DER DÄNISCHE SKLAVENHANDEL

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Transkript:

Firma Schimmelmann und Sohn DER DÄNISCHE SKLAVENHANDEL Von Stefan Winkle Der Siebenjährige Krieg Der Kriegsgewinnler Heinrich Carl Schimmelmann (1724 1782) war Heereslieferant Friedrichs des Großen. Als eiskalter Rechner befürchtete er bei der ungeheuren Übermacht der feindlichen Allianz zu Beginn des Siebenjährigen Krieges ein Debakel der Preußen und versuchte daher, sein Schäfchen noch rechtzeitig ins Trockene zu bringen. Er kaufte von Friedrich, der für seine Kriege Geld und nochmals Geld brauchte, für 120 000 Taler alle von den Preußen beschlagnahmten Lagerbestände der Meißner Porzellanmanufaktur auf. Nach der Schlacht bei Kolin 1757 ließ er noch vor Abzug der preußischen Truppen aus Sachsen das kostbare Gut eiligst in 110 Kisten verpacken und mit Elbkähnen von Dresden über Magdeburg nach Hamburg bringen und versilberte es in einer spektakulären Versteigerung im Juli 1758 in unmittelbarer Nähe der Hamburger Börse. Mit einem Teil des beträchtlichen Erlöses erwarb er das Schloss Ahrensburg. Schloss Ahrensburg Das Misstrauen der Hamburger, die Schimmelmann die Einbürgerung nicht zubilligten, war nur zu berechtigt, denn er wirkte auch weiterhin als preußischer Heereslieferant, nur war es nun noch etwas Wichtigeres als Korn, das er zu besorgen hatte. Bekanntlich finanzierte Friedrich der Große den Siebenjährigen Krieg mit minderwertigen Silbermünzen, die in seinem Auftrage die beiden jüdischen Münzpächter Veitel Ephraim und Itzig Meyer aus Berlin unter Zusatz von billigem Kupfer und Zuhilfenahme sächsischer Stempel mit der zurückdatierten Jahreszahl 1753 in Leipzig prägen ließen. Das Volk nannte die berüchtigten Münzen mit geringem Silberwert Ephraimiten : Von außen schön, von innen schlimm, von außen Friedrich, von innen Ephraim. Schimmelmanns größter Coup Nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges kam es in Dänemark zu einer schweren Wirtschafts- und Handelskrise. Die von Schimmelmann empfohlene Erpressung Hamburgs reichte bei Weitem nicht aus, um die Finanzen des Landes zu ordnen. Gleichzeitig gab es Verluste durch Missernten und eine verheerende Viehseuche. Dänemark musste wieder zu Anleihen und zum Verkauf von Krongütern Zuflucht suchen. Diese Situation ließ Schimmelmann nicht ungenutzt. Im Frühjahr 1763 erwarb er für einen Pappenstiel, d. h. für 40 000 Reichstaler die herabgewirtschafteten königlichen Zuckerrohrplantagen auf den West- Indischen Inseln St. Croix, St. Thomas und St. Jan. In dem Kaufpreis war auch die große königliche Zuckerraffinerie in Kopenhagen inbegriffen. Mit diesem Kauf gelang Schimmelmann der größte Coup seines Lebens. Sklavenschicksale Auch Struensee wird sehr bald über diese Transaktion von den in Altona lebenden Herrnhutern erfahren haben, von denen er auch über den Umgang mit den Negersklaven auf den Zuckerplantagen bestens unterrichtet war. Dafür spricht eine Randglosse in seinem Lieblingsbuch Candide. Es ist die Stelle, wo Voltaire den Titelhelden in der holländischen Kolonie Surinam einen zerlumpten Neger treffen lässt, dem eine Hand und ein Bein fehlen. Wir arbeiten in den Zuckerraffinerien, erklärte der Sklave, und wenn das Mühlrad einen Finger packt, schneidet man uns die ganze Hand ab, und wenn wir die Flucht versuchen, wird uns ein Bein abgehackt... Zu diesem Preis genießt ihr in Europa Zucker. (Candide, 19. Kap.) Struensee dürfte diese Szene besonders berührt haben, denn er versah sie mit der lakonischen, doch vielsagenden Randbemerkung: Wie auf St. Croix oder St. Thomas! Nicht umsonst stellten sich die zum Christentum getauften Neger den Teufel als einen Weißen vor! Hier ein Auszug aus der Sklaveninventarliste einer königlichen Plantage auf St. Croix mit aufschlussreichen Charakteristika: Akra in Eisen, weil er in den Busch weggelaufen war, obgleich er schlechte Beine hat; steht angekettet an der Mühle, um Zuckerrohr einzustecken. Aus einer umfangreichen Textvorlage von Professor Stefan Winkle, dem ehemaligen Direktor des Hygiene-Instituts in Hamburg, wurde dieser Auszug als Vortrag Heines Sklavenschiff und der dänische Sklavenhandel im Verein Heine-Haus e.v. von Dr. Scherf im März 2002 gehalten. 530 häb 12/03

Tobias hat die linke Hand in der Mühle verloren. Martha ist eine Negerin, die zum Eiland St. Jan gehört, verurteilt, zeitlebens in Eisen zu gehen wegen ihrer Teilnahme an der Rebellion dort. Felix mit einem Holzbein, hält Wache in der Plantage. Jaci mit einem Holzbein, hält Wachdienst. Die häufigen Holzbeine waren eine Folge der grausamen Strafjustiz, die auch während der königlichen Ära nicht gemildert wurde. Das Kommerzkollegium verfasste zwar auf Anregung des Ministers Bernstorff einen neuen Sklavenerlass. Da er aber auch Einschränkungen für Pflanzer, d. h. Sklavenhalter, enthielt, schreckte der Generalgouverneur vor einer Publikation zurück. Der Erlass gelangte nie zur Anwendung. Eine Mitarbeit der Herrnhuter Missionare auf den Karibischen Zuckerinseln erschien Schimmelmann nicht als unwichtig, doch für wichtiger hielt er einen geeigneten Stellvertreter, der den festgefahrenen Karren wieder flottmachen sollte. Er schickte daher einen alten Mitarbeiter, Johann Jacob Lobeck, den er seit seiner Dresdner Akzise- Zeit mit heiklen Aufgaben betraut hatte, als eine Art von Statthalter auf die Zuckerinseln. Nach kurzem Aufenthalt berichtete Lobeck über Dürre, Mangel an Trinkwasser, Viehsterben, Desertionen, Negerunruhen und seuchenhaft um