L E I T S Ä T Z E. zum nicht rechtskräftigen Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom Az. 1 Sa 74/13 -

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Transkript:

L E I T S Ä T Z E zum nicht rechtskräftigen Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 26.11.2013 - Az. 1 Sa 74/13-1. Art. 9 Abs. 3 GG gewährt einer Gewerkschaft die Einschätzungsprärogative, welche Räumlichkeiten des Arbeitgebers für die Mitgliederwerbung am geeignetsten sind. 2. Zur Abwägung der Einzelumstände im Rahmen der praktischen Konkordanz der widerstreitenden Grundrechte von Gewerkschaft und Arbeitgeber.

L A N D E S A R B E I T S G E R I C H T B R E M E N Verkündet am: 26.11.2013 IM NAMEN DES VOLKES als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle URTEIL 1 Sa 74/13 5 Ca 5160/12 Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven (Bremen) In dem Rechtsstreit Klägerin und Berufungsbeklagte, Proz.-Bev.: gegen Beklagte und Berufungsklägerin, Proz.-Bev.: hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2013 durch die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts den ehrenamtlichen Richter die ehrenamtliche Richterin für Recht erkannt: Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen- Bremerhaven vom 25.04.2013-5 Ca 5160/12 - wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen. Die Revision wird gegen dieses Urteil nicht zugelassen.

T A T B E S T A N D : Die Parteien streiten über das betriebliche Zutrittsrecht der Klägerin zum Zweck der Mitgliederwerbung. Die Beklagte betreibt ein Hotel und beschäftigt etwa 50 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist bei der Beklagten nicht eingerichtet. Auf die bei der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisse findet kraft Allgemeinverbindlicherklärung der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe Bremen Anwendung. Die Klägerin ist die Gewerkschaft Nahrung-Genuss- Gaststätten und für den Betrieb der Beklagten satzungsgemäß zuständig. Wegen der Einzelheiten der Satzung der Klägerin wird auf Bl. 5 ff d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 29.03.2012 (Bl. 22 d. A.) bat die Klägerin die Beklagte, ihrem Gewerkschaftssekretär Zutritt zu dem Pausenraum der Beschäftigten am 16.04.2012 in der Zeit von 10:00 Uhr bis ca. 13:00 Uhr zu Zwecken der Mitgliederwerbung zu gewähren. Die Beklagte verwehrte dem Gewerkschaftssekretär am 16.04.2012 jedoch den Zutritt zum Pausenraum und bot diesem stattdessen einen Seminarraum an. Der Gewerkschaftssekretär lehnte die Nutzung des Seminarraums ab und verlangte Zutritt zu dem Pausenraum. In der Folgezeit bat die Klägerin die Beklagte erneut schriftlich, ihr Zugang zu dem Pausenraum zum Zwecke der Mitgliederwerbung zu gewähren, was die Beklagte jedoch wiederholt ablehnte und zugleich aber die Nutzung eines Seminarraums anbot. Wegen des weiteren Schriftwechsels wird auf Bl. 23 f d. A. verwiesen. Wegen des Grundrisses, der beide Räume ausweist, wird auf Bl. 38 d. A. Bezug genommen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Pausenraumes wird auf die eingereichten Fotos (Bl. 34 ff d. A.) verwiesen. Der Pausenraum ist 16 m² groß und mit einem Computer ausgestattet, der Zugang zum hoteleigenen Intranet gewährt. In dem Pausenraum befindet sich auch das Schwarze Brett, auf dem betriebsinterne Anordnungen etc. angebracht werden. Die Personalduschen befinden sich unmittelbar neben dem Pausenraum. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Klägerin grundsätzlich in dem beantragten zeitlichen Umfang ein Zutrittsrecht zu Zwecken der Mitgliederwerbung zu gewähren ist; streitig ist lediglich, ob die klagende Gewerkschaft Anspruch auf die Nutzung des Pausenraums hat. Die Klägerin hat vorgetragen: Sie könne grundsätzlich selbst entscheiden, in welchen Räumlichkeiten sie ihre Werbemaßnahmen durchführe. Da die Beklagte keine berechtigten betrieblichen Belange vorgetragen habe, die einer Nutzung des Pausenraums widersprechen könnten, sei

