen im Verhältnis zu dem, was sie lernen sollen und können. Diese Qualität wird in erster Linie im Unterricht, d.h. durch Teams von Lehrerinnen und Lehrern erzeugt. In einer einzelnen Schule kann die geforderte Qualität des Lernens nicht allein erzeugt werden. Vielmehr erfordert dies die Zusammenarbeit der Schulen untereinander und mit anderen Bildungsakteuren in der Region. Die Qualität der einzelnen Schule im Projekt Selbstständige Schule orientiert sich am Leitbild des Hauses des Lernens (vgl. Abbildung 3). Schule ist demnach ein Ort, - an dem Schülerinnen und Schüler lernen, eigenverantwortlich zu lernen und zu handeln, Seite 5 von 13

- die notwendigen Kompetenzen erwerben, die sie für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben benötigen und - die im lebendigen Austausch mit anderen Schulen und dem gesellschaftlichen Umfeld in der Region steht. Das Haus des Lernens Sozialkompetenz Methodenkompetenz Erwerb von Schlüsselkompetenzen Fachkompetenz Persönliche Kompetenz Eigenverantwortliches Arbeiten und Lernen der Schülerinnen und Schüler (Aufbau von Lernkompetenz) Unterrichtsentwicklung ist verbunden mit pädagogischer Teamentwicklung ist systematisch aufgebaut erfasst nach und nach die ganze Schule Abbildung 3: Das Haus des Lernens 2.2. Schulentwicklung als Zusammenspiel von Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung Schule entwickelt sich auf verschiedenen Ebenen: als Organisation, in ihren Handlungsfeldern, vor allem dem Unterricht, und durch ihre zentralen Akteure, die Lehrerinnen und Lehrer. Im Konzept der Schulentwicklung im Projekt Selbstständige Schule liegt, wie erwähnt, der Fokus auf dem Unterricht. Unterrichtsqualität zu verbessern bedeutet, die Lernkompetenzen von Schülerinnen und Schülern kontinuierlich zu fördern. Dazu wird eine teamorientierte und zugleich systematische Unterrichtsentwicklung angestoßen, die die ganze Schule erfasst. Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung greifen in diesem Konzept ineinander. Die gemeinsame Arbeit am Unterricht ist der zentrale Bezugspunkt. Von daher werden die Maßnahmen zur Personalentwicklung konzipiert, die nicht mehr vom Bedarf der einzelnen Lehrkraft her gedacht sind, sondern sich vom Bedarf der Schule ableiten und sich an alle Lehrkräfte wenden. Personalentwicklung ist also systemisch angelegt. Nun kommt die Organisationsentwicklung ins Spiel. Damit sich diese kollektiven Fortbildungen Seite 6 von 13

im Bereich der Unterrichtsentwicklung nachhaltig auf die Lehr- und Lernkultur einer Schule auswirken können, werden entsprechende Lernstrukturen aufgebaut (vgl. Abbildung 4). Schulentwicklung als Lernprozess teamorientiert - systematisch - die ganze Schule erfassend individuell zielgerichtetes Lernen kollektiv Trainings und Fortbildungen (intern/extern) Trainings und Fortbildungen (intern/extern) + Aufbau von (Lern-) Strukturen (intern) individuelle Entwicklung führt nicht zur Schulentwicklung individuelle Entwicklung führt nicht zwingend zur Schulentwicklung Schule als lernende Organisation führt zur Schulentwicklung Selbstständige Schule Abbildung 4: Schulentwicklung als Lernprozess Eine so verstandene, systematische Schulentwicklung beinhaltet konkret kollektive Lernprozesse und sichernde Strukturen auf folgenden Ebenen (vgl. Abbildung 5): - im Bereich der Schulleitung und des Schulmanagements werden die Schulleiterin bzw. der Schulleiter gestärkt sowie das Kollegium in den systematischen Prozess der Schulentwicklung über die Einrichtung schulischer Steuergruppen mit entsprechenden Fortbildungen eingebunden; - im Bereich der Unterrichtsentwicklung werden systematische Trainings durchgeführt, die durch die Einrichtung von Klassen- und Fachteams flankiert werden mit dem Ziel, eine professionelle pädagogische Teamkultur zu entwickeln; - im Bereich der Qualitätssicherung wird eine Evaluationskultur aufgebaut, die u.a. durch Evaluationsberaterinnen und -berater in der Schule gefördert wird. Seite 7 von 13