sich greifende Erkrankungen. Die Leute sterben hier wie die Fliegen. Die Ausfälle an Arbeitskräften mussten daher laufend ersetzt werden. Auch Lobeck sah sich gezwungen, neue Sklaven aus Afrika hinzuzukaufen, denen man weiterhin die Eigentumsmarke einbrannte. Aus einem seiner Berichte an Schimmelmann ist zu ersehen, dass er von einem Schiff des Kopenhagener Kaufmanns Niels Ryberg (1725 1804) 50 Stck Sklaven für 12 000 Reichstaler gekauft hat, dann nochmal siebenundzwanzig. Von einem anderen Schiff kaufte er neunzehn Männer und elf Weiber für 6 000 Reichstaler. Aber das reichte noch nicht: Der Herr Capitän Schopen hath noch 116 Stck Neegers in Kauf, welche sich auf 5000 L Sterling belaufen werden... Wenn 2 bis 3 Plantagen in guten Stand gebracht werden sollen, um in 3 bis 4 Jahren schon Nutzen von ihnen zu ziehen, gehören viele Neger dazu. Schimmelmann stimmte dem zu und autorisierte Lobeck, die erforderlichen Neger anzukaufen. Der Dreieckshandel Doch auf Dauer konnte sich Schimmelmann mit dem Kauf von Sklaven aus zweiter Hand nicht begnügen. Wozu hatte er in Ahrensburg Kattunund Branntweinfabriken errichten lassen? Gehörten doch bunter Kattun und billiger Schnaps zu den klassischen Handelsgütern für den Sklavenkauf an der Westafrikanischen Küste. Zu jener Zeit, als man im Sinne der Doppelmoral von Gott zu sprechen pflegte, insgeheim aber an Kattun dachte, dämmerte es Struensee, dass der Branntwein, den er als Arzt bisher vor allem als Wegbereiter der Geschlechtskrankheiten bekämpfte, auch noch mit einem anderen Krebsübel verbunden war: dem Sklavenhandel. Wurde er doch als Physikus einer Hafenstadt oft von erkrankten Mitgliedern verschiedener Schiffsbesatzungen aufgesucht, gelegentlich auch von Schiffskapitänen, die an Transatlantikfahrten beteiligt waren, und erfuhr so von ihnen, dass Branntwein nicht nur für den inneren Markt hergestellt würde, sondern im Rahmen des ominösen Dreieckshandels auch für die Negerhäuptlinge an der Westküste Afrikas als Tauschobjekt für Sklaven. Bereits die einstigen Bezeichnungen eines Teils der westafrikanischen Küste, wie Pfefferküste, Elfenbeinküste, Goldküste und Sklavenküste ließen mit unverhohlenem Zynismus erkennen, was die Europäer dort gesucht und gefunden haben. Die Portugiesen und Spanier waren zwar die ersten Sklavenhändler, die Briten aber verliehen diesem Gewinn bringenden, mit dem Kainsmal des Brudermordes gezeichneten Gewerbe den letzten Schliff. Der Sklavenhandel war eine Operation, die mit einem Schlag drei dringende Probleme der expandierenden Wirtschaft Europas und seiner Kolonialpolitik zu lösen vermochte. Er versah die weißen Plantagen- und Grubenbesitzer Amerikas mit einem gleichmäßig fließenden Strom billiger Negersklaven. Er bescherte den europäischen Metropolen nicht nur exotische Güter, sondern vor allem billige Rohstoffe in Hülle und Fülle und eröffnete zugleich den europäischen Manufakturen neue Absatzmärkte für ihre Fabrikate. Die großen Unternehmer des Sklavenhandels europäische Schiffsreeder und Bankiers ersannen zu diesem Zweck den berüchtigten Dreieckshandel. Ihre Schiffe brachten Kattun, Branntwein und Plan eines Sklavenschiffs Flinten an die Küste Westafrikas. Das war die eine Seite des Dreiecks.Dort tauschte man die erwähnten Waren gegen Negersklaven ein und brachte diese über den Atlantik. Das war die zweite Seite des Dreiecks. In Westindien und in den Südstaaten von Amerika verkaufte man die Neger an die dortigen Plantagenbesitzer. Mit dem Erlös handelte man vor allem Zucker und Baumwolle ein und brachte diese Rohstoffe nach England, Frankreich oder Dänemark, wo sie zu Rum und Textilien verarbeitet wurden. Damit schloss sich das Dreieck zu einem wahren Teufelskreis, in welchem fortlaufend Flinten, Schnaps und Kattun in Sklaven, Sklaven in Zuckerrohr und Baumwolle, Zucker und Baumwolle in Rum und Textilien und diese samt Flinten wieder in Sklaven verwandelt wurden, woran die an der Sklavenjagd beteiligten Häuptlinge in Angola, die Zuckerrohr- und Baumwollpflanzer in Übersee sowie Fabrikanten, Reeder und Sklavenhändler im christlichen Abendland profitierten. Als die Entwicklungstechniker des Sklavenhandels perfektionierten die Briten den Bau von Sklavenschiffen. Diese hatten 1,50 Meter hohe Laderäume, die horizontal durch provisorische Zwischendecks unterteilt waren. In diese Fächer, jeweils zu zweit aneinander gekettet, mussten die Gefangenen kriechen. Sie wurden buchstäblich wie Sardinen nebeneinander gepackt, konnten nicht auf dem Rücken liegen, geschweige denn in den Fächern, in die sie eingezwängt wurden, sich erheben. Nur ein paar Stunden am Tag durften sie paarweise angekettet an Deck gehen, sofern das Wetter es erlaubte. Wenn Seuchen ausbrachen oder die Luftlöcher wegen des Wetters geschlossen gehalten wurden, fand sich der Lebende mitunter an den inzwischen Verstorbenen häb 12/03 531

532 Plantage Mary s Fancy auf St. Croix gekettet. Es gibt erschütternde Zeichnungen über diese teuflische Rationalisierung der Beladungsart von Sklavenschiffen, bei der mindestens 30 Prozent der Neger die fünf bis acht Wochen dauernde Überfahrt nicht überlebten. Sechshundert Neger tauschte ich ein spottwohlfeil am Senegalflusse. Das Fleisch ist hart, die Sehnen sind stramm, wie Eisen vom besten Gusse. Ich hab zum Tausche Branntwein, Glasperlen und Stahlzeug gegeben, gewinne daran achthundert Prozent, bleibt mit die Hälfte am Leben Verschone ihr Leben um Christi will:n, der für uns alle gestorben! Denn bleiben mir nicht dreihundert Stück, so ist mein Geschäft verdorben. *) Im Sklavenschiff Brookes standen z. B. an Stauraum folgende Flächen zur Verfügung: Für einen Mannssklaven 182 x 41 cm, für einen Weibssklaven 177 x 41 cm, für einen Jungen 152 x 36 cm, für ein Mädchen 137 x 30 cm. Allein aus Liverpool, das sein Aufblühen dem Sklavenhandel verdankte, und von dem es hieß, seine Gassen seien mit Negerschädeln gepflastert, gingen 1771 nicht weniger als 105 solcher Sklaventransporter nach Westafrika, um Neger einzukaufen; aus Bristol in demselben Jahr 25, aus London 58, also nahe an 200 Fahrzeuge, die mehr als 46 000 Schwarze an Bord nahmen, deren Wert mit englischen Fabrikaten bezahlt wurde. Werner Sombart zitiert in seiner Geschichte des modernen Kapitalismus eine Statistik über den Sklavenhandel. Demnach wurden jährlich aus Afrika verschleppt: durch den christlichen Sklavenhandel rund 400 000 Neger, durch den mohammedanischen Sklavenhandel rund 100 000 Neger, *) Aus Heinrich Heine: Das Sklavenschiff häb 12/03 insgesamt also jährlich 500 000 Neger. Von den 400 000 Objekten des christlichen Sklavenhandels gingen 280 000 während des Transportes und des ersten Jahres der Sklaverei zu Grunde, sodass nur 120 000 schließlich zur Verfügung blieben. Verschiedene Historiker schätzen die Gesamtzahl von Afrikanern, die vom 16. bis 19. Jahrhundert nach Amerika verschleppt wurden, auf 15 bis 20 Millionen. Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts gab es an der afrikanischen Westküste 40 europäische Befestigungen oder Faktoreien mit Gefängnissen für die Aufbewahrung der Sklaven bis zu ihrem Abtransport. Darunter zählte man vierzehn englische, fünfzehn holländische, drei französische, vier portugiesische und vier dänische Faktoreien. Unter letzteren waren die bekanntesten Fort Christiansborg und Fort Fredensborg an der Goldküste. Abbé Raynal hat Recht, wenn er meinte, die einleitenden Worte Mit Gott in den Kontobüchern der Sklavenhändler muten wie Blasphemie an. Auch wirke es grotesk und makaber, wenn man in den Logbüchern von Reedereien, die vor allem Sklavenhandel betrieben, genaue Anweisungen findet, wie oft die Schiffsmannschaft am Tage zu beten hätte, wobei ihr zugleich untersagt wird, zu fluchen oder gotteslästerliche Reden zu führen, um nicht den Zorn des Himmels auf die kostbare Fracht zu lenken. Fast im gleichen Atemzuge ordnete man mit eiskalter Sachlichkeit und peinlicher Genauigkeit an, wie die Negersklaven sofort nach ihrem Erwerb durch das Einbrennen eines Reedereisiegels kenntlich zu machen sind, damit die Eingeborenenhäuptlinge während des zwangsläufig längeren Aufenthalts an ihrer Küste nicht die Möglichkeit haben, bereits verkaufte, gesunde und kräftige Sklaven insgeheim gegen kranke und schwächliche umzutauschen. Mit Musikveranstaltungen auf den Sklavenschiffen hoffte man, nicht nur die Lebensgeister der Gefangenen aufzufrischen, sie dienten zugleich der Mannschaft, für die die schwarzen Sklavinnen als Lustobjekte oft Freiwild waren, zur sexuellen Befriedigung. Musik! Musik! Die Schwarzen solln Hier auf dem Verdecke tanzen. Und wer sich beim Hopsen nicht amüsiert, Den soll die Peitsche kuranzen Der Büttel ist maître des plaisirs Und hat mit Peitschenhieben Die lässigen Tänzer stimuliert, Zum Frohsinn angetrieben. *) Der englische Schiffsarzt Falconbridge, der auf Sklavenschiffen oft Dienst tat, berichtet darüber: Auf einigen Schiffen gestattet man den Matrosen Beziehungen zu Negerinnen..., manche dieser Frauen springen über Bord und ertränken sich. Oft fallen sie den Haien zum Opfer. Den Offizieren ist es erlaubt, hemmungslos ihren Leidenschaften nachzugehen; sie machen sich manchmal so brutaler Exzesse schuldig, daß sie die menschliche Natur in Verruf bringen. Kein Wunder, dass es an Bord der Sklavenschiffe oft zu Revolten kam, die aber meist in Blut erstickt wurden. Der Sklavenhandel verändert Afrika Der Sklavenhandel bewirkte einen grundlegenden Wandel im Leben der afrikanischen Völker. Ein jahrhundertelanger Kleinkrieg begann, in dem es in erster Linie darum ging, so viel Gefangene wie möglich bei Nachbarstämmen zu machen, um die Nachfrage der weißen Sklavenhändler nach der Ware Mensch zu befriedigen. Die Sklavenjagd wurde zur gewinnintensivsten Betätigung, versprach den Häuptlingsfamilien und ihren Vasallen schnellen Reichtum. Der Sklavenhandel versetzte die betroffenen Gebiete in einen permanenten Kriegszustand. Jedes an der Küste auftauchende Sklavenschiff löste eine Kette von unvorstellbaren Grausamkeiten aus. Einer der Sklavenhändler, der aus Elsfleth an der Weser stammende Ludwig Römer (1714 1776), der 14 Jahre lang als Oberkaufmann in dänischen Diensten in Guinea tätig gewesen war, gehörte zu den wenigen, die sich der Schuld bewusst wurden, die sie durch die Ausübung ihres grausamen Gewerbes auf sich geladen hatten. Er verfasste ein Buch über Guinea, zu dem ein hoher Geistlicher das Vorwort geschrieben hat, Erich Pontoppidan (1698 1764), Bischof von Bergen und zugleich Vizekanzler der Universität Kopenhagen. Römer war zu der Überzeugung gelangt, dass die Europäer die schlimmsten Unmenschlichkeiten und Verwüstungen dadurch heraufbeschworen und ermöglicht hätten, dass sie den küstennahen Häuptlingen Flinten und Schießpulver verkauften:

