Entscheidung des Beschwerdeausschusses 2 in der Beschwerdesache 0611/14/2-BA Beschwerdeführer: Beschwerdegegner: div. Beschwerdeführer DER SPIEGEL Ergebnis: Beschwerde begründet, Missbilligung, Ziffer 8 * Datum des Beschlusses: 09.09.2014 Mitwirkende Mitglieder: Ursula Ernst, DJV (Vorsitzende) Ute Kaiser, dju Sergej Lochthofen, DJV Dr. Claas-Hendrik Soehring, VDZ Eckhard Stengel, dju Volker Stennei, BDZV A. Zusammenfassung des Sachverhalts I. DER SPIEGEL veröffentlicht am 28.07.2014 auf seiner Titelseite unter der Überschrift STOPPT PUTIN JETZT! eine Fotogalerie mit insgesamt 50 Fotos von Opfern des Fluges MH17. Unter jedem Bild steht der Anfangsbuchstabe des Vornamens, der Nachname und als Todestag der 17.07.2014. Im Heft berichtet das Magazin unter der Überschrift Spätes Erwachen : Es musste eine Boeing mit fast 300 Menschen an Bord abgeschossen werden, ehe die EU-Staaten zu ersten echten Wirtschaftssanktionen gegen Russland fanden. Wie man jetzt so gut wie sicher wisse, sei Flug MH17 mit Raketen aus russischen Beständen abgeschossen worden, die ohne Billigung Putins wohl kaum in die Ukraine gelangt wären. Bislang habe der Präsident eine direkte militärische Einmischung in der Ukraine vermieden. Nach westlichen Erkenntnissen habe er schweres Militärgerät über jene Grenze rollen lassen, die die Rebellen einnahmen, als die ukrainische Zentralregierung vor Kurzem eine mehrtägige Waffenruhe ausgerufen habe. Und mit den Luftabwehrraketen hätten die Separatisten den militärisch wichtigsten Vorteil der ukrainischen Armee ausgeglichen, die Luftüberlegenheit. Mehr als ein Dutzend Maschinen sei abgeschossen worden. Deutscher Presserat Postfach 100549 10565 Berlin Fon: 030/367007-0 Fax: 030/367007-20 E-Mail: info@presserat.de www.presserat.de
2 Weiter berichtet das Magazin unter der Überschrift Europas Ground Zero über die Situation an der Absturzstelle des Flugzeugs: Hrabowe ist Europas Ground Zero, es ist ein Verbrechen, das aufgeklärt werden muss. Denn davon hängt ab, wie Europa künftig mit einem Russland umgehen wird, das einen Krieg selbst ernannter Separatisten in der Ostukraine schürt, bezahlt und ausstattet. II. Insgesamt 19 Beschwerdeführer wenden sich gegen die Titelgeschichte. 12 Beschwerdeführer kritisieren dabei ausschließlich das Cover der Ausgabe, 6 weitere richten sich gegen Cover und dazugehörige Artikel und ein Beschwerdeführer beanstandet ausschließlich die Berichterstattung im Heft. Die Mehrheit der Beschwerdeführer sieht eine Instrumentalisierung der Opfer-Fotos auf dem Titelbild, um Stimmung gegen Russland und dessen Präsidenten zu machen bzw. für Sanktionen zu werben. Mehrere Beschwerdeführer monieren zudem, durch die Fotos seien die Abgebildeten in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Einige sehen im Titel und/oder der Berichterstattung eine Vorverurteilung Putins/Russlands für den Abschuss des Flugzeugs, ohne dass auch entsprechende Beweise zugrunde lägen. Eine Auswahl der Beschwerdegründe: Ein Beschwerdeführer trägt vor, im Titelbild sei eine Verletzung der Menschenwürde zu sehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liege eine Menschenwürdeverletzung dann vor, wenn eine Person zu einem bloßen Objekt, einer vertretbaren Größe herabgewürdigt werde. Anders ausgedrückt: Die Würde des Menschen sei dann verletzt, wenn der Mensch instrumentalisiert werde. So verhalte