Organ des ITVA. Prüfwerte für PAK Bewertung Polyzyklischer Aromatischer Kohlenwasserstoffe. des Wirkungspfades Boden Mensch

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Transkript:

06 16 Lizenziert für Frau B. Bohnert, HPC Stuttgart. 25. Jahrgang Dezember 2016 Seiten 209 248 www.altlastendigital.de Herausgegeben vom Ingenieurtechnischen Verband für Altlastenmanagement und Flächenrecycling e. V. (I TVA) Mit dieser Ausgabe erhalten Sie das Jahresinhaltsverzeichnis 2016 Organ des ITVA Prüfwerte für PAK Bewertung Polyzyklischer Aromatischer Kohlenwasserstoffe bezüglich des Wirkungspfades Boden Mensch A. Zeddel Leitfaden und Handlungshilfe zur integralen Unter suchung und Sanierung von Altlasten B. Bohnert, I. Vetter 20565

Leitfaden und Handlungshilfe zur integralen Untersuchung und Sanierung von Altlasten Bernadette Bohnert, Iris Vetter 1. Grundlagen und Ziele 1.1 Ausgangssituation In Baden-Württemberg ist die Ersterfassung von Verdachtsflächen im Rahmen der historischen Erhebung seit 2002 abgeschlossen und bis heute teilweise mehrfach aktualisiert. Ende 2015 waren noch rd. 13.400 Alt standorte und 1.808 Altablagerungen als altlastverdächtige Flächen registriert. Stillgelegte Gewerbe- und Industriestandorte unterliegen vor allem im innerstädtischen Bereich einem Strukturwandel hin zu neuen Gewerbe- und Wohngebieten. Notwendige Altlastenuntersuchungen liefern jedoch nicht immer konkrete Hinweise auf Schadstoffeinträge und Grundwasserverunreinigungen können oft keiner konkreten Fläche zugeordnet werden. So gehen von vielen früher intensiv industriell bzw. gewerblich genutzten Gebieten großräumige Kontaminationen des Grundwassers aus. Wenn mehrere benachbarte oder sich überlagernde Herde Schadstoffe emittieren, können sie im Abstrom ein komplexes Schadensmuster erzeugen. Hier stößt die im Regelfall praktizierte grundstücks- bzw. störerbezogene Einzelfallbearbeitung an ihre Grenzen, da der Beitrag des einzelnen kontaminierten Standorts bzw. Schadstoffherds zum Gesamtschadensbild nur sehr schwer oder nicht abgrenzbar ist. Nur wenn alle potenziell betroffenen Standorte gleichzeitig untersucht werden und der Grundwasser abstrom außerhalb der kontaminierten Standorte in die Betrachtung einbezogen wird, können vorhandene Gemengelagen aufgelöst und die Grundwasserverunreinigungen konkreten Flächen zugeordnet werden. Integrale Konzepte der Altlastenbearbeitung wurden in Baden-Württemberg schon früh angewandt. Die Stadt Stuttgart begann bereits 1996 im Projekt INCORE mit einer integralen Untersuchung im Neckartal [1, 2]. Damals wurden auch die wissenschaftlichen Grundlagen zu den Immissionspumpversuchen erarbeitet. Von 2003 bis 2013 hat das Land Baden-Württemberg zwei Pilotprojekte in Ravensburg [3] und Albstadt-Ebingen finanziell gefördert, die sich ebenfalls mit integralen Untersuchungsstrategien beschäftigten. Allgemeines Ziel des von 2010 bis 2015 aus dem Programm Life+ ENV 2008 geförderten Projekts MAGPlan (Managementplan zur Sicherstellung eines guten chemischen Grundwasserzustandes durch Vermeidung von Schadstoffeinträgen aus Altlasten) der Stadt Stuttgart [4] unter Mitwirkung der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) bestand darin, das integrale Altlastenmanagement in einem Stadtraum bei komplexen hydrogeologischen Verhältnissen zu demonstrieren und die Übertragbarkeit bzw. Verbreitung der Erkenntnisse zu fördern. In diesem Zusammenhang entstand auch der Leitfaden der LUBW [5], der sich in zwei Teile gliedert. Die Inhalte des Teil 1 Leitfaden Integrale Untersuchung und Teil 2 Handlungshilfe Weiterführende Konzepte werden im Folgenden näher beschrieben. Der Leitfaden und die Handlungshilfe umfassen eine Vielzahl von Methoden und Werkzeugen. Für den konkreten Fall einer integralen Untersuchung können aus diesem Baukasten maßgeschneiderte Konzepte zusammengestellt werden. 