Nachbarstreit am Gartenzaun Von Wänden, Bäumen, Büschen und Gerüchen Tag des Eigentums, 17.03.2018 Haus & Grund Mannheim Dr. Andreas Paul
Übersicht Grundlagen Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg (NRGBW) Fall 1 Der Wildgarten Fall 2 Wo ist die Grenze? Fall 3 Wie viel Gartenzaun darf es sein? Fall 4 Der Baum in Nachbars Garten Fall 5 Die Hecke Fall 6 Ich grille, also bin ich 2
Nachbarrecht Grundlagen Nachbarrecht Öffentliches Nachbarrecht Rechtsbeziehung Staat Bürger Überunterordnungsverhältnis Verwaltungsrecht Bsp: Öffentliches Baurecht (Bauordnung) Privates Nachbarrecht Rechtsbeziehung Nachbarn - Nachbar Gleichordnungsverhältnis 903 ff. BGB Nachbarrechtsgesetze der Länder 3
Nachbarrecht BGB Regelungsbereiche 903 BGB Befugnisse des Eigentümers 906 BGB Zufügung unwägbarer Stoffe 910 BGB Überhang 912 BGB Überbau, Duldungspflicht 919 ff. BGB Vorschriften zur Grundstücksgrenze 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch 4
Nachbarrecht BGB 903 BGB Befugnisse des Eigentümers Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Eigentum = umfassende rechtliche Herrschaft über eine Sache (wem gehört die Sache?) Nicht zu verwechseln mit Besitz ( 854 ff. BGB) = tatsächliche Sachherrschaft 5
Nachbarrecht NRGBW Regelungsbereiche 7b NRG BW Überbau 7c NRG BW Überbau wegen Wärmedämmung 7d NRG BW Hammerschlags- und Leiterrecht 11 NRG BW Tote Einfriedungen 12 NRG BW Hecken 16 NRG BW Sonstige Gehölze 23 NRG BW Überragende Zweige 24 NRG BW Eingedrungene Wurzeln 26 NRG BW Verjährung 6
Nachbarrecht NRG BW Anwendungsgrenze Vorrang des Bebauungsplans ( 27 NRG BW) Sofern in einem Bebauungsplan für das betreffende Gebiet Festsetzungen über Böschungen, Aufschüttungen, Einfriedungen, Hecken oder Anpflanzungen getroffen sind, so haben diese Festsetzungen gegenüber den Regelungen des NRG Vorrang. => Dann gelten die Regelungen des NRG als nicht. 7
Fall 1 Der Wildgarten Fall: Eigentümer Grün ist ein großer Wildgartenfanatiker. Er pflegt seinen Garten daher nicht und überlässt es der Natur, sich frei und ungestört zu entfalten. Nachbar Ordnung ist der Zustand des Nachbargartens ein Dorn im Auge. Dadurch wird die Wirkung seines gepflegten Gartens beeinträchtigt und vor allem kommen Laub- und Blüten sowie Wildpflanzensamen zu ihm. Er verlangt von Wild, dass er seinen Garten auf Vordermann bringen solle. 8
Fall 1 Lösung Grundsatz: Eigentümer darf seine Sachen nach Belieben nutzen, also auch eine Wildgarten haben. Voraussetzungen des 906 BGB: Nachhaltige Beeinträchtigung des Eigentums durch Grenzüberschreitende Einwirkung durch unwägbare Stoffe (Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch usw.) Keine unwesentliche Einwirkung Grenzwerte und Richtwerte als Indizien Keine wesentliche, aber ortsübliche Beeinträchtigung 9
Fall 1 Lösung Blüten-/Laubfall und Samenflug als Einwirkungen i. S. d. 906 BGB (+) Grenzüberschreitend (+) Wesentlichkeit der Beeinträchtigung? Objektiver Maßstab: Verständiger Durchschnittsnutzer, nicht subjektive Einschätzung des Betroffenen Duldungspflicht auch bei wesentlichen Einwirkungen, sofern sie ortsüblich sind Kein Abwehranspruch 10
Fall 2 Wo ist die Grenze? Fall: Grundstückseigentümer Recht hat an der Grenze zu seinem Nachbarn Ordnung eine Hecke gepflanzt. Ordnung verlangt die Entfernung, da die Hecke auf seinem Grund stehe. Er wisse dies genau, da einer der Bäume als Markierung diene und seinerzeit von seinem Opa gepflanzt worden sei. Recht wendet ein, die Hecke stünde auf seinem Grundstück. Grenzzeichen sind keine vorhanden. Muss die Hecke versetzt werden? 11
Fall 2 Lösung Grenzzeichen fehlt: Verweis auf bauliche Gegebenheiten? Kein Nachweis des tatsächlichen Grenzverlaufs Liegenschaftskataster/Bauamt? Aktualität problematisch Wiederherstellung fester Grenzzeichen, 919 BGB Vermessung Kostenteilung, 919 Abs. 3 BGB Grenzverwirrung, 920 BGB Abgrenzung nach dem Besitzstand 12
Fall 3 Wie viel Gartenzaun darf es sein? Fall: Eigentümer Verschlossen errichtet an der Grundstücksgrenze zu seinem Nachbarn Neugierig einen blickdichten Zaun mit einer Höhe von 2 Metern. Neugierig findet das absolut nicht in Ordnung und verlangt Entfernung. Zurecht? 13
Fall 2 Lösung 11 NRG BW Tote Einfriedungen (2) Gegenüber sonstigen Grundstücken ist mit toten Einfriedigungen - außer Drahtzäunen und Schranken - ein Grenzabstand entsprechend der Mehrhöhe einzuhalten, die über 1,50 m hinausgeht. Grenze 150 cm 50 cm 200 cm 14
Fall 4 Der Baum in Nachbars Garten Fall: Eigentümer Naturfreund hat 50 cm von der Grundstücksgrenze eine Tanne gepflanzt (aktuell 1,20 m hoch). Die Äste ragen nicht über die Grenze. Sein Nachbar Penibel begehrt die Entfernung des Baumes, da er ihm früher oder später Licht & Luft nehmen wird. Zurecht? Abwandlung: Ändert sich die Beurteilung, wenn der Baum bereits seit 12 Jahren an dieser Stelle steht und die Äste ab einer Höhe von 1 m auf das Nachbargrundstück hinüber-wachsen? 15
Fall 4 Lösung Grundlage: 16 NRG BW - Regelungen zu Abständen zur Grundstücksgrenze für Bäume und Sträucher - Differenzierung nach Art des Gehölzes Ziffer Beschreibung/Beispiele Abstand 1 a Beerenobst, Rosen, Ziersträucher 0,50 m 2 Kern- und Steinobstbäumen, 2 m/1 m 3 Andere Obstbäume 3 m 4 a Mittelgroße/schmale Bäume wie Birken, Erlen, Akazien, Thujen, Weißbuchen, Zierobstbäume 4 m 5 Großwüchsige Arten wie Ahorn, Buche, 8 m Eiche, Esche, Kastanie, Linde, Nadelbäume, Pappeln, Platanen 16
Fall 4 Abstandsermittlung 22 NRGBW (1) Die Grenzabstände werden von der Mittelachse der der Grenze nächsten Stämme, Triebe oder Hopfenstangen bei deren Austritt aus dem Boden, bei Drahtanlagen von Hopfenpflanzungen aber von dem der Grenze nächsten oberen Ende der Steigdrähte ab waagrecht Der Baum ist zu entfernen. gemessen. Grenze 17
Fall 4 Lösung Problem: Kommunale Baumschutzsatzung Keine behördliche Erlaubnis zur Entfernung/ Rückschnitt Baumschutzsatzung der Stadt Mannheim vom 26.11.1996 AG Kerpen (110 C 140/10): Baumschutzsatzung der Gemeinde kann Anspruch des beeinträchtigten Nachbarn nicht verhindern 18
Fall 4 Abwandlung Entfernung Baum Verstoß gegen Abstandsregelungen liegt vor Aber: Verjährung, 26 NRG BW Beseitigungsansprüche nach dem NRG verjähren grundsätzlich nach fünf Jahren Ausnahmen: o Gehölze i. S. d. 16 I Nr. 4/5 NRGBW: Verjährungsfrist 10 Jahre Der Baum steht bereits seit 12 Jahren, Verjährung ist eingetreten, der Baum ist nicht mehr zu entfernen. 19
Fall 4 Abwandlung Entfernung Überhang Überragende Äste Grundlage 910 Abs. 1 S. 2 BGB - Herüberragende Äste und - Angemessene Frist zur Beseitigung Selbsthilferecht nach 910 BGB Zudem: Beseitigungsanspruch nach 1004 BGB und Anspruch auf Ersatz der Kosten nach 812, 818 BGB 20
Fall 4 Abwandlung Umfang des Rückschnitts: Nur bis zur Grundstücksgrenze, nicht darüber hinaus Luftraum bis 3 m, 23 NRG (Obstbäume) Zeitliche Begrenzung, 16 Abs. 3 NRG, 39 Abs. 5 BNatschG Keine Verjährung, 26 Abs. 3 NRGBW (Ausnahme für Hecken, herüberragender Zweige zu hoch gewachsener Gehölze) Grenze 21
Fall 5 Die Hecke Fall: Eigentümer G. Daumen möchte seinen Garten verschönern und pflanzt an die Grundstücksgrenze mehrere Thujen. Diese erreichen schon nach wenigen Jahren eine Höhe von 2,30 m. Sein Nachbar Pennibel fühlt sich durch die Bepflanzung gestört und verlangt ihre Entfernung oder zumindest den Rückschnitt, zumal die Zweige auf seine Grundstücksseite hinüberwachsen. Die Thujen stehen 60 cm von der Grundstücksgrenze entfernt. 22
Fall 5 Lösung Vorfrage: Hecke oder Bäume? Grenze 230 cm 12 NRG BW (1) Mit Hecken bis 1,80 m Höhe ist ein Abstand von 0,50 m, mit höheren Hecken ein entsprechend der Mehrhöhe größerer Abstand einzuhalten. 60 cm Bei 60 cm Grenzabstand Maximalhöhe 190 cm Keine Verjährung, 26 Abs. 3 NRGBW! 23
Fall 6 Ich grille, also bin ich Fall: Eigentümer G. Wütig ist ein begeisterter Griller. Webers Grillbibel kennt er in- und auswendig. Auf seiner Terrasse hat er einen entsprechend großen Holzkohlegrill nebst Smoker und Beefer aufgebaut. Hier frönt er an jedem Wochenende sommers wie winters seinem Hobby. Nachbar G. Nase fühlt sich dadurch belästigt. Rauch und Grillgeruch ziehen stets auf seine Terrasse & weiter in sein Wohn- und Schlafzimmer. Er kann v. a. im Sommer eigentlich nie die Fenster öffnen. 24
Fall 6 Lösung Grundsatz: Mit dem eigenen Grundstück kann der Eigentümer grundsätzlich nach belieben verfahren. Grillen als wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des 906 BGB? Kein generelles Grillverbot Gerichte uneinheitlich Bsp. AG Westerstede (22 C 614/09): Nicht mehr als zweimal im Monat und nicht mehr als zehnmal im Jahr 25
Fazit Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Friedrich Schiller, Wilhelm Tell 26
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Syndikusrechtsanwalt Dr. Andreas Paul Geschäftsführer Haus & Grund Mannheim e. V. 27