Strukturen einzelschulischer Entwicklung Fortbildung Leiten und Führen Schulleitung Fortbildung Schulentwicklungsmanagement Fachteams Klassenteams Fortbildung Interne Evaluation Steuergruppe Qualitätsarbeit Evaluationsberater Trainings zur Unterrichtsentwicklung Abbildung 5: Strukturen einzelschulischer Entwicklung 2.3. Regionale Schulentwicklung: von der regionalen Schul- zur Bildungslandschaft Wie schon mehrfach angeklungen, spielt der Aspekt der Regionalität im Konzept der Schulentwicklung im Projekt Selbstständige Schule eine zentrale Rolle (vgl. Lohre/ Kober 2004). Diesem Ansatz liegt die Überzeugung zugrunde, dass Schulen Teil eines Systems von Lernmöglichkeiten und Bildungschancen sind, in dessen Mittelpunkt das Kind bzw. der oder die Jugendliche stehen. Das Kind bzw. der oder die Jugendliche durchlaufen in ihren Bildungsbiografien verschiedene Schulen und Bildungsinstitutionen. Bildungsprozesse ereignen sich natürlich nicht nur in Schule. Aber Schule spielt für die Kinder und Jugendlichen eine herausragende Bedeutung für ihre Bildungsbiografie, weil sie die einzige Institution ist, die alle Kinder und Jugendlichen einer Region erreicht. Deshalb setzt das Schulentwicklungskonzept im Projekt Selbstständige Schule bei der Schule an und versucht eine Dynamik zu initialisieren, die von der Schule andere Bildungsinstitutionen in der Region erfasst. Seite 8 von 13

Im Projekt treibt die regionale Steuergruppe die regionale Schulentwicklung voran (vgl. Abbildung 6). Sie setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Schulaufsicht, bzw. des Schulträgers und der Modellschulen zusammen. Sie ist damit Ausdruck einer neuen Kooperationskultur, in der eine staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft wachsen soll. Die regionale Steuergruppe steuert über einen regionalen Entwicklungsfonds, in den Mittel des Landes und der beteiligten Kommunen einfließen, und entscheidet im Konsens über die für die regionale Schulentwicklung erforderlichen Maßnahmen. Abbildung 6: Die regionale Steuergruppe Die in der regionalen Steuergruppe angezielte staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft lässt sich mit dem Konzept der regional governance begreifen (Fürst 2004). Regional governance steht für eine Form regionaler Selbststeuerung, die - jenseits der formalen Zuständigkeiten funktional im Blick auf besondere Herausforderungen entsteht - deren Basis Vertrauen ist, - die netzwerkartig organisiert ist, - über Verhandlungen und Tauschgeschäfte steuert und - auf Freiwilligkeit beruht. Eine solche Form der regionalen Selbststeuerung ist mithin hoch voraussetzungsreich. Sie ist auf die Motivation und Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten angewiesen. Sie setzt vielfältige Abstimmungs- und Kommunikationsprozesse voraus. Im Fall der regionalen Steuergruppe im Projekt organisieren die Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Institutionen komplexe Kommunikationsprozesse in ihren Herkunftsinstitutionen, um handlungs- und sprachfähig zu sein. Organisationstheoretisch ist die regionale Steuergruppe schwach aufgestellt: vor allem das Konsensprinzip kann Vetopositionen erzeugen, die angesichts der Heterogenität der Interessen der unterschiedlichen Institutionen in der Steuergruppe erwartbar sind (vgl. Fürst 2004). Gleichwohl ist die regionale Steuergruppe der erste Schritt zu einer neuen Gewichtung der Verantwortung im Schulwesen. Der weitere Weg hin zu einer Schul- und Bildungslandschaft ist langwierig und nicht unbedingt geradlinig. Governance-Prozesse, so Fürst, brauchen eine sehr lange Zeit, weil sie auf kollektivem Lernen und Vertrauensbildung beruhen (Fürst 2004: 53). Seite 9 von 13