es sich bei dem Titelbild, das die Opfer des wahrscheinlichen Flugzeugabsturzes durch die prorussischen Separatisten zeige. Ein Beschwerdeführer meint, das Titelbild verstoße gegen die Persönlichkeitsrechte der Opfer des Fluges MH17. Es sei nicht erkennbar (und eher abwegig), dass die Hinterbliebenen der Veröffentlichung der Fotos Ihrer Angehörigen in diesem Zusammenhang zugestimmt hätten. Die Redaktion des SPIEGEL mache die Getöteten erneut zu Opfern, indem sie sie dazu instrumentalisierten, Hetze gegen den Präsidenten der Russischen Föderation zu betreiben. Der Titel impliziere eine direkte Schuld des Präsidenten der Russischen Föderation am Abschuss der MH17. Ein weiterer Beschwerdeführer moniert, die Darstellung der Opfer des Flugzeugabsturzes MH17 auf dem Titelbild sei ein ethischer Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex, weil das Titelbild des SPIEGEL durch die Abbildung von 50 Opfern des Flugzeugabsturzes ohne Anonymisierung eine Identifizierung der Personen ermögliche. Ein weiterer Beschwerdeführer trägt vor, er sehe in der Verwendung der Opferfotos einen ethischen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex, weil die Identität der Opfer für das Verständnis des Unglücksherganges unerheblich sei und davon auszugehen sei, dass die Redaktion die Angehörigen nicht um Erlaubnis gebeten habe, die Fotos drucken zu dürfen. Auf Anfrage von BILDblog habe die Chefredaktion lediglich erklärt, der SPIEGEL habe sich bei der Auswahl der Fotos aus öffentlich zugänglichen Quellen bedient. In vielen Fällen stammten die privaten Fotos offensichtlich von den Facebook-Profilen der Opfer; neben Persönlichkeitsrechten würden also vermutlich auch Urheberrechte verletzt. Zudem würden die Opferfotos in die Putin-kritische Berichterstattung eingebaut; es gehe vorrangig also gar nicht um das Unglück, die Opfer würden für politische Forderungen instrumentalisiert.
3 III. Das Justiziariat des Verlages verweist auf die öffentliche Stellungnahme der Redaktion und nimmt als Rechtsabteilung auf die vom Beschwerdeausschuss angesprochenen Fragen und beschränkt am Pressekodex orientiert wie folgt Stellung. 1.Verletzung von Ziffer 1 und 13 bezüglich der Rolle der Separatisten / Russlands / Wladimir Putins Die Berichterstattung verstoße weder gegen Ziffer 13 (Unschuldsvermutung) noch gegen Ziffer 1 (Wahrhaftigkeit) des Pressekodex. Die Ziffer 13 wie Ziffer 1 seien nicht ansatzweise verletzt, weil der SPIEGEL umfassend, ausgewogen und wahrheitsgemäß berichtet habe. Wer das Heft aufschlage, die in ihm enthaltene Berichterstattung lese und nicht nur allein anhand seines Umschlages oder des Leitartikels urteile, stelle fest: Der Autor und der SPIEGEL berichteten ausgewogen, teilten die Positionen der Betroffenen mit, bewerteten sie und leiteten nachvollziehbar ihre Position her (der Beschwerdegegner führt dazu Auszüge aus der Hausmitteilung und dem Artikel Europas Ground Zero an). Nicht erwähnt würden allein absurde Verschwörungstheorien und die ernsthaft ebenfalls ausgeschlossene Variante eines Unfalls (bei dem nicht erklärt werden könne, dass die Trümmerteile über viele Quadratkilometer verstreut liegen, wie der Autor im dazugehörigen Video erläutere). Auf diese transparente und offene Bewertung, die auch schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nahezu allgemein geteilt worden sei, setzten