Radioökologie und Strahlenschutz Vorlesung FHH: SS 2017 Ulrich J. Schrewe Themen: Anwendung kernphysikalischer Messverfahren in der industriellen Messtechnik Eigenschaften ionisierender Strahlung Strahlungswirkung - Strahlenschutz Überarbeitung: 10.01.11 1
Inhaltsverzeichnis 1. Atome, Bausteine der Materie 2. Grundlagen zum Atomaufbau 3. Basiswissen Kernphysik 4. Röntgenstrahlung 2
Kapitel 4 Röntgenstrahlung Microsoft Power Point Dateien mit Vorlesungsunterlagen finden Sie unter: userid@www.stud.fh-hannover.de/ VOL1/DOCS/MBAU/SCHREWE oder http://schrewe.fh-hannover.de Fragen (jederzeit) auch per e-mail: ulrich.schrewe@fh-hannover.de 3
Röntgenstrahlung Wilhelm Conrad Röntgen 1845-1923 Röntgen 1895: Bei Experimenten mit Kathodenstrahlen (Elektronenstrahl im Vakuuum) neue Strahlenart entdeckt. X-Strahlung (engl. x-rays) oder Röntgenstrahlung genannt. Eigenschaften: Strahlung ist unsichtbar, erzeugt Fluoreszensstrahlung, schwärzt Fotoplatten und Filme, ionisiert Gase, besitzt große Durchdringungsfähigkeit in Materie, zeigt keine Beeinflussung durch elektrische und magnetische Felder. Fazit: Röntgenstrahlen sind elektromagnetische Wellen mit sehr kurzer Wellenlänge, ähnlich zum Licht. 4
Röntgenröhre Prinzip einer Röntgenröhre K - Kathode Beschleunigungsspannung A - Anode e - - Kathodenstrahlung Heizspannung Austrittsfenster für Röntgenstrahlung 5
Moderne Röntgenröhre Heutige Röntgenröhren Anode muss z. T. mit Wasser gekühlt werden. Der Kathodenstrahl soll möglichst kleine Brennflecken auf der Anode erzeugen. 6
Erzeugung von Röntgenstrahlung Röntgenstrahlung entsteht, wenn schnelle geladene Teilchen (z. B. Elektronen) in Materie abgebremst werden. Die Entstehung des Röntgenquants ist mit einer Richtungsänderung der geladenen Teilchen im elektrische Kernfeld verbunden. Die Röntgenenergie kann maximal den Wert der kinetischen Energie des geladenen Teilchens annehmen. geladenes Teilchen b = Stoßparameter ablenkender Kern Röntgen quant In der Röntgenröhre, die mit der Spannung U betrieben wird, werden Röntgenquanten mit Energien zwischen Null und E max = e U erzeugt. Die Form des Spektrums entsteht durch Überlagerung mit der Absorption in der Anode (Filterwirkung im Bereich kleiner Energien). E max e U h http://www.rad.rwth-aachen.de/lernprogramm/grd.htm 7
Eigenschaften der Röntgenröhren Röntgenröhren erreichen Energien von 10 kev bis 400 kev. Der unterer Wert ergibt sich infolge von Absorptionsprozessen in der Anode und dem Röhrenaustrittsfenster. Der obere Wert wird durch die Durchschlagsfestigkeit der Luft bestimmt: Spannungen über 400 kv sind in Luft kaum praktikabel. Röntgenenergien in der Medizin liegen zwischen 10 kev und 150 kev eingesetzt. Bei industriellen Anwendungen oft größere Energien erforderlich (bis 400 kev). Strahlungsleistung: P ~ 2 10-6 I Z U2 kev-1 Strahlungsausbeute: = P/(I U) = 2 10-6 Z U kev-1 Beispiel: Anodenmaterial Wolfram W mit Z = 74, U = 100 kev. Für die Ausbeute ergibt sich ein Wert von = 0,0148 ~ 1,5% I = Anodenstrom in A U = Spannung in V Z = Ordnungszahl Anode 8
Vergleich der Röntgenspektren Spektrale Verteilung der Röntgenbremsstrahlung. Die Form des Spektrums ist für alle Spannungen ähnlich. Spannungsabhängig ist die minimale Wellenlänge min : min min Beispiel: h c 1 e U 6 1 1,24 10 Vm U U = 30 kv: min = 0,413 10-10 m U = 50 kv: min = 0,248 10-10 m 9
Röntgenstrahlungsspektrum Die Bremsstrahlungsspektren zeigen eine scharfe Begrenzung bei kleinen Wellenlängen min bzw. bei großen Frequenzen max. Die Begrenzung ergibt sich aus der Betriebsspannung der Röntgenröhre. Der minimalen Wellenlänge min entspricht eine maximale Strahlungsfrequenz max. Es gilt: min max c Lichtgesch windigkeit Beschleunigungsarbeit = kinetische Energie des geladenen Teilchens = maximale Energie h der Röntgenquanten: e U 1 2 m v 2 h max h c min 10
Charakteristische Spektren Bei höheren Betriebsspannungen der Röntgenröhre zeigen sich zusätzlich zur Röntgenbremsstrahlung auch charakteristische Röntgenlinien. Die Linien entsprechen diskreten Elektronenübergängen in den Atomhüllen des Anodenmaterials. Sie entstehen im Prinzip genau so, wie die optischen Spektrallinien, besitzen aber deutlich höhere Energien. Optische Linien liegen im ev Bereich, charakteristische Linie im kev = 10 3 ev Bereich. 11