Wenn die Zeit reif ist, wird sich eine gewachsene Kooperationskultur auch stärker strukturell verankern. Welche Rolle dabei die regionalen Bildungsbüros spielen, die in vielen Regionen eingerichtet worden sind, wird sich im Projektverlauf zeigen. 3. Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung Vor dem Hintergrund des dargelegten Konzepts von Schulentwicklung im Projekt Selbstständige Schule werden im Folgenden wichtige Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung abgeleitet. Diese Ableitung stützt sich auf die evaluierten Erfahrungen des Projekts Schule & Co. (Bastian/ Rolff 2002), das mit einem ähnlichen Ansatz zur Schulentwicklung wie das Projekt Selbstständige Schule gearbeitet hat, und auf die weiteren Entwicklungen in der Modellregion Herford, die die vom Projekt angestoßene regionale Entwicklung auch nach Projektende weiter vorantreibt bzw. verstetigt hat (vgl. Curländer/ Engelking 2004). Ebenfalls relevant sind dabei die Erfahrungen des laufenden Projekts Selbstständige Schule : erste Fallstudien über selbstständige Schulen geben wichtige Anhaltspunkte für Gelingensbedingungen für Schulentwicklung (vgl. Herrmann 2005). Und schließlich spielen Erkenntnisse aus der modernen internationalen Schulentwicklungsforschung eine Rolle (vgl. Brüsemeister/ Eubel 2003). Faktor 1: Verantwortung neu gestalten Schulen brauchen ein neues Bewusstsein ihrer Verantwortung für die Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen. Selbstständigkeit von Schule, wie immer sie rechtlich ausgestaltet ist, hilft dabei, dass ein solches Bewusstsein entsteht und die Akteure in den Schulen tatsächlich mehr Verantwortung übernehmen. Schulisches Handeln in neuer Verantwortung wird nicht mehr auf ein enges bürokratisches Regelwerk bezogen und danach beurteilt, ob es davon abweicht, sondern verfolgt strategische Ziele und wird daran bemessen, ob und wie es diese Ziele erreicht. Damit zusammen hängt ein neues Verständnis von Rechenschaftslegung, das eine systematische interne und externe Evaluationskultur für eine kontinuierliche Qualitätssicherung erfordert. Faktor 2: Fokus auf Unterricht Damit Schulentwicklung bei Kindern und Jugendlichen ankommt, braucht es den Fokus auf das Kerngeschäft von Schule, den Unterricht. Hier werden die Kompetenzen erworben, die Kinder und Jugendliche für eine erfolgreiche gesellschaftliche Teilhabe benötigen. Vieles mag im Rahmen von Schulentwicklung wichtig sein, aber zentral ist der Unterricht. Guter Unterricht ist auf das selbstständige Lernen der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet, fördert fachliche und überfachliche Kompetenzen und zielt vor allem auf den Erwerb von Lernkompetenz als Grundlage für lebenslanges Lernen. Faktor 3: Verzahnung von Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung Vom Unterricht und dem Bemühen, ihn weiterzuentwickeln, ist das ganze Feld der einzelschulischen Entwicklung mit der Organisations- und Personalentwicklung in den Blick zu nehmen. Auf Schulebene müssen also Unterrichtsentwicklung, Organisationsentwicklung und Personalent- Seite 10 von 13