die weiteren Stücke im Heft bis hin zum Leitartikel ebenso offen auf. (der Beschwerdegegner führt dazu Auszüge aus dem Artikel Spätes Erwachen und dem Leitartikel Ende der Feigheit an; unter anderem heißt es dort: Wie man jetzt so gut wie sicher weiß, wurde Flug MH17 mit Raketen aus russischen Beständen abgeschossen, die ohne Billigung Putins wohl kaum in die Ukraine gelangt wären und Niemand im Westen zweifelt noch ernsthaft daran, dass das Flugzeug mit einem Buk-Luftabwehrsystem abgeschossen wurde, das die Separatisten höchstwahrscheinlich aus Russland erhalten haben. Einer ihrer Anführer hat selbst zugegeben, dass sie über ein solches System verfügten, und die Indizienkette ist eindeutig. Der Abschuss von MH17 mag ein tragisches Versehen gewesen sein. Wer die Rakete abfeuerte, wollte vermutlich kein Verkehrsflugzeug treffen. Doch der Abschuss ist eine direkte Folge davon, dass Russland die Separatisten in den vergangenen Wochen militärisch aufgerüstet hat ). Und genau dies, das Ergebnis einer ausführlichen, offenen, transparenten Herleitung, bringe der Titel des SPIEGEL auf den Punkt: In knapper, verkürzter Form, wie es einem Titel eigen sei. 2.Persönlichkeitsrechte der Opfer (Ziffer 8.1 und 8.2), Gefühle der Angehörigen (Ziffer 11.3) und Instrumentalisierung der Opfer (ohne Vorgabe des Pressekodex) Bis heute, circa einen Monat nach Veröffentlichung, habe sich noch kein Angehöriger an den SPIEGEL gewandt und eine Verletzung seiner Gefühle gerügt. Es habe auch kein Angehöriger moniert, dass die Opfer durch den SPIEGEL instrumentalisiert würden. Wieso auch? Selbstverständlich lasse der SPIEGEL nicht die verstorbenen Opfer fordern, dass Putin gestoppt werden müsse, sondern nehme die Opfer zum Anlass seiner Forderung, Putin zu stoppen. Warum sollten Gefühle der Angehörigen durch eine nochmalige Veröffentlichung ehemals mit Einverständnis ihrer verstorbenen Angehörigen veröffentlichter Portraitfotos verletzt werden? Warum solle die Nennung der Namen der Opfer die Gefühle ihrer Angehörigen verletzen? Die Namensnennung sei ein Gedenken, wie sie im nordeuropäischen Kulturkreis als aufrichtige Trauer und Innehalten absolut üblich sei. Folge eine Verletzung der Gefühle der Angehörigen aus der Veröffentlichung von harmlosen Fotos (wie sie im sudeuropäischen Bereich gerade auf Friedhöfen üblich seien)?
4 Der Rechtsabteilung sei bewusst, dass der Presserat die Veröffentlichung von Opfergalerien als Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Opfer ansehe. Gerade in diesem Fall könne man nur anregen, dass der Presserat seine Einschätzung gut be- und überdenke. Denn wer die vom SPIEGEL gerade nicht veröffentlichten Fotos sehe (der Beschwerdegegner hat dazu insbesondere Fotos von Leichen von MH17-Passagieren eingereicht) und sich ernsthaft mit der dem Titel des Heftes einhergehenden Emotionalisierung auseinandersetze, der müsse sich fragen, ob ein noch weitergehender Verzicht auf Emotionalisierung nicht das genaue Gegenteil dessen sei, was von Medien nach Ziffer 1 zu Recht verlangt werde. Hätten die Medien mit der Veröffentlichung von Portraitfotos und nicht nur Zahlen nicht eine besonders verantwortungsvolle Balance gefunden zwischen der leicht möglichen Emotionalisierung durch Veröffentlichung der Bilder der Unglücksstelle und einem emotionslosen Datenjournalismus? Was die Portraitfotoveröffentlichung und die Abwägung zwischen Berichterstattungsinteresse und Persönlichkeitsschutz angehe, sei allein Ziffer 11.3 und nicht 8.1 und 8.2 einschlägig. Es gehe nicht um Kriminalberichterstattung, sondern um eine Berichterstattung über Krieg, Unglücksfälle und Katastrophen. Und auch sonst sei die Veröffentlichung der Identität von Opfern in Wort und Bild nicht per se unzulässig, sondern eine Frage der Abwägung. In diese einzustellen sei auf Seiten des Berichterstattungsinteresses, dass nicht die Namen der Opfer eines Allerweltsdeliktes, sondern der ersten nicht mehr zu den eigentlichen Kriegsparteien zählenden Kriegsopfer und zivilen Opfer eines Krieges in Rede stünden. Auf Seiten des Persönlichkeitsschutzes sei zu berücksichtigen, dass die Identität der Opfer schon von der Malaysia-Airlines publik gemacht worden sei, längst öffentlich bekannt gewesen seien. Der SPIEGEL habe sich ausschließlich ohne irgendein Zugangshindernis zugänglicher öffentlicher Quellen bedient. Von daher könne die Veröffentlichung der Namen und von Fotos aus der von den Opfern selbst gewählten Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre nach herkömmlichen, Fragen der Emotionalisierung nicht berücksichtigenden Maßstäben, nicht ansatzweise als Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte angesehen werden. B. Erwägungen des Beschwerdeausschusses I. Der Beschwerdeausschuss erkennt in der Gestaltung des Titelblatts eine Verletzung der Ziffer 8 des Pressekodex. Die Mitglieder sind übereinstimmend der Auffassung, dass die fünfzig mit Portraitfotos auf dem Titelblatt veröffentlichten Opfer des Unglücksfluges MH17 in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt werden. Denn zumindest für einen Teil der Opfer-Bilder lag offensichtlich keine Zustimmung zur Veröffentlichung im Sinne der Richtlinie 8.2 ** vor. Aus einer vormaligen Veröffentlichung eines Bildes in einem sozialen Netzwerk kann nicht auf eine Genehmigung zur Verwendung des Bildmaterials in anderen Zusammenhängen geschlossen werden. Zudem ist für das Verständnis des Unglückshergangs das Wissen um die Identität der Opfer unerheblich. Zwar führt der Beschwerdegegner zu Recht aus, bei diesem Flugzeugabsturz handele es sich nicht um ein Allerweltsdelikt. Allein aus der Prominenz eines Unglücksfalls lässt sich jedoch kein berechtigtes öffentliches Interesse an der Identität der Opfer ableiten. Daher überlagert der Persönlichkeitsschutz der Opfer ein mögliches Interesse der Leser. Der Beschwerdeausschuss bleibt hier bei seiner, dem Beschwerdegegner ausweislich seiner Stellungnahme bereits bekannten, Spruchpraxis. Einen Verstoß gegen den Opferschutz sieht der Ausschuss zudem darin, dass die auf dem Titelblatt abgebildeten Opfer zur Emotionalisierung für die im Titel enthaltene politische These Stoppt Putin jetzt instrumentalisiert werden. Der Argumentation des Beschwerdegegners, bei der Abwägung zwischen Berichterstattungsinteresse und Persönlichkeitsschutz sei allein Richtlinie 11.3 *** und nicht 8.1 **** und 8.2 einschlägig, da es nicht um Kriminalitätsberichterstattung gehe, folgt der Beschwerdeausschuss nicht. Richtlinie 8.2 bezieht sich als Konkretisierung zu Ziffer 8 auf den Opferschutz im Allgemeinen und nicht auf die in Richtlinie 8.1 thematisierte Kriminalitätsberichterstattung und ist daher auch bei Kriegs- oder Katastrophenberichterstattung einschlägig.
5 II. Das Gremium erkennt in der Berichterstattung keine Verstöße gegen die Ziffern 1 ***** und 13 ****** des Pressekodex bezüglich der Rolle der Separatisten, Russlands oder Wladimir Putins beim Absturz des Fluges MH17. Der Beschwerdegegner hat hinreichend darlegen können, wie er zu der im Leitartikel ausgeführten Position gekommen ist. In der Berichterstattung werden Verdachtsmomente zur Schuldfrage aufgeführt, die Schuld am Flugzeugabsturz aber nicht zweifelsfrei bei einer der Parteien verortet. Aus der Forderung, Europa müsse Putin für den Abschuss von Flug MH17 zur Rechenschaft ziehen, kann zwar eine Schuld Putins am Absturz herausgelesen werden. Eine solche Schuldfestlegung ist vor dem Hintergrund der dargelegten Informationslage in einer meinungsorientierten Darstellungsform wie einem Leitartikel allerdings legitim. C. Ergebnis Presseethisch bewertet der Ausschuss den Verstoß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex als so schwerwiegend, dass er gemäß 12 Beschwerdeordnung eine Missbilligung ausspricht. Nach 15 Beschwerdeordnung besteht zwar keine Pflicht, Missbilligungen zu veröffentlichen. Als Ausdruck fairer Berichterstattung empfiehlt der Beschwerdeausschuss jedoch die Veröffentlichung unter Beachtung des Grundsatzes, dass der Persönlichkeitschutz Betroffener durch den Abdruck nicht erneut verletzt wird. Die Entscheidung über die Begründetheit der Beschwerde ergeht einstimmig, die Entscheidung über die Wahl der Maßnahme ergeht mit vier Ja- und zwei Nein-Stimmen. Ursula Ernst Vorsitzende des Beschwerdeausschusses 2 (jr) * Ziffer 8 Schutz der Persönlichkeit Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein. Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz. ** Richtlinie 8.2 Opferschutz Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt. *** Richtlinie 11.3 - Unglücksfälle und Katastrophen Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden. **** Richtlinie 8.1 Kriminalberichterstattung (1) An der Information über Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren besteht ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit. Es ist Aufgabe der Presse, darüber zu berichten. (2) Die Presse veröffentlicht dabei Namen, Fotos und andere Angaben, durch die Verdächtige oder Täter identifizierbar werden könnten, nur dann, wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegt. Bei der Abwägung sind insbesondere zu berücksichtigen: die Intensität des Tatverdachts, die Schwere des Vorwurfs, der Verfahrensstand, der Bekanntheitsgrad des Verdächtigen oder Täters, das frühere Verhalten des Verdächtigen oder Täters und die Intensität, mit der er die Öffentlichkeit sucht.
6 Für ein überwiegendes öffentliches Interesse spricht in der Regel, wenn -eine außergewöhnlich schwere oder in ihrer Art und Dimension besondere Straftat vorliegt, - ein Zusammenhang bzw. Widerspruch besteht zwischen Amt, Mandat, gesellschaftlicher Rolle oder Funktion einer Person und der ihr zur Last gelegten Tat, -bei einer prominenten Person ein Zusammenhang besteht zwischen ihrer Stellung und der ihr zur Last gelegten Tat bzw. die ihr zur Last gelegte Tat im Widerspruch steht zu dem Bild, das die Öffentlichkeit von ihr hat, -eine schwere Tat in aller Öffentlichkeit geschehen ist, -ein Fahndungsersuchen der Ermittlungsbehörden vorliegt. - Liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit des Verdächtigen oder Täters vor, soll auf eine identifizierende Berichterstattung verzichtet werden. (3) Wenn erneut über ein zurückliegendes Strafverfahren berichtet wird, sollen im Interesse der Resozialisierung in der Regel Namensnennung und Fotoveröffentlichung des Täters unterbleiben. Das Resozialisierungsinteresse wiegt umso schwerer, je länger eine Verurteilung zurückliegt. (4) Über Personen, die an der Rechtspflege beteiligt sind, wie z. B. Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Sachverständige, darf in der Regel identifizierend berichtet werden, wenn sie ihre Funktion ausüben. Bei Zeugen sind Namensnennung und Fotoveröffentlichung in der Regel unzulässig. ***** Ziffer 1 - Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien. ****** Ziffer 13 - Unschuldsvermutung Die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse.