Chronische Hepatitis-B-Infektion

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Transkript:

Interventionen bei chronischen Hepatitis-B-Infektionen: Warum, wann und wie? Jean-Michel Pawlotsky, MD, PhD Université Paris XII Créteil, Frankreich Fallstudie: Therapiemanagementoptionen bei HBeAg-positiver Hepatitis B Michael Manns, MD, und Katja Deterding, MD Medizinische Hochschule Hannover Hannover, Deutschland Fallstudie: Antivirale Langzeittherapie bei HBeAg-negativer Hepatitis-B-Infektion Cihan Yurdaydin, MD Ankara Üniversitesi Tip Fakültesi Gastroenteroloji Bilim Dali Ankara, Türkei Unterstützt durch einen unabhängigen medizinischen Fortbildungszuschuss von Bristol-Myers Squibb (BMS). Die hier vorgebrachten Meinungen und Ansichten sind die Meinungen und Ansichten der Autoren und nicht von BMS. BMS hat keinen Beitrag zum Inhalt dieser Publikation geleistet und hat keinen Einfl uss auf diesen.

Inhaltsverzeichnis Interventionen bei chronischen Hepatitis-B-Infektionen: Warum, wann und wie? 2 Jean-Michel Pawlotsky, MD, PhD (Kursdirektor) Professor für Medizin Université Paris XII Créteil, Frankreich Fallstudie: Therapiemanagementoptionen bei HBeAg-positiver Hepatitis B 10 Michael Manns, MD Professor für Medizin Medizinische Hochschule Hannover Hannover, Deutschland Katja Deterding, MD Medizinische Hochschule Hannover Hannover, Deutschland Fallstudie: Antivirale Langzeittherapie bei HBeAg-negativer Hepatitis-B-Infektion 14 Cihan Yurdaydin, MD Ankara Üniversitesi Tip Fakültesi Gastroenteroloji Bilim Dali Ankara, Türkei Fortbildungsziele: Nach Abschluss dieses Moduls sollten die Leser die folgenden Lernziele erreicht haben: Beschreibung der Epidemiologie und des natürlichen Verlaufs der chronischen Hepatitis-B-Infektion (CHB) in Europa, Bewertung der Wirksamkeit der verfügbaren Medikamente beim Management der HBeAg-positiven und HBeAg-negativen CHB-Infektion, Beurteilung der Auswirkung von viralen Resistenzen auf die klinischen Ergebnisse und Diskussion der Strategien beim Management von resistenzbedingten Notfallsituationen bei der Behandlung. Unterstützt durch einen unabhängigen medizinischen Fortbildungszuschuss von Bristol-Myers Squibb (BMS) Die hier vorgebrachten Meinungen und Ansichten sind die Meinungen und Ansichten der Autoren und nicht von BMS. BMS hat keinen Beitrag zum Inhalt dieser Publikation geleistet und hat keinen Einfluss auf diesen.

Interventionen bei chronischen Hepatitis-B-Infektionen: Warum, wann und wie? Jean-Michel Pawlotsky, MD, PhD Hepatitis-B-Virusinfektion: Epidemiologie und chronischer Verlauf Von der chronischen Hepatitis-B-Virus-(HBV)-Infektion sind weltweit schätzungsweise über 350 Millionen Menschen betroffen. 1 Die chronische Hepatitis B (CHB) gilt global als eine der zehn wichtigsten infektionsbedingten Todesursachen. 2 In Europa, einer Region mit insgesamt niedriger bis mittlerer Prävalenz, wird die Zahl der chronischen HBV-Träger auf 3,5 Millionen geschätzt. 3 Die Verbreitung ist je nach Land und Bevölkerungsgruppe sehr unterschiedlich. In Osteuropa, Russland und den Mittelmeerländern wird eine intermediäre Prävalenz der chronischen HBV-Infektion (1% bis 8%) beobachtet, während die endemische Ausprägung in den nordwesteuropäischen Ländern weitaus niedriger ist (<1%). 4 In den nordwesteuropäischen Ländern erfolgt die Infektion überwiegend bei jungen Erwachsenen. Hier gilt neben der sexuellen Übertragung der intravenöse Drogenkonsum mit kontaminierten Nadeln als Hauptübertragungsweg der Hepatitis B. In Regionen mit mittlerer endemischer Ausprägung spielen die perinatale Übertragung und die Übertragung durch infi zierte Kontaktpersonen, die im gleichen Haushalt leben, ebenfalls Sexuell aktive Männer, Frauen, Jugendliche sowie Erwachsene mit mehreren Sexualpartnern Sexualkontakte bzw. Zusammenleben mit HBsAg-positiven Personen Gelegentliche und regelmäßige Konsumenten intravenöser Drogen Personen aus Regionen, in denen die HBV-Infektion endemisch ist, einschl. adoptierte Kinder aus diesen Regionen und Immigranten der ersten Generation Schwangere Medizinisches Personal Hämodialysepatienten Empfänger von Gerinnungsfaktorkonzentraten Insassen von Haftanstalten Personen mit abnormalen Leberwerten unklarer Genese Mit Hepatitis-C-Virus oder HIV-Virus infizierte Personen Tabelle 1: Personen, die auf eine HBV-Infektion untersucht werden sollten 7 eine wichtige Rolle. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) schwankt die Inzidenz der HBV-Infektion zwischen 0 bis 10 pro 100.000 Personen in den meisten westeuropäischen Ländern und 10 bis 50 pro 100.000 Personen in den osteuropäischen Ländern. 5 Aufgrund der Bevölkerungsmigrationen aus Hochprävalenzregionen sind derzeit Veränderungen der HBV-Infektionsmuster in Europa zu beobachten. So sind vereinzelt isolierte Gebiete mit höherer Prävalenz der chronischen Infektion auch in den Ländern mit insgesamt geringer HBV- Endemieausprägung entstanden. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung lieferte beispielsweise Hinweise darauf, dass der Nachweis von Hepatitis- B-Oberfl ächenantigen (HBsAg, Hepatitis B surface antigen) in Frankreich von 0,2 bis 0,4% bei Beginn der neunziger Jahren auf 0,65% in 2003 2004 angestiegen ist. 6 Die höchsten Anteile von HBV- Trägern wurden bei Personen beobachtet, die aus Schwarzafrika (5,25%) oder dem Nahen Osten (2,45%) stammen. In Tabelle 1 werden die Personengruppen zusammengefasst, die in das Screening zum Nachweis von HbsAg und Antikörpern gegen das Hepatitis-B-Core-Antigen (anti-hbc) aufgenommen werden sollten. 7 Bei HBsAg-positiven Patienten sind Anzeichen auf eine aktive Virenvermehrung und eine Lebererkrankung zu beurteilen. Natürlicher Verlauf der Erkrankung und den Krankheitsverlauf beeinflussende Faktoren Eine chronische HBV-Infektion liegt defi nitionsgemäß vor, wenn HBsAg länger als sechs Monate im Serum persistiert, d. h. im Abstand von sechs Monaten zu mindestens zwei unabhängigen Zeitpunkten nachgewiesen wurde. 