1.2 Ziele Mit der integralen Bearbeitung werden verschiedene Ziele verfolgt. So wird angestrebt, vorhandene Gemengelage aufzulösen und Grundwasserverunreinigungen konkreten Flächen und damit potenziellen Verursachern zuzuordnen. Für betroffene Kommunen bieten sich darüber hinaus positive Auswirkungen auf die Planung des Brachflächenrecyclings und die städtebauliche Entwicklung. Als Initiative von Kommune und/oder Verwaltungsbehörde ergeben sich gegenüber der Einzelfallbearbeitung folgende Vorteile: Gesamtüberblick über den Grundwasserzustand und ablaufende Prozesse Identifizierung von Schadstoffherden, Abgrenzung von Verursacherbeiträgen Initiierung/Beschleunigung von Untersuchungsund Sanierungsmaßnahmen Gleichzeitige und einheitliche Untersuchung des Betrachtungsgebiets Qualifiziertes Wissen über relevante Schadstoffherde und -fahnen 220 altlasten spektrum 6/2016

Bessere Kosteneffizienz bzw. Mehrfachnutzen und höhere Qualität im Vergleich zu einzelnen Standortuntersuchungen Risikoklärung und Rechtssicherheit für den Eigentümer/Pflichtigen Klare Randbedingungen/Auflagen für die Genehmigung von Neu-/Baumaßnahmen. 1.3 Rechtsgrundlagen, verwaltungstechnisches Vorgehen und Finanzierung Die Bearbeitung von altlastverdächtigen Flächen und Altlasten auf der Grundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes vom 17. März 1998 (BBodSchG) und der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung vom 12. Juli 1999 (BBodSchV) erfolgt bislang überwiegend einzelfall- d. h. flächen- oder grundstücksbezogen. Mit dem integralen Untersuchungsansatz, der den einzelflächenübergreifenden Gesamtwirkungsraum von Untergrundkontaminationen erfasst, wurde in Baden-Württemberg Neuland beschritten. Diese Verfahrensweise ist laut einer rechtlichen Überprüfung [6] bodenschutzrechtlich zulässig. Ein standortübergreifendes behördliches Vorgehen ist im Rahmen der orientierenden Untersuchung und in der Phase der Sanierungsplanerstellung möglich. Die behördliche Ermittlungspflicht nach 9 Abs. 1 BBod- SchG erstreckt sich auch auf Verunreinigungen des Grundwassers, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese durch Altlasten oder schädliche Bodenveränderungen verursacht sind. Sofern nachgewiesene Grundwasserverunreinigungen noch keiner schädlichen Bodenveränderung oder Altlast zugerechnet werden können also die Herdzuordnung noch fehlt sind die Voraussetzungen für behördliche Ermittlungen im Rahmen einer Orientierenden Untersuchung nach 9 Abs 1 BBodSchG i.d.r. noch nicht gegeben. Ausgangspunkt der integralen orientierenden Untersuchung ist in diesem Fall 100 Wasserhaushaltsgesetz (WHG), 75 Abs. 1 Wassergesetz (WG) i. V. m. 8 Polizeigesetz (PolG). 9 Abs. 1 BBodSchG ist nur dann Grundlage der behördlichen Ermittlungen, wenn ein Anfangsverdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder eine Altlast vorliegt, der begründet werden muss. Sobald der Verdacht im Schadensherd konkretisiert ist, kann im Rahmen der Detailuntersuchung ein Bezug zu einer bestimmten Gewässerverunreinigung hergestellt werden. Die Maßnahmen der integralen Untersuchung können auf der Grundlage von 9 Abs. 1, Satz 2 BBodSchG soweit ausgedehnt werden, dass eine gesicherte Ermittlung der Emittenten sowie deren Verursacherbeiträge ermöglicht wird. Der hinreichende Verdacht ist die Mindestschwelle für eine Anordnung gegenüber Pflichtigen. Die Behörde kann auch nach der Ermittlung eines hinreichenden Altlastenverdachts im Rahmen der Amtsermittlung weitere Untersuchungen durchführen, zum Beispiel um einen Pflichtigen zu ermitteln, wenn mehrere Verursacher infrage kommen. Die Kosten für behördliche Untersuchungsmaßnahmen nach 9 Abs. 1 BBodSchG verbleiben bei der Behörde. Die Entscheidung für eine integrale Untersuchungsstrategie