rans* TrIQ informiert zum Thema Transgeschlechtlichkeit



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Transkript:

TransInterQueer e.v. rans* TrIQ informiert zum Thema Transgeschlechtlichkeit Hinweise für Ärzt_innen, Psycholog_innen, Therapeut_innen und andere Berufsgruppen aus dem Gesundheitswesen

TrIQ informiert zum Thema Transgeschlechtlichkeit Hinweise für Ärzt_innen, Psycholog_innen, Therapeut_innen und andere Berufsgruppen aus dem Gesundheitswesen Wie reagieren Sie, wenn ein Mensch zu Ihnen kommt, bei dem Sie sich nicht sicher sind, ob Sie ihn mit Frau oder Herr anreden sollen, oder wenn Ihr_e Patient_in Ihnen eröffnet, transgeschlechtlich zu sein? In den letzten Jahren hat die Thematisierung und die Sichtbarkeit transgeschlechtlicher Menschen deutlich zugenommen. Trans*personen gehen zunehmend offen damit um, dass ihre geschlechtliche Identität nicht mit dem äußeren Anschein übereinstimmt und formulieren ihre speziellen Bedürfnisse immer klarer. T Dennoch gibt es viele Situationen, in denen transgeschlechtliche Menschen diskriminierende und verletzende Erfahrungen machen oft ohne dass ihr Gegenüber dies möchte oder überhaupt bemerkt. Diese Broschüre soll Ihnen, die Sie in Ihrer Tätigkeit zwangsläufig mit der besonderen Vulnerabilität transgeschlechtlicher Personen konfrontiert werden, Anregungen geben, wie Sie mit solchen Situationen angemessen umgehen können. Trans* bzw. trans*: Der Begriff Trans*/ trans* wird als Oberbegriff für alle Personen verwendet, für die das gelebte Geschlecht keine zwingende Folge des bei der Geburt zugewiesenen Geschlechts ist. Das Sternchen * ist hier als Platzhalter für diverse (Selbst)Bezeichnungen wie etwa transgender, transidentisch oder -sexuell zu verstehen. (Nähere Definition siehe Begriffserklärungen, Seite 12) Trans* Inhalt 1. Grundlegendes 4 - Gesund oder krank? - Wer ist hier der_die Expert_in? 2. Praktische Anregungen 6 - Anrede - Körperliche Untersuchungen 3. Informationen zum Prozedere 9 der Geschlechtsangleichung - Medizinische und psychotherapeutische Maßnahmen - Juristische Maßnahmen 4. Begriffserklärungen 12 2 3

1 Grundlegendes Gesund oder krank? Machen Sie sich bitte bewusst: Während ICD-10 (F 64.0) und DSM V Transgeschlechtlichkeit weiterhin als psychische Störung listen, empfinden sich transgeschlechtliche Menschen überwiegend als gesund, da sie ihre gewusste und gefühlte geschlechtliche Identität als stimmig empfinden. Das Bundessozialgericht hat bereits 1987 unter Rückgriff auf wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt, dass die selbst empfundene geschlechtliche Identität Vorrang vor dem äußeren physischen Anschein besitzen muss. Nach dem Urteil vom 6. August 1987 ist Transgeschlechtlichkeit per se keine Krankheit. Sie bringt jedoch häufig einen Leidensdruck mit sich, der einen Krankheitswert hat und die Pflicht zur Kostenübernahme durch die Krankenversicherungen begründet (AZ: 3 RK 15/86). Wenn sich ein transgeschlechtlicher Mensch an Sie wendet, um Ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen, dann wünscht dieser Mensch möglicherweise Maßnahmen, die aus Ihrer Sicht die Gesundheit bzw. die körperliche Unversehrtheit gefährden mögen (z. B. Einnahme von Hormonen, chirurgische Maßnahmen). Diese Beurteilung wird jedoch der vorliegenden Thematik unzureichend gerecht, da die psychische und körperliche Gesundheit einer transgeschlechtlichen Person entscheidend davon abhängt, dass den formulierten Bedürfnissen Rechnung getragen wird. Denn der Leidensdruck, der durch den Konflikt zwischen äußerer Erscheinung und geschlechtlicher Identität entstehen kann, kann schwerwiegende physische, psychische und soziale Folgen haben. Wer ist hier der_die Expert_in? G Trans*personen beschäftigen sich sehr häufig schon lange, bevor sie zu Ihnen in die Praxis kommen, mit ihrer Transgeschlechtlichkeit und den Möglichkeiten, Risiken und Auswirkungen der medizinischen Geschlechtsangleichung (Transition). Dies kann dazu führen, dass die Person zu einigen Themen aktuellere Informationen als Sie besitzt, was in Anbetracht der komplexen, im schnellen Wandel begriffenen Debatte um diese Thematik nicht verwunderlich ist und Ihre fachliche Kompetenz nicht in Frage stellt. Im Gegenteil weist das Feststellen von eigenem Informationsbedarf Sie darin aus, Ihren Patient_ innen gerecht werden zu wollen. Wenn Sie anbieten, sich über Transgeschlechtlichkeit näher zu informieren, wird sich dies sicherlich positiv auf das Verhältnis zu Ihrem Gegenüber auswirken und anzeigen, dass Sie Ihre Patient_innen als Expert_innen respektieren. Für viele Fragen hilft neben Fachliteratur oder der Nachfrage bei Vereinen wie TrIQ e.v. eine Recherche im Internet unkompliziert weiter. In Bezug auf die Bestimmung der eigenen Geschlechtsidentität sollte es außer Frage stehen, dass hier jeder Mensch Expert_in in eigener Sache ist. Dies als Selbstverständlichkeit vorauszusetzen, ist eine wichtige Basis für Ihr Verhältnis zu Ihren Patient_innen. 4 5