4 Das Risiko einer chronischen Infektion ist vom Alter des Patienten zum Infektionszeitpunkt abhängig. So kommt es bei 90% der perinatal infi zierten Kinder zu einer chronischen Infektion, während dieser Prozentsatz bei den in der frühen Kindheit (im Alter von 1 bis 5 Jahren) Infi zierten bei 30% und bei den im Erwachsenenalter Infi zierten bei 1% bis 5% liegt. 8,9 Chronische Hepatitis-B-Infektionen (CHB) können mit schweren Folgeerscheinungen wie Leberzirrhose, terminale Leberinsuffi zienz und hepatozelluläre Karzinome verbunden sein. Bei HBeAg-positiven Patienten liegt die kumulative 5-Jahres-Progressionsrate zur Leberzirrhose zwischen 8% und 20%. 10 Das Risiko der Entstehung eines hepatozellulären Karzinoms ist bei Patienten mit Zirrhose deutlich erhöht (4% bis 6% pro Jahr). 11 13 Die medizinischen Pfl egekosten steigen mit einem progredienten Krankheitsverlauf steil an und sind von Land zu Land verschieden. Aus einer neueren Studie über die Situation in Frankreich in 2001 geht hervor, dass die durchschnittlichen jährlichen medizinischen Kosten von CHB 1093 und von dekompensierter Zirrhose 8842 betrugen. 14

Die chronische HBV-Infektion ist durch mehrere sukzessive Phasen gekennzeichnet (siehe Abb. 1). 15 Die Progression durch die Phasen erfolgt allerdings nicht immer linear. Die immuntolerante Phase, die sich unmittelbar an die akute Episode anschließt, ist durch eine aktive Virusreplikation und eine schwache Immunreaktion des Wirts gekennzeichnet, welche zu hohen HBV-DNA- Serumkonzentrationen führen. Diese werden in der Regel mit dem Nachweis des Hepatitis-B-e-Antigens (HBeAg), einer minimalen histologischen Aktivität und dem Fehlen von Symptomen assoziiert. Diese Phase kann viele Jahre lang andauern, insbesondere bei perinataler Infektion oder Infektion in der frühen Kindheit. 15,16 Im Verlauf der Immuneliminationsphase kommt es Abbildung 1: Phasen der chronischen Hepatitis-B-Infektion zur aktiven entzündlichen Leberkrankheit infolge der Immunantwort des Wirts auf das Hepatitis-B-Virus. Die HBV-DNA-Titer sinken auf niedrigere Werte und können Schwankungen unterliegen, während die ALT (Alaninaminotransferase, auch GPT [Glutamatpyruvattransaminase])-Aktivität erhöht ist, was auf die Zerstörung der Leberzellen durch das Immunsystem hinweist. Der Zyklus von Leberschädigung und reparatur führt zur symptomatischen Erkrankung und progredienter Leberschädigung, d. h. zur CHB. 16 Bei einigen CHB-Patienten ist HBeAg nachweisbar. Bei diesen Patienten treten jährlich in ca. 1% bis 10% der Fälle ein spontaner HBeAg-Verlust und die Serokonversion zu anti HBe auf. 10,17 Diese Patienten werden zu asymptomatischen Trägern. Die allermeisten CHB-Patienten in Europa sind allerdings HBeAg-negativ und anti-hbe-positiv. In Europa wird beim Anteil der HBeAg-negativen Patienten ein steigender Trend beobachtet. 4,18 Eine HBeAg-negative Hepatitis-B-Infektion wird durch Virenmutanten mit Mutationen in der Precore-Region (Stopp-Codon an Position 1896) und in Core-Promotor-Region (Nukleotidsubstitutionen an den Positionen 1762 und 1764) verursacht, die für den Stopp oder die Abwärtsregulierung der HBeAg-Produktion verantwortlich sind. 19 Während oder nach dem HBeAg-Verlust bzw. der Serokonversion zu anti-hbe ist wahrscheinlich der durch das Immunsystem ausgeübte Selektionsdruck für die Verdrängung des Wildtyp-Stamms durch die dann dominante HBeAg-negative Variante verantwortlich. Im Anschluss an die HBeAg-Serokonversion können die Patienten in eine nichtreplizierende Phase eintreten, die inaktive HBV-Trägerphase. Die inaktive Hepatitis B wird durch das Vorliegen von HBsAg im Serum, niedrige oder nicht nachweisbare HBV-DNA-Konzentrationen, normale ALT-Aktivität und das Fehlen von HBeAg gekennzeichnet. 4 Bei diesen Patienten besteht allerdings die Gefahr einer Reaktivierung des Hepatitis- B-Virus, beispielsweise bei einer Behandlung mit Immunsuppressiva. Aus diesem Grund müssen diese Patienten sorgfältig überwacht werden. Auch inaktive Träger mit Zirrhose müssen genau überwacht werden, da bei ihnen unabhängig vom Ausmaß der HBV-Replikation das Risiko eines hepatozellulären Karzinoms besteht. Bei einer Minderheit der inaktiven HBV-Träger kommt es zur spontanen HBsAg-Serokonversion. Dies ist allerdings bei weniger als 1% jährlich der Fall. 20 Wer sollte behandelt werden? Immuntolerante phase HBeAg-positiv Serum-HBV-DNA >10 5 Kopien/ml ALT-Werte im Normalbereich Immuneliminations phase HBeAg-positiv oder -negativ Serum-HBV-DNA >10 5 Kopien/ml ALT ist dauerhaft oder intermittierend erhöht Infizierte können jederzeit in eine andere Phase wechseln Inaktive Hepatitis B HBeAg-negativ Serum-HBV-DNA <10 5 Kopien/ml ALT-Werte im Normalbereich Gemäß der veröffentlichten Richtlinien der American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD) müssen vor dem Therapiebeginn das Alter des Patienten, die Schwere der Lebererkrankung, die Wahrscheinlichkeit des Ansprechens und die möglichen Nebenwirkungen genau in Betracht gezogen werden. 21 Die regelmäßige Überwachung von HBV-Infi zierten ist für die Risikobeurteilung unabdingbar. Eine Behandlung ist dann angezeigt, wenn sowohl das Risiko einer leberbedingten Morbidität und Mortalität in der nahen und vorhersehbaren Zukunft (5 20 Jahre) als auch die Wahrscheinlichkeit, dass nach Behandlungsende oder während der fortgeführten Behandlung eine anhaltende Virussuppression erreicht wird, hoch sind. Eine Behandlung ist dagegen nicht angezeigt, wenn das Risiko einer leberbedingten Morbidität und Mortalität in den nächsten 20 Jahren und die Wahrscheinlichkeit, dass eine anhaltende Virussuppression erzielt werden kann, gering sind. 21 Patienten mit HBeAg-positiver CHB sollten dann behandelt werden, wenn der ALT-Wert das Zweifache des oberen Normwerts (2 x ULN) übersteigt oder wenn mittels Leberbiopsie eine moderate bis schwere Hepatitis nachgewiesen wird und der HBV-DNA-Serumspiegel über 20.000 IE (internationalen Einheiten)/ml liegt. Bei Patienten mit kompensierter Lebererkrankung sollte der Behandlungsbeginn 3 bis 6 Monate lang verzögert werden, um festzustellen, ob eine spontane HBeAg-Serokonversion eintritt. Patienten mit ikterischen Episoden bei einer Erhöhung der ALT-Werte müssen dagegen unverzüglich behandelt werden sollten. 