Regierungsrat des Kantons Schwyz Beschluss Nr. 1001/2014 Schwyz, 23. September 2014 / ju Faire Beschaffung: Hände weg von Kinderarbeit und Ausbeutung Beantwortung der Interpellation I 5/14 1. Wortlaut der Interpellation Am 4. März 2014 haben die Kantonsrätinnen Dr. Karin Schwiter und Sibylle Dahinden sowie die Kantonsräte Andreas Marty und Leo Camenzind folgende Interpellation eingereicht: Kanton, Bezirke und Gemeinden beschaffen jedes Jahr unzählige Güter. Insbesondere bei importierten Waren besteht die Gefahr, dass sie unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wurden. So sind in der Schweiz einige Fälle dokumentiert, wo Steine für Strassen und Plätze aus Bergwerken mit sklavereiähnlichen Arbeitsbedingungen stammen. Nicht selten wurden Fussbälle für Schulen von Kindern genäht und Polizeiuniformen in Textilfabriken hergestellt, wo die Löhne der Beschäftigten nicht einmal fürs Essen ihrer Familien reichen. Inzwischen ist man sich in der Schweiz dieser Problematik bewusst. Rund 250 Gemeinden, einige Kantone und auch der Bund haben verbindliche Richtlinien zur fairen Beschaffung erlassen. Sie achten beim Kauf von Gütern nicht nur auf den Preis, sondern auch auf die sozialen Bedingungen, unter denen sie hergestellt werden, und nehmen entsprechende Kriterien in ihre Ausschreibungen auf (siehe www.kompass-nachhaltigkeit.ch des SECO). Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass faire Beschaffung nicht zwingend teurer sein muss: Die Gemeinwesen, die sie eingeführt haben, stellen keine wesentlichen Kostensteigerungen fest. Der Kanton Schwyz stellt bereits seit Längerem ein Selbstdeklarationsformular zur Verfügung, mit welchem sich die Auftragsnehmenden unter anderem verpflichten, die von der Schweiz ratifizierten Kernübereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einzuhalten. Das Formular kommt jedoch bis heute nicht systematisch bei allen Vergaben zum Einsatz. In Beschluss Nr. 975/2007 (S. 4) resümiert der Regierungsrat: Der Kanton ist in den Bereichen Umwelt- und Sozialverträglichkeit bei öffentlichen Beschaffungen bereits aktiv. Mit der wachsenden Bedeutung der Kriterien wird er diese den Möglichkeiten entsprechend laufend ausbauen.
Gemäss Regierungsprogramm 2013 2016 (S. 41) steht im Zusammenhang mit der neuen interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen demnächst eine Revision des Beschaffungswesens an. Diese bietet für den Kanton Schwyz eine ideale Gelegenheit, sein Engagement für die faire Beschaffung zu verstärken und wie viele andere Gemeinwesen dies inzwischen bereits getan haben verbindliche Richtlinien für eine faire Beschaffung einzuführen. Vor diesem Hintergrund bitten wir den Regierungsrat um Antwort auf folgende Fragen: 1) Mit welchen Massnahmen hat der Regierungsrat sein Engagement für die faire Beschaffung seit seiner Absichtserklärung in Beschluss Nr. 975/2007 ausgebaut? 2) Wie viele Mitarbeitende haben spezifische Weiterbildungskurse zur fairen und nachhaltigen öffentlichen Beschaffung (z.b. von PUSCH) besucht und wie viele Weiterbildungen sind vorgesehen? 3) Mit welchen konkreten Vorschlägen zur fairen Beschaffung wird sich der Regierungsrat bei den Verhandlungen zur Revision der Interkantonalen Vereinbarung über das Beschaffungswesen einsetzen? 4) Welche verbindlichen kantonalen Richtlinien zur fairen Beschaffung plant der Regierungsrat im Zusammenhang mit der Revision des Beschaffungswesens einzuführen? 