FAQs zum Welterbe-Antrag Baden-Baden 1. Was ist ein Weltkulturerbe? Als in den 60er Jahren in Ägypten der Assuan-Staudamm gebaut wurde, drohten die 3000 Jahre alten Tempel von Abu Simbel im Wasser zu verschwinden. Die UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) rief damals zu einer großen Hilfsaktion auf und zeigte: Es gibt Orte, deren Bedeutung so groß ist, dass sie ideell nicht alleine dem Staat gehören, auf dessen Territorium sie sich befinden. Die Mitgliedstaaten der UNESCO verabschiedeten deshalb 1972 das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt. Diese Welterbe- Konvention schützt Stätten von außergewöhnlichem universellen Wert und das international bedeutendste Instrument, das jemals von der Völkergemeinschaft zum Schutz ihres kulturellen und natürlichen Erbes beschlossen wurde. Derzeit verzeichnet die UNESCO-Welterbeliste 1.052 Stätten in 165 Ländern, die nach Meinung des Welterbe-Komitees herausragende universelle Bedeutung aus historischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen haben. Die Stätten gliedern sich in 814 Kulturdenkmäler (Weltkulturerbe) und 203 Naturstätten (Weltnaturerbe). Weitere 35 Stätten gehören sowohl dem Kultur- als auch dem Naturerbe an. 2. Wer entscheidet, was Welterbe wird? Das Welterbe-Komitee ist ein zwischenstaatliches Gremium dessen 21 Mitglieder alle Kontinente und Kulturkreise repräsentieren. Sie werden von der Generalversammlung der Vertragsstaaten der Welterbe-Konvention gewählt. Das Komitee trägt die Entscheidung über die Aufnahme neuer Welterbe-Stätten und prüft, ob die bereits gelisteten Stätten den Kriterien der Welterbe-Konvention noch entsprechen. Unterstützt wird das Welterbe-Komitee dabei von seinem ständigen Sekretariat, dem Welterbe-Zentrum. Es hat die Aufgabe, die vom Welterbe-Komitee getroffenen Beschlüsse umzusetzen, zu protokollieren, zu dokumentieren und zu publizieren. Es organisiert die Tagungen der Generalversammlung und des Komitees, nimmt die Nominierungsanträge für die Welterbeliste entgegen, koordiniert das Monitoring der Welterbe-Stätten und organisiert die periodische Berichterstattung. Es betreut den Welterbe-Fonds, koordiniert internationale Hilfsprojekte und unterstützt die Vertragsstaaten bei der Umsetzung der Ziele und Programme im Rahmen der Welterbe-Konvention. Bei der Entscheidung über die Aufnahme zählen Einzigartigkeit und Authentizität (historische Echtheit) ebenso wie Integrität (Unversehrtheit).
3. Wie viele Welterbestätten hat Deutschland? In der Welterbeliste der UNESCO sind 41 deutsche Stätten eingetragen. Es werden dabei nur Stätten aufgenommen, wenn sie mindestens eines der in der Konvention festgelegten zehn Kriterien der Einzigartigkeit, Authentizität (bei Kulturstätten) sowie der Integrität (bei Naturstätten) erfüllen, und wenn ein überzeugender Managementplan vorliegt. Vertreter der deutschen Welterbestätten aus den Bereichen Management, Denkmalpflege und Tourismus haben sich in dem Verein UNESCO-Welterbestätten Deutschland e.v. zusammengeschlossen, mit dem Ziel einen nachhaltigen Tourismus an den Welterbestätten zu fördern. Zu den Welterbestätten in Deutschland gehören unter anderem der Aachener Dom (seit 1978), die Würzburger Residenz und Hofgarten (1981), die Hansestadt Lübeck (1987), Altstadt von Bamberg (1993), Klassisches Weimar (1998), Industriekomplex Zeche Zollverein in Essen (2001), Siedlungen der Berliner Moderne (2008), Hamburger Speicherstadt mit Kontorhausviertel und Chilehaus (2015) sowie das architektonische Werk von Le Corbusier in der Weißenhofsiedlung Stuttgart (2016). 4. Was macht Baden-Baden zum (potenziellen) Weltkulturerbe? Zusammen mit einer Handvoll anderer Kurstädte hatte Baden-Baden zwischen der französischen Revolution und dem Ende des ersten Weltkriegs eine zentrale Funktion in Europa als Experimentierfeld neuer gesellschaftlicher Entwicklungen: die Auflösung der Ständegesellschaft, die Vernetzung Europas, die Herausbildung eines weltoffenen und toleranten Milieus lange vor den tragischen Nationalismen des 20. Jahrhunderts. Das Stadtbild und die einzelnen Denkmale in Baden-Baden spiegeln diese herausragende Rolle bis heute in einem einzigartigen Erhaltungszustand. Die großstädtische Infrastruktur mit den Kureinrichtungen, der Spielbank, den Grandhotels und der Rennbahn in Iffezheim kontrastiert mit der kleinen, bis in den Kernbereich durchgrünten Stadt. Auch die von internationalen Gastbürgern errichteten Gebäude wie die russisch-orthodoxe Kirche, die ehemals anglikanische Kirche und die zahlreichen exklusiven Villen zeigen die weit über die Landesgrenzen hinausgehende Anziehungskraft Baden-Badens als internationalem Hotspot im 19. Jahrhundert. 5. Wie läuft so eine Bewerbung ab? Für jedes Jahr darf jeder Vertragsstaat zwei Vorschläge zur Aufnahme in das UNESCO- Welterbe einreichen. Diese Vorschläge müssen jedoch bereits zwei Jahre auf der Vorschlagsliste (Tentativliste) enthalten gewesen sein, die jedes Land bei der UNESCO hinterlegt und regelmäßig aktualisiert. Einmal im Jahr, normalerweise Anfang Juli, trifft sich das Welterbekomitee, um über die Aufnahmeanträge der Staaten zu entscheiden.
Seit Sommer 2014 steht Baden-Badens und die anderen teilnehmenden Kurstädte auf dieser Tentativliste (Vorschlagsliste). Ziel ist es nun, den gemeinsamen Antrag zu Beginn des Jahres 2018 in Paris beim Welterbezentrum einzureichen. Der Weg für Baden-Baden zur Anerkennung als Welterbe ist ein jahrelanger Prozess; zumal ein transnationaler serieller Antrag in diesem Fall selten gestellt wurde und somit eine inhaltliche, konzeptionelle, politische und nicht zuletzt kommunikative Herausforderung für alle Beteiligten darstellt. 6. Was macht die Bewerbung für Baden-Baden so kompliziert? Baden-Baden bewirbt sich nicht allein um die Aufnahme in die Welterbeliste. Seine Bewerbung ist Teil eines transnationalen, seriellen Welterbeantrags unter dem Titel Great Spas of Europe. Dieser Begriff zielt auf bedeutsame europäische Kurstädte mit internationaler Anziehungskraft, die insbesondere im 19. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebten Die Great Spas setzen sich aus 11 Kurstädten aus 7 Staaten Europas zusammen: Spa (Belgien), Baden-Baden / Bad Ems / Bad Kissingen (Deutschland), Vichy (Frankreich), Bath (Großbritannien), Montecatini Terme (Italien), Baden bei Wien (Österreich), Frantiskovy Lazne / Karlovy Vary / Marianske Lazne (Tschechische Republik). Es ist völlig klar, dass die schon für einen Einzelantrag langwierigen Vorbereitungen bei einem Projekt, an dem sich derzeit sieben Vertragsstaaten und 16 Städte beteiligen, ungleich schwieriger sind. Ein wichtiges, aber politisch heikles Anliegen ist inzwischen deshalb, die teils willkürlich zustande gekommene Zusammensetzung der Bewerbergruppe auf eine wissenschaftlich fundierte Auswahl zu reduzieren. Nur so kann ein UNESCO-Welterbeantrag auch für Baden-Baden Erfolg bringen. 7. Was hat Baden-Baden vom Welterbe-Titel? Die Nominierung wäre ein Garant für eine nachhaltige Entwicklung, denn gerade in Baden-Baden gibt es zwischen den Themen Kulturerbe und Tourismus eine große Schnittmenge: Einerseits, weil das, mit der Sommerhauptstadt Europas verbundene, Kulturerbe zu einem Großteil gewissermaßen das Ergebnis einer touristischen Entwicklung ist. Andererseits, weil es für Baden-Baden langfristig wichtig ist, dass die richtigen Gäste den Weg in die Stadt finden, damit die zahlreichen Kultureinrichtungen wie beispielsweise das Festspielhaus und die qualitativ hochwertigen Dienstleistungsbetriebe überleben können. Erfreulicherweise wächst im Zusammenhang mit der Globalisierung ein Interesse an Geschichte und Kultur. Für Welterbestätten gibt es gezielte Fördermaßnahmen und Förderprogramme des Landes und des Bundes. Hinzu kommen Marketingeffekte: Die deutschen Welterbestätten werden in der internationalen Tourismuswerbung immer als Best
of Germany positioniert. Die Pflege des Kulturerbes ist eine Strategie für die Zukunft der Stadt Baden-Baden. 8. Verändert sich Baden-Baden, wenn der Titel bekommt? Es ist in der Tat so, dass die nominierte Welterbestätte Baden-Baden einen Großteil der Innenstadt umfasst. Aber das bedeutet nicht, dass hier alles unter eine Käseglocke kommt. Wenn man eine Welterbestätte nominiert, muss man der UNESCO in dem Nominierungsantrag darlegen, dass diese Stätte bereits umfänglich geschützt ist, dass sie entsprechend verwaltet und finanziert wird. Das heißt für Baden-Baden erst einmal: alles bleibt beim Alten. Es gelten Denkmalschutz, Bebauungspläne, Natur- und Landschaftsschutz und natürlich der Heilquellenschutz und viele weitere Gesetze und Pläne wie gehabt. In einem Monitoring werden die Welterbestätten regelmäßig intern und von internationalen Fachgremien geprüft. Der Welterbestatus bedeutet für die Stadtentwicklung Baden-Badens nicht Stillstand, sondern garantiert eine behutsame Weiterentwicklung. Denn die Auseinandersetzung mit dem historischen Erbe hat in vielen Beispielen zu qualitativ hochwertigen Lösungen geführt, so z. B. das Ozeaneum in Stralsund (2008, Architekt: Behnisch & Partner), das Musée du Quai Branly in Paris (2006, Architekt: Jean Nouvel) oder das Thermae Bath Spa in Bath (2006, Architekt Nicholas Grimshaw). 9. Was bedeutet der Titel für mich als An- bzw. Bewohner? Der Welterbestatus schafft keine neuen Schutzinstrumente. Und nachdem Denkmalschutz, Landschaftsschutz und Naturschutz immer auch Entwicklung ermöglichen, gilt wie bislang: Liegt ein Haus in der vom Gemeinderat als Gesamtanlage nach 19 DSchG ausgewiesenen Zone (historische Altstadt), müssen bauliche Veränderungen mit der städtischen Denkmalschutzbehörde abgestimmt werden. Und auch wenn ein Haus in der sog. Pufferzone liegt, sind lediglich bereits bestehende Regelungen wie Bebauungspläne, Denkmalschutz für Denkmale, Landschaftsschutz etc. bindend. Umgekehrt ist es sicher so, dass im Kernbereich der Welterbestätte eine besondere Sensibilität in städtebaulicher Hinsicht, aber auch im Umgang mit öffentlichen Denkmalen notwendig sein wird. Das unterstreicht die Qualität der historischen Quartiere und bedeutet somit für jedes Gebäude auch eine Wertsteigerung. 10. Was bedeutet der Titel für den Tourismus?
Die Stadt ist bereits mit Millionen von Touristen pro Jahr und mittlerweile einer Million jährlicher Übernachtungsgäste sehr geübt im Umgang mit Touristen. Schon im Strategischen Entwicklungsplan Baden-Baden 2020 wurden verschiedene Planungen aufgenommen, die nun in der Umsetzung begriffen sind. Diese betreffen zum Beispiel ein neues Park-Leitsystem und mehr Parkierungsmöglichkeiten außerhalb der Innenstadt. Zudem betrifft die Welterbestätte nicht einen einzigen Ort betrifft, sondern gleich mehrere Stadtviertel. Gemeinsam mit der BBT werden deshalb Besucherrouten ausgearbeitet, die verschiedene Blickwinkel auf die nominierte Welterbestätte erlauben. Etwa eine Route, die die Internationalität der Kurstadt im Auge hat. Da wäre ein geeigneter Ausgangspunkt der internationale Club. Weiterhin könnte diese Route die verschiedenen Kirchenbauten wie die russischorthodoxe Kirche und die Anglikanische Kirche behandeln, sie sind Ausdruck für ein internationales Kurpublikum, das sich zum Teil dauerhaft hier niederließ und entsprechende Gotteshäuser zur Ausübung seiner Religion benötigte. Eine andere Route könnte beispielsweise durch die Villengebiete führen. Wer hat hier gebaut, wer gewohnt, an wen wurde vermietet? Wie sind die einzelnen Villen angelegt, welchen Architekturstil verkörpern sie? Und so kann man sich ganz unterschiedliche Routen und Besucherführungen vorstellen, die besondere Fragestellungen erlauben und mit den zahlreichen Facetten unserer Kurstadt vertraut machen. 11. Wie kann ich mich beteiligen? Die Identifizierung der Bevölkerung mit ihrem Kulturerbe und eine breite Akzeptanz des Antragsprojekts sind Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Anerkennung Baden- Badens als UNESCO-Welterbestätte. Sie bewohnen ein historisches Gebäude, Sie besitzen einen historischen Garten? Pflegen Sie sie, oder lassen Sie andere an Ihrem Kleinod teilhaben, etwa zum Tag des offenen Denkmals. Sie interessieren sich für die Geschichte der Stadt, Sie wollen eigentlich mehr wissen oder Ihr Wissen weitergeben? Engagieren Sie sich zum Beispiel in einem der zahlreichen Freundeskreise und Vereine zur Stadtgeschichte oder zum Stadtbild. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, teilzuhaben und sich sein Erbe anzueignen. Besuchen Sie die zahlreichen Museen in Baden-Baden oder gönnen Sie sich Stunden der Ruhe im Friedrichsbad. Was immer Sie davon unternehmen, es wird Ihnen die Stadt wieder näherbringen und findet sicherlich so manchen Nachahmer. So halten wir unser Erbe, auch unser immaterielles Erbe am Leben, so können wir es weitergeben an unsere Kinder und Enkel. Der Freundeskreis Lichtentaler Allee ist seit 2006 Initiator und Förderer der Bewerbung. Fachliche Ansprechpartner: Dr. Andreas Förderer, IHK Karlsruhe (Tel.: 0721-174-169; Mail: andreas.foerderer@karlsruhe.ihk.de); Volkmar Eidloth, Landesamt für Denkmalpflege B.-W. (Tel.: 0711-90 44 51 73; Mail: volkmar.eidloth@rps.bwl.de). Fragen, Anregungen und Meinungen können Sie uns gern auch direkt per Email mitteilen: info@lichtentalerallee.de