4,21 Bei Patienten mit HBeAg-negativer CHB, einem HBV-DNA-Serumspiegel von über 20.000 IE/mL und einer Erhöhung der ALT-Werte von >2 x ULN ist eine Behandlung in Betracht zu ziehen. Bei Patienten mit niedrigerem HBV-DNA-Spiegel (2000 20.000 IE/ml) und mit minimal oder grenzwertig erhöhten oder normalen ALT-Werten ist eine Leberbiopsie zu erwägen. In dieser Patientengruppe ist eine Behandlung einzuleiten, wenn eine mäßige/schwere Entzündung oder signifi kante Fibrose bei Leberbiopsie vorliegt. 4,21

Patienten, die nicht auf eine vorherige Therapie mit Interferon-alpha (IFN-α) oder Nukleosid-/Nukleotid-Analoga angesprochen haben, sind erneut zu behandeln. Bei allen Patienten mit virologischer Erholung sollte eine Notfalltherapie mit einem alternativen Therapieschema in Erwägung gezogen werden. 21 Zu erwägen ist eine Behandlung außerdem bei Patienten mit kompensierter Zirrhose mit einem ALT-Wert im Serum von >2 x ULN sowie bei Patienten mit normalen oder minimal erhöhten ALT-Werten, falls gleichzeitig hohe HBV-DNA-Serumspiegel vorliegen (>2000 IE/ml). Bei Patienten mit dekompensierter Zirrhose muss die Behandlung unverzüglich eingeleitet werden. 21 Behandlungsoptionen In Europa sind zurzeit fünf Wirkstoffe zur Behandlung einer chronischen HBV-Infektion zugelassen. Diese können in α-interferone (Standard- IFN-α, pegyliertes IFN-α) und Nukleosid-/Nukleotid-Analoga (Lamivudin, Adefovir, Entecavir) eingeteilt werden. Darüber befi ndet sich eine Reihe von Wirkstoffen in der Entwicklungsphase, u. a. Telbivudin, das der europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA) vorgelegt wurde und sehr bald zugelassen werden sollte. Tenofovir sowie die Kombination von Tenofovir und Emtricitabin in einer Tablette sind für die Therapie der HIV-Infektion zugelassen und werden zurzeit im Rahmen von klinischen Prüfungen der Phase III auf eine Anwendung bei HBV-Injektionen getestet. Interferon-α Interferon-α 2a bzw. Interferon-α-2b waren die ersten Wirkstoffe, die zur Behandlung der chronischen HBV-Infektion zur Verfügung standen. Standard-IFN-α wird subkutan injiziert. Das Präparat wird bei HBeAg-positiver CHB 16 24 Wochen lang und bei HBeAg-negativer CHB 48 Wochen lang verabreicht. Eine Metaanalyse von IFN-Studien an HBeAg-positiven CHB-Patienten (Gesamtzahl n=837) zeigte, dass es bei 37% der Patienten zu einer HBV-DNA-Suppression auf unter 10 5 Kopien/ml, bei 33% zum HBeAg-Verlust und bei 8% zum HBsAg-Verlust kam, wobei die mit Placebo beobachteten Raten signifi kant niedriger waren. 22 In einer Langzeit-Nachfolgestudie (mit einer mittlerer Beobachtungszeit von 4,7 Jahren) wurde berichtet, dass bei 88% der Responder eine anhaltende Virussuppression zu beobachten war (HBV-DNA <10 5 Kopien/ml). 23 Es ist bisher nicht geklärt, ob eine HBeAg-negative CHB auf eine Kurzzeittherapie mit IFN-α anspricht. 28 69% der Patienten erreichen zwar einen HBV-DNA-Wert von <10 5 Kopien/ml und eine Normalisierung der ALT-Werte bei Therapieende, aber der Krankheitsverlauf nach dem Ende der Behandlung ist schwer zu defi nieren. 24 27 In einer Studie wurde berichtet, dass 72 Monate nach Behandlungsende 27% der Patienten niedrige HBV-DNA-Titer und normale ALT-Aktivitäten aufwiesen. 28 Bei einigen dieser Patienten kann es zur HBsAg-Serokonversion kommen, was aber selten ist. Pegyliertes IFN-α-2a bietet den Vorteil, dass es 48 Wochen lang einmal wöchentlich subkutan in einer Dosierung von 180 μg Standard-IFN- sowohl bei HBeAg-positiven als auch bei HBeAg-negativen Patienten verabreicht 12 24 Wochen werden kann. Bei der Prüfungen dieser HBeAg-positiver chronische Hepatitis B Substanz wurden wesentlich empfi ndlichere HBV-DNA-Assays eingesetzt als bei der Prüfung der herkömmlichen Interferone. Verlust Serum- HBV-DNA* HBeAg-Verlust 37% 33% Bei der untersuchten HBeAg-positiven HBeAg-Serokonversion n. v. Patientenkohorte führte eine 48-wöchige Therapie zu einer HBV-DNA-Suppression auf <400 Kopien/ml bei 25% der Patienten, HBsAg-Verlust ALT-Normalisierung Histologische Verbesserung 7,8% n. v. n. v. zur Normalisierung des ALT-Wertes bei Anhaltendes Ansprechen 80 90% 46% und zur HBeAg-Serokonversion bei 24%. 29 HBeAg-negativer chronische Hepatitis B Allerdings wiesen 24 Wochen nach Behandlungsende nur noch 14% einen HBV-DNA-Spiegel von <400 Kopien/ml auf. Mit zunehmender Nachbeobachtungsdauer erhöhte sich die HBeAg-Serokonversionsrate, die 48 Wochen nach Behandlungsende bei 42% lag. 30 Bei HBeAg-negativen Patienten führte eine 48-wöchige Verabreichung von pegyliertem IFN-α-2a in 73% der Fälle zu einem HBV-DNA-Spiegel von <400 Kopien/ml, und bei 5 Patienten kam es zu einer Serokonversion zu anti-hbs. 31 Allerdings war Verlust Serum-HBV-DNA* ALT-Normalisierung Histologische Verbesserung Anhaltendes Ansprechen 60 70% 60 70% n. v. 10 20% 12 Monate nach Behandlungsende nur bei 17% der Patienten der Nachweis von HBV-DNA negativ. 32 Pegyliertes IFN- -2a 180 µg 1 x wöch. 48 Wochen 30% / 34% 27% / 32% 3% 39% Tabelle 2 enthält eine Zusammenfassung der Ergebnisse von IFN-Studien bei der Behandlung der chronischen HBV-Infektion. 25% 38% n. v. 63% 38% 48% ~20% *Untere Nachweisgrenze des Assays: 20000 200000 IE/ml für Standard-IFN-Studien, ca. 50 IE/ml für Studien mit pegyliertem IFN; Ansprechen in Woche 48 und 72; Leberbiopsie in Woche 72. Pegyliertes IFN- -2a 180 µg 1 x wöch. + lamivudin 100 mg 48 Wochen 69% 27% / 28% 24% / 27% 3% 46% Tabelle 2: Ergebnisse von Studien mit Standard-IFN-α und pegyliertem IFN-α bei Patienten mit HBeAg-positiver und HBeAg-negativer CHB (Daten von Literaturangabe 21); n. v.: nicht verfügbar. 41% n. v. 87% 49% 38% ~20%