der Klägerin ein Zutrittsrecht hierzu zu gewähren. Es komme nicht darauf an, ob der Seminarraum geeignet sei oder nicht, da vielmehr die Beklagte darlegen müsse, inwiefern der Nutzung des Pausenraums betriebliche Belange entgegenständen. Zudem müssten alle Beschäftigte, die den Seminarraum aufsuchen wollen, durch das Foyer gehen. Die Beklagte hätte so die Möglichkeit, zu erkennen, welche Beschäftigte in den Seminarraum gingen und damit auch zum Ausdruck brächten, dass sie Interesse an der Gewerkschaft zeigten. Die Klägerin hat beantragt: 1. Die Beklagte wird verurteilt, den Zutritt der Gewerkschaftssekretäre C. W., S. M., T. Z. und D. N., jeweils einzeln oder zu zweit oder zusätzlich mit einem von der Klägerin benannten gewerkschaftlichen Beauftragten, bei jedem Zutritt jeweils einer allein oder höchstens zwei gemeinsam, zu dem Pausenraum in dem Betrieb der Beklagten zum Zwecke der Mitgliederwerbung und der Information über die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblättern und durch Führen persönlicher Gespräche, jeweils einmal in jedem Kalenderhalbjahr in den Pausenzeiten nach einer mindestens eine Woche vorher gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten erfolgten Ankündigung der Klägerin zu dulden. 2. Der Beklagte wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre Duldungspflicht gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu EUR 250.000,00 angedroht. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat vorgetragen: Aufgrund der geringen Größe des Pausenraums sei ein Einblick in die Daten des Computers unvermeidbar, jedoch seien die Daten nur für Betriebsangehörige bestimmt. Ein Zugang zu dem Umkleide- und Sanitärbereich sei nur nach Durchqueren des Pausenraums möglich. Ein Aufenthalt betriebsfremder Personen im Pausenraum sei der Privat- und Intimsphäre nicht zuträglich. Werbemaßnahmen könnten darüber hinaus dem gesetzlich vorgeschriebenen Schutzzweck eines Pausenraums zuwiderlaufen. Der angebotene Seminarraum sei hingegen 52 m² groß und von dem Haupteingang und sonstigen Einblicken aus dem Foyer abgetrennt. Die Nutzung des Pausenraums widerspreche dem Interesse der Beklagten am Schutz ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und würde aufgrund eines nicht vermeidbaren Eingriffs in Privat- und Intimsphären der Mitarbeiter den Betriebsfrieden stören. Die Beschäftigten könnten nicht frei darüber entscheiden, ob sie umworben werden möchten oder nicht. Die einzige Möglichkeit der Arbeitnehmer, der Werbetätigkeit fern zu bleiben, würde dann ent-

