1 Theorie: bestehen aus makromolekularen Verbindungen, die synthetisch oder durch Umwandlung aus Naturprodukten entstehen. Kunststoffe sind Werkstoffe nach Mass, d. h. ihre Eigenschaften können relativ gezielt eingestellt werden. 1.1 Chemischer Aufbau der Die basieren, mit wenigen Ausnahmen, auf der Fähigkeit des Kohlenstoffatoms, unter geeigneten Bedingungen Ketten und Ringe zu bilden. Die Grösse der Makromoleküle ergibt sich aus der Zahl der reagierenden Monomereinheiten. Diese niedermolekularen und reaktionsfähigen Moleküle sind die Bausteine der. Ein Verknüpfen von niedermolekularen Bausteinen zu hochmolekularen Kettenmolekülen ist nur möglich, wenn entweder ungesättigte Bindungen oder reaktionsfähige Endgruppen in, bzw. an diesen Monomeren vorhanden sind. Polymerisation: Unter diesem Begriff wird die chemische Verknüpfung von gleichen niedermolekularen Ausgangsmolekülen (Monomeren), die Doppelbindungen enthalten, zu Makromolekülen (n) mit derselben elementaranalytischen Zusammensetzung verstanden. Der Zusammenschluss zu Ketten erfolgt durch Öffnen der Doppelbindungen zu zwei Einfachbindungen. So entstehen kettenartige Moleküle. (Zwei Einfachbindungen sind energetisch günstiger als eine Doppelbindung.) Polykondensation: Polykondensation ist die Verknüpfung gleicher oder verschiedenartiger Moleküle unter Abspaltung eines niedermolekularen Stoffes. Die Verknüpfung geschieht hier durch reaktionsfähige Endgruppen der Monomere. Polyaddition: Polyaddition bezeichnet die Verknüpfung gleicher oder verschiedenartiger Moleküle ohne Abspaltung eines Stoffes. Die Verknüpfung erfolgt durch eine intramolekulare Umlagerung. Wasserstoffatome, die sich relativ leicht aus den funktionellen OH-, NH 2 - oder COOH-Gruppen lösen lassen, werden von einem Molekül zum anderen verschoben. Durch diesen Vorgang entstehen verzweigte und vernetzte Makromoleküle. 1.2 Gestalt der Makromoleküle von n Da sich chemische und technische Herstellungsverfahren sowie die Monomere unterscheiden, liegen die Makromoleküle in verschiedenen Baustrukturen vor. Viele Eigenschaften der Kunststoffe 1
hängen direkt davon ab. In Abb. 1.1 sind die Makromoleküle mit den jeweiligen Eigenschaften dargestellt. Abbildung 1.1: Verschiedene Makromoleküle und ihre Eigenschaften Lineare und verzweigte Molekülketten ergeben schmelzbare sowie auch lösliche Kunststoffe (Thermoplaste oder Plastomere). Liegt eine schwache Vernetzung vor, so sind solche Kunststoffe nur nach Zerreissen der Vernetzungen schmelzbar. In Lösungsmitteln quellen sie auf, gehen jedoch nicht in Lösung (Elastomere). Quellbar ist ein Kunststoff, welcher an Volumen zunimmt, sobald er mit Flüssigkeit (Lösungsmittel, Wasser) in Kontakt kommt. Schwach vernetzte Kunststoffe werden aus der unvernetzten Rohform durch die Vulkanisation, also die chemische Vernetzung linearer Kunststoffe, hergestellt. Mit zunehmender Vernetzung geht auch die Quellbarkeit verloren. Aus zahlreichen Makromolekülen ist ein einziges Netzwerk entstanden (Duroplaste). Solche eng vernetzten Kunststoffe können nur noch spanabhebend bearbeitet werden. Die Vernetzung sollte folglich erst nach der Formgebung stattfinden. 