DAS VERBOT DER DISKRIMINIERUNG AUS GRÜNDEN DER RELIGION IN DER RICHTLINIE 2000/78/EG

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1 Francisco Javier Calvo Gallego DAS VERBOT DER DISKRIMINIERUNG AUS GRÜNDEN DER RELIGION IN DER RICHTLINIE 2000/78/EG 1. DAS VERBOT DER DISKRIMINIERUNG AUS GRÜNDEN DER RELIGION UND SEINE ENTWICKLUNG IN DEN WESTLICHEN LÄNDERN: VOM IDEOLOGISCHEN KONFLIKT IN DEN ARBEITSBEZIEHUNGEN ZUM SCHUTZ BESTIMMTER GRUPPEN IN DER GESELLSCHAFT Im letzten Jahrhundert haben lange Zeit die besonderen Bedingungen, die traditionell die gesellschaftliche und geschichtliche Entwicklung der westeuropäischen Länder beeinflusst haben, dazu geführt, dass die Diskriminierung am Arbeitsplatz aus Gründen der Religion im Allgemeinen ganz anders behandelt wurde als zum Beispiel die Diskriminierungen am Arbeitsplatz aus Gründen des Geschlechts. In den siebziger und achtziger Jahren haben sowohl die relativ große religiöse Homogenität man könnte fast von religiöser Einheit sprechen -, die lange Zeit in den Ländern der Eurozone herrschte, als auch das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Gruppen in den zur damaligen Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern logischerweise mit Ausnahme der besonderen Umstände in Nordirland sowie der Rückgang bzw. das fast vollständige Verschwinden des wahrhaft verabscheuungswürdigen Antisemitismus der faschistischen Barbarei, und die fortschreitende Laizität der Staaten und vieler privater Institutionen dazu geführt, dass das Problem der Diskriminierung aus Gründen der Religion oder der Weltanschauung eher als indirekte Möglichkeit des Schutzes der Religionsfreiheit betrachtet wurde vor allem in Konfliktfällen in den Arbeitsbeziehungen denn als ausgleichendes Mittel zur Beseitigung von ungerechtfertigten Vorurteilen gegenüber gesellschaftlichen Gruppen, die in diesem Fall aufgrund ihrer Religion/Weltanschauung gesellschaftlich und finanziell benachteiligt sind. Aus dieser traditionellen Perspektive, die von einer relativen Homogenität bzw. von einem friedlichen Zusammenleben der verschiedenen Gruppen ausgeht, wurde das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Religion/Weltanschauung hauptsächlich als Schutzinstrument innerhalb des privaten Bereichs der Religionsfreiheit oder im horizontalen Ansatz der Religionsfreiheit betrachtet. Mehr noch, der meist neutrale Charakter der großen Mehrheit der Unternehmen und der Arbeit und die daraus folgende Betrachtung der Religion/Weltanschauung als eine private Angelegenheit der Arbeitnehmer, die nichts mit der Produktivität zu tun hat, führte dazu, dass diese Konflikte auf solche Betriebe beschränkt wurden, die traditionell Tendenzbetriebe genannt werden, und hier auf solche Personen, die eine ideologisch orientierte Arbeit leisten (Tendenzträger). Erst später befasste man sich, aber auch nur in ganz besonderen Bereichen, wie im Bereich der Gewissensfrage bei Abtreibungen innerhalb der Berufsethik der Ärzte, mit dem Problem der Verweigerung aus Gewissensgründen in

2 Arbeitsbeziehungen, das bis dahin lediglich zu einigen Gerichtsurteilen geführt hatte, wie zum Beispiel in Deutschland, als in einem Fall über die Herstellung von Waffen entschieden wurde. Diese Perspektive, die wir als traditionelle Perspektive bezeichnen könnten, stand sicherlich im Mittelpunkt der doktrinellen Analysen der siebziger und achtziger Jahre vor allem von T. Rahnm, G. Giugni und Rodríguez-Piñero. Dennoch haben verschiedene Ereignisse, die in den letzten Jahren besonders intensiv zu spüren waren, diese Perspektive zu einem zwar richtigen, wenn auch eingeschränkten Ansatz werden lassen, denn zur "traditionellen" Perspektive ist eine neue hinzugekommen, die sich der autonomen Betrachtungsweise des Diskriminierungsverbots viel mehr nähert, und die deshalb eher mit Gruppen in Verbindung steht, die sozial und aufgrund des Geschlechts benachteiligt werden. Zurückzuführen ist sie auf den synergetischen Effekt verschiedener Gründe. Zweifelsohne ist an erster Stelle das Phänomen der Migration zu nennen, das vor allem in den letzten 20 Jahren in der Europäischen Union zu beobachten ist, und das in unseren Gemeinschaften eine zunehmende Bereicherung im Rahmen der Konfessionen bedeutet hat. Im Vergleich zu einem eher "christlichen" Westeuropa, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist und ich möchte hier keine neue Debatte über den Bezug auf christliche Werte in der künftigen EU-Verfassung anstoßen - haben wir es heutzutage mit einem viel reicheren Europa zu tun, in dem