2 Praktische Anregungen Anrede Achten Sie auf den von dem_der Patient_in verwendeten Vornamen und passen Sie gegebenenfalls die Anrede und das Pronomen an. Sollten Sie sich dabei einmal versprechen, entschuldigen Sie sich einfach kurz, korrigieren Sie sich und fahren Sie fort. Sollten gewünschte Anrede und verwendeter Vorname Ihrer Auffassung nach nicht zusammenpassen, bemühen Sie sich bitte dennoch darum, dem Wunsch Ihres_r Patient_in nachzukommen. Fragen Sie im Zweifelsfall, ob Sie Ihr Gegenüber mit Herr oder Frau oder auf eine andere Art (z. B. mit dem Vor- und Nachnamen) ansprechen sollen. Machen Sie gegebenenfalls einen Vermerk in Ihrer Datenbank, um zu gewährleisten, dass die Person auch von Ihren Mitarbeiter_innen dementsprechend angesprochen und aufgerufen wird. 6 A Körperliche Untersuchungen Primäre und sekundäre Geschlechtsorgane, die Sie eventuell untersuchen müssen, lassen sich für viele transgeschlechtliche Menschen nicht oder nur eingeschränkt in Übereinstimmung mit ihrer geschlechtlichen Identität bringen. In vielen Fällen ist die Begegnung mit Ihnen nicht das erste Erlebnis mit körperlichen Untersuchungen, sondern schließt an eine Reihe von Erfahrungen an, die oftmals als sehr unangenehm, demütigend oder sogar als traumatisierend empfunden wurden (z. B. gynäkologische Untersuchungen bei männlichen Transmenschen, urologische Untersuchungen bei weiblichen Transmenschen). Daher bitten wir Sie um Beachtung folgender Punkte: Beschreiben Sie dem zu untersuchenden Menschen Schritt für Schritt, was Sie tun möchten (Berührungen, Einführen von Instrumenten, etc.) und fragen Sie nach dessen Einwilligung, bevor (!) Sie beginnen, dies zu tun. Fragen Sie den zu untersuchenden Menschen nach persönlichen Sensibilitäten und vermitteln Sie dann deutlich, dass das Gesagte bei Ihnen angekommen ist. Achten Sie verstärkt auf Signale der Patient_innen Untersuchungsmethoden, die bei Ihren nicht transgeschlechtlichen Patient_innen in der Regel kaum Unbehagen verursachen, können für diese Patient_innengruppe traumatisierend sein. Unterscheiden Sie zwischen Ihrem persönlichen und/oder professionellen Interesse und dem eigentlichen Grund der Untersuchung. Denken Sie bitte daran, dass Sie nicht die erste Person sind, die Fragen nach körperlichen Veränderungen, Sexualität etc. an Ihr Gegenüber richtet, und dass diese Fragen von Vielen als Übergriff erlebt werden. Vermeiden Sie Fragen, die nicht medizinisch indiziert sind und überlegen Sie sich, ob Sie dieselben Fragen bei anderen Patient_ innen ebenso stellen würden. 7