Itzo aber läßt sich diese Sache nicht ändern; will der eine nicht, so will der andere. Bey der Handlung ist etwas zu verdienen und der Eigennutz verleitet uns Europäer, daß wir mit Mördern und Dieben Gesellschaft machen und an ihren bösen Handlungen Theil nehmen. Die Schlussfolgerung aus diesem Teufelskreis läßt Römer einen Eingeborenen ziehen, der ihm erklärt: Ihr Blanken (d. h. Weißen) habt alles, was böse ist, bey uns eingeführt; hätten wir wohl je daran gedacht, einer den anderen zu verkauffen, wenn ihr nicht als Käufer zu uns gekommen wäret? Die Begierde, welche wir zu euren bezaubernden Waaren und Brandwein haben, verursacht, daß kein Bruder dem anderen und kein Freund dem anderen, ja, kein Vater seinem Sohn mehr trauen kann.... Dänische Karibik Mit den dänischen Stapelplätzen für Negersklaven an der Küste Guineas und seinen Plantagen auf den Zuckerinseln in der Karibik waren für Schimmelmann die auswärtigen Eckpfeiler für den Dreieckshandel gegeben. Als gelehriger Schüler der Engländer hat er sogar seine Lehrmeister übertroffen, indem er als organisatorisches Genie alle drei Phasen des transatlantischen Dreieckshandels in einer Hand vereinigte. War er doch in einer Person Fabrikant, Plantagenbesitzer und Sklavenhändler. Christian Degn hat in seiner großartigen Monographie (Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel Gewinn und Gewissen) eindrucksvoll dargestellt, wie Schimmelmann durch sein Engagement im atlantischen Dreieckshandel ein wahres Wirtschaftsdominium schuf. Doch den Einstieg in das schmutzige Geschäft des Sklavenhandels unternahm er sehr behutsam, fast ebenso unbemerkt, wie er einst auch seine Münzmanipulationen betrieb und wie er Hafenplatz von Christiansted auf St. Croix auch stets seine Aktienspekulationen auf der Börse durchzuführen pflegte. In den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts wurde St. Thomas zum Freihafen erklärt. Die dänischen Zuckerinseln wurden bald der Stapelplatz für Waren aus den französisch-westindischen Kolonien, und die Kopenhagener Kaufleute trieben von hier aus einen einträglichen Transithandel. Der westindische Handel, der bisher ein wenig Gewinn bringendes Geschäft gewesen war, nahm mächtigen Aufschwung und wurde bald zur wichtigsten Reichtumsquelle des Kopenhagener Kaufmannsstandes. 1754 wurden von Westindien nur sieben Schiffsladungen Zucker nach Europa eingeführt; die gesamte Jahresproduktion bestand bloß aus einigen tausend Fässern Zucker. Dann machte die Kultivierung der Inseln (d. h. die Zuckerrohrplantagen) bedeutende Fortschritte, und so stieg auch die Anzahl der Sklaven, sodass sie in den sechziger Jahren doppelt so groß war. Man zählte damals auf allen Inseln rund 17 000 Sklaven. Aus britischen Quellen weiß man, dass ein Sklave an der Guinea Küste um 1660 etwa 5 (Pfund Sterling) kostete, um 1710 bereits 10, 1750 dann 15 und 1786 sogar 27. Der zunehmende Sklavenbedarf auf den Plantagen trieb die Preise in die Höhe. Schimmelmann, der geradezu einen sechsten Sinn für Unternehmergewinn hatte, stieg während dieses konjunkturellen Aufschwungs Mitte der sechziger Jahre in den Sklavenhandel ein. St. Thomas wurde zum Hauptumschlagplatz Westindiens für afrikanische Sklaven. Mit seinen karibischen Zuckerplantagen war er zugleich einer der größten Sklavenhalter jener Zeit. Zugleich bewältigte er als Reeder mit seinen eigenen Schiffen den Dreieckshandel. Bezüglich des Sklavenhandels fragte Abbé Raynal (1713 96) zu Recht: Gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Räuber und einem Sklavenhändler, der in seinem Kontor mit der Feder in der Hand die Anzahl der Freveltaten, die er an der Küste von Guinea begehen lassen will, überschlägt? Fort Fredensborg an der Goldküste Westafrikas Mohren für Europa Um die Produktivität auf seinen karibischen Plantagen zu steigern, beschloss Schimmelmann, intelligent erscheinende junge Neger in verschiedenen Handwerken ausbilden zu lassen, um sie dann auf den überseeischen Besitzungen als Vorarbeiter einzusetzen. 1765 schrieb der Plantageninspektor Lobeck von St. Croix an Schimmelmann: Der Vorschlag wegen Anlernung junger Neeger zu diversen Handwerkern findet zwar seine Schwierigkeit, dennoch wird Capitain Schopen 8 Stück mitbringen, die er ausgesucht und die ihm zur Erlernung von Handwerken am bequemsten zu sein scheinen. Gleichergestalt wird er einen hübschen Neeger-Jungen für die gnädige Frau Baronesse mitnehmen. Die sieben jungen Neeger wurden zur entsprechenden handwerklichen Ausbildung nach Ahrensburg gebracht, wo sie unter der ländlichen Bevölkerung großes Aufsehen erregten. Als um die Jahreswende 1765/66 Schleswig-Holstein von einer schweren Pocken-Epidemie heimgesucht wurde, schrieb Schimmelmann geradezu beschwörend an den dortigen Gutsverwalter Heydrich: Besonders befürchte ich die Folgen wegen der Schwarzen, denn diese Leute sollen viel schwerer davonkommen Versprechen Sie demselben (gemeint war Dr. Curtius), für jeden Schwarzen 5 Reichstaler, so er sie durch die Blattern bringt. Der Ahrensburger Chirurg, Dr. Carl Friedrich Curtius, gehörte zu den Ärzten, denen Struensee fünf Jahre zuvor die Sutton sche Methode der Inokulation beigebracht hatte. Die Neger-Purschen, wie sie in Ahrensburg genannt wurden, überstanden sowohl die Impfung als auch die Epidemie. häb 12/03 533