Charakteristische Strahlung Entsteht ein Loch z. B. in der K-Schale, so können Elektronen aus den höheren L, M, N - Schalen dieses Loch wieder füllen. Die Energiedifferenz von Ausgangs- und Endzustand wird als Röntgenquant mit der Energie E X-ray abgestrahlt. Es gilt: E X ray E i E f h X ray E i bezeichnet den Ausgangszustand, E f den Endzustand. Die Energiewerte der Elektronenzustände sind charakteristisch für das Elemente, also für Z. 12
Röntgentermschema für Platin Die Energien der K-, L und M- N- O- Serien sind stetige Funktionen in Abhängigkeit von der Ordnungszahl Z. Man kann deshalb durch Messung der charakteristischen Röntgenlinien die Ordnungszahl Z ermitteln. 13
Moseley- Beispiel für Z = 40 Diagramm K 12 R Im Moseley-Diagramm wird die Größe R für die verschiedenen Elektronenzustände als Funktion von Z dargestellt. ij Die entsprechenden Werte für die charakteristischen Röntgenlinien ergeben sich aus den Differenzen. Die Zuordnung von Röntgenenergie und Ordnungszahl Z ist eindeutig. R L 1 R 14
Anwendung Röntgenfluoreszenz: Aus dem Röntgenspektrum, das von einer Materialprobe ausgesandt wird, kann deren elementare Zusammensetzung ermittelt werden. Die Anregung (= Erzeugung von Löchern) kann auf verschiedene Weise erfolgen. Zum Beispiel durch Beschuss mit Teilchen-, Röntgen oder - Strahlung. Fluoreszenz ist die spontane Aussendung von elektromagnetischer Strahlung aus Atomen/Kernen nach vorheriger Anregung. 15
Prinzip Röntgenfluoreszens 1. Ionisierende Strahlung mit ausreichender Energie kann Elektronen aus den gebundenen Zuständen innerer Elektronenschalen entfernen und so Lochzustände erzeugen (Ionisierung innerer Schalen). 2. Bei der Röntgenfluoreszenz untersucht man meist Strahlungsübergänge zur K- oder L-Schale, die beim Auffüllen der Löcher entstehen. 3. Man kann sowohl -, - und -Strahlung, Protonen, andere Ionen und auch Röntgenstrahlung zur Ionisierung der Proben verwenden. 4. Die K- und L-Röntgenfluoreszenzstrahlung wird mit Detektoren nachgewiesen, die im Energiebereich von 1 kev - 100 kev empfindlich sind. 16
Ionisierung der in der K-Schale Schritt 1 K-Photoelektron verlässt das Atom mit der Energie E e = E 0 - B K Beliebige ionisierende Strahlung: -,,, p, e - mit Energie E 0 > B K ( (B K = Bindungsenergie des K-Elektrons) 17
K - und K -Röntgenstrahlung Schritt 2 q Aa A Das Loch in der K-Schale kann durch Elektronen aus höheren Schalen gefüllt werden. Bezeichnungen und Energien: K : E K = B L - B K K ß : E Kß = B M - B K 18
L - und L ß - Röntgenstrahlung Schritt 3a a a a Das Loch in der L-Schale kann durch Elektronen der höheren Schalen gefüllt werden. L : E L = B M - B L L ß : E Lß = B N - B L 19
Alternative: Auger-Elektronen Schritt 3b A a Das Loch in der L- Schale kann durch ein Elektronen der M-Schale gefüllt werden, und die Energie strahlungslos auf ein M- Elektron übertragen werden: E 3 = (B M B L )-B N 20
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Röntgenröhren für XRF Es gibt heute sehr kompakte Röntgenröhren speziell für die Röntgenfluoreszenz (XRF). Sie liefern kontinuierliche Spektren von 1 kev bis 30 kev. Versuchsaufbau mit Mini- Röntgenröhre und Röntgendetektor vor einer Mineral- Probe. 22
Emisionsspektrum der Röhre 23
Detektor: Si- oder CZT Detektor Si-Dioden sind sehr gut geeignet für Strahlung im Energiebereich von 1 kev bis 30 kev. CZT-Detektoren (CdZnTe) eignen sich besonders für Energien von 6 kev 100 kev. Elektronischer Vorverstärker Detektor Dünnes Eintrittsfenster 24
Anwendung Si-PIN mit 109 Cd Analyse einer Goldmünze 25
Anwendung: Si-PIN mit 109 Cd Analyse eine Platinringes 26
Si-PIN mit Röntgenröhre 30 kv Prozesskontrolle: Verzinken von Eisen 27
Anwendung: Si-PIN mit 55 Fe Untersuchung von Papier 28
Anwendung: Si-PIN mit 55 Fe Untersuchung verschiedener Gläser 29
Anwendung: Si-PIN mit 55 Fe Analyse von Zement 30
Si-PIN mit Röntgenröhre 30 kv 31
Analyse von Marsgestein: 244 Cm Mars-Pathfinder im Areas Vallis 32
Untersuchung eines Marssteins Marsstein Yogi 33
Erste Ergebnisse vom Mars 34
Analyse der Mars-Bodenproben 35