5) In welcher Form wird der Regierungsrat auch den Bezirken und Gemeinden verbindliche Richtlinien zur fairen Beschaffung zur Umsetzung empfehlen? Wir bedanken uns für die Antworten. 2. Antwort des Regierungsrates 2.1 Ausgangslage Grundlage des Vergaberechts der Schweiz sind das Übereinkommen der WTO über das öffentliche Beschaffungswesen vom 15. April 1994 (Government Procurement Agreement, nachfolgend GPA, SR 0.632.231.422), welches am 1. Januar 1996 in Kraft trat, sowie das am 21. Juni 1999 abgeschlossene Bilaterale Abkommen mit der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesen (in Kraft seit 1. Juni 2002, SR 0.172.052.68). Auf kantonaler Ebene werden die internationalen Bestimmungen durch die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 25. November 1994/15. März 2001 (IVöB, SRSZ 430.120.1) sowie der Verordnung zur IVöB vom 15. Dezember 2004 (VIVöB, SRSZ 430.130) umgesetzt. Relevant für das öffentliche Beschaffungswesen sind zudem das Bundesgesetz über den Binnenmarkt vom 6. Oktober 1995 (BGBM, SR 943.02) sowie das Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen vom 6. Oktober 1995 (KG, SR 251). Aufgrund der 2012 abgeschlossenen Revision des GPA (GPA 2012) werden Anpassungen im nationalen Recht erforderlich. Gleichzeitig sollen die Beschaffungsordnungen von Bund und Kantonen inhaltlich soweit möglich und sinnvoll einander angeglichen werden. Die Schweiz wird das GPA 2012 erst ratifizieren, nachdem die Anpassungen des innerstaatlichen Rechts auf Stufe Bund und Kantone abgeschlossen sind. Der Start des Vernehmlassungsverfahrens zu den überarbeiteten Submissionsbestimmungen ist auf anfangs Oktober 2014 vorgesehen. 2.2 Beantwortung der Fragen 2.2.1 Mit welchen Massnahmen hat der Regierungsrat sein Engagement für die faire Beschaffung seit seiner Absichtserklärung in Beschluss Nr. 975/2007 ausgebaut? In Art. 11 IvöB sind die beiden allgemeinen Grundsätze Beachtung der Arbeitsschutzbestimmungen und der Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Bst. e) und - 2 -
Gleichbehandlung von Mann und Frau (Bst. f) aufgeführt. 31 Abs. 1 VIVöB listet zudem verschiedene Kriterien auf, die bei einem Vergabeverfahren als Zuschlagskriterien verwendet werden können (Qualität, Preis, Zweckmässigkeit, Termine, technischer Wert, Ästhetik, Betriebskosten, Nachhaltigkeit, Kreativität, Kundendienst, Lehrlingsausbildung, Infrastruktur). Der Zuschlag erfolgt jeweils an das wirtschaftlich günstigste Angebot unter Berücksichtigung der gewählten Zuschlagskriterien. Ausschliesslich nach dem Kriterium des niedrigsten Preises kann ein Zuschlag nur für weitgehend standardisierte Güter erfolgen ( 31 Abs. 2 VIVöB). In dieser Hinsicht fliessen auch die Aspekte der Nachhaltigkeit vermehrt in die öffentlichen Beschaffungen ein. Die Einhaltung von sozialen und wirtschaftlichen Aspekten werden bei Beschaffungen im Kanton Schwyz mittels Formular Selbstdeklaration Erklärung / Bestätigung des Anbieters überprüft. Bei dieser Form müssen die Anbietenden bestätigen, dass sie beispielsweise die Arbeitsbedingungen (z.b. Gesamtarbeitsverträge, Normalarbeitsverträge) und die Grundsätze der Gleichbehandlung von Frau und Mann einhalten sowie verschiedenen finanziellen Verpflichtungen (Beiträge an Vorsorgeeinrichtungen, Sozialversicherungen, Prämienzahlungen SUVA