1.3 Ordnung der Makromoleküle Lineare und verzweigte Makromoleküle können untereinander verschieden angeordnet sein: Raumnetz (Elastomere, Duroplaste): Ein einziges grosses Molekül, keine Ordnung, somit keine Kristallisation möglich Amorph (Thermoplaste): Ungeordneter Zustand, keine Fernordnung (als unterkühlte Flüssigkeit zu betrachten) Teilkristallin (Thermoplaste): Im kristallinen Zustand befinden sich die Atome der parallel gelagerten Molekülketten streckenweise in völliger Ordnung. Teilkristallin bedeutet, dass kleine kristalline Gebiete in die amorphe Struktur eingebettet sind. 2
Voraussetzung: Es dürfen keine langen Seitenketten, keine ungleich grossen Substituenten (z.b. Benzolringe) und keine ungleichmässige Verteilung der Substituenten (Taktizität) vorhanden sein. 1.4 Bindungskräfte der Makromoleküle Hauptvalenzkräfte: Bindungskräfte zwischen den einzelnen Bindungspartnern (Atome) Nebenvalenzkräfte: Sekundärbindungskräfte zwischen den Molekülen Dispersionskräfte (Van-der-Waals-Kräfte) Dipolkräfte Wasserstoffbrücken Ionenbindungen 1.5 Polymerzustände (Thermomechanische Kurven) Im Gegensatz zu den metallischen und keramischen Werkstoffen spielt die Temperatur bei makromolekularen Werkstoffen stets eine entscheidende Rolle. Schon bei relativ tiefen Temperaturen setzen viskose Fliess- und Umlagerungsprozesse ein. Die Veränderung der Struktur und der Eigenschaften erfolgt nicht kontinuierlich, sondern ist unterteilt in einzelne Bereiche. Als Messgrösse wird der Schubmodul verwendet, welcher in Abhängigkeit der Temperatur eine thermomechanische Kurve darstellt (Abb. 1.2). Diese Kurve ist für jeden Kunststoff charakteristisch. Je nach Gestalt, Grösse, Ordnung und Bindung der Makromoleküle sind gewisse Bereiche stärker ausgeprägt, andere können dafür praktisch fehlen. 3
Abbildung 1.2: Thermomechanische Kurve mit verschiedenen Bereichen 1. Energieelastischer Bereich: Die elastische Verformung bei makromolekularen Werkstoffen ist gekennzeichnet durch die reversiblen Änderungen der Atomabstände und der Valenzwinkel der chemischen Bindungen. Die meisten Kunststoffe sind in diesem Bereich hart und spröde. Die teilkristallinen Thermoplaste weisen jedoch eine gewisse Beweglichkeit auf. 2. Erweichungsbereich: Die zwischenmolekularen Kräfte in den amorphen Bereichen werden zusehends durch die thermische Schwingung der Moleküle überwunden. Die Makromoleküle werden beweglich. Die Glastemperatur T g beschreibt diejenige Temperatur, welche überschritten werden muss, so dass sich der Feststoff in eine gummiartige bis zähflüssige Masse umwandelt. 3. Entropieelastischer Bereich: Die Kettensegmente befinden sich wegen der thermischen Bewegung im Zustand der grössten Unordnung (maximale Entropie). Werden die Kettenteile durch äussere Krafteinwirkung (z.b. Zug) geordnet, so streben die Teile wieder in einen Zustand grösstmöglicher Unordnung (entropieelastische Rückstellung, gummielastisch). Besonders bei Thermoplasten ist der entropieelastischen Verformung ein Fliessen überlagert, das durch Abgleiten der Molekülketten wegen fehlender Vernetzung hervorgerufen wird. 4. Fliessbereich: Durch die zunehmende Schwingungsenergie der Moleküle werden die noch vorhanden physikalischen Bindungen überwunden und die einzelnen Ketten können voneinander abgleiten. Hier wird auch vom Schmelzbereich gesprochen. 5. Plastischer Bereich: Kunststoffschmelzen verhalten sich viskos, d.h. die Spannung ist abhängig von der Dehnungsgeschwindigkeit (Löffel in Honig). Die Makromoleküle sind mehr oder weniger frei gegeneinander verschiebbar. Die Zersetzung schliesst sich zuletzt an den plastischen Bereich an. 4