534 Der in dem oben zitierten Schreiben erwähnte hübsche Neeger-Junge für die gnädige Frau Baronesse hatte natürlich ein ganz anderes Schicksal als die übrigen Purschen, auch wenn er weiterhin ebenfalls im Sklavenstand verblieb. In einer Welt des Scheins diente er dem gesellschaftlichen Prestige als Statussymbol, mit dem man Eindruck machen konnte. Da Schimmelmann als der bedeutendste Sklavenhalter des dänischen Reiches galt, wandte man sich zur Befriedigung dieses gesellschaftlichen Prestigebedürfnisses von den verschiedensten Seiten an ihn. So lautete eine dienstbeflissene Anweisung, die er seinem Neffen in Westindien zukommen ließ: Da der König (Christian VII.) zwey recht schöne Neegers von 4 und 8 Jahren haben will, so bringe die zwey schönsten von allen seinen Negern mit. Bei einer anderen Gelegenheit teilte er aus Hamburg seinem Prokuristen mit, dass der soeben eingetroffene Neegerknabe Peter für die Herzogin von Mecklenburg bestimmt sei und da sie sich in Hamburg aufhielte, solle der Knabe mit dem allerersten Schiff nach Lübeck abgeschickt werden, von wo er ihn selbst abhole. Da in immer mehr vornehmen und reichen Häusern schwarze Diener anzutreffen waren, versuchte man peinlichst zu verhindern, dass es zwischen ihnen und den weiblichen Bediensteten, auch wenn es sich um Leibeigene handelte, zu intimen Beziehungen kam. Eine Eheschließung zwischen einem Kammermohren und einem leibeigenen Kammermädchen erschien daher zunächst als unvorstellbar. Die abenteuerlichsten Rassenvorurteile spielten dabei eine Rolle, wobei man den Negern vor allem eine animalische Sinnlichkeit unterstellte, wovon uns eine Kostprobe in der Zauberflöte erhalten ist, und zwar in der Gestalt des bösen, heimtückischen und lüsternen Mohren Monostatos, der Pamina ständig belästigt. Struensees kurzes Verbot des Sklavenhandels häb 12/03 Heinrich Carl Schimmelmann; über dem Rahmen das freiherrliche Wappen Ab dem 4. Mai 1770 begann Struensee Kabinettsordern im Namen des Königs zu erlassen. Im Zuge dieser Reformen waren diesem sogar die Ärmsten der Armen, die völlig rechtlosen Negersklaven auf den dänischen Karibikinseln (St. Thomas, St. Croix und St. Jan) seiner Fürsorge nicht entgangen. Obwohl die Willkürherrschaft und die Gesundheitsverhältnisse auf den drei Inseln als geradezu mörderisch galten, zählte man dort zur Zeit der Thronbesteigung Christian VII. rund 17 000 Sklaven. Struensee verbot zunächst den Sklavenhandel mit den Kolonien, was ein schwerer Schlag für Schimmelmann war. Daraufhin ließ er über die Kanzlei dem Generalgouverneur Dänisch-Westindiens, Generalmajor Peter Clausen (1721 1784), der ein wahres Schreckensregiment ausübte, mitteilen, dass auch auf den Inseln peinlichst nach den dänischen Gesetzen verfahren werden müsse. Da nach Clausens Antwortschreiben die Strafen für Negersklaven bei Diebstahl und sonstigen Verbrechen noch verschärft werden sollten, veranlasste Struensee, dass der hartherzige Generalgouverneur durch den menschlicheren Ulrich Roepstorff (1735 1821) abgelöst und die Gerichtsbarkeit über die Neger genau abgegrenzt werden sollte. Zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse und Senkung der enorm hohen Sterblichkeit setzt er als Kommerz-Intendanten auf den Westindischen Inseln einen tüchtigen Arzt, Johann Friedrich Heinrich (1730 1808) ein. Zugleich hofft Struensee, mit Hilfe der Herrnhuter das Los der auf den Zuckerplantagen beschäftigten Neger menschlicher zu gestalten. Er wusste damals noch nicht, dass auch die Herrnhuter in der Zwischenzeit, ähnlich wie einst die Franziskaner, durch Schenkungen immer mehr korrumpiert worden waren. Schließlich bestanden sie sogar darauf, selbst Sklaven zu haben und betrachteten diese als einen unerlässlichen Teil ihres Anwesens. Diese mussten ihnen bei Tische aufwarten und ihnen in den Werkstätten Dienste leisten. Die Blütezeit des Handels Nach Struensees Sturz wurde auch der Sklavenhandel sogleich wieder zugelassen und Schimmelmanns atlantischer Dreieckshandel erlebte eine ungeheure Konjunktur. Seine Blütezeit erreichte der dänische Sklavenhandel während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, da infolge der Feindseligkeiten zwischen England und Frankreich und den nordamerikanischen Kolonien die europäischen Schiffahrtsnationen keine Handelsschiffe in die Karibik zu schicken wagten, was Schimmelmann die einmalige Möglichkeit bot, über den Sklavenhandel in jener Region alleine zu disponieren. Die 1776 verkündete amerikanische Unabhängigkeitserklärung bezog sich nicht auf Neger. Zwischen Juli 1777 und Ende Oktober 1789 wurden an der Guineaküste in den dänischen Handelsplätzen über 12 000 Negersklaven nach Nordamerika und Westindien verfrachtet. Es läuft einem kalt über den Rücken, wenn man Schimmelmanns diesbezüglich Korrespondenz mit seinem Neffen Heinrich Ludwig liest: Mein lieber Neveu!", schreibt er 1778. Ich bin so glücklich gewesen, Etatsrath Heinrich zu persuadiren (überreden), auf einige Jahre nach St. Thomas zu gehen, die dortige Handlung und das Zollwesen auf einen soliden Fuß zu setzen und zu gleicher Zeit mit denen Herren Regierungs- Räthen auf St. Croix zu überlegen, ob nicht von St. Thomas aus der Handel mit Sklaven nach den spanischen und französischen Inseln gleichfalls zu etabliren und deshalb beständig einigen Vorrath von Negern auf einer wohlfeil zu erkaufenden Plantage vorräthig zu halten möglich zu machen seyn möchte. In einem weiteren Brief wiederholt er den gleichen Gedanken: Der Sclavenhandel liegt mir sehr am Herzen, und ich ersuche dich auf das allernachdrücklichste, mit dem Etatsrath Heinrich den Handel auf solchen Fuß zu setzen und einzurichten, daß Dänemark ohne Schaden bleibt und den Handel fortzusetzen im Stande ist. Da die französischen und spanischen Eyländer (Inseln) sehr viele Sclaven nöthig haben, so sollte ich glauben, daß man dahin Sclaven verkaufen könnte Ich recommandire Dir diese mir sehr am Herzen liegende Handlung nochmals auf das allerbeste.