usw.) erbracht haben. Im Mai 2012 wurde das Selbstdeklarationsformular mit der Anforderung ergänzt, dass sich der Anbieter verpflichtet, die acht von der Schweiz ratifizierten Kernübereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation ILO) zum Schutz fundamentaler Arbeitsnormen einzuhalten. Darunter fallen die Kernübereinkommen betreffend Verbot der Zwangsarbeit, Verbot der Diskriminierung, Gebot der Gleichheit des Entgelts, Schutz der Vereinigungsfreiheit, des Vereinigungsrechts und der Kollektivverhandlungen, Gebot des Mindestalters in der Beschäftigung sowie das Verbot der Kinderarbeit. Gestützt darauf wurden ebenfalls die Ausschreibungsunterlagen des Tiefbauamts angepasst, indem das Formular zur Selbstdeklaration standardmässig in den Besonderen Bestimmungen bei den Submissionen integriert wurde. Das Selbstdeklarationsformular ist zudem auf der Internetseite des Kantons sowie auch im Intranet der kantonalen Verwaltung aufgeschaltet und somit für sämtliche Vergabestellen verfügbar. Sobald neue Bestimmungen oder Regelungen zu beachten sind, wird das Formular überprüft sowie bei Bedarf angepasst und neu online geschaltet. Der Regierungsrat ist bestrebt, dass sämtliche kantonalen Vergabestellen dieses Formular bzw. eine darauf basierende Erklärung verwenden. Bereits seit 2007 sind zudem das Leitbild Nachhaltiges Bauen im Kanton Schwyz und die entsprechenden Arbeitsgrundlagen anzuwenden. So gelangen auf der Stufe Ausschreibung für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen die Allgemeinen bauökologischen Bedingungen für Angebot, Werkvertrag und Ausführung zur Anwendung. Sie bilden integrierenden Bestandteil in allen Werkverträgen und regeln die Anforderungen an Materialien, Verarbeitung und Entsorgung sowie Kontrollen. 2.2.2 Wie viele Mitarbeitende haben spezifische Weiterbildungskurse zur fairen und nachhaltigen öffentlichen Beschaffung (z.b. von PUSCH) besucht und wie viele Weiterbildungen sind vorgesehen? Die Mitarbeiter der Kompetenzstelle Beschaffungswesen nehmen regelmässig an Tagungen, Foren und Seminaren zum öffentlichen Beschaffungswesen teil. Die dabei erlangten Informationen werden den ausschreibenden Stellen weitervermittelt. Im Weitern hat der Leiter der kantonalen Kompetenzstelle Beschaffungswesen 2011 den Gemeindekurs Nachhaltige Beschaffung in der Gemeinde (organisiert durch Praktischer Umweltschutz Schweiz PUSCH) besucht. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, auch in Bereichen der nachhaltigen Beschaffung das notwendige Know-how zu erlangen und bei möglichen Fragen von Vergabestellen kompetent Auskunft geben zu können. Eine Übersicht über die von Mitarbeitenden der einzelnen Amtsstellen besuchten Weiterbildungskurse existiert nicht. Deshalb kann dazu keine Aussage gemacht werden. Der Kanton Schwyz ist - 3 -
jedoch bestrebt, die einzelnen Vergabestellen über mögliche Weiterbildungskurse im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens jeweils zu informieren. 