weder darin bestehen, die Pausenzeiten außer Haus zu verbringen oder gänzlich auf Ruhezeiten zu verzichten. Es sei mit großer Wahrscheinlichkeit mit Verärgerung und Frustration der Beschäftigten und deren zahlreichen Beschwerden zu rechnen. Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat am 25.04.2013 folgendes Urteil verkündet: 1. Die Beklagte wird verurteilt, den Zutritt der Gewerkschaftssekretäre C. W., S. M., T. Z. und D. N., jeweils einzeln oder zu zweit oder zusätzlich mit einem von der Klägerin benannten gewerkschaftlichen Beauftragten, bei jedem Zutritt jeweils einer allein oder höchstens zwei gemeinsam, zu dem Pausenraum in den Betrieb der Beklagten zum Zwecke der Mitgliederwerbung und der Information über die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblättern und Durchführen persönlicher Gespräche, die jeweils einmal in jedem Kalenderhalbjahr in den Pausenzeiten nach einer mindestens eine Woche vorher gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten erfolgten Ankündigung der Klägerin zu dulden. 2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre Duldungspflicht gemäß Z. 1 ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu EUR 10.000,00 angedroht. 3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. 4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 4.000,00 festgesetzt. Wegen der Einzelheiten der Begründung durch das Arbeitsgericht wird auf Bl. 66 Rs. bis Bl. 68 Rs. d. A. Bezug genommen. Gegen dieses ihr am 23.05.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.05.2013 Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese am 01.07.2013 begründet. Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ferner vor: Die erforderliche Einzelfallabwägung führe dazu, dass die Interessen der Beklagten überwögen. Die Arbeitnehmer seien den Werbemaßnahmen der Gewerkschaft zwangsweise und ohne Ausweichmöglichkeiten ausgesetzt; sie würden damit in ihrer negativen Koalitionsfreiheit tangiert und beeinträchtigt, wodurch die Gefahr von Spannungen im Zusammenhang mit der Belästigung Nicht- und Andersorganisierter entstehen könne. In dem Pausenraum der Beklagten würde für die dort ihre Pause verbringenden Arbeitnehmer eine psychisch und physisch bedrückende Heimsuchung durch den Besuch von zwei Gewerkschaftsvertretern zum Zwecke der Akquisition entstehen, durch die eine von der Beklagten gemäß 4 ArbZG zu gewährleistende Pausenruhe gefährdet werden könne, weil sich die Arbeitnehmer nicht ausruhen könnten.

Außerdem könne sie ihrer Verpflichtung aus 6 ArbStättV nicht nachkommen, ihren Arbeitnehmern einen Pausenraum zu gewähren, in dem sie sich während der Pausen ungestört aufgehalten könnten. Eine Beeinträchtigung des Grundrechts nach Artikel 2 GG und der negativen Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 Abs. 2 GG würde erfolgen. Die Vielzahl der sich in der Pause befindlichen Arbeitnehmer, die keinen Büroarbeitsplatz hätten, aber einen ständigen Einblick in Betriebsinterna (z. B. interne Anordnungen aus dem Intranet, Arbeits- und Prozessbeschreibungen im Qualitätsmanagement) haben müssten, erlaube nicht die Installation eines Passwortschutzes. Die Passwörter müssten auswendig gelernt werden. Eine ungestörte und unbeobachtete Einsichtnahme über den PC Bildschirm sei während der Anwesenheit von bis zu zwei Gewerkschaftsvertretern nicht möglich. Der Einwand, der Zutritt zu den Seminarräumlichkeiten sei frei einsehbar, wodurch das Verfassungsrecht der Klägerin auf angemessene Werbung eingeschränkt würde, sei nicht zutreffend. Denn einerseits gewähre Artikel 9 Abs. 3 GG den Gewerkschaften keinen Anspruch auf Werbemaßnahmen im Verborgenen. Andererseits seien die von der Beklagten angebotenen Seminarräumlichkeiten aus professionellen Gründen mit sogenannten Schamwänden im Eingangsbereich versehen und außerhalb der von der Klägerin gemutmaßten argwöhnischen Arbeitgeberkontrolle angesiedelt. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven, Kammern Bremen, vom 25.04.2013-5 Ca 5160/12 - abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt: Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen- Bremerhaven vom 25.04.2013-5 Ca 5160/12 - wird zurückgewiesen. Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ferner vor: Eine Störung des Betriebsablaufs habe die Beklagte nicht dargestellt. Die vorgetragene Darstellung der möglichen Interessen der Beschäftigten sei eine bloße Schutzbehauptung. Die Beklagte habe nicht dargestellt, ob und wenn ja welche Arbeitnehmer sich durch eine psychisch und physisch bedrückende Heimsuchung gefährdet fühlten. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass sich sämtliche Beschäftigte während ihrer Pausenzeiten im Pausenraum aufhielten. Jeder Beschäftigte entscheide selbst, ob er während der Pausenzeit den Pausenraum aufsuche oder das Gebäude verlasse. Der von der Beklagten angebotene Seminarraum könne möglicherweise in der Zukunft gerade dann nicht zur Verfügung stehen, wenn sie Zutritt begehre. Es sei zu vermuten, dass Be-

