Persönliche Stellungnahme zum Senatsbeschluss Wiedereinführung Anwesenheitspflicht Liebe Studierende, liebe Interessierte, mit dieser Stellungnahme möchte ich auf die Prozesse zur Anwesenheitspflicht- Thematik in den vergangenen Monaten genauer eingehen und euch auch mein Abstimmungsverhalten im Senat zur Anwesenheitspflicht erläutern. Als ich 2012 an die Universität Erfurt kam, gab es für alle Lehrveranstaltungen noch eine strikte Anwesenheitsregelung. Damals konnte bereits nach zweimaligen unentschuldigten Fehlen die Zulassung zur Prüfung bzw. die Erteilung der Leistungspunkte verwehrt werden. Es gab keine Ausnahmen, sondern diese Regelung galt für alle Lehrveranstaltungsformen. Anfang 2015 wurde mit dem Schreiben des Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft (TMWWDG) erklärt, dass Anwesenheit grundsätzlich kein Kriterium sein kann, um nicht zur Prüfung zugelassen zu werden oder Leistungspunkte nicht zu erteilen. Allerdings ging aus dem Schreiben auch hervor, dass für bestimmte didaktische Lehrformen (z.b. Laborversuche, Projektgruppenarbeit etc.) dennoch eine Anwesenheitspflicht verlangt werden kann, wenn...das mit der Veranstaltung verfolgte Lernziel nur dann erreicht werden kann, wenn der Studierende an der Lehrveranstaltung teilgenommen hat, d. h. das Lernziel nicht auf andere ( mildere ) Weise erreicht werden kann... (Schreiben des TMWWDG vom 11. März 2015). Mitte 2015 strich der Senat den Anwesenheitsparagraphen ersatzlos aus der Rahmenprüfungsordnung, da sich dieser auf eine neue Formulierung nicht einigen konnte. Es wurde allerdings die Übereinkunft getroffen, dass ein Jahr später evaluiert werden sollte, ob das Wegfallen des Paragraphen zu Problemen geführt hat.
In den vergangenen Monaten wurde der Druck von einigen Dozierenden auf die EntscheidungsträgerInnen der Universität immer größer, da sie argumentierten, dass aufgrund des Wegfallens der Anwesenheitspflicht Lehrveranstaltungen schlechter besucht wären und auch die Qualität der Lehrveranstaltungen nachgelassen habe. Den Gremien wurde daher seit Mitte 2016 signalisiert, dass eine Neuregelung der Anwesenheitspflicht geplant sei. Die Studierendenvertretung wurde allerdings erst sehr spät und auch erst auf Nachdruck in das Verfahren involviert. Durch viele Gespräche mit dem Präsidium, dem Studienausschuss und den Studierenden hat der Studierendenrat versucht eine studierendenfreundliche Regelung zu finden und ging bereits einige Kompromisse ein (z.b. das eine Anwesenheitspflicht in Sprachenkursen oder bei Exkursionen möglich ist). Dennoch wurde darauf bestanden auch folgenden Satz aufzunehmen: Darüber hinaus kann ausnahmsweise eine verpflichtende Teilnahme geregelt werden, wenn das mit der Lehrveranstaltung verfolgte Lernziel nur durch die Teilnahme des Studierenden, und nicht auf andere Weise, erreicht werden kann. (Auszug aus der Beschlussvorlage des Senats). Mit dieser Regelung war der Studierendenrat nicht einverstanden, da es die Befürchtung gab, dass dieser Satz dazu führen könnte, dass die Gremien willkürlich über eine Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen entscheiden würden. In der vergangenen Woche entschied sich der Studierendenrat deshalb eine Abstimmung unter aller Studierenden durchzuführen, um festzustellen, wie die Studierenden zur gesamten Beschlussvorlage stehen. Rund 1200 Studierende nahmen an der Abstimmung teil, wovon sich ca. 70 Prozent gegen die Formulierung aussprachen. Durch die Erhebung weiterer Daten und vielen persönlichen Gesprächen mit Studierenden entstand für mich der Eindruck, dass die Studierenden vor allem deshalb gegen die Vorlage stimmten, weil ein Kriterienkatalog fehlte. In der Senatssitzung am Mittwoch hatten wir (die studentischen SenatorInnen) dann das Ergebnis der Studierendenschaft vorgetragen und den anderen SenatorInnen auch die zahlreichen Presseberichte zu dem Thema vorgelegt. Eine Reaktion gab es nicht. Daraufhin haben wir den Vorschlag gemacht, die Abstimmung auf die Senatssitzung im Mai zu verschieben und zwischenzeitlich in der AG Innovative Lehre mit Dozierenden