Auf dem konjunkturellen Höhepunkt des dänischen Überseehandels 1778 gründete Schimmelmann in Kopenhagen die Königlich Oktroyierte Dänisch-Westindische Handelsgesellschaft, die in Wirklichkeit auf Sklavenhandel und Sklavenarbeit beruhte. Clausen, den Struensee absetzen wollte und der noch immer Generalgouverneur von Dänisch-Westindien war, sprach bereits 1776 in einem Brief an Schimmelmann in seiner derb-primitiven Art ganz offen aus, dass es bei der projektierten Gesellschaft um Sklavenhandel geht: Ich vernehme, daß ich wieder eine neue Aufgabe kriege, welche ist Sklavenhandel für Seine Majestät den König. Doch der Gewinn solle nicht dem König, sondern vor allem Schimmelmann zufließen. Schimmelmann übertraf nämlich seine englischen Lehrmeister bei Weitem, indem er die unterschiedlichen Phasen des ominösen Dreieckshandels in eigene Regie nahm. Er war zugleich Plantagenbesitzer und Sklavenhalter auf den karibischen Inseln, ferner war er Fabrikant von Gewehren, Kattun und Schnaps, den drei klassischen Waren, für die Negerhäuptlinge an der westafrikanischen Küste und schließlich einer der erfolgreichsten Sklavenhändler, der durch Menschenjagd eingefangene Neger aus Westafrika auf eigenen Schiffen nach St. Thomas verschleppen ließ, um sie auf seinen Plantagen einzusetzen oder an die Engländer, Franzosen oder Spanier zu verkaufen. Obendrein war er Gründer und Direktor der Dänisch-Westindischen Handelsgesellschaft, die ihre Gewinne aus Sklavenarbeit und Sklavenhandel bezog und zu deren Aktionären so ehrenwerte Herren gehörten wie der Hauptpastor der deutschen Petri-Kirche in Kopenhagen, Balthasar Münter (1735 1793), der mit seiner von Halbwahrheiten strotzenden Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen Johann Friedrich Struensee (Kopenhagen 1772) einen Bestseller geschrieben und damit ein Vermögen verdient hatte. Zum Direktor dieser ominösen Aktiengesellschaft als auch der 1781 gegründeten und nicht minder suspekten Ostseeisch-Guineischen Handelsgesellschaft machte Schimmelmann seinen Sohn Ernst. Degn schildert sehr eindrucksvoll, wie vorsichtig und raffiniert Schimmelmann bei allen seinen suspekten Finanzmanipulationen vorzugehen pflegte. Als noch während der kriegsbedingten Konjunktur des dänischen Sklavenhandels bereits von Friedensverhandlungen gemunkelt wurde, sah Schimmelmann einen baldigen Kursverfall voraus. Da noch steigende Tendenz vorherrschte, entschloss er sich, seine Aktien vorsichtig zu verkaufen. Da es sich nicht um Namensaktien handelte, ahnte man nicht, aus welcher Quelle die Aktien auf dem Markt erschienen. Wäre es ruchbar geworden, dass ein so schlauer Finanzmann wie Schimmelmann seine Aktien losschlug, wären die Käufer stutzig geworden. Sein Prokurist und Vertrauter Gondolatzsch, der durch verschiedene Börsenjobber den Käuferoptimismus anfachen ließ, verkaufte im Laufe von 14 Tagen (vom 7. 21. Sept.1781) für 66 165 Reichstaler (Rt.) westindische Aktien. Am 15. September schrieb er an Schimmelmann, es herrsche ein Käuferenthusiasmus, der bis zur Raserei gehe. Ich fahre im Verkauf fort und beobachte ferner die mir gestellte Regel, auf einmal nicht zu viel zu verkaufen und nach jedem kleinen Verkauf die folgenden Aktien höher zu halten. Am 31. Oktober meldete Gondolatzsch, er habe nochmals 40 westindische Aktien zu je 600 Rt. verkauft. Schimmelmanns Anweisung, er solle versuchen, noch weitere 100 Stück zu 650 loszuwerden, konnte er nicht mehr erfüllen, da das von Schimmelmann vorausgesehene Absinken der Kurse einsetzte und niemand mehr kaufen, sondern alle nur noch verkaufen wollten. Am 19. Oktober musste der englische General Cornwall bei Yorktown vor den gemeinsam kämpfenden Franzosen und Amerikanern kapitulieren. Baron Schimmelmann erlebte nicht mehr den Frieden zwischen England, Frankreich, Spanien und den Vereinigten Staaten, der nach langen Verhandlungen erst 1783 zu Versailles geschlossen wurde und mit dem sich wie er mit Recht befürchtete Dänemarks glänzende Handelsperiode ihrem Ende zuneigte. Denn nach dem Friedensschluss konnten sich die Engländer wieder mit geblähten Segeln in den transatlantischen Handel einschalten. Baron Schimmelmann war bereits am 15. Februar 1782 gestorben. Geschäftsrückgang unter Schimmelmanns Sohn, dem ehrenwerten Sklavenhändler Ernst Schimmelmann Sein Sohn Ernst Schimmelmann musste unter viel ungünstigeren Auspizien das verwegene Werk seines draufgängerischen Vaters fortführen. Es berührt merkwürdig, wenn man erfährt, dass Schimmelmanns Sohn, der allgemein nur als großmütiger Mäzen Schillers, ferner als Verfasser eines Reformplanes über die Gewinnbeteiligung von Negersklaven auf den eigenen Zuckerplantagen und nicht zuletzt als Initiator des vielgerühmten dänischen Sklavenhandelverbotes aus dem Jahre 1792 bekannt ist, in Wirklichkeit zunächst ein engagierter Sklavenhändler und raffinierter Spekulant war, allerdings ohne die fortune seines Vaters, was aber nicht an seinem edlen Charakter, sondern vor allem an der völlig veränderten politischen und wirtschaftlichen Konstellation lag. Ernst Schimmelmann, der noch zu Lebzeiten seines Vaters Direktor der Dänisch- Westindischen als auch der Ostseeisch- Guineischen Handelsgesellschaft war und bald nach dessen Tod (1782) zum dänischen Kommerzminister ernannt wurde, setzte sich noch vor Anerkennung der Unabhängigkeit der 13 Vereinigten Staaten durch England beim Friedensabschluss in Paris ganz im Sinne seines Vaters für die Intensivierung des Sklavenhandels mit den spanischen Kolonien ein. In Anbetracht der dänischen Neutralität war das ein höchst gefährliches Unternehmen, da sich England mit Spanien seit 1779 im Kriegszustand befand. Doch Ernst Schimmelmann war sogar am Handel mit den kriegsführenden Franzosen interessiert. Die diesbezüglichen Verhandlungen, von denen die Engländer nichts erfahren durften, führte er unter größter Geheimhaltung. So bat er in einem vertraulichen Schreiben an Etatsrat Hellfried in Madrid um Auskunft, ob und wie man die Engländer vom spanischen Sklavenmarkt verdrängen könnte: Ew. Hochwohlgeboren wird es vielleicht bekannt seyn, daß einer der ersten Handlungs-Gegenstände der hiesigen Ostsee und Guinea-Compagnie der Neger-Handel ist, zu welchem sie 20 Schiffe schon jetzt expediert und in Fahrt häb 12/03 535

536 hat. Mein seliger Vater und ich haben mit dem französischen Hofe eine Convention geschlossen und an die Ostsee-Compagnie cediert, vermöge welcher diese nicht allein wegen des gegenwärtigen Krieges, sondern auch noch 6 Monate nach geschlossenem Frieden das Recht hat, Neger-Sclaven nach den Französischen Inseln in Amerika zu bringen. Da aber doch dieses in Friedenszeiten wegfällt, so wäre es sehr gut, wenn man noch andere Wege finden könnte, durch welche die Compagnie Debit (Absatz) ihrer Sclaven hätte, und dieses könnte vielleicht in den spanischen Besitzungen auf dem festen Lande in America stattfinden. Ich kenne die Art, die diese Gegenden mit Negern versehen werden, nicht en détail, nur ist mir gesagt, daß vor Ausbruch des Krieges die Engländer die Sclavenlieferung dahin gehabt haben. Was Degn weiter über die dunklen verantwortungslosen Geschäfte des zum feinsinnigen Menschenfreund und edlen Wohltäter hochstilisierten Sklavenhändler-Sohnes berichtet, erinnert erschreckend an die Verstrickung zeitgenössischer Politiker in geheime Waffengeschäfte und sonstige Manipulationen. Im Mai 1782, so Degn, übertrug Ernst Schimmelmann einen Vertrag mit der spanischen Caracas-Kompanie, den schon sein Vater geplant und den er dann selber als Privatmann abgeschlossen hatte, auf die neugegründete dänische Handels- und Kanalkompanie. Er selber blieb mit 15 Prozent Hauptkonsorte. Im Übrigen beteiligten sich noch andere führende Politiker, wie Guldberg, Stemann und Reventlow an dem dunklen Geschäft. Zur Befrachtung von drei Schiffen nahm man Kredite in London, Amsterdam und Paris in Anspruch die Kapitalgeber kümmerte die politisch-militärische Konfrontation ihrer Staaten nicht. Als Supercargo fungierte Johann Heitmann, einer von Schimmelmanns Leuten (der später als Plantageninspektor auf St. Croix fungieren wird). Vertrauensmann in Westindien war der Vetter Schimmelmanns. Er wurde durch einen versiegelten Brief instruiert, damit an Bord nichts gefunden werden kann, wodurch die Destination des Schiffes bekannt könnte werden. Unter Geleitschutz der Fregatte Moen und Kapt. Graf Reventlow erreichte die Expedition glücklich la Guaira und kehrte wohlbehalten mit 66 Prozent Reingewinn! in dänische Gewässer zurück. Es ist mit Recht darauf hingewiesen worden, dass diese Staatsmänner bzw. Unternehmer in hohem Grade verantwortungslos handelten, indem sie die dänische Neutralitätspolitik für ihre privaten Spekulationen ausnutzten und ge- häb 12/03 fährdeten. Das Risiko trugen nicht eigentlich sie, sondern der dänische Staat und die Gesamtheit seiner Bürger! Und der Initiator war jener feinsinnige, geniale und edle Mann. Lebte er etwa in zwei Welten? Um das Bild eines ehrenwerten Sklavenhändlers abzurunden, sei nur noch eine Episode erwähnt, die ein grelles Licht auf sein schlaues Taktieren bei so riskanten Unternehmungen wirft: Als sich Konsul Compigné in Rouen schriftlich an das Kommerzkollegium in Kopenhagen wandte, um Sklaventransporte von Dänisch-Guinea nach den französischen Tropenkolonien zu erwirken, ließ ihn Ernst Schimmelmann wissen, dass dafür die Handelsgesellschaft zuständig sei, nicht das Kommerzkollegium; ja, dieses dürfe davon überhaupt nichts erfahren. Le plus grand secret sei erforderlich mit Rücksicht auf die dänische Neutralitätspolitik. Der Konsul möge deshalb alle diesbezügliche Korrespondenz an ihn nicht als Minister, sondern als Gesellschaftsdirektor richten. Die Verquickung von privaten und staatlichen Angelegenheiten wirken erschreckend aktuell und erinnern an die dubiösen Praktiken zeitgenössischer Politiker. Bei seinen raffinierten Winkelzügen verfuhr Schimmelmann genau nach dem Vorbild seines Vaters, der seinen mit gefährlichen Missionen betrauten Handlangern stets einzuschärfen pflegte, sie müssten ihren Auftrag allemal mit allergrößtem Geheimnis ausführen und dann darauf achten, dass von ihrem Auftraggeber nur ja kein Mensch das allergeringste erfährt. Doch mit dem Wiedererscheinen der Engländer auf dem Sklavenmarkt wurde Schimmelmann mit einer übermächtigen Konkurrenz konfrontiert. Von überall bekam er die Klagen seiner Mitarbeiter zu hören, dass sie ihre dänische Sklavenware nicht mehr absetzen könnten, da die Engländer billiger wären. So musste er sehr bald erkennen, dass man dem Massenangebot des wiederauflebenden englischen Sklavenhandels mit verbilligten Preisen nicht gewachsen war. Man hatte nicht einmal genügend Sklaven auf den eigenen Plantagen. 1786 versuchte Schimmelmann in seiner Eigenschaft als Minister nochmals mit den Spaniern ein Abkommen zu treffen. Er be- Schimmelmanns Palais in Hamburg auftragte den Kammerherrn Waltersdorff, Mitglied der Westindischen Regierung auf St. Croix, nach Europa zu fahren. In Madrid verhandelte dieser mit einem Direktor der Philippinischen Kompanie, doch die Preise der Dänen erschienen dem spanischen Unterhändler zu hoch. Die von den Engländern angebotenen Sklaven waren bedeutend billiger. Da die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führten, kehrte Waltersdorff nach Westindien zurück, um den Vicegouverneursposten zu übernehmen, den der Neffe des verstorbenen Baron Schimmelmann Heinrich Ludwig Schimmelmann durch seine Beförderung zum Generalgouverneur freigemacht hatte. Minister Schimmelmann, so Degn, verfiel nun auf die absurd anmutende Idee, in geheimer Mission an den spanischen Hof einen protestantischen Professor der Theologie zu entsenden, um Waltersdorffs Fäden weiterzuspinnen. Doch dieser begegnete bei seinen Verhandlungen mit der Philippinischen Kompanie den gleichen Schwierigkeiten wie zuvor der Kammerherr. Das Ende des dänischen Sklavenhandels Nach der französischen Revolution schieden die Franzosen (1792) gänzlich aus dem transatlantischen Sklavenhandel aus. Entsprechend nahm der englische Sklavenhandel zu. Bald liefen einhundertsechzig Sklavenschiffe aus englischen Häfen aus, die Mehrzahl davon aus Liverpool, damals einer Stadt von etwa 60 000 Einwohnern, die in den letzten beiden Jahrzehnten jährlich regelmäßig hundert Sklaventransporter aussandte. Der dänische transatlantische