trifft die Verwaltungsbehörde, welche die notwendigen Mittel genehmigt. Von Seiten eines Pflichtigen besteht kein Anspruch darauf, dass integrale Altlastenuntersuchungen durchgeführt werden. Das integrale Vorgehen hat sowohl für die Behörde als auch die Pflichtigen oft Vorteile, weil eine Bewertung der einzelnen Boden- und Grundwasserverunreinigungen im Gesamtzusammenhang möglich ist. Die Bearbeitung von Einzelfällen kann parallel weiter erfolgen. Die jeweiligen Untersuchungsergebnisse werden sinnvollerweise in die integralen Betrachtungen mit einbezogen. Der Einsatzbereich der integralen Untersuchung ist begrenzt auf das Grundwasser. Sie ermittelt bestehende Schäden, nicht jedoch Gefahren, die sich aus Bodenkontaminationen ergeben und die sich dem Grundwasser noch nicht mitgeteilt haben. Die Untersuchung weiterer Wirkungspfade wie z. B. Boden Mensch auf einzelnen Standorten muss unabhängig erfolgen. Die Finanzierung einer integralen Untersuchung hängt von der Ausgangskonstellation der betroffenen Flächen ab. Grundsätzlich können drei Konstellationen unterschieden werden: Private Standorte Liegen in einem Untersuchungsgebiet Anhaltspunkte für Altlasten oder schädliche Bodenveränderungen ausschließlich für private Standorte vor, so ist deren orientierende, integrale Untersuchung im Wege der Amtsermittlung von der unteren Bodenschutz- und Altlastenbehörde durchzuführen. Die Kosten trägt die Behörde. Liegt im Einzelfall auch erhebliches privates Interesse an der Klärung des Altlastenverdachtes vor, zum Beispiel bei eiligen und/oder größeren Bauvorhaben, besteht seitens der Grundstückseigentümer oder der Investoren in der Regel auch eine Bereitschaft zur finanziellen Beteiligung oder Gesamtfinanzierung. Kommunale Standorte Die Pflicht der unteren Bodenschutz- und Altlastenbehörde zur Amtsermittlung und Kostentragung be- altlasten spektrum 6/2016 221

steht grundsätzlich auch für Untersuchungsgebiete, in denen der Anfangsverdacht auf schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten allein von kommunalen Standorten ausgeht. In diesen Fällen ist in Baden-Württemberg eine Förderung der integralen Untersuchungsmaßnahmen zu 100 % mit Mitteln des Altlastenfonds Baden-Württemberg möglich. Grundlage ist Nr. 6.2 der Förderrichtlinien Altlasten (FrAl) vom 25.03.2014, die bestimmt, dass mehrere in engem räumlichen Zusammenhang stehende kommunale altlastenverdächtige Flächen als ein Projekt gefördert werden können, falls dies insbesondere aus fachlicher Sicht geboten ist (). Zuwendungsberechtigt und damit Antragsteller sind sowohl die Gemeinden als auch Landkreise. Bewilligungsstellen sind die Regierungspräsidien. Gemengelage kommunaler und privater Standorte Sofern das Untersuchungsgebiet durch eine Gemengelage geprägt ist und sich kommunale und private Verdachtsflächen überlagern, ist eine Förderung der integralen Untersuchungsmaßnahmen mit Mitteln des Altlastenfonds nur in begründeten Einzelfällen möglich. Die Fördervoraussetzungen können gegeben sein, wenn die überwiegende Anzahl der einbezogenen Standorte kommunal ist und wenn allein eine integrale Vorgehensweise die für die nachfolgende ordnungsrechtliche Abarbeitung der Altlastenproblematik zwingend erforderliche, eindeutige Abgrenzung der kommunalen und privaten Verursachungsbeiträge gewährleistet. Bei der Förderung von Maßnahmen, die der Innenentwicklung dienen, werden neben Flächen im Rahmen der Aufstellung und Änderung eines Bebauungsplans auch Gebiete nach 34 BauGB (unbeplanter Innenbereich) und Flächen im Rahmen einer vorbereitenden Untersuchung vor Festlegung eines Sanierungsgebiets nach 141, 165 Abs. 4 BauGB im Rahmen von orientierenden Untersuchungen gefördert. Im Vorfeld der Antragstellung sind auf das Untersuchungsgebiet bezogene, intensive Recherchen und Vorarbeiten