und Studierenden einen Kriterienkatalog zu erarbeiten, der dann ebenfalls abgestimmt werden sollte. Auf diesen Vorschlag wurde ebenfalls nicht eingegangen, allerdings gab es die Unterstützung von einigen SenatorInnen den Begriff des Kriterienkatalogs in den Beschlusstext mit aufnehmen. Wiederum gab es auch einige SenatorInnen, die signalisierten, dass sie mit der Aufnahme des Begriffs nicht einverstanden seien. Vor der Abstimmung des endgültigen Beschlusstextes wurden deshalb zwei Abstimmungen durchgeführt, in denen es darum ging, ob der Kriterienkatalog begrifflich in den neuen Paragraphen fixiert werden sollte oder nicht. Zunächst wurde über folgende Teilfassung abgestimmt: Die Prüfung und Entscheidung über die Ausnahme obliegt dem Fakultätsrat.... Da diese Formulierung zuvor mehrheitlich von der Studierendenschaft abgelehnt worden war, haben wir die beiden studentischen SenatorInnen 1 dreimal mit Nein gestimmt. In der zweiten Abstimmung wurde über folgende Teilformulierung abgestimmt: Die Prüfung und Entscheidung über die Ausnahme obliegt auf Basis eines festzulegenden Kriterienkatalogs dem Fakultätsrat.... Da mir bewusst war, dass wir eine Wiedereinführung der Anwesenheitspflicht nicht verhindern können, habe ich dafür gestimmt, da es mir wichtig war, dass zumindest der Begriff des Kriterienkatalogs in der Rahmenprüfungsordnung auftaucht und dieser auch existieren muss, wenn über Ausnahmen entschieden werden soll. Diese Teilformulierung wurde mehrheitlich vom Senat angenommen, daher wurde am Ende über den gesamten Beschlusstext abgestimmt. 8 Belegung von Lehrveranstaltungen und Modulprüfungen, Rücktritt von der Belegung, Mentorierung Der bisherige 8 Abs. 3 B-RPO (3) (weggefallen) wird ersetzt durch: (3) Eine verpflichtende Anwesenheit der Studierenden in Lehrveranstaltungen darf als Voraussetzung für die Zulassung zu Prüfungen nicht überprüft werden. Für Exkursionen, Sprachkurse, Praktika, künstlerischen Einzel- und Gruppenunterricht sowie praktische Übungen besteht Anwesenheitspflicht. Darüber hinaus kann ausnahmsweise eine verpflichtende Anwesenheit geregelt werden, wenn das mit der Lehrveranstaltung verfolgte Lernziel nur durch die Anwesenheit des Studierenden, und nicht auf andere Weise, erreicht werden kann. Die Begründung 1 Jacob Bohé war aus persönlichen Gründen verhindert an der Sitzung teilzunehmen und übertrug mir deshalb sein Stimmrecht.
hierzu ist zusammen mit der Lehrveranstaltungsanmeldung für das Vorlesungsverzeichnis einzureichen. Die Prüfung und Entscheidung über die Ausnahme obliegt auf Basis eines festzulegenden Kriterienkatalogs dem Fakultätsrat oder einem von ihm eingesetzten Gremium. Damit der Fakultätsrat bzw. das von ihm eingesetzte Gremium noch in seiner letzten ordentlichen Sitzung im Planungssemester entscheiden kann, muss die Begründung spätestens bis zu einem von der Fakultät festgelegten Termin eingereicht sein (Ausschlussfrist). Wenn ein Studierender in einer Lehrveranstaltung, die mit der Pflicht zur Anwesenheit verbunden ist (S. 2 und 3), nachweislich mehr als drei Sitzungen bzw. mehr als ein Viertel der Präsenzstunden eines Blockseminars bzw. bei einem Praktikum 3 Arbeitstage unentschuldigt versäumt, gilt die Lehrveranstaltung als nicht erfolgreich abgeschlossen. Bei dieser Abstimmung habe ich mich letztendlich aus zwei Gründen enthalten. Einerseits konnte ich die Formulierung nicht annehmen, da ich grundsätzlich nicht über etwas abstimme, was noch nicht existiert (Kriterienkatalog). Zudem ist nicht geregelt, wer für die Erstellung der Kriterien zuständig ist. Aus diesem Grund kam für mich keine Zustimmung infrage. Ein Nein war für mich aber ebenso keine Option, da ich sonst gegen unseren eigenen Vorschlag (die Aufnahme des Kriterienkatalogs) gestimmt hätte und ich fand, dass wir uns dann gegenüber den Dozierenden unglaubwürdig gemacht hätten mit denen wir in den nächsten Monaten auch über die Kriterien verhandeln müssen. Außerdem war ich froh, dass die Unterstützung von einigen SenatorInnen vorhanden war, denn schließlich wurde uns in Vorabgesprächen mit der Universitätsleitung signalisiert, dass ein Kriterienkatalog nicht erwünscht sei, da der Senat dies mit hoher Wahrscheinlichkeit ablehnen würde. Mit Nein zu stimmen, wäre für mich nur dann sinnvoll gewesen, wenn die anderen vier Senatsmitglieder, die sich ebenfalls enthalten hatten, auch mit Nein gestimmt hätten. In diesem Fall wäre kein Beschluss zustande gekommen. Mir ist bewusst, dass einige mein Abstimmungsverhalten wahrscheinlich trotzdem nicht verstehen werden, aber für mich gab es keine andere Option als die Enthaltung. Ich habe mein Bestes gegeben, um die Neuregelung der Anwesenheitspflicht abzuschwächen und eine gewisse Transparenz zu schaffen. Es gab für uns keine Chance die Neuregelung zu verhindern.
Auch wenn der Beschluss nicht so ausgefallen ist, wie es sich die meisten Studierenden erhofft haben (nämlich gar keine Anwesenheitspflicht), bin ich dennoch zuversichtlich, dass wir es in den nächsten Monaten gemeinsam schaffen können, dass bei möglichst wenigen Lehrveranstaltungen diese Ausnahmeregelung zutragen kommt. Das ist aber nur möglich, wenn ihr euch beteiligt. Nutzt jetzt die Gelegenheit und werdet aktiv! Engagiert euch in Gremien, besucht hochschulpolitische Veranstaltungen, stimmt bei Wahlen ab! Nehmt die Chance wahr eure Studienbedingungen mitzugestalten! Allein sind wir viele, zusammen sind wir eins! Nadin Weber Studentische Senatorin und Mitglied des Studierendenrates