die islamische Bevölkerung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Es fällt hier besonders auf, dass die Mitglieder dieser Bevölkerungsgruppe, die oft bereits die Staatsangehörigkeit eines EU-Staates besitzen, nun sozial benachteiligt sind, weil die Arbeitslosigkeit bzw. die Aktivität unter ihnen viel größer als unter der Bevölkerung des jeweiligen Staates ist. Die jüngsten Ereignisse in Frankreich zeigen diese neue Sicht der Dinge, wonach es bereits Gruppen gibt, deren Kennzeichen die Konfession bzw. Religion ist, und bei welchen das Problem nicht der konkrete und traditionelle Konflikt eines Einzelnen zwischen den arbeitsrechtlichen Verpflichtungen und seiner Religion ist der auch noch unter neuen Aspekten betrachtet werden muss, zum Beispiel dem der Kleidung - sondern bei welchen das Problem die fortschreitende Ausgrenzung nicht nur am Arbeitsplatz sondern auch die körperliche Ausgrenzung der ganzen Gruppe ist, deren Mitglieder, wie gesagt, in vielen Fällen bereits die Staatsangehörigkeit des jeweiligen EU-Staates besitzen und die in Stadtteilen leben, die sich schon zu regelrechten Ghettos entwickelt haben. Das Problem zeichnete sich zwar schon in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts ab, doch es erfuhr eine exponentielle Zunahme nach den entsetzlichen Attentaten von New York, Madrid und London. Man kann zwar im Falle von New York und Madrid von Fremdenfeindlichkeit und Ausländerfeindlichkeit sprechen, aber im Falle von London fällt auf, dass britische Staatsbürger die Tat begangen haben, Einwanderer der zweiten und dritten Generation, die als einigendes Merkmal einzig und allein die Konfession hatten. Durch den internationalen Terrorismus droht die Gefahr des geometrischen Anstiegs der Zurückweisung von Menschen allein aus Gründen ihrer Religion. Dabei wird oft vergessen, dass es sich um eine Minderheit innerhalb der muslimischen Gemeinschaft handelt. Dies hat auch im Fall des Palästina-Konflikts zu einem Wiederaufflackern von verabscheuungswürdigen und unverständlichen antisemitischen Bewegungen geführt, die sich in den letzten Jahren vermehrt haben.

3 Wenn wir dazu noch die Erweiterung der EU auf Länder betrachten, in denen die Ausgrenzung aus religiösen Gründen nicht nur zu Konflikten, sondern zu regelrechtem Gemetzel geführt hat siehe das alte und ungelöste Problem in den Balkanländern -, und uns die Probleme mit der Religionsfreiheit in Ländern wie Weißrussland oder der Türkei ansehen, dann können wir feststellen, dass das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Religion in Arbeitsbeziehungen ein viel komplexeres und größeres Problem als vor einigen Jahren ist. Hier müssen wir nicht mehr nur den traditionellen Aspekt des Gewissenskonflikts in Betracht ziehen, sondern Probleme der jüngsten Vergangenheit mit einbeziehen, die, wenn ich so sagen darf, quantitativ bedeutender sind, und die unseren Fall eher in Verbindung bringen mit Modellen, Mitteln und Grundsatzfragen zum Beispiel der Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Deshalb sollen an dieser Stelle beide Fragestellungen betrachtet werden, nämlich die traditionelle und fast individuelle sowie die neuere, kollektive und dringende Fragestellung. Dies soll logischerweise im Rahmen der Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG geschehen. Wir dürfen hierbei nicht vergessen, dass es sich um eine Richtlinie handelt, die in einer Zeit umzusetzen ist, in der es in der EU leider noch keine wirkliche und verbindliche Grundrechteerklärung gibt, die mehr umfasst als die reine Proklamation der Grundrechtecharta von Nizza, und in der die Rechte nicht nur wie bisher als allgemeine Rechtsgrundsätze behandelt werden, deren Wahrung der europäische Gerichtshof zu sichern habe, wie es im berühmten Urteil in der Rechtssache Kremzow C-299/95 vom 29. Mai 1997 heißt. 2. DAS VERBOT DER DISKRIMINIERUNG AUS GRÜNDEN DER RELIGION IN DER RICHTLINIE 2000/78/EG 2.1. Der Schutz gegen Diskriminierung und die fehlende vorherige Anerkennung der Religionsfreiheit als Grundrecht Hier muss an erster Stelle hervorgehoben werden, dass im Unterschied zum Verbot anderer Diskriminierungen in der gleichen Richtlinie 2000/78/EG das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Religion/Weltanschauung nicht direkt mit einem dem Menschen innewohnenden Merkmal zusammenhängt, das der Mensch beeinflussen oder auswählen könnte Rasse, Geschlecht, Alter, Behinderung, oder siehe Richtlinie 2000/43/EG Rasse oder ethnische Herkunft. Auffallend ist hier, dass das Verbot der Diskriminierung