schäftigte möglicherweise mit Repressalien zu rechnen hätten, wenn sie den Seminarraum aufsuchen würden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften und die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E : Die an sich statthafte, frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist insgesamt zulässig, jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Beklagte verurteilt, den Zutritt der Gewerkschaftssekretäre, die die Klägerin namentlich benannt hat, jeweils einzeln oder zu zweit oder zusätzlich mit einem von der Klägerin benannten gewerkschaftlichen Beauftragten, bei jedem Zutritt jeweils einer allein oder höchstens zwei gemeinsam, zu dem Pausenraum in dem Betrieb der Beklagten zum Zwecke der Mitgliederwerbung und der Information über die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin jeweils einmal in jedem Kalenderhalbjahr in den Pausenzeiten nach einer mindestens eine Woche vorher gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten erfolgten Ankündigung der Klägerin zu dulden. Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht die Androhung des Ordnungsgelds vorgenommen. Das Berufungsgericht macht sich die Begründung des Arbeitsgerichts zu Eigen und verweist auf die zutreffenden Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Urteil ( 69 Abs. 2 ArbGG). Wegen des Berufungsverfahrens ist noch Folgendes auszuführen: I. Zulässigkeitsbedenken bestehen gegenüber den Anträgen der Klägerin nicht. 1. Wegen der Regelung des 65 ArbGG kommt es nicht darauf an, ob die geltend gemachten Ansprüche in der richtigen Verfahrensart erhoben worden sind. Es könnte zweifelhaft sein, ob das Beschlussverfahren oder das Urteilsverfahren die richtige Verfahrensart für die geltend gemachten Ansprüche darstellt. Dies unterliegt allerdings gemäß 65 ArbGG nicht der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Arbeitsgericht trotz ausdrücklicher Rüge nicht vorab durch besonderen Beschluss, sondern im Rahmen der Entscheidung der Hauptsache über die Zulässigkeit der Verfahrensart entschieden hat (BAG Beschluss vom 20.04.1999-1 ABR 72/98 BAGE 91, 210; BAG Beschluss vom 22.05.2012-1 ABR

1/11 AP Nr. 149 zu Art. 9 GG). Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Die Parteien haben eine derartige Rüge nicht erhoben. 2. Der Antrag auf Duldung ist hinreichend bestimmt i. S. von 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Anträge, mit denen die Duldung von Handlungen verlangt wird, müssen die zu duldenden Handlungen so genau bezeichnen, dass der in Anspruch Genommene im Falle einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, was von ihm verlangt wird. Diese Prüfung darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer Verpflichtung nachgekommen ist, nicht, wie diese aussieht. Dennoch können Duldungsanträge manchmal generalisierende Formulierungen enthalten, weil diese unvermeidlich sind. Sonst würde die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, durch prozessuale Anforderungen unzumutbar erschwert. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Antrag hinreichend bestimmt i. S. des 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das Bundesarbeitsgericht hat Anträge auf Duldung wie im vorliegenden Verfahren formuliert selbst dann für zulässig gehalten, wenn sie weniger Präzisierung enthielten als der vorliegende Antrag (BAG Urteil v. 28.02.2006-1 AZR 460/04 - AP Nr. 127 zu Art. 9 GG; BAG Beschluss v. 22.05.2012-1 ABR 11/11 - AP Nr. 149 zu Art. 9 GG). Die Klägerin hat Häufigkeit und Dauer des Zutrittsbegehrens sowie den Ort bezeichnet. Sie hat ferner angegeben, für wen der Zutritt im Einzelnen zu welchen Modalitäten begehrt wird. Darüber hinaus hat sie als Zweck des begehrten Zutritts formuliert, dass dieser zum Zwecke der Mitgliederwerbung und der Information über die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblättern und Durchführen persönlicher Gespräche erfolgen soll. Auch insoweit hat das Bundesarbeitsgericht einen Antrag als hinreichend bestimmt angesehen (BAG Urteil v. 28.02.2006-1 AZR 460/04 - AP Nr. 127 zu Art. 9 GG). 3. Auch der weitere Antrag der Klägerin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Duldungspflicht ein Ordnungsgeld anzudrohen, ist gemäß 890 ZPO möglich. Die Zwangsvollstreckung nach 890 ZPO erfolgt durch Verhängung von Ordnungsgeld für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Duldungspflicht. II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten beanspruchen, in den Räumlichkeiten der Beklagten durch betriebsfremde Beauftragte Mitgliederwerbung in der beantragten Weise zu betreiben.