1.6 Mechanische Eigenschaften im festen Zustand Abbildung 1.3: Spannungs-Dehnungs-Diagramme von Kunststoffen: v.l.n.r. Spröde; zäh; gummielastisch. Man beachte die verschiedenen Achsenskalierungen. 1.6.1 Zeitabhängiges Verhalten Viskosität: Mass für die Zähflüssigkeit eines Fluids Viskoelastizität: Bezeichnung für gleichzeitig elastisches und viskoses Materialverhalten. Solche Stoffe vereinen Merkmale von Flüssigkeiten und Festkörpern in sich. Unterschied zu elastischem Verhalten: Bei Beanspruchnung dehnt sich elastisches Material zeitgleich (Feder), während bei viskosem Materialen die entstehende Dehnung zeitabhängig ist (Dämpfer). Kunststoffe zeigen bei allen Temperaturen mehr oder weniger ausgeprägt viskoelastisches Verhalten, je nach Kunststoffart und Temperatur auch viskoses Verhalten. Mit aus diskreten Feder- und Dämpferelementen aufgebauten rheologischen Modellen kann das Verhalten von Kunststoffen angenähert beschrieben und berechnet werden. Grundsätzliches Vorgehen: 1. Wahl eines Modells (d.h. eine Abfolge oder Kombination von Federn und Dämpfern) 2. Aufstellen der Differentialgleichung des Modells 3. Lösen der Differentialgleichung unter Einbezug von Anfangs- und Randbedingungen Hooke: Newton: ε el = 1 E σ 0 ε el = 1 η σ 0 Serienschaltung: Dehnungen werden addiert Parallelschaltungen: Spannungen werden addiert 5
1.6.2 Superpositionsprinzip Das Kriechen von Kunststoffen kann unter wechselnden Spannungsniveaus untersucht werden. Da die Deformation von den Spannungen linear abhängt, darf die Gesamtdehnung als Summe der Dehnungen, welche die einzelnen Spannungsanteile jeweils allein bewirken würden, berechnet werden. Vorgehen: 1. Spannungsverlauf horizontal in einzelne Spannungen aufteilen 2. Für jedes Spannungsniveau die Zeitdauer bestimmen 3. Einzelne Dehnungen nach Modell ausrechnen und aufsummieren 6
2 Wahr oder Falsch? a) Stoffe mit einer hohen Wärmekapazität können schon bei kleinen Temperaturunterschieden viel Energie speichern und eignen sich deshalb zur thermischen Isolation. b) Je höher die Schmelztemperatur eines bestimmten Stoffes, desto kleiner ist sein thermischer Ausdehnungskoeffizient. c) Je länger ein elektrischer Leiter und je kleiner seine Querschnittsfläche ist, desto grösser ist der elektrische Widerstand. d) Dem Elektronengasmodell zufolge befinden sich die Elektronen von Atomen auf genau festgelegten Energiezuständen. e) Bei einem Isolator liegen das Leitungsband und das Valenzband näher zusammen als bei einem Halbleiter. f) In einem Mischkristall verhält sich der Widerstand linear zu den Massenanteilen. g) Die magnetische Permeabilitätszahl von Aluminium ist etwas grösser als eins. Das bedeutet, dass die magnetische Flussdichte gegenüber dem Vakuum etwas verstärkt wird. h) Hinkt die magnetische Flussdichte der magnetischen Feldstärke stark hinterher, so wird von einer starken Hysterese und von magnetisch harten Materialien gesprochen. Solch ein Material wird zum Beispiel in einem Generator eingesetzt. 7