als ein zusätzlicher Schutz der Ausübung eines Grundrechts Religions- und Glaubensfreiheit erscheint. Dieses Grundrecht wird jedoch im Moment noch nicht im Rahmen des geltenden EU-Rechts geregelt oder direkt und selbständig anerkannt. Es gilt lediglich als allgemeiner Grundsatz, der dem Schutz durch den Gerichtshof unterliegt. Solange die ersehnte EU-Verfassung, die dann mehr ist als eine reine Proklamation von Rechten, wie in Nizza geschehen, noch nicht verabschiedet ist, obliegt die Regelung dieses Grundrechts, des Inhalts und vor allem die Regelung der Einschränkungen der Ausübung den Staaten der Europäischen Union. Auf Gemeinschaftsebene könnten bzw. würden nur Fälle der Diskriminierung am Arbeitsplatz aus Gründen der Religion geregelt werden, was voraussetzt, dass eine Ungleichbehandlung vorlag. Etwas anderes ist, dass im Falle der Regelung des indirekten Schutzes, der theoretisch nur bei Arbeitsund Beschäftigungsverhältnissen gegen Diskriminierung wirkt mit allen sich daraus

4 ergebenden Einschränkungen die Richtlinie und damit das Gemeinschaftsrecht einen Teil der Aspekte der Ausübung dieses Rechts und damit auch der eigenen Rechtsnormen behandelt hätte, was bedeuten würde, dass auf dem indirekten Weg des Schutzes gegen Diskriminierung ein großer Teil dieses Grundrechts vergemeinschaftet worden wäre, das nun als "fortgeschritten" gelten würde bei der notwendigen Aufgabe, eine Grundrechtecharta für die EU zu verabschieden. Vielleicht wäre dies auch gerechtfertigt bzw. zu rechtfertigen, denn es ist zum großen Teil dasjenige Grundrecht, das als Grundlage für den Aufbau der Grundrechtestruktur Europas gedient hat, und das sowohl international als auch national weitgehend anerkannt ist. Jedenfalls steht zweifellos fest, dass wir vor diesem Hintergrund auf jeden Fall die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bei der Analyse mit einbeziehen müssen, nicht nur wegen der Tragweite der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten in den EU-Ländern, sondern auch weil diese Konvention die Erarbeitung der Charta und später auch die Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs in großem Maße beeinflusst hat. Aus diesem Grund sind verschiedene Entscheidungen des Gerichtshofes und die beiden Art. 9 und 14 der Menschenrechtskonvention bei der Betrachtung der Richtlinie von entscheidender Bedeutung, und beim Versuch, Klarheit über einige offene Fragen der Richtlinie zu bekommen. Dazu später mehr. 2.2 Allgemeines: Begriffe, Geltungsbereich, Beweislast, Verweisung An zweiter Stelle möchte ich von vornherein und im Sinne einer Vorbemerkung zu meinen späteren Ausführungen hier festhalten, dass der allgemeine Begriff, der in der Richtlinie verwendet wird Religion oder Weltanschauung zum großen Teil die traditionelle Diskussion über den Geltungsbereich der Religionsfreiheit und darüber, ob sie auf bestimmte Gruppen, wie die Agnostiker Anwendung findet, entschärft hat. Der undifferenzierte Gebrauch der Begriffe Religion und Weltanschauung erlaubt es, zu den beschützten Gruppen und Glaubensrichtungen nicht nur die traditionellen Religionen zu zählen, bzw. die Religionen und Glaubensrichtungen, welche ähnliche Merkmale oder institutionelle Praktiken aufweisen wie die traditionellen Religionen d.h. der Glaube an ein höheres Wesen, transzendent oder nicht, mit dem man in Verbindung treten kann; der Glaube an bestimmte Lehrmeinungen (Dogmen) sowie Verhaltensregeln (moralische Normen), die in der einen oder anderen Form von diesem höheren Wesen abgeleitet sind; und schließlich individuelle oder kollektive rituelle Aktionen (Kult), die den institutionalisierten Kanal der Verbindung der Gläubigen zum höheren Wesen bilden sondern wie es im Allgemeinen Kommentar des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen vom 30. Juli 1993 heißt, auch theistische, nicht theistische und atheistische Glaubensrichtungen dazu zu zählen, sowie das Recht auf Nichtausübung einer Religion oder eines Glaubens, weil die Begriffe Glauben und Religion im weitesten Sinn und nicht im engeren Sinn zu verstehen sind. Etwas anderes sind die Einschränkungen, die ein Staat im Bereich der öffentlichen Ordnung verfügen könnte in Bezug auf die öffentliche Sicherheit, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, oder auch in Bezug auf den Schutz der Gesundheit. Aber später werden wir sehen, dass das viel diskutierte Thema der sogenannten Sekten eher ein strafrechtliches Problem im Bereich der öffentlichen Ordnung denn ein rein arbeitsrechtliches Problem darstellt.

5 Wie die meisten Kollegen sicherlich bereits erwähnt haben, lehnt sich die Richtlinie 2000/78/EG und damit auch logischerweise das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung - andererseits in Bezug auf Aufbau, Begriffe, Mittel und Reaktionsmechanismen eng an die bereits bestehende gemeinschaftliche Regelung der Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts an. Dieser eindeutige Einfluss ist zum Beispiel in Art. 3 zu sehen, in dem der Geltungsbereich geregelt wird, und in dem recht umfassend traditionelle Begriffe verwendet werden, wie Bedingungen für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, für die Ausübung eines Berufes, für den Zugang zu allen formen und Ebenen der Berufsberatung, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, obwohl im Vergleich zur Richtlinie 2000/43/EG eine Einschränkung auffällt, und zwar wenn es um die Leistungen der staatlichen Systeme geht. Der Einfluss ist ebenso zu sehen in Art. 10, in dem es um die Beweislast geht und in dem prinzipiell von einer Umkehrung ausgegangen wird, die im Falle der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bereits in der Richtlinie 97/80/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 geregelt ist. Schließlich macht sich der Einfluss auch in Art. 2 bemerkbar, in dem die fortschrittliche Definition der Diskriminierung enthalten ist, wonach Diskriminierung nicht nur die mittelbare und unmittelbare Diskriminierung ist, sondern wonach auch Belästigungen als Diskriminierung gelten; auch werden in Art. 2 nicht nur maßgebende Verhaltensweisen (Vorschriften) erwähnt, sondern auch andere, nicht normierte Verhaltensweisen wie Kriterien und Verfahren. Dies ist umso wichtiger, als der traditionell christliche Charakter der meisten EU-Länder dazu führen wird, dass scheinbar neutrale Faktoren, wie Kleidung und Arbeitszeiten, die auf den ersten Blick als neutral erscheinen mögen, in Wirklichkeit nicht neutral sind, weil sie auf Vorbehalte seitens der anderen Religionen oder Glaubensrichtungen, auf die sie treffen, stoßen könnten bzw. bei diesen als Einschränkung aufgenommen werden und ungleiche Auswirkungen haben könnten, was erklärt werden muss, indem der legitime Zweck der neutralen Faktoren bewiesen wird, sowie der Beweis erbracht wird, dass die Mittel, die zur Erreichung dieses Ziels eingesetzt werden, angemessen und notwendig sind. Dazu aber später mehr. Da diese Fragen zu Begriffen, Geltungsbereichen und Beweislast mehrheitlich bereits behandelt worden sind, werde ich nicht auf Details eingehen. Eines möchte ich jedoch hervorheben, und zwar die doch recht überraschende Tatsache, dass die Richtlinie 2000/78/EG nicht ausdrücklich vorgibt, welche angemessenen Vorkehrungen seitens der Arbeitgeber zu treffen sind, um dem Bedürfnis der Arbeitnehmer entgegenzukommen, ihren Glauben nach außen zu tragen. In Anbetracht der Vorgeschichte und insbesondere der amerikanischen Vorschriften auf diesem Gebiet ist in großem Maße auffällig und befremdend, dass die angemessenen Vorkehrungen in Art. 5 der Richtlinie lediglich für Menschen mit Behinderung vorgesehen sind, und somit ein Bereich vernachlässigt wird, der dringend einer Regelung bedarf, wie es der Bereich des Glaubens ist.