1. Artikel 9 Abs. 3 GG gewährleistet für jedermann und für alle Berufe das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Das umfasst auch den Schutz der Koalition als solcher und ihr Recht, durch spezifische koalitionsmäßige Betätigung die in Artikel 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen. Dazu zählen auch Betätigungen, die auf andere Weise als durch den Abschluss von Tarifverträgen diesem Zweck dienen sollen. Die Klägerin ist eine Koalition i. S. des Artikel 9 Abs. 3 GG. Dies folgt aus der vorgelegten Satzung. Der Betrieb der Beklagten fällt auch ihren Zuständigkeitsbereich. Zu den durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten Betätigungen gehört u. a. die Werbung von Mitgliedern, von deren Zahl der Bestand und die Durchsetzungskraft einer Koalition abhängen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das Recht auf Mitgliederwerbung mit dem durch Artikel 13, 14 Abs. 1 GG geschützten Haus- und Eigentumsrecht des Arbeitsgebers sowie seiner aus Artikel 12 Abs. 1 GG folgenden wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit kollidieren. Ein solcher Konflikt widerstreitender Grundrechte bedarf der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung. Da der Gesetzgeber bislang hiervon abgesehen hat, ist die bestehende Schutzlücke von den Gerichten im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen. Ob der jeweils konkret begehrte Zutritt zu gewähren ist, richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls (BAG Urteil v. 28.02.2006-1 AZR 460/04 - AP Nr. 127 zu Art. 9 GG; BAG Beschluss v. 22.05.2012-1 ABR 11/11 - AP Nr. 149 zu Art. 9 GG). Das den Gewerkschaften einzuräumende betriebliche Zutrittsrecht ist nicht unbeschränkt. Gegenüber dem gewerkschaftlichen Interesse an einer effektiven Mitgliederwerbung sind die ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Belange des Arbeitgebers und Betriebsinhabers abzuwägen. Dazu zählen dessen Haus- und Eigentumsrecht sowie sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Gestalt eines störungsfreien Betriebsablaufs. Zu Gunsten des Arbeitgebers ist auch die durch Artikel 2 Abs. 2 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, die insbesondere bei einer Störung des Arbeitsablaufs und des Betriebsfriedens berührt wird, zu berücksichtigen. Die von den Gerichten geforderte Herstellung praktischer Konkordanz zwischen dem Recht der Gewerkschaften auf betriebliche Mitgliederwerbung einerseits und gegenläufigen Rechten des Betriebsinhabers bzw. Arbeitgebers andererseits lässt eine generelle Anerkennung oder Versagung des Zutrittsrechts betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter für sämtliche möglichen Fallgestaltungen nicht zu. Maßgeblich sind vielmehr die jeweiligen Umstände des Einzelfalls. Dabei sind vor allem Ausmaß und Intensität des beanspruchten Zugangsrechts von Bedeutung. In diesem Zusammenhang können die Häufigkeit, der zeitliche Umfang und der jeweilige Zeitpunkt der Besuche wie auch die gegebenenfalls ins Verhältnis zur Belegschaftsgröße zu setzende Anzahl der betriebsexternen Ge-