3 Hinweis: Es gibt Menschen, die als transgeschlechtliche Patient_innen zu Ihnen kommen, aber körperlich intergeschlechtlich sind. Wenn ein transgeschlechtlicher Mensch Ihnen gegenüber einen Verdacht auf Intergeschlechtlichkeit formuliert, dann handelt es sich um eine aus körperlichen Differenzerfahrungen gewonnene Vermutung. Intergeschlechtlichkeit indiziert rechtlich gesehen ein anderes Behandlungsverfahren. Nehmen Sie es daher bitte ernst, wenn Sie um Überprüfung möglicher Intergeschlechtlichkeit gebeten werden, und überweisen Sie gegebenenfalls an erfahrene Endokrinolog_innen. Informationen zum Prozedere der Geschlechtsangleichung Bei der so genannten Geschlechtsangleichung (nicht -umwandlung ) handelt es sich um ein fachübergreifendes Zusammenspiel von juristischen, psychotherapeutischen und medizinischen Maßnahmen: Sehr viele intergeschlechtliche Menschen haben bereits Erfahrungen gemacht, in denen ihr Körper, insbesondere ihre primären und sekundären Geschlechtsorgane Ziel von Begutachtungen und Eingriffen durch medizinisches Personal waren, welche die körperliche Integrität der Betroffenen und ihre Verfügungsgewalt über den eigenen Körper empfindlich verletzt haben. Für intergeschlechtliche Menschen gelten daher dieselben Handlungshinweise bei körperlicher Untersuchung wie für transgeschlechtliche Menschen. Inter* Medizinische und psychotherapeutische Maßnahmen Für die medizinische Behandlung von Trans*menschen existiert ein Richtlinienkatalog, die Standards der Behandlung und Begutachtung von Transsexuellen (Becker et al. in: Zeitschrift für Sexualforschung 10/1997, S. 147-156). Dieser wurde damals angelehnt an die englischsprachigen Standards of Care der WPATH (früher bekannt als HBIGDA), die im Gegensatz zur über 15 Jahre alten deutschen Fassung seither sechs Mal grundlegend überarbeitet wurden. Auch hier wäre es sicherlich im Sinne Ihrer transgeschlechtlichen Patient_innen, wenn Sie sich über die aktuellen Entwicklungen informieren. Die derzeit in Deutschland für gesetzlich Versicherte geltenden Behandlungsstandards des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.v. (MDS) von 2009 beinhalten folgende medizinischen (nicht rechtlichen) Vorgehensweisen: 8 9

Voraussetzungen zur Einleitung der Hormonersatztherapie (hormone replacement therapy / HRT): die Diagnose Transsexualität nach ICD 10 F64.0, der so genannte Alltagstest mit begleitender Psychotherapie seit mindestens 12 Monaten (im Einzelfall kann auch eine weitmaschige psychiatrische Behandlung ausreichend sein), ein Indikationsschreiben mit Stellungnahme der_des behandelnden Psychotherapeut_in. Voraussetzungen für die Beantragung chirurgischer Maßnahmen: Beginn mit der HRT vor mindestens 6 Monaten eine den Alltagstest begleitende Psychotherapie, die seit mindestens 18 Monaten wahrgenommen wird M Hierbei handelt es sich allerdings nicht um ein strikt festgeschriebenes Vorgehen. Es muss im Einzelfall stets geprüft werden, inwieweit die Behandlungsstandards der individuellen Situation der betreffenden Person gerecht werden bzw. welche Einzelfallentscheidungen notwendig sind. Diese Maßnahmen werden komplett von gesetzlichen sowie privaten Krankenversicherungen getragen. Bei gesetzlichen Krankenversicherungen ist für die Operationen eine vorherige Bewilligung der Kostenübernahme einzuholen. Juristische Maßnahmen I n rechtlicher Hinsicht sind die Änderung des Vornamens und die Änderung des Personenstandes möglich. Die Bewilligung der Änderungen richtet sich nach dem so genannten Transsexuellengesetz (TSG). Zuständig ist hier das örtliche Amtsgericht (für Berlin: Amtsgericht Schöneberg). Dort reicht die antragstellende Person einen formlosen Antrag ein, um das Verfahren zu eröffnen. 10 11