Nukleosid-/Nukleotid-Analoga Nukleosid-/Nukleotid-Analoga werden oral verabreicht. Die Mittel werden einmal täglich in jeweils unterschiedlicher Dosierung verabreicht: Lamivudin 100 mg; Adefovir 10 mg; Entecavir 0,5 mg bei nukleosidnaiven Patienten, 1,0 mg bei lamivudinrefraktären Patienten; Telbivudin 600 mg. Alle Nukleosid-/Nukleotid-Analoga führen bei einem beträchtlichen Anteil der Patienten zur Virussuppression, zur Normalisierung der ALT-Werte, zur Verbesserung der histologischen Befunde und zu positiven klinischen Behandlungsergebnissen. Die klinische Anwendung der Nukleosid-/Nukleotid-Analoga richtet sich nach ihrer jeweiligen intrinsischen antiviralen Wirkung und ihrem Resistenzprofi l (einschl. Kreuzresistenz). Im Durchschnitt wird die größte mittlere log 10 -Verringerung der Viruslast nach einjähriger Therapie bei HBeAg-positiven Patienten mit Entecavir ( 6,9 log 10 Kopien/ml) erreicht; zum Vergleich beträgt die Verringerung mit Telbivudin 6,5 log 10 Kopien/ml, mit Lamivudin 4,0 bis 5,5 log 10 Kopien/ml und mit Adefovir 3,5 log 10 Kopien/ml. 32 34 Nach einer 48-wöchigen Therapie konnte mit Adefovir bei 51%, mit Lamivudin bei 61% und bei Entecavir bei 91% der HBeAg-negativen Patienten eine Suppression der HBV-DNA auf weniger als 400 Kopien/ml erreicht werden (Zahlen stammen nicht von Vergleichsstudien). 34 36 Derzeit werden auch Langzeitdaten verfügbar, die zunehmende Ansprechraten unter Langzeittherapie belegen. Tenofovir ist zurzeit nur zur Behandlung von HIV-Infektionen zugelassen. Es ist Gegenstand von aktuellen klinischen Prüfungen der Phase III für die Anwendung bei HBV-Infektion. Tenofovir besitzt bei HBV-infi zierten Patienten eine höhere Wirkung als Adefovir. In Tabelle 3 werden die Ergebnisse von Studien mit Nukleosid-/Nukleotidanaloga bei der Behandlung der chronischen HBV-Infektion zusammengefasst. Die Inzidenz der Lamivudin-Resistenz stellt nach wie vor ein klinisches Problem dar; sie tritt bei 14 32% der Patienten nach einjähriger Behandlung, bei 38% nach zweijähriger Behandlung und bei 53 76% nach dreijähriger HBeAg-positiver chronische Hepatitis B Verlust Serum-HBV-DNA* HBeAg-Verlust HBeAg-Serokonversion HBsAg-Verlust ALT-Normalisierung Histologische Verbesserung Anhaltendes Ansprechen HBeAg-negativer chronische Hepatitis B Verlust Serum-HBV-DNA* ALT-Normalisierung Histologische Verbesserung Anhaltendes Ansprechen Lamivudin 100 mg 1 x tägl. 48 52 Wochen 40 44% 17 32% 16 21% <1% 41 75% 49 56% 50 80% 60 73% 60 79% 60 66% <10% Adefovir 10 mg 1 x tägl. 48 Wochen 21% 24% 12% 0% 48% 53% ~90% 51% 72% 64% ~5% Entecavir 0,5 mg 1 x tägl. 48 Wochen 2% 68% 72% 69% *Untere Nachweisgrenze des Assays: 2.000 200000 IE/ml für Standard-IFN-Studien, ca. 50 IE/ml für Studien mit pegyliertem IFN; Keine oder kurzdauernde Konsolidierungsbehandlung. 67% 22% 21% 90% 78% 70% n. v. Telbivudin 600 mg 1 x tägl. 52 Wochen Tabelle 3: Ergebnisse von Studien mit Nukleosid-/Nukleotid-Analoga bei Patienten mit HBeAg-positiver und HBeAg-negativer CHB (Daten von Literaturangabe 21); n. v.: nicht verfügbar. Behandlung ein. 37 Die wichtigsten mit der Lamivudin-Resistenz assoziierten Mutationen sind im katalytischen Motiv YMDD der HBV reversen Transkriptase lokalisiert. Zu diesen zählen M204V (YVDD-Sequenz), M204I (YIDD) und in seltenen Fällen M204S (YSDD). 38 Oft werden zusätzliche Substitutionen koselektiert, wie etwa L180M und V173L. Die Lamivudin- Resistenz reduziert die Empfi ndlichkeit gegen Entecavir und eine M204I (YIDD) Substitution ist mit einer kompletten Resistenz gegen Telbivudin assoziiert. Zur Resistenz gegen Telbivudin kommt es bei 22% bzw. 9% der therapienaiven HBeAg-positiven bzw. -negativen Patienten nach einjähriger Verabreichung, wobei bei allen resistenten Varianten die M204I (YIDD) Substitution vorliegt. 34 Die komplette Resistenz gegen Entecavir entsteht in einem akkumulierenden 3-schrittigen Selektions- Mutationsprozess; zunächst führen die Mutationen an Position 204 (M204V und M204I) zu einer Resistenz gegen Lamivudin, und dann wird die Vermehrungskapazität der lamivudinresistenten Varianten durch die Mutation rtl180m verbessert. Im dritten Schritt führen eine oder mehrere der entecavirspezifi schen Mutationen (T184S/A/I/L, S202G/C bzw. M250I/V) zur Wiederherstellung der Vermehrungskapazität in Gegenwart von Entecavir. 39 Die kumulative Wahrscheinlichkeit einer Resistenzentwicklung gegen Entecavir bei Monotherapie liegt bei therapienaiven Patienten bei 0,8%. Bei lamivudinrefraktären Patienten beträgt dieser Anteil nach vierjähriger Verabreichung jedoch 39,5%. 40 Die HBV-Resistenz gegen Adefovirdipivoxil ist komplex. Es wurde nachgewiesen, dass die Langzeitgabe zur Selektion von Varianten führt, die die Mutationen N236T oder A181V vorweisen. Die Adefovir-Resistenz entwickelt sich langsam, aber nach fünfjähriger Monotherapie wurden in 29% der Fälle adefovirresistente Varianten selektiert. 41 Mutationen, die für die Adefovir-Resistenz verantwortlich sind, verleihen keine signifi kante Kreuzresistenz gegen Lamivudin, Telbivudin oder Entecavir. Eine mögliche Ausnahme ist die A181T-Substitution, die zu einer verringerten Empfi ndlichkeit gegenüber Lamivudin führen könnte. Tenofovir ist lediglich zur Behandlung der HIV-Infektion zugelassen, aber zurzeit fi nden klinische Prüfungen der Phase III für den Einsatz bei HBV-Infektionen statt. Bisher wurde keine eindeutige Resistenzmutation für Tenofovir identifi ziert. Es wurde keine In-vitro-Kreuzresistenz mit Lamivudin, Telbivudin oder Entecavir beobachtet. 60% 26% 22% 0% 77% 65% ~80% 88% 74% 67% n. v.

Behandlungsendpunkte Da eine Eradikation mit den zurzeit verfügbaren Mitteln nicht erreichbar ist, ist bei der Behandlung der chronischen HBV-Infektion die Festlegung der Endpunkte für die Therapie von entscheidender Bedeutung. Es können virologische, biochemische, serologische und klinische Endpunkte verwendet werden (siehe Abb. 2). Der ideale Endpunkt ist die Serokonversion zu anti-hbs, die allerdings nur selten erreicht wird. 4 Bei Patienten mit HBeAgpositiver CHB ist das Ziel die Serokonversion zu anti HBe-Antikörpern mit niedrigen oder nicht nachweisbaren HBV-DNA-Spiegeln und die Normalisierung der ALT-Werte. Dieses Ziel ist bei manchen HBeAgpositiven Patienten durch eine Kurzzeittherapie erreichbar. Bei Patienten mit HBeAg-negativer Hepatitis B, und bei Patienten mit HBeAg-positiver CHB bei denen mit einer Kurzzeittherapie keine HBeAg-Serokonversion erzielt werden konnte, ist das Ziel eine anhaltende Virussuppression zur Reduktion von hepatischer Nekroinfl ammation und zur Prävention des Einsetzens von Komplikationen der Lebererkrankung. HBeAg-Verlust oder Serokonversion HBsAg- Clearance Normalisierung ALT-Werte Behandlungs endpunkte Serum-HBV-DNA nicht nachweisbar cccdna- Clearance Verminderung HAI und Fibrose Abbildung 2: Behandlungsendpunkte bei chronischer Hepatitis B Wie sollte man behandeln? Zurzeit besteht kein klarer Konsens bezüglich der Indikationen für die HBV-Therapie. Im Allgemeinen wird eine Kurzzeittherapie mit pegyliertem IFN-α für HBeAg-positive Patienten indiziert, bei denen eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es zur HBeAg- Serokonversion kommt (wie etwa Patienten mit geringer Viruslast und hoher Aminotransferasen-Aktivität). Es wurde jedoch vor kurzem vorgeschlagen, dass mit einer zwei- oder dreijährigen oralen Nukleosid-/Nukleotid-Analogatherapie (wahrscheinlich in den gleichen Patientenuntergruppen) ähnliche HBeAg-Serokonversionsraten erzielt werden können, wobei das Nebenwirkungsprofi l besser zu sein scheint. 32,42 Für HBeAg-negative Patienten, HBeAg-positive Patienten mit einer geringen Wahrscheinlichkeit einer HBeAg-Serokonversion und Patienten, bei denen während der IFN-α-Therapie keine Serokonversion erzielt wurde, sollten Nukleosid-/Nukleotid-Analoga verwendet werden. In den meisten Fällen sind diese lebenslang zu verabreichen, da ihre Wirkung lediglich virostatisch ist: Schon bald nach dem Absetzen dieser Wirkstoffe setzt die Virenvermehrung wieder ein, und es kommt zu einem erneuten Fortschreiten der Leberkrankheit. Bei therapienaiven Patienten: in Anbetracht der Tatsache, dass Analoga viele Jahre lang verabreicht werden müssen und dass eine frühe Resistenzentwicklung bei Lamivudin, Adefovir und Telbivudin wahrscheinlich ist, sollten diese Wirkstoffe wahrscheinlich kombiniert verwendet werden, um eine Kreuzresistenz zu verhindern, d. h. Lamivudin plus Adefovir oder Telbivudin plus Adefovir. Entecavir könnte eine Ausnahme darstellen: aufgrund seines günstigen Resistenzprofi ls und unter dem Vorbehalt neuer Daten mit längerer Nachbeobachtungsdauer kann es in Monotherapie bei Patienten ohne Fibrose bis zu mäßiger Fibrose verwendet werden. Besondere Vorsicht ist bei den Patienten mit schwersten Infektionen geboten: In diesen Fällen sollte eine Kombination von Lamivudin, Telbivudin oder Entecavir mit Adefovir verwendet werden. Bei Patienten mit suboptimalem Ansprechen auf Adefovir kann Tenofovir verwendet werden. Sollte Tenofovir zugelassen werden, wird es wahrscheinlich in diesen Kombinationen Adefovir ersetzen. Bei lamivudinrefraktären Patienten haben Studien die Wirksamkeit einer Kombinationstherapie mit Lamivudin und Adefovir/Tenofovir oder eines Wechsels zu Entecavir nachgewiesen. Künftige Studien werden eventuell andere Strategien bestätigen, z. B. Entecavir plus Adefovir oder Tenofovir (Zulassung ausstehend). 43,44 Wie sollte die Therapie überwacht werden? Für eine interferonbasierte Therapie ist das Therapieversagen defi niert als ein Nichterreichen der HBeAg-Serokonversion während oder nach der Therapie. Ein solches Versagen ist zu erwarten, wenn nach sechsmonatiger Therapie die HBV-DNA-Konzentrationen nur minimal oder gar nicht gesenkt werden konnten. Ein Nichtansprechen auf die Nukleosid-/Nukleotid-Analogontherapie, das ebenfalls als primäres Therapieversagen gilt, ist das Nichterreichen einer Reduktion der HBV-DNA- Konzentration um 1 log 10 im Verlauf der ersten drei Monate der Therapie. Bei manchen Patienten kann es zu einem suboptimalen Ansprechen kommen, welches durch eine Senkung von mehr als 1 log 10, aber weniger als 2 3 log 10 in Monat 3 der Therapie gekennzeichnet ist. 36 Ein sekundäres Versagen der antiviralen Therapie ist durch einen Neuanstieg der HBV-DNA-Konzentration im Serum um mehr als 1 log 10 im Vergleich zum niedrigsten Wert im Verlauf der Therapie gekennzeichnet, nachdem anfänglich ein positives Ansprechen auf die Therapie beobachtet werden konnte. Die Entwicklung einer antiviralen Wirkstoffresistenz ist die wichtigste Ursache des sekundären Therapieversagens. 45 In der klinischen Praxis sollten die Grundlinienwerte der Parameter HBV-DNA, ALT und HBeAg/anti-HBe bei Therapiestart und dann im Abstand von drei Monaten ermittelt werden. Besteht bei einem Patienten der Verdacht auf ein primäres oder sekundäres Therapieversagen ohne Erhöhung der ALT-Werte, dann sollte dies mittels einer Zweitmessung der HBV-DNA-Konzentration bestätigt werden. Im Falle eines