werkschaftsbeauftragten eine Rolle spielen. Bei den berechtigten betrieblichen Belangen des Arbeitgebers ist das Interesse an einem störungsfreien Betriebsablauf und der Wahrung des Betriebsfriedens wichtig. Ebenso können seine Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen von Bedeutung sein. Auch der im Einzelfall notwendige personelle und organisatorische Aufwand, der für den Arbeitgeber mit dem Besuch betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter verbunden ist, ist insoweit zu berücksichtigen (BAG Urteil v. 28.02.2006-1 AZR 460/04 - AP Nr. 127 zu Art. 9 GG). 2. Die personelle Auswahl der Werbenden unterfällt dem Schutzbereich des Artikel 9 Abs. 3 GG (BAG Urteil v. 22.06.2010-1 AZR 179/09 - AP Nr. 142 zu Art. 9 GG). Deshalb konnte die Klägerin die Gewerkschaftssekretäre benennen, denen die Beklagte Zutritt gewähren soll. Sie konnte auch die Duldung des Zutritts von durch sie benannten gewerkschaftlichen Beauftragten begehren. Damit, dass die Klägerin sich darauf beschränkt hat, dass die von ihr benannten jeweils einzeln oder zu zweit den Zutritt erhalten sollen, hat die Klägerin auch die Verhältnismäßigkeit gewahrt. Die Anzahl der Personen, denen Zutritt gewährt werden soll, steht in Relation zu der personellen Betriebsgröße. Dadurch dass diese einzeln oder maximal zu zweit kommen sollen, ist auch insoweit die Verhältnismäßigkeit gewahrt und nur von einer geringfügigen Beeinträchtigung auszugehen. 3. Es entstehen auch keine Probleme durch den zukunftsgerichteten Leistungsantrag. Zwar kann dieser das Zutrittsbegehren nur typisierend beschreiben. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts reicht es aber grundsätzlich aus, die dadurch regelmäßig betroffenen schützenswerten Belange des Arbeitgebers zu erkennen und gegenüber dem Zutrittsbegehren zu gewichten. Dabei sollen vor allem die Häufigkeit und die Dauer des Zutrittsbegehrens das Ausmaß der Beeinträchtigung des Arbeitgebers und den von ihm zu betreibenden Aufwand bestimmen. Zwar können nicht vorhersehbare betriebliche Belange des Arbeitgebers auftreten, die dazu führen, dass die Mitgliederwerbung der Gewerkschaft im Betrieb in der von dieser begehrten und titulierten Art und Weise einmalig oder gar dauerhaft zurückstehen muss. Solche nicht absehbaren Entwicklungen sind bei der Antragstellung regelmäßig nicht einbeziehbar. Dies darf aber nicht dazu führen, dass ein zukunfts- gerichteter Leistungsantrag schon aus diesem Grunde abzuweisen wäre. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung ist das Bundesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass bei der einmalig im Kalenderhalbjahr in Pausenzeiten vorzunehmenden gewerkschaftlichen Werbemaßnahme im Betrieb beachtliche betriebliche Belange nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. Dann müssten die verfassungsrechtlich durch Artikel 13, 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgüter des Arbeitgebers