4 Begriffserklärungen Transgeschlechtlichkeit / Trans*: Transgeschlechtlichkeit oder Trans* sind weit gefasste Oberbegriffe für alle Menschen, die nicht oder nicht nur in dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht bzw. der damit verbundenen Geschlechterrolle leben können oder wollen. Hierzu zählen Transsexuelle, Transidente, Transgender, manche Transvestiten, Dragkings und -queens, Cross-Dresser, Tunten und viele mehr. (Letztendlich entscheidend ist dabei selbstverständlich immer die Selbstbezeichnung der betreffenden Person.) Entsprechend bezeichnet cis-geschlechtlich die Menschen, die im ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht leben und sich damit identifizieren (von lat. cis = diesseits, als Gegensatz zu lat. trans = jenseits). Viele Trans*menschen verändern ihren Körper mittels Hormonen und chirurgischer Eingriffe und/oder wählen den Weg der offiziellen Vornamens- und/oder Personenstandsänderung nach dem so genannten Transsexuellengesetz (TSG, Gesetz zur Änderung des Vornamens und des Personenstands in besonderen Fällen, von 1980). Einige Personen, die sich als trans* bzw. transgeschlechtlich definieren, gehen diesen klassischen juristischen und medizinischen Weg nicht oder nur teilweise. Das kann z.b. daran liegen, dass sie die damit einhergehende Pathologisierung ablehnen und ihre gefühlte Geschlechtsidentität daher allein auf sozialer Ebene ausleben. Auch die im Einzelfall erheblichen gesundheitlichen Risiken können zu einer solchen Entscheidung führen. Sie kann aber auf andere Gründe zurückzuführen sein. Wichtig ist: es gibt sehr verschiedene Arten und Weisen, die Transition zu betrachten und durchzuführen. Weitere gängige Trans*definitionen finden Sie beispielsweise in der Broschüre Basiswissen, zum Download bereitgestellt auf der Website von TransInterQueer: http://www.transinterqueer.org/download/publikationen/triq_basiswissen.pdf Transfrau / trans*weiblich: Eine Person, der bei Geburt das Geschlecht männlich zugewiesen wurde, die sich jedoch (eher) weiblich* bzw. als Frau versteht. Transmann / trans*männlich: Ein Mensch, dem bei Geburt das Geschlecht weiblich zugewiesen wurde, der sich jedoch (eher) männlich* bzw. als Mann versteht. 12 13

Unterstrich (Gender-Gap) und Sternchen * Schreibweise und Implikation: Der Unterstrich symbolisiert einen Raum, der zwischen der männlichen und der weiblichen Form im Wort eingefügt wird. Dieser steht für alle geschlechtlichen Identitäten, die in der klassischen Geschlechterbinarität (nur männlich und weiblich) nicht abgebildet werden, weil sie darin nicht benennbar sind. Für viele Menschen ist es wichtig, dementsprechend angesprochen und angeschrieben zu werden (z.b. Sehr geehrte_r Vorname Nachname ). Ausgesprochen wird der Unterstrich meist als kurze Pause wie zwischen zwei Wörtern. Diese Schreibweise setzt sich - nicht nur im wissenschaftlichen Kontext - vermehrt durch und kann daher generell in allen Vordrucken und Dokumenten wie Indikationsschreiben oder Therapieberichten verwendet werden (z.b. er_sie anstelle von er oder sie, Klient_in statt Klient, KlientIn oder Klientin). Mit dieser Schreibweise sind alle Menschen gemeint, unabhängig davon, ob sie sich als als trans*, inter*, weder/noch, nicht-ident, männlich, weiblich oder anderweitig geschlechtlich definieren. Gleiches gilt für das Sternchen (z.b. bei Therapeut*innen oder Frauen* ), das wie bei trans* auf eine Vielfalt hinter diesem Sammelbegriff hinweisen soll - etwa transgender, transident, transgeschlechtlich oder transsexuell. Das Sternchen soll somit auf die Komplexität hinter einer gemeinsamen Benennung verweisen und einen Raum für vielfältige weitere (Selbst-)Definitionen eröffnen. Grundannahme hierbei ist, dass eine veränderte Sprachpraxis materielle Auswirkungen hat und Teil eines diskriminierungsärmeren und -sensibleren Umgangs ist. 14 15

TransInterQueer e.v. Weitere Informationen finden Sie auf www.transinterqueer.org TransInterQueer e.v. Glogauer Str. 19 10999 Berlin Tel: +49 (0) 30 6167 529-16 E-Mail: triq@transinterqueer.org Spendenkonto: TransInterQueer e.v. Konto-Nr.: 100 47 00 Bankleitzahl: 100 205 00 Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE91100205000001004700 SWIFT / BIC: BFSWDE33BER Vereinsregister: Amtsgericht Charlottenburg VR 26673 B 2. aktualisierte Auflage Dez. 2013 - Überarbeitung durch das Team der Trans*Inter*Beratung Berlin Erstellung und Druck dieser Broschüre wurden gefördert durch den dpw und die Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen