Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom 11. Mai 2011 (Istanbul-Konvention), STE 210 Wo steht die Schweiz? Anita Marfurt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Bundesamt für Justiz, Fachbereich Internationales Strafrecht 22. November 2013
Aktueller Stand 25 Mitgliedstaaten haben das Übereinkommen unterzeichnet 7 Mitgliedstaaten haben das Übereinkommen ratifiziert: Albanien, Bosnien Herzegowina, Italien, Montenegro, Österreich, Portugal, Türkei Noch nicht in Kraft (erst nach 10 Ratifizierungen, davon 8 Mitgliedstaaten)
Ziele des Übereinkommens (Artikel 1) Schutz von Frauen vor allen Formen von Gewalt Beendigung aller Benachteiligungen von Frauen und Erreichung von Gleichstellung von Frauen und Männern Integrativer Ansatz zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Förderung der internationalen Zusammenarbeit Effektive Umsetzung der Maßnahmen durch Überwachungsmechanismus Harmonisierung der Ansätze und Strategien in Europa
Strafrecht (Kapitel V) Psychische Gewalt (Art. 33) Nachstellung (Stalking) (Art. 34) Körperliche Gewalt (Art. 35) Sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung (Art. 36) durch nicht einverständliche sexuelle Handlungen Zwangsheirat (Art. 37); auch Verbringen ins Ausland zu diesem Zweck Verstümmelung weiblicher Genitalien (Art. 38) Zwangsabtreibung und Zwangssterilisierung (Art. 39) Sexuelle Belästigung (Art. 40); nicht beschränkt auf Arbeitsplatz
Strafrecht (Kapitel V) Ehrverbrechen (Ehre kein Rechtfertigungsgrund) (Art. 42) Beziehung Täter - Opfer unwichtig für Straftatbestand (Art. 43); gilt also auch für Ehe- und Lebenspartner Gerichtsbarkeit (Art. 44) Sanktionen und Maßnahmen müssen wirksam, angemessen und abschreckend sein (Art. 45) Anerkennung von Strafurteilen von einem Gericht einer anderen Vertragspartei (Art. 47) Verbot verpflichtender Mediation (Art. 48)
Polizeiliche Ermittlungen, Strafverfolgung, Verfahrensrecht und Schutzmassnahmen (Kapitel VI) Soforthilfe und Schutz für Opfer: sofortiges Reagieren auf Hilferufen durch Polizei, sofortige Schutzmaßnahmen (Art. 50) Gefährdungsanalyse und Gefahrenmanagement durch Polizei und andere (Art. 51) Eilschutzanordnungen: Wegweisungen, Platzverweis o.ä. (Art. 52) Gerichtliche Kontakt- und Näherungsverbote sowie Schutzanordnungen: für Opfer aller Formen von Gewalt, nicht nur häusliche Gewalt (Art. 53)
Polizeiliche Ermittlungen, Strafverfolgung, Prozessrecht (Kapitel VI) Offizialdelikte anstatt Antragsdelikte (Art. 55): - staatlicher Auftrag zur Strafverfolgung anstatt durch Strafantrag des Opfers Opferfreundliche Maßnahmen im Prozessrecht (Art. 56): - Aussagebereitschaft verbessern durch Vermeidung von Aufeinandertreffen des Opfers und Täters, - bessere Einbindung der Opfer in den Prozess, - bessere Informationspolitik über Stand des Prozesses
Prävention (Kapitel III) Primärprävention: Einwirken auf Verhaltensmuster, Bräuche, Traditionen und Geschlechterrollen, die auf Vorstellungen der Unterlegenheit der Frau beruhen Durch Bildung, Kampagnen, aktive Einbindung von Männern und Jungen, realistischere Darstellung von Frauen in den Medien etc. (Art. 12, 13, 14 und 17) Sekundärprävention: Verbessertes Reagieren staatlicher Stellen auf Risikofälle, besseres Fallmanagement, Täterarbeit durch - Aus- und Fortbildung bestimmter Berufsgruppen (Art. 15) - Täterprogramme (Art. 16)
Schutz- und Hilfsmaßnahmen für Opfer (Kapitel IV) Allgemeine Verpflichtungen (Art. 18) - wirksame Zusammenarbeit aller Akteure (Polizei, Justiz, Staatsanwaltschaft, Frauenhäuser etc.) - Basis der Maßnahmen: Verständnis für geschlechtsspezifische Gewalt, integrativer Ansatz, - Verhütung sekundärer Viktimisierung - Empowerment der Opfer - kurze Wege - auf das Individuum zugeschnittene Maßnahmen Informationen (Art. 19) - Opfer haben Recht auf Information über Hilfseinrichtungen und Rechtsweg
Schutz- und Hilfsmaßnahmen für Opfer (Kapitel IV) Allgemeine Hilfsdienste (Art. 20) Bezieht sich auf Bereiche wie Versorgungsämter, Sozialämter, Jobcenter etc. Hilfe bei Einzel- oder Sammelklagen (Art. 21) z.b. vor dem EGMR oder CEDAW-Verfahren Spezialisierte Hilfsdienste (Art. 22) Spezialisierte Beratung für Opfer aller Arten von Gewalt (häusliche Gewalt, Stalking, sexuelle Gewalt, Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, sexuelle Belästigung) Schutzunterkünfte (Art. 23) Frauenhäuser, ebenfalls vor Ort vorzuhalten Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD
Schutz- und Hilfsmaßnahmen für Opfer (Kapitel IV) Telefonberatung (Art. 24) 7/24 national einheitliche Nummer für alle Gewaltformen Unterstützung für Opfer sexueller Gewalt (Art. 25) Medizinische, gerichtsmedizinische und Traumaversorgung Hilfe für Kinder, die Zeugen von häuslicher Gewalt sind (Art. 26) Altersgerechte psychologische Beratung Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD Meldung durch Private (Nachbarn, Freunde) (Art. 27) Ermutigung zur Anzeige aller Formen von Gewalt gegen Frauen Meldung durch bestimmte Berufsgruppen (Art. 28) Schweigepflicht soll Prävention weiterer Taten nicht verhindern
Weiteres Vorgehen der Schweiz Erläuternder Bericht und Vorentwurf Vernehmlassung Botschaft des Bundesrates Ratifizierung