Kleine Anfrage mit Antwort. Wortlaut der Kleinen Anfrage der Abg. Frau Vogelsang (CDU), eingegangen am 29. Juni 1999

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Transkript:

Kleine Anfrage mit Antwort Wortlaut der Kleinen Anfrage der Abg. Frau Vogelsang (CDU), eingegangen am 29. Juni 1999 Umfang und Formen der Schulverweigerung an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen Nach wissenschaftlichen Untersuchungen der letzten Monate nimmt die Schulverweigerung ( Schulabsentismus ) insbesondere in Hauptschulen, Sonderschulen und berufsbildenden Schulen in den letzten Jahren deutlich zu. Ich frage daher die Landesregierung: 1. Welche Erscheinungsformen des Schulabsentismus und der Schulverweigerung werden an den Schulen des Landes (aufgeschlüsselt nach Schulformen) registriert, und welche der nachfolgenden Ausprägungen sind den Schulaufsichtsbehörden dazu in den letzten drei Jahren bekannt geworden: a) unentschuldigte Fehlzeiten b) dauernde oder zumindest langwierigere (mehr als vierwöchige) Abwesenheitsphasen c) Nichterscheinen bei Prüfungen d) Bummelantentum (Verspätungen, Überziehen von Pausen, Fernbleiben in bestimmten Unterrichtsfächern) e) Unterrichts- und Leistungsverweigerung trotz physischer Anwesenheit in der Schule? 2. Welche Ursachen sieht die Landesregierung für die von ihr registrierten Formen von Schulverweigerung, und welchen Einfluß hat nach ihrer Einschätzung insbesondere die Situation auf dem Ausbildungsstellen- und Arbeitsmarkt für junge Leute? 3. Wie viele Ordnungswidrigkeitsverfahren sind durch die zuständigen Behörden 1998 (im Vergleich dazu auch 1993) im Lande mit welchen Ergebnissen eingeleitet worden? 4. Wie viele Zwangszuführungen zum Unterricht sind von den zuständigen Behörden im Jahre 1998 (im Vergleich dazu auch 1993) mit welchen Ergebnissen eingeleitet worden? Hält die Landesregierung das Instrument der Zwangszuführung für ein sinnvolles Instrument gegen Schulverweigerung? 5. Welche pädagogischen Instrumente und Verfahren hält sie für erforderlich, um sowohl präventiv als auch reaktiv einer steigenden Tendenz zur Schulverweigerung entgegenzuwirken, und welche Vorkehrungen hat sie getroffen (Erlasse, neue Unterrichtsformen, sozialpädagogische Begleitung schwieriger Schüler o. ä.), um dies zu unterstützen? 6. Sofern sie an der gegenwärtigen Schulpflichtregelung festhält: Welche Instrumente und evtl. Alternativen zur Schulpflichterfüllung werden z. Z. diskutiert, um Jugendliche stärker zum Schulbesuch oder ggf. zu verpflichtenden Alternativangeboten zu motivieren? 1

7. Wie viele Jugendliche haben im Schuljahr 1998/1999 von der Möglichkeit des 67 Abs. 5 NSchG Gebrauch gemacht, und wie viele davon haben ihre Schulpflicht a) in anerkannten Jugendwerkstätten, b) in anderen Einrichtungen absolviert? Welche Probleme haben sich dabei ergeben? (An die Staatskanzlei übersandt am 2. Juli 1999 II/721 327) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Kultusministerium Hannover, den 17. November 1999 01 01 420/5 II/721 327 Jedes unentschuldigte Fernbleiben vom Unterricht ist eine Schulpflichtverletzung. Die Spannbreite dieses Fernbleibens führt in Wissenschaft und Praxis zu Problemen bei der Begriffsbestimmung (z. B. Schulverweigerung, Schulschwänzen, Absentismus). Ähnliches gilt bei Erhebungen und Auswertungen von nicht immer vergleichbaren statistischen Daten sowie bei Einschätzungen zum Handlungsvollzug der Schulen. Dies erschwert es, eindeutige Aussagen zu Umfang und Ausmaß des unentschuldigten Fernbleibens zu machen. Als wesentlichste Merkmale werden genannt Schwänzen wegen Leistungsdrucks (z. B. bei Klassenarbeiten) Schwänzen an Eckstunden Tagesschwänzen (alleine oder in Gruppen) Schwänzen von Volljährigen in der Oberstufe Schwänzen als Aversion gegen die Schule oder eine Lehrkraft sporadisches Schwänzen über längerfristiges Fernbleiben bis Dauerabwesenheit (z. B. der sog. Bahnhofskinder) Schwänzen aus außerschulischen Anlässen Eltern unterstützen Dauerbummelei oder kümmern sich nicht darum Resignation wegen mangelnder Motivation und beruflicher Perspektivlosigkeit Jobben zum Unterhalt oder zur Erhöhung des Taschengeldes. Bei präventiven oder reaktiven Maßnahmen gegen unentschuldigtes Fernbleiben muss deshalb zunächst geklärt sein, welcher der Tatbestände in welchem Ausmaß vorliegt, ob pädagogisches Handeln hilfreich ist oder andere Reaktionen notwendig werden. Abgesicherte Aussagen zum Spektrum unentschuldigten Fernbleibens oder zu schulformbezogenen Gewichtungen sind nicht möglich. Es gibt seit jeher in Niedersachsen wie auch in anderen Bundesländern keine landesweiten statistischen Daten zum unentschuldigten Fernbleiben. Die Lehrkräfte machen lediglich Eintragungen in Klassenbücher oder Kurshefte. Sie sind nicht berichtspflichtig. Schulen und Bezirksregierungen mussten deshalb für die Beantwortung dieser Anfrage auf Erfahrungen und globale Einschätzungen zurückgreifen. Dabei gehen die Bezirksregierungen und Schulen gegenüber den Vorjahren von einer Zunahme unentschuldigten Fernbleibens aus. Offenbar beeinflussen vor allem außerschulische Faktoren das unentschuldigte Fernbleiben. 2

Dazu zählen beispielsweise: 1. Einstellungen des Elternhauses oder einzelner Ausbildungsbetriebe (Gleichgültigkeit gegenüber den Jugendlichen oder gezieltes Unterstützen ihres Fehlverhaltens) 2. Wertigkeit der Schulpflicht gegenüber anderen Pflichten oder Angeboten 3. subjektiv eingeschätzte und tatsächlich bestehende Perspektivlosigkeit zu Ausbildungs- und Berufschancen 4. Jobangebote für dauerhafte oder kurzfristige Arbeit (z. B. bei Messen) 5. Psychische Probleme, Drogen-, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch. Schulen können - so auch die Wissenschaft - verstärkend wirken, etwa wenn Kinder oder Jugendliche die Schule als Ort des Versagens erleben oder wenn sie von Mitschülerinnen und Mitschülern oder Lehrkräften gehänselt oder gemieden werden. Generell sind Schulen aber nicht primäre Auslöser für unentschuldigtes Fernbleiben. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt: Zu 1: Alle in der Frage genannten Erscheinungsformen sind bekannt. Als besondere Ausprägungen werden von einer der vier Bezirksregierungen das eigenmächtige Verlängern der Schulferien und Arztbesuche während der Unterrichtszeit genannt. Eine andere Bezirksregierung beobachtet zunehmende Fehlzeiten am Ende des Schuljahres bei Hauptschulen und Schulen für Lernhilfe sowie bei einzelnen berufsbildenden Schulen (Berufsvorbereitungsjahr; Berufsgrundbildungsjahr, um die Chancen für eine Ausbildung ohne Anrechnung des Schuljahres zu erhöhen; Berufsfachschulen, die keinen schulischen Abschluss voraussetzen). Gründe dafür seien insbesondere die im Vorspann unter 3. genannten Faktoren. Die genannten Beobachtungen lassen sich jedoch weder regional noch schulformbezogen so zuordnen, dass keine Aufschlüsselung nach Schulformen möglich ist. Zu 2: Die Ursachen der verschiedenen Formen unentschuldigten Fernbleibens wurden bereits im Vorspann benannt. Zum Einfluss der Ausbildungs- und Berufschancen wird verwiesen auf die Antwort zu Frage 1. Zu 3: Vergleichbare Daten aus den Jahren 1993 und 1998 liegen nicht vor. Aus dem deshalb lückenhaften Material wird dennoch eine Zunahme der eingeleiteten Bußgeldverfahren