primären oder sekundären Therapieversagens sollte die Compliance des Patienten überprüft werden, falls nötig unter Zuhilfenahme der Arzneimitteldosierungen. Bei Patienten mit guter Compliance wird in zunehmendem Maße Tests auf Resistenz eingesetzt, um das Vorhandensein von Mutationen nachzuweisen und eine fundierte Behandlungsentscheidung zu treffen. Allerdings besteht in der nahen Zukunft Bedarf nach Konsensrichtlinien über Behandlung der Patienten in Abhängigkeit vom festgestellten Resistenzprofi l. Auswirkungen einer erfolgreichen Therapie Die aktuell verfügbaren Behandlungsoptionen haben keine Auswirkung auf die im Kern der Leberzellen überdauernde, kovalent geschlossene provirale DNA (cccdna) und können daher nicht zur Eradikation von HBV führen. In einer Reihe von Studien wurden jedoch die positive Wirkungen von Behandlungsinterventionen auf den klinischen Zustand der Patienten nachgewiesen. 48 48 Niederau und Kollegen. wiesen nach, dass der HBeAg-Verlust während der konventionellen IFN-α-Therapie mit einer signifi kant längeren Überlebensgesamtdauer und Lebensdauer ohne Komplikationen assoziiert ist. 46 In der Studie von Liaw und Kollegen wurden die Folgen der Lamivudintherapie bei Patienten mit Zirrhose oder fortgeschrittener Fibrose untersucht und nachgewiesen, dass Lamivudin mit einer niedrigeren Progressionsinzidenz assoziiert war als das Placebo. Die Selektion von lamivudinresistenten Mutationen schwächte allerdings den positiven Nutzen der Lamivudintherapie ab. 47 In einer aktuellen 5-Jahres-Studie wurde von Verbesserungen bei mit Adefovir behandelten AHeAg-negativen Patienten hinsichtlich der hepatischen Fibrose berichtet: 48 Bei 71% der Patienten konnte der Ishak-Fibrose-Score nach fünfjähriger kontinuierlicher Therapie um mehr als einen Punkt gesenkt werden. Histologische Verbesserungen wurden auch bei der Behandlung mit Entecavir berichtet. Bei 72% aller HBeAgpositiven und 70% aller HBeAg-negativen, nukleosidnaiven Patienten war eine 48-wöchige Therapie mit Entecavir mit einer histologischen Verbesserung (defi niert als Verbesserung des Knodell-Nekroinfl ammation-scores um mehr als zwei Punkte und keine Verschlechterung des Knodell-Fibrose-Scores) assoziiert. 35 Eine 48-wöchige Behandlung mit pegyliertem IFN-α-2a führt dagegen bei nur 38% HBeAg-positiven und 15% HBeAg-negativen Patienten zu einer histologischen Verbesserung. 29,31 Schlussfolgerungen In Europa leiden ungefähr 3,5 Millionen Menschen an chronischer Hepatitis B, womit die HBV-Infektion ein großes gesundheitliches Problem darstellt. Das Erkrankungsmuster befi ndet sich im Wandel: Es wird ein steigender Trend bei HBeAg-negativen Fällen beobachtet und Bevölkerungsmigrationen hinterlassen ihre Spuren. Eine effektive Identifi kation von chronisch Infi zierten und eine optimale Intervention sind von höchster Wichtigkeit, um das Risiko eines Fortschreitens der Erkrankung zu verringern. Die sich herausbildenden Erkenntnisse bezüglich des natürlichen Verlaufs der CHB und den Auswirkungen der Behandlung werden zusammen mit der Verfügbarkeit besserer Wirkstoffe zu einer Änderung der Behandlungsparadigmen führen. Literatur 1. Maynard JE. Hepatitis B: Global importance and need for control. Vaccine 1990; 8(Suppl.): S18 20. 2. Hoofnagle JH. Chronic hepatitis B. N Engl J Med 1990; 323: 337 9. 3. Custer B, Sullivan SD, Hazlet TK, et al. Global epidemiology of hepatitis B virus. J Clin Gastroenterol 2004; 38(10 Suppl.): S158 68. 4. de Franchis R, Hadengue A, Lau G, et al. EASL Jury. EASL International Consensus Conference on hepatitis B. Consensus statement (long version). J Hepatol 2003; 39(Suppl. 1): S3 25. 5. World Health Organisation. Hepatitis B incidence Euroregion 1990 2004. Available at: http://data.euro.who.int/cisid/doc/hepb/hepb_incidence_ euroregion_1990-2004.pps (Accessed July 8, 2007). 6. Meffre C, Le Strat Y, Delarocque-Astagneau E, et al. Prevalence of hepatitis B in France, 2003 2004. J Hepatol 2006; 44(Suppl. 2): S22. 7. McMahon BJ. Selecting appropriate management strategies for chronic hepatitis B: Who to treat. Am J Gastroenterol 2006; 101(Suppl. 1): S7 12. 8. McMahon BJ, Alward WL, Hall DB, et al. Acute hepatitis B virus infection: relation of age to the clinical expression of disease and subsequent development of the carrier state. J Infect Dis 1985; 151: 599 603. 9. Tassopoulos NC, Papaevangelou GJ, Sjorgren MH, et al. Natural history of acute hepatitis B surface antigen-positive hepatitis in Greek adults. Gastroenterology 1987; 92: 1844 50. 10. Fattovich G, Brollo L, Giustina G, et al. Natural history and progression factors for chronic hepatitis type B. Gut 1991; 32: 294 8. 11. de Franchis R, Meucci G, Vecchi M, et al. The natural history of asymptomatic hepatitis B surface antigen carriers. Ann Intern Med 1993; 118: 191 4.

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Fallstudie: Therapiemanagementoptionen bei HBeAg-positiver Hepatitis B Michel Manns, MD und Katja Deterding, MD Einführung In dieser Fallstudie wird eine Patientin vorgestellt, die bei der Aufnahme HBeAg-positiv war und Komplikationen, einschl. Wirkstoffresistenzen, entwickelte. Anhand dieses Falls werden die Vor- und Nachteile verschiedener Strategien zur Behandlung der chronischen Hepatitis B beleuchtet. Fallbericht und Diskussion Eine 27-jährige Frau mit chronischer Hepatitis-B-Infektion stellte sich im Juni 2002 erstmals in der ambulanten Abteilung vor. Die Erstdiagnose der Hepatitis-B-Virusinfektion (HBV) war 1995 gestellt worden und der Übertragungsweg war nicht bekannt. Die Transaminasenwerte waren stark erhöht: der ALT-Wert (Alaninaminotransferase, auch GPT [Glutamatpyruvattransaminase]) lag bei 244 U/l (Referenzbereich <17 U/l) und der AST-Wert (Aspartataminotransferase, auch GOT [Glutamatoxalacetattransferase]) bei 200 U/l (Referenzbereich <15 U/l). Die Patientin war HBsAg-positiv und HBeAg-positiv und die Infektion war hochvirämisch. Da es sich bei der Patientin um eine Medizinstudentin handelte, wurde beschlossen eine antivirale Therapie mit pegyliertem (PEG) Interferon-α-2a (180 µg 1 x wöchentlich) zu beginnen. Zu diesem Zeitpunkt lagen keine Ergebnisse einer Leberbiopsie vor. Ist eine Leberbiopsie notwendig, um eine antivirale Therapie bei HBeAg positiver Hepatitis B zu beginnen? Leberbiopsien sind dann besonders hilfreich, wenn keine klare Entscheidung im Sinne der Behandlungsrichtlinien getroffen werden kann. Laut Empfehlungen der internationalen Richtlinien wird eine Leberbiopsie bei zwei Patientengruppen empfohlen: a) bei HbsAg-positiven Patienten mit einem HBV-DNA-Spiegel von über 20.000 IE/ml (10 5 Kopien/ml), die entweder HBeAg-positiv sind oder deren ALT-Werte (über einen 3 6-monatigen Zeitraum) über dem doppelten Normwert (2x ULN) liegen; und b) bei Patienten mit einem HBV-DNA-Spiegel >20.000 IE/ml (10 5 Kopien/ml) und im Alter von über 40 Jahren. Eine Behandlung ist zu erwägen, wenn die Biopsie auf eine mäßige/schwere Entzündung oder signifikante Fibrose hinweist. 1 In diesem Fall war allerdings unabhängig von der Leberbiopsie eine Behandlung angezeigt, da es sich um eine Medizinstudentin handelte und hohe HBV-DNA-Spiegel auf eine Infektiosität hinweisen, welche bei medizinischem Mitarbeitern zur Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses führen kann. Die Durchführung einer Leberbiopsie ist darüber hinaus zum Ausschluss anderer Ursachen einer Lebererkrankung zu empfehlen. Da es selbst bei Patienten mit normaler Transaminasen-Aktivität zur Zirrhose kommen kann, sind wir zusätzlich der Auffassung, dass eine Biopsie bei Patienten mit normalen oder minimal erhöhter Transaminasen-Aktivität noch relevanter ist. War bei dieser Patientin eine interferonbasierte Therapie angezeigt? Die folgenden Faktoren sind bekanntermaßen mit einem Ansprechen auf Interferon assoziiert: Transaminasenwerte auf mindestens das Zweifache des oberen Normwerts (2 x ULN) erhöht, geringe Viruslast, <200.000 IE/ml (<10 6 Kopien/ml), HBV-Genotyp A, keine vorherige antivirale Therapie. Die Patientin erfüllte zwei dieser Kriterien: sie war in der Vergangenheit nicht antiviral behandelt worden und die Transaminasenwerte lag über dem Zweifachen des oberen Normwerts. Interferon-α hat sich als wirksamer Wirkstoff zur Suppression der HBV-Replikation und zur Einleitung einer Remission der Lebererkrankung erwiesen. Bei Abschluss einer fünfjährigen Nachfolgeuntersuchung wurde bei bis zu 20% der Fälle HBsAg-Clearance nachgewiesen. 2 5 In neueren Studien wurde berichtet, dass mit den HBV-Genotypen A und B Infizierte besser auf Interferon-α ansprechen als mit den Genotypen C oder D Infizierte. 6,7 Die Verabreichung von PEG-Interferon-α ist einfacher und die erreichte virale Unterdrückung besser. Es wurde ebenfalls nachgewiesen, dass die Behandlung mit PEG-Interferon-α hinsichtlich der Serokonversion zu anti-hbe erfolgreicher ist als die Behandlung mit Standard-Interferon-α. 8 Die empfohlene Dauer der Therapie mit PEG-Interferon-α für HBeAg-positive chronische Hepatitis-B-Patienten in der EU beträgt zur Zeit 48 Wochen; in laufenden Studien wird derzeit eine kürzere Behandlungsdauer (24 Wochen) geprüft. Interferon kann

mit signifikanten Nebenwirkungen assoziiert sein, u. a. mit grippeähnlichen Symptomen, Gewichtsabnahme, Thrombozytopenie, Hypo-oder Hyperthyreoidismus, Angststörungen, Depression und Suizidneigung. 1 Verlauf Während der Interferontherapie kam es bei der Patientin zu einer Resistenzentwicklung, die im Januar 2003 zum Therapieabbruch führte. Im April 2003 war weiterhin eine HBV-Replikation nachweisbar und eine antivirale Therapie mit 100 mg Lamivudin täglich wurde begonnen. Die Patientin wurde sechs Monate nach Beginn der Lamivudintherapie schwanger. Sie beschloss die Schwangerschaft als auch die Lamivudintherapie fortzusetzen. Die Schwangerschaft verlief ohne Komplikationen, und im Frühjahr 2004 kam ein gesundes Kind zur Welt. Die Lamivudin-Gabe erfolgte kontinuierlich bis 2004. Im Juni 2004 stieg die HBV-DNA-Konzentration auf über 18 x 10 6 IE/ml an, die Transaminasenwerte befanden sich jedoch noch im Referenzbereich. Dieser Anstieg der HBV-DNA im Serum betrug mehr als 1 log 10 IE/ml im Vergleich zum Tiefstwert im Verlauf der Therapie. Das Serum wurde daraufhin auf resistente HBV-Mutanten untersucht und die mit der Lamivudin-Resistenz assoziierte L180M-Mutation nachgewiesen. Folglich wurde die Therapie auf 10 mg Adefovir täglich umgestellt, woraufhin der HBV-DNA-Titer im Verlauf der nächsten Monate deutlich abfiel. Die tägliche Einnahme von 10 mg Adefovir wurde bis November 2006 fortgeführt, als der HBV-DNA-Titer erneut auf über 3,88 x 10 6 IE/ml anstieg. Die zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Analysen wiesen die N236T-Mutation nach, die mit einer Resistenz gegen Adefovir assoziiert ist. Da zu diesem Zeitpunkt der Wunsch nach einem weiteren Kind bestand, entschloss sich die Patientin, die antivirale Therapie zu beenden. Es lagen keine klinischen oder biochemischen Hinweise auf eine Leberfunktionsschädigung vor, und es wurde beschlossen, nach der Geburt eine Leberbiopsie durchzuführen und die Therapie bei histologischen Hinweisen auf eine Fibrose wieder aufzunehmen. Auswahl der optimalen Nukleosid- oder Nukleotid-Therapie zur Behandlung der HBeAg positiven Hepatitis B Derzeit sind Lamivudin, Adefovir, Entecavir und Telbivudin (in den USA und der Schweiz) zur