3 Aufgaben für die Übungstunde 3.1 Nylon 6,6-Nylon (Polyamid 6.6) ist ein lineares Polymer und entsteht aus den Monomeren Hexamethylendiamin und Adipinsäure. a) Wie viel Adipinsäure ist erforderlich, wenn 1000g Hexamethylendiamin verarbeitet werden sollen? b) Welche Nebenprodukte fallen an? In welcher Menge? c) Wieviel Gramm 6,6-Nylon ergeben sich daraus? d) Wie nennt man diesen Vorgang? (a) Adipinsäure (b) Hexamethylendiamin Abbildung 3.1: Ausgangstoffe für Polyamid 3.2 Kriechversuch Das Kriechverhalten der zwei A und B lässt sich mit den gegebenen Feder-/Dämpfer- Modellen beschreiben. a) Welche Gesamtdehnung stellt sich nach einer Belastungsdauer von 200 s ein? b) Die angegebene Beanspruchung soll beliebig lange andauern. Gibt es für die beiden jeweils eine maximal erreichbare Dehnung? Weshalb? Weshalb nicht? Falls ja, wie gross ist diese? c) Welche mikrostrukturelle Eigenschaft könnte dafür verantwortlich sein, ob eine maximale Dehnung existiert oder nicht? 8
Abbildung 3.2: Skizzen zum Kriechversuch Beanspruchung: σ = 60 MPa Polymer A: E 1 = 5600 MPa E 2 = 2800 MPa τ A = 48 s Polymer B: η 3 = 875 GPa s E 4 = 3200 MPa τ B = 60 s 3.3 Superpositionsprinzip Gegeben ist ein Polymer, das sich nach dem Voigt-Kelvin-Modell verhält (E r = 1900 MPa, η r = 5.5 GPa s, parallel geschaltet). Es wird für 2 s mit 40 MPa belastet, danach mit 80 MPa Wie hoch ist die Dehnung nach 4 s? 9
4 Hausaufgaben 4.1 Teilkristalline Strukturen a) Welche der angegebenen können teilkristalline Strukturen bilden? A: CF 2 CF 2 b) Welche sind bevorzugt amorph und warum? B: CH 2 CH C: CH CH 2 Cl D: NH (CH 2 ) 6 NH C (CH 2 ) 10 C E: CH 2 CH 2 O O c) Nennen Sie je drei Eigenschaften, die auf teilkristalline bzw. auf amorphe Thermoplaste zutreffen. 4.2 Kettenmoleküle a) Zeichnen Sie schematisch die Strukturen der Kettenmoleküle von folgenden Kunststoffen (benutzen Sie dafür Abb. 4.1): Amorphe Thermoplaste Teilkristalline Thermoplaste Elastomere Duromere b) Geben Sie an, welche dieser Kunststoffkategorien schmelzbar, welche löslich sind. c) Gegeben ist ein Monomer mit drei funktionellen Gruppen. Wozu bietet es sich an? d) Welche Kräfte halten die zusammen und an welchen Stellen in der Darstellung nach a) wirken Sie? (Zeichen Sie die Kräfte ebenfalls in Abb. 4.1 ein.) 10
Abbildung 4.1: Schematischer Aufbau der Stukturen 4.3 Teilkristalline/amorphe Thermoplaste a) Erklären Sie, weshalb teilkristalline Thermoplaste oberhalb, amorphe jedoch unterhalb der Glastemperatur verwendet werden. b) Für eine Anwendung wird eine hohe Festigkeit bei gleichzeitig hoher Zähigkeit verlangt. Verwenden Sie einen amorphen oder einen teilkristallinen Thermoplast? Begründen Sie. c) Wie sieht Ihre Wahl aus, wenn neben der Festigkeit vor allem eine hohe Transparenz des Werkstoffs gefordert ist? Begründen Sie. 4.4 Thermomechanische Kurven Zeichnen Sie die thermomechanischen Kurven (Schubmodul G/Temperatur T) bezüglich des eingetragenen Gebrauchstemperaturbereichs für folgende und markieren Sie jeweils die Glastemperatur: a) Elastomer b) amorpher Thermoplast c) teilkristalliner Thermoplast d) Duromer 11
Abbildung 4.2: Thermomechanische Kurven 12