Schimmelmanns Palais in Kopenhagen Sklavenhandel war längst infolge der erdrückenden englischen Konkurrenz zur Bedeutungslosigkeit zusammengeschrumpft. Das war der Hintergrund, vor dem der dänische Minister Graf Ernst von Schimmelmann aus der Not eine Tugend zu machen suchte und im Mai 1792 die Verordnung über den Negerhandel mit königlicher Zustimmung veröffentlichte. Darin wurde allen dänischen Untertanen jeglicher Negerhandel außerhalb Westindiens vom 1. Januar 1803 ab verboten, bis dahin aber anderen Nationen die Sklaveneinfuhr nach Dänisch-Westindien genehmigt. Man hatte etwas verboten, was man aus Konkurrenzunfähigkeit selbst nicht mehr betreiben konnte. Da dieses dänische Sklavenhandelsverbot, dessen nichtssagender Inhalt der Allgemeinheit unbekannt blieb, das erste derartige Gesetz einer europäischen Kolonialmacht war, wirkte es wie ein Fanfarenstoß der Humanität. Man verherrlichte Schimmelmann als Sklavenbefreier, obwohl in seiner Verordnung von Sklavenbefreiung keine Rede war. Was die Behandlung der Sklaven auf den dänischen Zuckerplantagen betraf, hatte sich dort nichts geändert. Als 1786 Etatsrat Lindemann, der mit den Bedingungen auf den Plantagen bestens vertraut war, in einem Schreiben an die Kolonialregierung den Vorschlag machte, man möge den drakonischen Strafkodex für die Negersklaven humanisieren, da protestierten dagegen sofort nicht nur die dänischen Pflanzer, sondern auch L.H. Schimmelmann, der soeben die Nachfolge des brutalen Clausen als Generalgouverneur von Dänisch-Westindien angetreten hatte. Er erklärte, die von Lindemann vorgeschlagenen Strafen seien viel zu milde; dadurch würden die Sklaven nur zu Verbrechen ermuntert. Sogar im freien England stehe auf Diebstahl in vielen Fällen die Galgenstrafe. Und wenn ein Neger wegen Desertierens mit 50 Schlägen davonkommen sollte, sei das eine unerhörte Bevorzugung vor einem weißen Deserteur; der müsse mindestens sechsmal zwischen 300 Mann Spießruten laufen, was 1800 Schläge ausmache! Zuweilen kam es zu Revolten, die stets in Blut erstickt wurden. Zu einer solchen Meuterei war es damals auf der benachbarten Insel St. Jan gekommen, nachdem der dortige Gouverneur Philipp Gardelin zur Unterbindung der Desertion, des so genannten Maronlaufens, ein drakonisches Strafreglement erlassen hatte. Hier nur einige Paragrafen daraus: 1. Jeder Sklave, der andere Sklaven zum Weglaufen aufhetzt, soll an drei Stellen mit glühenden Zangen gezwickt und dann gehenkt werden. 3. Der Neger, der von solchem Vorhaben wußte und es den Weißen nicht meldet, soll auf der Stirn gebrandmarkt werden und 100 Schläge mit der Katze erhalten. 5. Alle Maronneger, die 8 Tage lang wegbleiben, sollen im Fort 100 Schläge erhalten. Ein Neger, der 1/4 Jahr lang Maron geht oder der mehrfach Maron läuft, soll ein Bein verlieren; wer 6 Monate lang wegbleibt, soll das Leben verlieren, es sei denn, sein Herr begnügt sich mit dem Verlust eines Beines. 9. Ein Neger, der im Zorn seine Hand gegen einen Weißen erhebt, oder ihn ernstlich mit Worten bedroht, soll ohne Pardon an drei Stellen mit glühenden Zangen gezwickt und dann gehenkt werden, wenn der Herr es verlangt; andernfalls verliert er die rechte Hand. Aber nicht nur den Negersklaven auf den dänischen Karibikinseln war durch Struensees Hinrichtung ein potenzieller Helfer verloren gegangen, auch in Dänemark selbst bedauerten die Leibeigenen, die er von ihrer Fron befreien wollte, seinen Sturz. Als der protestantische Geistliche Egede, der Sohn des Apostels der Grönländer, nach Struensees Tod durch Jütland fuhr, sah er dort einen zerlumpten Bauern, umgeben von halbnackten Kindern, auf dem Felde arbeiten. Der Mann fragte, ob die Extrasteuer bald abgeschafft würde. Der Geistliche erwiderte, er wisse es nicht. Ach ja, stöhnte der Bauer, an dergleichen denkt man in Kopenhagen nicht mehr. Das war ein braver Mann, der uns die Verordnungen wegen der Frondienste gab. Aber darum war s ja wohl auch, denk ich mir, daß sie in Kopenhagen ihm den Kopf abschlugen! Der französische Moralist Chamfort (1741 1794), der Struensee 1768 in Paris als Reisearzt des jungen Dänenkönigs kennen gelernt hatte und vom Wahnsinn seines Souveräns nichts ahnte, präzisierte seine Enttäuschung nach der Hinrichtung des großen Reformers in einer rhetorischen Frage, deren trauriger Wahrheitsgehalt sich auch nach zweihundert Jahren um keinen Deut vermindert hat: Wenn man bedenkt, daß dreißig bis vierzig Jahrhunderte Arbeit und Aufklärung zu nichts weiter geführt haben, als daß dreihundert Millionen Menschen auf der Erde zum größten Teil einfältigen Despoten ausgeliefert sind, von denen wieder jeder einzelne von drei oder vier mitunter stupiden Schurken beherrscht wird, was soll man dann von der Menschheit denken, was in Zukunft von ihr erwarten? Historischer Nachtrag: 1917 wurden nach Volksabstimmung in Dänemark die kleinen dänischen Karibikinseln für 25 Millionen US-Dollar (dreimal so viel wie fünfzig Jahre zuvor die USA Russland für Alaska zahlten) an die USA verkauft, die unter dem Eindruck des deutschen U-Bootkrieges strategisches Interesse an ihnen hatten. Sie heißen heute US-Virgin Islands, und man besucht sie als zollfreies Einkaufsparadies mit Sklavennostalgie. häb 12/03 537