erkennbar. Dabei kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass 1998 die Bereitschaft einzelner Schulen zur Meldung zugenommen hat. 1998 wurden von den Schulen mindestens 6397 Anträge für ein Bußgeldverfahren gestellt, 2982 Bußgeldbescheide wurden erteilt. Werden Bußgelder nicht bezahlt, so praktizieren einzelne Behörden erfolgreich Vereinbarungen für einen sozialen Dienst als Arbeitseinsatz gem. 98 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Hierzu bedarf es der Entscheidung der Gerichte. Zu 4: Aus den bekannten Daten (Problem wie bei Frage 3) ist zu entnehmen, dass 1998 mindestens 59 Zwangszuführungen erfolgt sind. Für 1993 liegen keine Vergleichsdaten vor. Zwangszuführungen werden von den zuständigen Behörden unterschiedlich gehandhabt. Einige verzichten ganz auf zwangsweise Zuführungen, da diese pädagogisch untauglich seien und zahlreiche Jugendliche die Schule sogleich wieder verlassen würden. 3

Zu 5: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, dem unentschuldigten Fernbleiben entgegenzuwirken. 1. Hilfen gegen unentschuldigtes Fernbleiben sind primär Aufgabe der Schule und dort vor allem der einzelnen Lehrkraft; diese kennt ihre Schülerinnen und Schüler aus dem Unterricht und dem Schulleben am besten. Selbstverständlich muss sie mit anderen Lehrkräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schule zusammenarbeiten oder die Schulleitung einschalten. Weitere Möglichkeiten sind: Analyse der Gründe, Gespräche, Vereinbarungen mit Schulverweigerern und/oder ihren Erziehungsberechtigten Bei Fehlzeiten vor den Ferien unverzügliche Meldung an die zuständige Ordnungsbehörde Schulkonzepte für eine abgestimmte Konfliktlösungsstrategie, die auf Prävention, nicht auf Sanktion ausgerichtet ist Konzepte zur Verbesserung des Schulklimas Nutzung außerschulischer Unterstützungsmöglichkeiten wie z.b. Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe (Erlass des MK v. 25.01.1994 Nds. MBl. S. 335, Nds. SVBl. S. 91) Pädagogische Aktionen mit Beauftragten für Jugendsachen der Polizei Erforderlichenfalls Erziehungsmittel oder Ordnungsmaßnahmen der Schule gemäß 61 NSchG Anträge an die zuständigen Behörden für Ordnungswidrigkeitsverfahren oder zur zwangsweisen Zuführung ( 176, 177 NSchG). 2. Um unentschuldigtem Fernbleiben entgegenzuwirken müssen alle wesentlichen pädagogischen Hilfen in ein schulisches Gesamtkonzept der einzelnen Schule integriert werden. In diesem Konzept bilden Aufgaben zur Förderung sozialen Lernens, der Werteerziehung und der Formulierung schul- und klassenbezogener Regeln einen Schwerpunkt (vgl. auch MK Handreichungen zur Schulprogrammentwicklung aus dem Jahr 1998, S. 14). 3. Das Kultusministerium wird in Kürze allen Schulen eine Dokumentation seiner Tagung zum Absentismus vom 23.09.1999 zuleiten. Diese Tagung diente vor allem dem Erfahrungs- und Gedankenaustausch mit Schulleiterinnen und Schulleitern aus der Region Hannover. Weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen vom Landeselternrat, der Jugendhilfe und Sozialdienste, aus den Schulämtern als zuständige Behörden und von den kommunalen Spitzenverbänden. Zu 6: Die Landesregierung hält an den gegenwärtigen Regelungen zur Schulpflichterfüllung fest. Diese bieten genügend Spielraum auch für zukunftsorientierte Maßnahmen und Projekte, um Jugendliche zum Schulbesuch zu motivieren. Neben allgemeinen Angeboten zur Qualifikation von Schülern, bei den Regelungen für Betriebspraktika, im Unterrichtsverbund zwischen allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen oder bei der Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft, die der Motivation aller gilt, gibt es gezielte Förderprogramme. 1. Niedersachsen hat ein umfassendes Konzept zur Integration lernschwacher und schulmüder junger Menschen in das Ausbildungs- und Beschäftigungssystem erarbeitet. Es besteht aus mehreren Bausteinen: Benachteiligte Jugendliche können seit den Änderungsgesetzen zum Schulgesetz 1996/1997 unter bestimmten Voraussetzungen in außerschulischen Einrichtungen ihre Schulpflicht erfüllen ( 67 Abs. 5 NSchG). Darauf wird unter Frage 7 eingegangen. 4