wicklung miteinander verzahnt werden. Die notwendige Fortbildung im Rahmen der Personalentwicklung ist vom Bedarf der Schule her zu konzipieren und braucht, um zu neuen Alltagsroutinen zu führen, im Bereich der Organisationsentwicklung absichernde Strukturen. Um diese zielführend zu etablieren und professionell zu managen, braucht es eine systematische Steuerung auf schulischer Ebene. Nur in einem intelligenten Zusammenspiel von Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung entsteht eine nachhaltige pädagogische Teamkultur. Faktor 4: Ohne Unterstützung und Partizipation keine systematische Entwicklung Schulentwicklung braucht einerseits Unterstützung in Gestalt von Fortbildung und Beratung. Das erfordert personelle, finanzielle und zeitliche Ressourcen. Wer glaubt, Schulentwicklung sei umsonst zu haben, verkennt die Wirklichkeit von Schulen. Schulentwicklung braucht andererseits die Partizipation. Zentral ist der Schulleiter bzw. die Schulleiterin, aber ohne die Einbindung des Kollegiums, beispielsweise in den schulischen Steuergruppen oder im Lehrerrat, wird es nicht zu nachhaltigen Veränderungen kommen. Und schließlich brauchen auch Schülerinnen und Schüler und Eltern Räume für substanzielle Mitgestaltung, die über die formalen Mitwirkungsgremien hinausgehen. 1 Faktor 5: Autonomie der Einzelschule und regionale Einbindung müssen zusammengedacht werden Selbstständigkeit von Schule ist ein zentraler Hebel dafür, dass die Akteure in der Schule Verantwortung für Qualität übernehmen. Aber das kann nicht heißen, dass Schule völlig autonom betrachtet wird. Gerade selbstständige Schulen brauchen ortsnahe Unterstützung und regionale Vernetzung und Koordination. Nur so können sie ihren Beitrag zum Erfolg der Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen leisten. Denn für diese zählt der regionale Raum als Bezugsrahmen, in dem sich ihre Bildungsbiografie abspielt. Das bedeutet, dass auch Regionen bzw. Kommunen mehr Verantwortung für Bildung übernehmen und die regionale Schul- und Bildungslandschaft stärker mitgestalten können. Faktor 6: Regionale Schulentwicklung gibt es nur, wenn sie politisch gewollt wird Neue Verantwortlichkeiten für die Schulen in der Region müssen im Sinn von regional governance arrangiert und eingeübt werden das braucht, wie dargelegt, Zeit und langen Atem. Damit allerdings überhaupt eine Entwicklung in Gang kommt, bedarf es der politischen Unterstützung. Die Stadt oder der Landkreis müssen dem Thema Bildung und Schule eine wichtige Priorität geben und daher eine mitgestaltende Schulträgerschaft wollen. Sonst bleibt die staatlich -kommunale Verantwortungsgemeinschaft Rhetorik. Schließlich muss die regionale Entwicklung zu einem bestimmten Zeitpunkt auch institutionell abgesichert werden, damit sie nachhaltig wirken kann. 1 Die bisherige hohe Akzeptanz des Projekts Selbstständige Schule hängt damit zusammen, dass beide Faktoren berücksichtigt werden: es handelt sich um eine Fortbildungsoffensive in zentralen Bereichen der Schulentwicklung und bindet die schulischen Akteure zugleich in den Veränderungsprozess ein. Seite 11 von 13

4. Aspekte für ein erfolgreiches Übergangsmanagement von der Schule in den Beruf Der Übergang der Jugendlichen von der Schule in den Beruf bzw. die Berufsausbildung ist in Zeiten eines beschleunigten sozio-ökonomischen Strukturwandels prekär geworden. Besonders gravierend ist der steigende Mangel an Ausbildungsplätzen. Das duale System der Berufsausbildung in Deutschland scheint nicht mehr richtig zu funktionieren. Weitere krisenhafte Phänomene sind die mangelnde Ausbildungsfähigkeit vieler Jugendlicher, steigende Zahlen von Schulabgängern ohne Abschluss und hohe Abbrecherquoten in der Berufsausbildung. Diese Krise stellt alle allgemein bildenden Schulen vor tiefgreifende Herausforderungen. Schulen brauchen heute ein umfassendes Konzept, das Ausbildungsfähigkeit und Berufsorientierung als Bildungsaufgabe von Anfang an mitdenkt. Aber nicht nur die Schulen sind herausgefordert. Sie allein wären mit der Situation auch völlig überfordert. Das regionale Umfeld der Schulen ist gefordert. Insofern ist ein erfolgreiches Übergangsmanagement der Ernstfall für die regionale Schulentwicklung: nur wenn Schulen sich im