erforderlich. Von zentraler Bedeutung ist hierbei die Aktualisierung der Ergebnisse der Erfassung altlastverdächtiger Flächen unter besonderer Berücksichtigung der Förderrichtlinien und deren Regelungen bei der Kommunalisierung von Standorten. Diese bestimmen, dass die Untersuchung einer von der Kommune vor dem Stichtag 01.01.2001 erworbenen, ehemals privaten Verdachtsfläche förderfähig wird (FrAl vom 25.03.2014, Nr. 7.2). Sollten Maßnahmen auf kommunalen Flächen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Förderung der städtebaulichen Sanierung und Entwicklung nach den Städtebauförderungsrichtlinien (StBauFR) oder Förderung nach dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) nach Nr. 7.3 FrAl durchgeführt werden, sind diese unabhängig vom Zeitpunkt des Grunderwerbes grundsätzlich förderfähig, sofern kein Handlungsstörer herangezogen werden kann. 2. Inhalte des Leitfadens Der Teil 1 Leitfaden Integrale Untersuchung beschreibt die Vorgehensweise bei der Planung und Umsetzung integraler Altlastenuntersuchungen und fasst Grundlagen, Techniken und Erfahrungen zusammen, die bisher gesammelt und erfolgreich angewendet wurden. 2.1 Grundlagen Die Grundlagen der integralen Altlastenbearbeitung umfassen neben den Voraussetzungen und Zielen einer integralen Herangehensweise auch Begriffsdefinitionen sowie Ausführungen zu den Rechtsgrundlagen, dem verwaltungstechnischen Vorgehen und den Finanzierungsmöglichkeiten (vgl. 1.3). Des Weiteren sind Anforderungen an die Projektorganisation und Qualitätssicherung sowie Empfehlungen zur Öffentlichkeitsarbeit dargestellt. 2.2 Vorgehensweise der integralen Untersuchung Die Vorgehensweise beim integralen Altlastenmanagement untergliedert sich in verschiedene Arbeitsschritte der Untersuchung, Auswertung und Priorisierung, die in den nachfolgenden Kapiteln des Leitfadens vertieft beschrieben werden (vgl. Abbildung 1). 2.3 Analyse der Bestandsdaten Wesentliche Grundlage für alle weiteren Schritte sind die Datensammlung und -verarbeitung sowie die Datenvisualisierung und Analyse aller Bestandsdaten. Die Datensammlung umfasst: 1. Auswertung von Altlasten-, Bau- und sonstigen Projekten in Archiven der Behörden und ggf. privater Eigentümer 2. Qualitätsprüfung und Datenerfassung 3. Plausibilitätsprüfung mit vorhandenen Informationen 4. (Defizit-)Analyse 5. kontinuierliche Pflege und Erweiterung der Datenbestände. In jedem Projektstadium ist ein aktueller und vollständiger Datenbestand Schlüsselelement für die Qualität von Darstellungen, Planungen und Ergebnissen. Für die umfangreichen Datenbestände sind EDV-technische Erfassungs- und Auswertungs-Module, i. d. R. Datenbanken, erforderlich. Die Datenvisualisierung und Analyse stellt oft die erstmalige vom Einzelfall losgelöste gesamtschauliche Auswertung des Datenbestands im Betrachtungsgebiet dar. Die Verschneidung der Informationen zu Stoffkonzentrationen, Prüfwertüberschreitungen, Stoffverteilungsmustern mit hydrogeologischen Informationen und Grundwassergleichen gibt erste Hinweise auf Schadstofffahnen und Altlastenverdachtsbereiche. Sie bildet damit die Grundlage für die Entwicklung einer konzeptionellen Modellvorstellung und die Planung weiterführender Untersuchungen. 222 altlasten spektrum 6/2016

Abbildung 1: Iterativ-adaptive Arbeitsschritte der integralen Untersuchung 2.4 Entwicklung von Modellen Nächster Arbeitsschritt ist die Entwicklung von Modellen. Dazu zählt das Hydrogeologische Modell mit dem konzeptionellen Aquifer- und Stoffmodell sowie numerische Modelle, die in komplexen Fällen zusätzlich zum Einsatz kommen. Die Entwicklung von konzeptionellen Modellvorstellungen bis hin zu einem quantitativen und damit überprüfbaren Hydrogeologischen Modell ist Voraussetzung für eine zielgerichtete und erfolgreiche integrale Altlastenuntersuchung. Im Hydrogeologischen Modell werden die konzeptionellen Modellvorstellungen in Bezug auf die Volumen- und Massenumsätze bilanziert und überprüft. Es bildet auch die Grundlage und Voraussetzung für ein (optionales) numerisches Grundwasserströmungs- bzw. Stofftransportmodell. Aus der Defizitanalyse bei der Überprüfung des Hydrogeologischen Modells leitet sich der weitere Untersuchungsbedarf ab. Jeder Untersuchungsschritt führt zu einem Kenntniszuwachs und damit zu einer Verbesserung des Hydrogeologischen Modells. Die Abfolge aus der Weiterentwicklung des Hydrogeologischen Modells und ggf. numerischer Modelle, der Überprüfung und der Defizitanalyse mit resultierenden notwendigen Untersuchungsschritten wird so oft durchlaufen, bis die Modellvorstellung verifiziert und eine ausreichende Kenntnis der räumlichen Schadstoffverteilung und der Transportprozesse erreicht ist. 2.5 Untersuchung und Auswertung Bestimmte Untersuchungsmethoden und Auswerteverfahren sind bei integralen Untersuchungen von besonderem Interesse. Die integrale Untersuchung strebt eine flächenhafte Erfassung der Schadstoffimmission im Grundwasserabstrom an. Geeignete Untersuchungsmethoden sind Immissionspumpversuche, direct push-methoden, tiefendifferenzierte Probennahmen, forensische Verfahren sowie innovative integrierende Methoden wie Phytoscreening oder Passivsammler. Eine häufig eingesetzte Strategie der integralen Untersuchung ist, die Schadstoffimmission als Massenfluss entlang sog. Kontrollebenen möglichst lückenlos zu erfassen. Bei großflächigen Untersuchungsgebieten, problematischen Eigentums- und Zugangsbedingungen sowie durch einschränkende hydrogeologische Bedingungen und letztlich auch durch die entstehenden Kosten kann die lückenlose Untersuchung entlang von Kontrollebenen rasch an ihre Grenzen stoßen. In diesen Fällen stellt die Auswertung von mehr oder we- altlasten spektrum 6/2016 223

Abbildung 2: Untersuchungsstrategie Kontrollebenen im Abstrom der Verdachtsflächen niger punktuellen Untersuchungen mit Hilfe eines numerischen Transportmodells als integrierende Methode eine alternative Strategie dar. Die beiden möglichen strategischen Ansätze kommen meist in Kombination zur Anwendung. Die typische Ausgangssituation einer integralen Untersuchung ist eine dichte Bebauung mit einer intensiven gewerblich-industriellen Nutzung aus verschiedenen Epochen. Anlass für eine integrale Altlastenuntersuchung geben oft Prüfwertüberschreitungen für Schadstoffe in vorhandenen Grundwassermessstellen oder das Auftreten von Schadstoffen in Quell- oder Trinkwasserfassungen. Obwohl die Grundwasserströmungsrichtung meist schon in etwa bekannt ist, können die Grundwasserbelastungen aufgrund der räumlichen und zeitlichen Gemengelage nicht eindeutig einem Schadstoffherd zugeordnet werden. Die Festlegung der im betroffenen Aquifer quer zur Grundwasserfließrichtung anzulegenden Kontrollebenen erfordert bereits ein grundlegendes hydrogeologisches Systemverständnis. Im Hinblick auf den Abstand der Kontrollebenen ist auch zu beachten, welche Fahnenlängen die relevanten Schadstoffe ausbilden können. Die Einrichtung der Kontrollebenen sollte iterativ-adaptiv vorgenommen werden, beginnend mit einer Kontrollebene, für die positive Schadstoffbefunde wahrscheinlich sind. Weitere Kontrollebenen sollten sukzessive entsprechend der Lage der Verdachtsflächen und der sich stetig verbessernden Kenntnis der Schadstoffimmission und hydrogeologischen Modellvorstellung folgen (vgl. Abbildung 2). 2.6 Gesamtschauliche Auswertung Die gesamtschauliche Auswertung aller Informationen verfolgt das Ziel, Grundwasserbelastungen den verantwortlichen Schadstoffherden zuzuordnen. Aus den Ergebnissen der Grundwasseruntersuchungen werden Schadstofffahnen ermittelt, ihre Schadstofffrachten bestimmt und die Fahnen zu Schadstoffherden zurückverfolgt. Wenn die Lokalisierung von Schadstoffherden nicht eindeutig möglich ist, kommt der synoptischen Betrachtung von Ergebnissen unterschiedlicher Methoden eine besondere Bedeutung zu. Mit einem Grundwassermodell können Schadstofffahnen auch auf Grundlage lückenhafter bzw. punktueller Konzentrationsbefunde berechnet werden. Hierzu werden z. B. Schadstoffherde angenommen und in ihrer Lage, Ausdehnung und Quellstärke solange variiert, bis die berechnete Konzentrationsverteilung bestmöglich mit den Messwerten übereinstimmt. Die am besten angepasste ist dann die wahrscheinlichste Schadstofffahne, der im Modell angesetzte Herd eine mögliche Eintragsstelle. Die Untersuchungsergebnisse werden in die bestehenden Datensammlungen und Modelle integriert. Erkenntnisse verschiedener Methoden sind wechselseitig zu plausibilisieren und zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Durch den Abgleich der Ergebnisse werden Widersprüche und Defizite aufgedeckt. Wenn die konzeptionellen Modellvorstellungen nicht verifiziert werden können, sind die Ursachen zu prüfen. 2.7 Gefährdungsabschätzung und Priorisierung Ist die Zuordnung der Grundwasserbelastung zu Schadstoffherden erfolgt, kann eine Gefährdungsabschätzung und Priorisierung von Untersuchungs- und/ oder Sanierungsmaßnahmen erfolgen. Nach der gesamtschaulichen Auswertung und Identifizierung von Schadstoffherden erfolgt das weitere Vorgehen i. d. R. einzelfallspezifisch. Ein Rahmensanierungskonzept kann hierbei Sanierungsziele definieren und alle Sanierungsmaßnahmen an relevanten Einzelstandorten zusammenfassend beschreiben. Zur Gefährdungsabschätzung und Priorisierung weiterer Maßnahmen für den Wirkungspfad Boden Grund wasser werden die Erkenntnisse aus der integ- 224 altlasten spektrum 6/2016

ralen Untersuchung für die jeweiligen Einzelfälle aufgearbeitet. Der Kenntnisstand bzgl. der Situation des Grundwassers ist im Vergleich zu einzelnen Standortuntersuchungen auf der Stufe der orientierenden Untersuchung oft deutlich besser. Die ermittelten Flächen werden gemäß der stufenweisen Vorgehensweise in Baden-Württemberg auf Beweisniveau BN 2 durch die zuständigen Behörden formal bewertet. Die weitere Bearbeitung (Detail-, Sanierungsuntersuchung und ggf. Sanierungsplanung und Sanierung) erfolgt einzelfallbezogen durch den Pflichtigen. Ein integrales Vorgehen ist ab der Detailuntersuchung nur in besonderen Fällen sinnvoll und möglich. 3. Weiterführende Konzepte Die Sanierung einer Altlast oder schädlichen Bodenveränderungen nach BBodSchG liegt einzelfallbezogen in der privaten Verantwortung der Grundstückseigentümer oder Verursacher. Die integrale Sanierung stellt einen ganzheitlichen Ansatz mit dem Ziel der Fokussierung von Sanierungsmaßnahmen auf Schadensschwerpunkte dar, um mit den meist begrenzten finanziellen Mitteln für das betrachtete Gebiet eine möglichst umfassende Reduktion des Schadstoffpotenzials und des damit verbundenen Gefährdungspotenzials zu erzielen. Diese Vorgehensweise zieht eine Reihe von Konsequenzen für die Bearbeitung nach sich: so ist z. B. die bisherige Vorgehensweise bei der Ermittlung von Sanierungszielen und -zielwerten wenig geeignet, Vorgaben zu formulieren, die solche eher großräumigen Vorhabenziele quantifizieren können. Die betroffenen Sanierungspflichtigen müssen außerdem als Gemeinschaft in das Projekt eingebunden werden und es muss sich ein Vorteil für alle Betroffenen ergeben. Fragen bestehen auch hinsichtlich der Kostenzuordnung bei vielen Verursachern und zur Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Teil 2 des Leitfadens enthält daher die Handlungsempfehlung Weiterführende Konzepte. Standardisierte Vorgehensweisen oder Regelwerke gibt es bisher weder für die integrale Gefährdungsabschätzung noch für integrale Sanierungsstrategien. Als sinnvolle Fortführung der integralen Untersuchung, u. a. an den Schnittstellen zur Stadt- und Bauleitplanung bzw. zum Flächenrecycling, sollen aber interessante Ansätze und einige Praxisbeispiele vorgestellt werden. 3.1 Integrale Gefährdungsabschätzung und Priorisierung Alternativ oder ergänzend zur standardisierten Vorgehensweise bei der Gefährdungsabschätzung und Priorisierung von Untersuchungs- und Sanierungsmaßnahmen werden integrale Gefährdungsabschätzungen und Priorisierungsmethoden vorgestellt, die z. B. die Wechselwirkung von benachbarten Schadstoffherden berücksichtigen. Die integrale Altlastenbearbeitung bietet die Möglichkeit, analog zur Priorisierung von Einzelfällen, weitere Kriterien zu berücksichtigen. Hier sind z. B. die wirkungsorientierten Aspekte zu nennen, die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung und bei der Prüfung von MNA-Konzepten bereits Anwendung finden. Die Erweiterung der Bewertungskriterien führt dazu, die effizientesten Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers innerhalb eines Betrachtungsgebiets zu ermitteln, die eine größtmögliche positive Wirkung bei optimalem Mitteleinsatz erzielen. Der Fokus liegt dann weniger auf dem Potenzial, also der Konzentration im Schadstoffherd, sondern auf den Auswirkungen auf das Grundwasser und im Grundwasser sowie auf (ggf. abgerissenen) Schadstofffahnen. Von mehreren Dutzend LHKW-Grundwasserschäden in einem Stadtgebiet tragen mitunter nur einige wenige maßgeblich zur gesamten Grundwasserbelastung bei. Allein die prioritäre Sanierung dieser wenigen Standorte würde zu einem zufriedenstellenden Gesamtwirkungsgrad in Bezug auf die Reduzierung der Gesamtschadstofffracht führen. Die Einhaltung der einzelfallbezogenen Mindestanforderung (Unterschreitung der altlasten spektrum 6/2016 225

Abbildung 3: Interessensgruppen und Zielsetzung der integralen Sanierung Prüfwerte und maximal tolerierbaren Frachten im direkten Abstrom eines Schadens) für die übrigen Schäden wäre dann, unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und von MNA-Aspekten, zweitrangig. 3.2 Integrale Sanierung Voraussetzung für die Sanierung ist, dass nach der integralen Untersuchung entweder eine Detail- und Sanierungsuntersuchung koordiniert weitergeführt wurde oder Einzeluntersuchungen vollständig vorliegen. Es können zwei Fälle unterschieden werden (vgl. Abbildung 3): 1. wurden relevante Einzelschäden identifiziert, folgt die gezielte Sanierung dieser Einzelschäden gemäß eines Rahmensanierungskonzepts 2. ist eine Sanierung von Einzelschäden technisch (oder wirtschaftlich) nicht sinnvoll, können die Voraussetzungen für eine integrale Sanierung auf freiwillig-kooperativer Basis gegeben sein. Im ersten Fall können die relevanten Schäden detailliert untersucht und nach einem Rahmensanierungskonzept saniert werden. Die einzelnen Maßnahmen sind gegenüber den Pflichtigen ordnungsrechtlich durchzusetzen. Durch Informationsaustausch von Altlastensanierung und städtebaulicher Sanierung sind im Rahmen des Einzelfalls Synergien nutzbar. Im zweiten Fall kann durch i. d. R. private Initiativen (z. B. Investoren) auch eine integrale Sanierung mehrerer Flächen erfolgen, z. B. mit dem Ziel des Flächenrecyclings oder einer Wertsteigerung der Grundstücke. Der Vorteil der integralen Sanierung ist dann eine schnellere, vollständige und koordinierte Vorgehensweise, die durch Synergien in der Umsetzung auch monetär interessant sein kann. Als Basis für integrale Sanierungsstrategien werden Projektbeispiele und Werkzeuge angeführt. Als innovatives Planungswerkzeug wird der Grundwasser-Managementplan (GW-MagPlan) vorgestellt. Er ist ein Ansatz für Kommunen, durch Erarbeiten eines Rahmensanierungskonzepts mit großräumigen und komplexen Grundwasserbelastungen umzugehen und deren Untersuchung und Sanierung vorzubereiten. Die Stadt Stuttgart hat im Rahmen von MAGPlan einen Grundwassermanagementplan erarbeitet [7]. Er liefert der Stadt eine Grundlage für die zukünftige Arbeit im Grundwasserschutz. Er wurde dem Stuttgarter Gemeinderat vorgelegt und erlangte dadurch Verbindlichkeit. In weiteren Fällen wird die integrale Herangehensweise oft von Städten oder Kommunen vorangetrieben, die in ihrer Funktion als Bodenschutz- und Altlastenbehörde sowie an den Schnittstellen zur Stadtentwicklung ein Interesse an der synergistischen Sanierung und Revitalisierung von Flächen haben. 3.3 Perspektiven und Chancen des integralen Ansatzes Die integralen Pilotprojekte in Baden-Württemberg und das MAGPlan-Projekt haben die Perspektiven und Chancen des integralen Ansatzes sowie der vorgestellten Priorisierungsansätze und Werkzeuge aufgezeigt. Die bisherigen Erfahrungen sind positiv und sollten Anreiz sein, weitere Anwendungen in der Praxis zu erproben. Literatur [3] Landeshauptstadt Stuttgart (1999): Integrale Altlastenerkundung im Neckartal Stuttgart. Schriftenreihe des Amtes für Umweltschutz, 4/99, Stuttgart [4] Landeshauptstadt Stuttgart (2003): INCORE Integriertes Konzept zur Grundwassersanierung/Abschlussbericht, http://www. stuttgart.de/img/mdb/publ/4523/103810.pdf [5] IAU Ravensburg (2014): Integrale Altlastenuntersuchung Ravensburg, Strategie und Methoden einer integralen Untersuchung flacher Porengrundwasserleiter im urbanen Raum. Stadt Ravensburg, 154 S., http://www.fachdokumente.lubw.ba- den-wuerttemberg.de/servlet/is/110846/iau_rv_methodenbe- 226 altlasten spektrum 6/2016

richt2014.pdf?command=downloadcontent&filename=iau_rv_ methodenbericht2014.pdf&fis=161 [6] Kirchholtes, H. J. & Ufrecht, W. (2015): Chlorierte Kohlenwasserstoffe im Grundwasser. Springer Vieweg 267 S., Wiesbaden [7] LUBW (2014):. Leitfaden und Handlungshilfe zur integralen Untersuchung und Sanierung von Altlasten. Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, 90 S., Karlsruhe [8] Vetter, A. (2002): Rechtsgutachten Juristische Fragen der Integralen Altlastenbearbeitung in Baden-Württemberg, 198 S., Stuttgart [9] Gemeinderatsdrucksache 157/2015 MAGPlan Bew irtschaftungsplan zur Sicherstellung eines guten chemischen Grundwasserzustandes durch Vermeidung von Schadstoffeinträgen aus Altlasten [10] Bohnert, B., Vetter, I. (2016): Handbuch der Altlastensanierung (HdA), 79. Aktualisierung, 3. Aufl., Oktober 2016, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm, Heidelberg Autorenschaft Bernadette Bohnert HPC AG Chemnitzer Straße 16 70597 Stuttgart E-Mail: Bernadette.Bohnert@hpc.ag Dr. Iris Vetter Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg Griesbachstr. 1 76185 Karlsruhe E-Mail: Iris.Vetter@lubw.bwl.de English Summary In urban areas the single case treatment approach for environ mental contamination and potentially contaminated areas has shown its limitations. Tracking the paths between a groundwater contamination and a pollution source is often not possible due to spatial and sequential uncertainties. The guidelines and recommendations Integrales Altlastenmanagement (Comprehensive Contaminant Management) offer public administrations and local authorities practical steps to perform environmental investigations and remediation. In addition, the guidelines contain information and suggestions for practical implementation to consultants and affected persons. Opportunities and possibilities for optimal further action are introduced, to ensure limited resources can be utilized efficiently. The guidelines and recommendations were developed within the framework of the EU-Life+ Project MAGPlan (management plan to prevent threats from point sources on the good chemical status of groundwater in urban areas). altlasten spektrum 6/2016 227