hinter der durch Artikel 9 Abs. 3 GG verbürgten koalitionsspezifischen Betätigungsfreiheit der Gewerkschaft zurücktreten (BAG Urteil v. 22.06.2010-1 AZR 179/09 - AP Nr. 142 zu Art. 9 GG). Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist die zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen hierzu stehende praktische Konkordanz durch die Berücksichtigung typischer unvorhersehbarer betrieblicher Belange des Arbeitgebers bereits im Erkenntnisverfahren gewahrt. Dazu soll insbesondere der organisatorische Aufwand gehören, der im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sicherheits- und Geheimhaltungsinteressen betrieben werden müsse, um Störungen des Betriebsfriedens und des Betriebsablaufs zu verhindern. Aus diesem Grund soll die Gewerkschaft den Besuchstermin angemessene Zeit zuvor ankündigen, wobei im Hinblick auf etwaige organisatorische Maßnahmen nach Auffassung des Bundesarbeitsgericht von einer Regelfrist von einer Woche auszugehen sein soll (BAG Urteil v. 22.06.2010-1 AZR 179/09 - AP Nr. 142 zu Art. 9 GG; LAG Niedersachsen Urteil v. 17.11.2008-11 SaGa 1433/08 - NZA-RR 2009, 209). Auch das Grundrecht nach Artikel 2 Abs. 1 GG soll dann nicht gestört sein (Hessisches LAG Urteil v. 01.04.2004-11 Sa 1092/03 -). Auch dieser Rechtsprechung hat die Klägerin mit dem beanspruchten Zutritt jeweils einmal in jedem Kalenderhalbjahr in den Pausenzeiten und mit einer Ankündigung mindestens eine Woche vorher gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten Rechnung getragen. 4. Auch die Ortswahl mit dem Pausenraum im Betrieb der Beklagten begegnet keinen Bedenken. Artikel 9 Abs. 3 GG überlässt einer Koalition grundsätzlich die Wahl der Mittel, die sie bei ihrer koalitionsspezifischen Betätigung für geeignet und erforderlich hält. Dementsprechend kann eine Gewerkschaft selbst darüber befinden, an welchem Ort sie werben will (BAG Urteil v. 28.02.2006-1 AZR 460(04 - AP Nr. 127 zu Art. 9 GG). Artikel 9 Abs. 3 GG billigt der Gewerkschaft eine Einschätzungsprärogative zu, welche Maßnahmen sie zur Mitgliederwerbung als sinnvoll ansieht. Sieht die Gewerkschaft eine konkrete Maßnahme als sinnvoll an, so z. B. die Mitgliederwerbung in einem Sozialraum/Besprechungsraum, weil dort die Mitarbeiter anders als in einem Verkaufsraum oder Werkstattbereich nicht abgelenkt sind, kann dies regelmäßig nicht abgelehnt werden (LAG Berlin-Brandenburg Urteil v. 03.08.2011-4 Sa 839/11 - ArbuR 2012, 83). Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Interessen der Beklagten i. S. einer praktischen Konkordanz überwögen. Die Beklagte kann sich nicht auf die negative Koalitionsfreiheit, die auch durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützt wird, stützen. Die negative Koalitionsfreiheit der Beklagten wird durch den Zutritt für den Pausenraum nicht verletzt. Die Beklagte wird durch die Ge-

währung des Zutritts an die Gewerkschaftsbeauftragten zum Zwecke der Werbung und Information der Arbeitnehmer im Pausenraum nicht zu einer Unterstützung der Klägerin gezwungen. Auf die negative Koalitionsfreiheit ihrer Beschäftigten kann sie sich nicht berufen, da diese Rechte nicht ihr selbst, sondern diesen Arbeitnehmern zustehen. Soweit sich die Beklagte auf die in dem Pausenraum aufgrund seiner relativ geringen Größe mit 16 m² entstehenden drangvollen Enge beruft, könnte zwar grundsätzlich eine psychische Zwangssituation für die Beschäftigten und damit eine Beeinträchtigung des Betriebsfriedens der Gewährung des beanspruchten Zutrittsrechts entgegenstehen (LAG Niedersachsen Urteil v. 17.11.2008-11 SaGa 1433/08 - NZA-RR 2009, 209). Die Beklagte hat aber nicht dargelegt, wie viele Beschäftigte sich gleichzeitig während der Pausenzeiten in dem Pausenraum aufhalten. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb durch die Anwesenheit von ein, maximal zwei Gewerkschaftsvertretern dann eine besonders beengte Situation entstehen soll. Arbeitnehmern, die sich durch die Anwesenheit und die Werbung der Gewerkschaftsvertreter beeinträchtigt fühlen sollten, bleibt es unbenommen, den Pausenraum zu verlassen. Die entsprechende Beeinträchtigung der Wahlfreiheit der Arbeitnehmer, wo sie ihre Pause verbringen, ist dadurch als geringfügig einzustufen, dass der Zutritt von Seiten der Klägerin nur einmal im Kalenderhalbjahr begehrt wird. Gleiches gilt, soweit die Beklagte darauf hinweist, dass die Duschund Umkleideräumlichkeiten nur durch den Pausenraum erreicht werden könnten. Unabhängig davon, ob dies zutreffend ist, ist schon nicht erkennbar, weshalb sich Arbeitnehmer allein dadurch gestört fühlen sollten, dass sie an Gewerkschaftsvertretern vorbei den Zugang zu den Dusch- und Umkleideräumen nehmen sollen. Die behauptete Beeinträchtigung wegen der Nutzung des Computers im Pausenraum, vermag wegen der Geheimhaltungsinteressen der Beklagten nicht die Verweigerung des Zutritts zum Pausenraum zu rechtfertigen. Ein Computer kann selbstverständlich mit einem Passwort ausgestattet werden. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb den Beschäftigten das Lernen von Passwörtern nicht zumutbar sein soll. Im Übrigen könnte aufgrund der von der Klägerin zu wahrenden Ankündigungsfrist bezogen auf den beanspruchten Zutritt die Benutzung des Computers auch zeitweise gesperrt werden. Auch das Schwarze Brett könnte dann abgehängt werden. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte im Falle der Gewährung des Zutritts in den Pausenraum für die Gewerkschaftsbeauftragten ihren Verpflichtungen nach 6 ArbStättV nicht nachkommen könnte. Danach muss die Beklagte einen Pausenraum mit ausreichender Grundfläche und Höhe sowie einem ausreichenden Luftraum zur Verfügung stellen. Dieser Verpflichtung kommt die Beklagte auch nach, wenn sie den beanspruchten Zutritt gewährt. Wie ausgeführt ist nicht nachvollziehbar, wes-