Kontext einer regionalen Schul- und Bildungslandschaft entwickeln, werden die Voraussetzungen für einen gelingenden Übergang aller Jugendlichen in den Beruf bzw. die berufliche Bildung geschaffen. Regionen wie der Kreis Herford, in dem eine regionale Schul- und Bildungslandschaft durch eine jahrelang betriebene systematische regionale Schulentwicklung Kontur gewinnt, zeigen, welche konkreten Aspekte dabei für ein erfolgreiches Übergangsmanagement wichtig sein können (vgl. Kober/ Lohre 2005). Auf der schulischen Ebene geht es darum, die Lernkompetenz der Jugendlichen über Jahre im Unterricht systematisch zu fördern. Denn Lernkompetenz ist die Basis der Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen. Der Unterricht muss weiter stärker von der beruflichen Praxis beeinflusst werden: darauf müssen die notwendigen Kooperationen zwischen Schulen und Betrieben ausgerichtet sein. Betriebspraktika sind wichtig, aber die Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft muss auch Auswirkungen auf den Unterricht haben. Die schulische Berufsorientierung muss konsequent an den Stärken der Jugendlichen ansetzen. Dabei sind Assessmentverfahren hilfreich, die z.b. im Kreis Herford vom regionalen Bildungsbüro für Schulen organisiert werden. Dabei findet auch der Berufsnavigator Verwendung, der mit dem Instrument des peer feedback ebenfalls an den Stärken der Jugendlichen ansetzt. Schließlich geht es darum, das Übergangsmangement von der Schule in den Beruf regional zu begleiten, zu unterstützen und zu steuern. Die gegenwärtige Situation ist von einem Nebeneinander unterschiedlichster Initiativen und Akteure geprägt. Für die Jugendlichen und ihre Eltern ist das völlig intransparent. Es bedarf dringend einer regionalen Steuerung und Koordination, was die Mitgestaltung der Kommunen voraussetzt. Der Kreis Herford zeigt, wie das gelingen kann. Seite 12 von 13

Vortrag von Ulrich Kober: Erfolgsfaktoren für Schulentwicklung am Beispiel des Projekts Selbständige Schule 14.10.2005Seite Literaturverzeichnis: Bastian, Johannes; Rolff, Hans-Günter: Abschlussevaluation des Projekts Schule & Co., Gütersloh 2002. Brabeck, Heribert; Lohre, Wilfried: Bildung gestalten Selbstständige Schule.nrw, Verantwortung für Qualität, Band 1: Grundlagen des Projekts, herausgegeben von: Projektleitung Selbstständige Schule, Troisdorf 2004. Brüsemeister, Thomas; Eubel, Klaus-Dieter: Zur Modernisierung der Schule. Bielefeld 2003. Curländer, Lieselore; Engelking, Gerhard: Regionale Bildungslandschaft Kreis Herford, in: Regionale Bildungslandschaften, herausgegeben von: Projektleitung Selbstständige Schule, Troisdorf 2004. Fürst, Dietrich: Chancen der Regionalisierung im Bildungsbereich, in: Regionale Bildungslandschaften, herausgegeben von: Projektleitung Selbstständige Schule, Troisdorf 2004. Fullan, Michael: Die Schule als lernendes Unternehmen: Konzepte für eine neue Kultur in der Pädagogik, dt. Stuttgart 1999. Hermann, Joachim: Ich glaube, wir sind im Denken selbstständiger geworden. Fallstudien zur Schulentwicklung im Modellvorhaben Selbstständige Schule NRW, Hamburg 2005 (unveröffentlicht). Hoppe, Claudia; Kober, Ulrich: Schulentwicklung auf der Grundlage von Vereinbarungen, in: Verantwortung für Qualität, Band 1: Grundlagen des Projekts, herausgegeben von: Projektleitung Selbstständige Schule, Troisdorf 2004. Kober, Ulrich; Lohre, Wilfried: Lernen für die Zukunft, in: Junge Generation und Arbeit, herausgegeben von: Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2005. Lohre, Wilfried; Kober, Ulrich: Gemeinsame Verantwortung für die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen, in: Regionale Bildungslandschaften, herausgegeben von: Projektleitung Selbstständige Schule, Troisdorf 2004. Seite 13 von 13