Vorrangiges Ziel bleibt die kontinuierliche Qualitätsverbesserung des regulären Schulangebots. Dazu gehören Entwicklungsprozesse in derzeit sechs Schulversuchen im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ). Nach positiven Erfahrungen in zwei Versuchen soll der Erwerb des Hauptschulabschlusses im BVJ nunmehr landesweit eingeführt werden. Der Einsatz von sozialpädagogischen Fachkräften kann im Rahmen von lokalen Präventionskonzepten ein wirksamer Baustein sein. 2. Lernschwache Schülerinnen und Schüler einjähriger Berufsfachschulen sollen - über spezielle Förderangebote - den Hauptschulabschluss erwerben können. 3. Die Hauptschule Vorsfelde der Stadt Wolfsburg führt seit Beginn dieses Schuljahres eine Fördermaßnahme mit Praxisangeboten durch. Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Schulen, die einer besonderen Betreuungsform bedürfen, erhalten praxisorientierte Angebote in einer Kerngruppe. Ziel ist es, dass die Jugendlichen ihre praktischen Fähigkeiten erproben und den Zusammenhang zwischen Lernen und Arbeit hierdurch besser erfahren. Sie sollen später in ihre Schule rückintegriert werden. 4. Dort, wo Schulen in Kooperation mit der Jugendhilfe Nachmittagsangebote entwickeln, ermöglicht dies insbesondere auch schulmüden Jugendlichen neue Perspektiven und Anreize. 5. Es ist zu erwarten, dass die künftige Ausweisung von Fehlzeiten im Zeugnis zum Rückgang unentschuldigten Fernbleibens führen wird. Ein entsprechender Erlassentwurf des MK befindet sich zurzeit im Anhörungsverfahren. Zu 7: a) Jugendwerkstätten gem. 67 Abs. 5 Satz 1 NSchG: Im Schuljahr 1998/99 konnten an 20 Standorten ca. 90 Jugendliche von der Möglichkeit Gebrauch machen, ihre Schulpflicht gemäß 67 Abs. 5 NSchG in einer Jugendwerkstatt zu erfüllen. Diese Plätze wurden vom Land aus Mitteln der Jugendhilfe gefördert. Fünf weitere Jugendwerkstätten, deren Plätze von anderer Seite gefördert werden, führen in Abstimmung mit der zuständigen Schulbehörde ebenfalls Maßnahmen zur Schulpflichterfüllung durch. Die Zahl dieser Plätze im Schuljahr 1998/99 ist nicht bekannt. Jugendwerkstätten, die seit längerem Maßnahmen zur Schulpflichterfüllung anbieten, berichten von guten Erfahrungen mit der Reintegration in Bildung und Beschäftigung. Auch die enge Zusammenarbeit mit der Schule erweise sich als hilfreich. Ein zum Teil noch ungelöstes Problem besteht darin, dass die Träger der Schülerbeförderung für private Einrichtungen keine Schülertransportkosten übernehmen müssen ( 114 Abs. 1 Satz 2 NSchG). Insoweit werden Verhandlungen mit den entsprechenden Schulträgern geführt, die noch nicht überall erfolgreich abgeschlossen sind. b) Andere Einrichtungen gem. 67 Abs. 5 Satz 2 NSchG: Es gibt ca. 75 Jugendliche in diesen anderen Einrichtungen (Betrieb, soziale Einrichtung, Lehrgang etc.). Die Erfahrungen der Bezirksregierungen sind aufgrund der kurzen Zeit der Durchführung und der Anzahl der betroffenen Jugendlichen je Bezirk unterschiedlich. Grundsätzlich wird jedoch die betriebliche Praxisbezogenheit der Ausbildung in anderen Einrichtungen positiv bewertet. Jürgens-Pieper (Ausgegeben am 7. Dezember 1999) 5