halb die Anwesenheit von einem oder auch zwei Gewerkschaftsvertretern den Pausenraum nicht ausreichend machen soll. Die Beklagte würde auch ihren Verpflichtungen nach dem Arbeitszeitgesetz zur Gewährung einer ungestörten Pause nachkommen; denn sie stellt die Arbeitnehmer weiterhin von der Arbeit frei. Wenn diese überhaupt die Werbemaßnahmen der Gewerkschaftsvertreter als störend empfingen sollten, so ist auch dieser Eingriff als derartig geringfügig einzustufen aufgrund des Umstandes, dass die Arbeitnehmer Ausweichmöglichkeiten haben und es sich lediglich um eine Beeinträchtigung einmal im Kalenderhalbjahr handeln würde. Auch wenn der Beklagten darin zuzustimmen ist, das möglicherweise die von ihr vorgehaltenen Seminarräume mindestens genauso geeignet für Werbe- und Informationsmaßnahmen der Klägerin sind, so verbleibt es dabei, dass diese zunächst die Einschätzungsprärogative hat, welche Räumlichkeiten für ihre Zwecke am besten sind und ihr Begehren nur dann zurückzutreten hat, wenn die Beklagte im Rahmen der praktischen Konkordanz geltend machen könnte, dass ihre Rechte nicht nur in ganz unerheblichen Ausmaß beeinträchtigt werden. Da dies nach den vorstehenden Ausführungen aber gerade nicht der Fall ist, ist den Beauftragten der Klägerin der Zutritt zu dem Pausenraum in der beantragten Weise zu gewähren. 5. Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung der Beklagten gegen ihre Duldungspflicht angedroht. Dies folgt aus 890 Abs. 2 ZPO i. V. m. 62 Abs. 2 ArbGG. Dabei hat es die sich - mittelbar - aus 23 Abs. 3 S. 5 BetrVG ergebende Obergrenze von 10.000,00 beachtet (BAG Beschluss v. 27.01.2004-1 ABR 7/03 - AP Nr. 40 zu 87 BetrVG 1972 Überwachung; LAG Köln Beschluss v. 21.02.2006-9 TaBV 34/05 - AE 2007, 81). Nach allem war die Berufung in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen. III. Die Kostenentscheidung folgt auf 97 ZPO. Gegen dieses Urteil war die Revision nicht zuzulassen, weil kein Grund i. S. des 72 Abs. 2 ArbGG gegeben war. Wegen der Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen, wird auf 72 a ArbGG hingewiesen.

gez. gez. gez.