2.2.3 Mit welchen konkreten Vorschlägen zur fairen Beschaffung wird sich der Regierungsrat bei den Verhandlungen zur Revision der Interkantonalen Vereinbarung über das Beschaffungswesen einsetzen? Der konkrete Inhalt der Revision wird erst im Rahmen der Vernehmlassung im Herbst 2014 bekannt sein. Bei dieser Vernehmlassung werden auch sämtliche Bezirke, Gemeinden sowie weitere interessierte Kreise zur Stellungnahme eingeladen. Der Regierungsrat wird sich dafür einsetzen, dass der Grundsatz von 8 Abs. 2 der Verfassung des Kantons Schwyz vom 24. November 2010 (KV, SRSZ 100.100), sich für nachhaltige Lösungen einzusetzen, auch bei der Revision der IVöB berücksichtigt wird. Die Berücksichtigung der Thematik Nachhaltigkeit soll nicht, wie bisher, nur in der Liste der möglichen Zuschlagskriterien aufgeführt, sondern verstärkt als Grundsatz in der neuen IVöB festgelegt werden. Mögliche weitere Vorschläge können erst diskutiert werden, wenn die Vernehmlassungsvorlage bekannt ist. 2.2.4 Welche verbindlichen kantonalen Richtlinien zur fairen Beschaffung plant der Regierungsrat im Zusammenhang mit der Revision des Beschaffungswesens einzuführen? Der Regierungsrat anerkennt die Wichtigkeit einer nachhaltigen Beschaffungspolitik. Die wirtschaftliche Verwendung der öffentlichen Mittel erfordert aber auch, dass öffentliche Beschaffungen mit einem verhältnismässigen Aufwand und innerhalb einer vernünftigen Zeit durchgeführt werden können. Durch verbindliche kantonale Richtlinien zu fairen Beschaffungen werden weitere Vorgaben geschaffen, die mit grösster Wahrscheinlichkeit einen zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand nach sich ziehen werden. Der Regierungsrat wird den Erlass von verbindlichen kantonalen Richtlinien prüfen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird es aber eher angezeigt sein, einen Leitfaden für nachhaltige und faire Beschaffungen im Sinne einer Empfehlung zu erstellen, wie dies der Bund, einige andere Kantone und Gemeinden bereits gemacht haben. Diese Dokumente können bei Bedarf mit wenig Aufwand den jeweils neusten Erkenntnissen angepasst werden. Verbindliche Richtlinien werden nur selten erarbeitet, weil das Spektrum von möglichen nachhaltigen Aspekten sehr gross und je nach Vergabebehörde sehr unterschiedlich ist. Es liegt im Kompetenzbereich der jeweiligen Vergabebehörde zu entscheiden, in welchem Umfang auch Nachhaltigkeitsaspekte in einer öffentlichen Submission berücksichtigt werden. 2.2.5 In welcher Form wird der Regierungsrat auch den Bezirken und Gemeinden verbindliche Richtlinien zur fairen Beschaffung zur Umsetzung empfehlen? Gemäss 69 Abs. 2 KV sind die Bezirke und Gemeinden selbstständige Körperschaften des öffentlichen Rechts und im Rahmen des übergeordneten Rechts autonom. Die Gemeinden haben die IVöB und die VIVöB anzuwenden, sind jedoch in der Berücksichtigung und in der Auswahl der Kriterien bei einer Beschaffung sowie in der Ausarbeitung von möglichen Richtlinien für faire und nachhaltige Beschaffungen frei. So hat zum Beispiel der Gemeinderat Freienbach mit Beschluss vom 8. November 2012 die Richtlinien nachhaltige Beschaffungen genehmigt und auf den 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt. Von Seiten des Kantons wird aber in jedem Fall die Verwendung des Selbstdeklarationsformulars des Kantons bzw. eine Ergänzung eigener Formulare, in welcher von den Anbietern eine Bestätigung der Einhaltung der ILO-Übereinkommen verlangt wird, empfohlen. - 4 -
Beschluss des Regierungsrates vertreten. 1. Der Vorsteher des Baudepartements wird beauftragt, die Antwort im Kantonsrat zu 2. Zustellung: Mitglieder des Kantons- und des Regierungsrates; Staatskanzlei (3); Baudepartement. Im Namen des Regierungsrates: Dr. Mathias E. Brun, Staatsschreiber - 5 -