antiviralen Therapie bei chronischen Hepatitis-B- Patienten zugelassen. Die Auswahl des Wirkstoffs sollte anhand der folgenden Kriterien erfolgen: Wirksamkeit Dauer des positiven Ansprechens Resistenzprofil Status der Lebererkrankung In Tabelle 1 wird die Wirksamkeit der zurzeit für die antivirale Therapie bei chronischen Hepatitis-B-Patienten zugelassenen Nukleosid- /Nukleotidanaloga und die jeweilige Inzidenz der genotypischen Resistenz zusammengefasst. Wirkstoff Gruppe Tägliche Dosis HBV-DNA <300 Kopien/ml (%) Wirksamkeit: Woche 48/52 HBeAg-positive Patienten HBeAg- Serokonversion (%) Normalisierung der ALT-Werte (%)* Inzidenz der genotypischen Resistenz Bei der Auswahl der zu verwendenden antiviralen Wirkstoffe sollten Sicherheit, Wirksamkeit und das Risiko einer im Behandlungszeitraum auftretenden Resistenz berücksichtigt werden. HBeAg-positive CHB-Patienten sollten die Behandlung fortsetzen, bis die HBeAg-Serokonversion erfolgt und die zusätzliche Behandlung bis sechs Monate nach dem Verschwinden der anti-hbe-antikörper beendet worden ist. Bei Gabe einer antiviralen Therapie muss im Abstand von drei bis sechs Monaten eine Bestimmung der HBV-DNA-Titer erfolgen. Lamivudin (Zeffix ) Adefovirdipivoxil (Hepsera ) Entecavir (Baraclude ) Telbivudin (Sebivo ) Nukleosid Nukleotid Nukleosid Nukleosid 100 mg 10 mg 0,5 mg 600 mg 36 40 25 67 60 18 12 21 28 60 75 48 68 77 71% nach 4-jähriger Therapie 29% nach 5-jähriger Therapie 0,7% nach 3-jähriger Therapie bei naiven Patienten 18% nach 2-jähriger Therapie (HBeAg-positiv) Tabelle 1: Wirksamkeit der zurzeit zugelassenen antiviralen Wirkstoffe und die Inzidenz der genotypischen Resistenz 9,10,11

Management der Lamivudin-Resistenz bei HBeAg-positiver Hepatitis B Wenn es zur Resistenz kommt, sollte Lamivudin nicht als Monotherapie fortgeführt werden, da Lamivudin bei vorliegender Resistenz keinen klinischen Nutzen besitzt. 12 Darüber hinaus können kompensatorische Mutationen auftreten, die die spätere Verwendung anderer antiviralen Mittel einschränken können. 13 Bei lamivudinresistenter Hepatitis B sind glücklicherweise Adefovir und Entecavir (aber nicht Telbivudin) wirksam. 14 Neuere Studien haben gezeigt, dass Lamivudin mit Adefovir als Zusatz-Strategie verwendet werden sollte. In aktuellen Studien wurde eine Adefovir-Resistenz bei Adefovier-Lamivudin-Kombinationstherapien weniger häufig nachgewiesen als bei Adefovier- Monotherapien. 15 Das Ansprechen auf Adefovir-Monotherapie kann bei 20% bis 30% der Patienten suboptimal sein. In diesen Fällen könnte eine Umstellung von der Adefovir-Monotherapie zu einer Tenofovir-Monotherapie eine effektive Strategie sein, da in einer aktuellen Pilotstudie fast alle Patienten, die von Adefovir auf Tenofovir umgestellt wurden, rasch ansprachen (innerhalb von sechs Monaten). 16 Auch Entecavir ist bei Patienten mit Lamivudin-Resistenz und hochgradiger Virämie wirksam (>200.000 IE/ml; >10 6 Kopien/ml). Es wurde gezeigt, dass eine Entecavir-Therapie mit guten biochemischen Ergebnissen verbunden ist, wobei für diese Patienten allerdings ein erhöhtes Risiko einer Resistenz gegen Entecavir besteht; insgesamt waren eine Entecavir-Resistenz nach 144-wöchiger Therapie bei 15% bis 19% der Patienten für virologische Rebounds verantwortlich. 17 Management der Adefovir-Resistenz bei HBeAg-positiver Hepatitis B Kommt es bei Patienten ohne vorherige Lamivudin-Therapie zur sekundären Resistenz gegen Adefovir, kann die Therapie auf Entecavir, Telbivudin oder Lamivudin umgestellt werden. Falls es bei zuvor mit Lamivudin behandelten Patienten zum sekundären Therapieversagen mit Adefovir kommt, kann Lamivudin durch Entecavir ersetzt werden. Tenofovir ist aufgrund der Kreuzresistenz mit Adefovir nicht zu empfehlen. 13 Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Resistenz bei einzelnen Patienten steht oftmals in Zusammenhang mit dem Lebensalter, dem Schweregrad der zugrunde liegenden Lebererkrankung und der Intensität des Aufflackerns der Hepatitis. Wie kann eine Resistenz verhindert werden? Eine antivirale Therapie sollte nur bei Bedarf eingesetzt werden. Die Indikation für die antivirale Therapie sollte überprüft und das Risiko-Nutzen-Verhältnis beurteilt werden. Zur Verbesserung der Mitarbeit der Patienten sollten verträgliche und praktische Therapieschemata verwendet werden. Es sollten unbedingt Arzneimittel mit optimaler antiviraler Wirkung verabreicht werden. In dem hier vorgestellten Fallbeispiel waren Adefovir und Entecavir bei Beginn der Therapie nicht verfügbar. Heute wird eine Lamivudin-Monotherapie aufgrund der sehr hohen Resistenzrate bei Monotherapie nicht mehr empfohlen. Im Verlauf des klinischen Behandlungszyklus sollte ein alternatives antivirales Mittel verabreicht werden, wenn der HBV-DNA-Wert nach den ersten 12 Monaten der Monotherapie über 6 log 10 beträgt, wobei der Einsatz von kreuzresistenten Substanzen zu vermeiden ist. Zur Maximierung der genetischen Barriere gegen Resistenz sollten Wirkstoffe verwendet werden, die ein gutes Resistenzprofil besitzen. Sequentielle Monotherapien und Behandlungsunterbrechungen sind zu vermeiden. Die Auswirkung einer im Behandlungszeitraum auftretenden Resistenz auf zukünftige Therapieoptionen sind zu berücksichtigen. Obwohl für First-Line-Kombinationstherapien bisher nur beschränkte Daten vorliegen, sollten diese jedoch in Erwägung gezogen werden. Management einer Schwangerschaft im Verlauf einer antiviralen Therapie für HBeAg-positive Hepatitis B Da nur unzureichende Daten vorliegen, kann keine allgemeine Empfehlung für eine antivirale Therapie während der Schwangerschaft gegeben werden. PEG-Interferon-α ist kontraindiziert. Nukleosid-/Nukleotid-Analoga sollten im letzten Trimester nur nach Abwägung der Risiken für Mutter und Kind verwendet werden. Auf der Grundlage von Erfahrungen mit HBV- und HIV-infizierten Patienten scheint Lamivudin relativ sicher zu sein, während bisher nur beschränkte Daten für Adefovir und Entecavir vorliegen. Schlussfolgerung Der vorliegende Fall beleuchtet einige Probleme bei der Langzeitbehandlung der HBeAg-positiven Hepatitis B. Durch Auftreten einer Resistenz kann die Wirksamkeit der antiviralen Wirkstoffe beschränkt sein, was negative Folgen für die Lebererkrankung haben kann. Die Erwägung von Wirksamkeits- und Resistenzmustern ist ein wichtiger Bestandteil bei der Planung und Verabreichung wirksamer antiviraler Wirkstoffe. Außerdem ist bei Hepatitis-B-Patienten eine Überwachung auf Resistenz im Abstand von drei bis sechs Monaten im Verlauf der antiviralen Therapie von entscheidender Bedeutung.