Manuskript Beitrag: Geschäftsmodell Steuerflucht Und die hilflose Politik Sendung vom 9. April 2013 von Herbert Klar, Joe Sperling und Anna-Lisa Bühren Anmoderation: Sie brauchen einen Strohmann. Gründen eine Scheinfirma, machen geheime Verträge: Verschwiegene Manöver, um Kapital zu verstecken. Seit Jahrzehnten geht das so. Jetzt enthüllen neu aufgetauchte Datensätze: Noch viel mehr Vermögen, als bisher angenommen, landen so auf irgendwelchen einsamen Inseln. Entgehen heimischen Steuerbehörden. Gleichzeitig aber wird klar, Regierungen scheinen machtlos zu sein gegen die Steuerflucht: Superreiche, Despoten und Kriminelle sind in der Regel schneller. Herbert Klar und Joe Sperling: Text: O-Ton Reinhard Kilmer, ehemaliger Steuerfahnder: Steueroasen sind nichts anderes als ein Bindeglied zwischen der legalen Wirtschaft und der illegalen Wirtschaft. O-Ton Gerhard Schick, B 90/Grüne, finanzpolitischer Sprecher: Und außerdem ist ein großer Teil des Geldes auch illegalen Ursprungs. Das heißt, wir müssen davon ausgehen, das kommt aus kriminellen Aktivitäten. Es freut mich auch, dass Schwung in die Debatte gekommen ist. Jetzt sind sie aufgeflogen, die Tricks der Reichen: weltweite Enthüllungen über Steueroasen. Washington, USA. Gerard Ryle leitet das Journalistennetzwerk, das die Schlagzeilen auslöste. Bei ihm landete eine Computerfestplatte anonym per Post. Mit einer Riesen- Datenmenge. O-Ton Gerard Ryle, Internationales Konsortium Investigativer Journalisten:
Mir wurde klar, dass ich eine Menge Leute benötigen würde, wenn ich die Geschichte jemals rausbringen wollte. Sebastian Mondial half bei der Auswertung von Millionen Dokumenten. Sie stammen aus zwei Anwaltskanzleien, die auf den britischen Jungferninseln anonyme Firmen für Reiche aus aller Welt organisieren. O-Ton Sebastian Mondial, Datenjournalist: Selbst die Menge an Firmen, an Offshore-Firmen, die wir in diesen Daten gefunden haben, verraten, dass es sich um einen Riesen-Markt handeln muss, in dem eben Millionen von Offshore-Firmen irgendwelche Transaktionen verdecken, verschleiern, oder unsichtbar machen. Dabei decken die Enthüllungsdokumente nur einen sehr kleinen Teil der weltweiten Steuerhinterziehung auf. Das weiß auch der Finanzminister. O-Ton Frontal 21: Was hat Sie an den Veröffentlichungen der letzten Woche überrascht? Eigentlich nichts. Abgesehen davon, dass man vom Umfang und von der Intensität solcher Recherchen immer ein Stück auch beeindruckt ist und darin steckt dann auch ein Stück Überraschung. Aber dass es weltweit nicht nur Steuerhinterziehung gibt, sondern dass die Globalisierung eben Möglichkeiten bietet, durch komplizierte Gestaltung - und da gibt es ganze Heerscharen von Beratern, deren Aufgabe es ist, völlig legal, die günstigste Möglichkeit zu finden. Der Weg zu dieser günstigsten Möglichkeit kann auch in Deutschland beginnen. Berater gibt es genug. Sie helfen gern anonyme Firmen zu gründen, die dann in Steueroasen residieren. Sie werben offen im Internet, versprechen Vermögensschutz und Anonymität in mehr als 20 Ländern in Steueroasen. Eine komplette Offshore-Firmengründung gibt es schon ab 1349 Euro - von Deutschland aus. Wir verabreden uns mit einem Unternehmensberater in Leipzig drehen mit versteckter Kamera. Unser Gesprächspartner prahlt, er habe schon Tausende Auslandsfirmen für seine Kunden gegründet, von Leipzig aus. O-Ton Unternehmensberater: Wir gründen für Sie eine Firma auf Zypern, den Cayman Islands oder sonst wo. Dann gründen wir in einem anderen Offshore-Land noch eine Firma zum Beispiel auf den
Seychellen. Diese Firma wird dann Gesellschafterin der ersten Firma. Dann sind Sie doppelt abgesichert. Auf den Seychellen gibt es weder öffentliche Verzeichnisse noch Register. Keiner kommt je dahinter. Sie bleiben anonym. Wir erledigen das alles für Sie hier in Leipzig. Kontoeröffnung inklusive. Formulare liegen schon bereit. Routine. Alles legal. So läuft das schon seit 15 Jahren. Geldverstecken - für Reiche kein Problem. Eine Billion, also 1.000 Milliarden Euro Steuereinnahmen gehen der EU jährlich verloren, sagt die Kommission. Das ist lange bekannt, auch im Finanzministerium. Auf einmal Aktionismus: O-Ton Steffen Kampeter, CDU, Staatssekretär Bundesfinanzministerium: Wir brauchen in Deutschland so etwas wie eine vereinheitlichte Strafverfolgung ein FBI gegen internationale Steuerhinterziehung. Beispielsweise beim Bundesamt für Steuern. Das klingt gut. Stammt ursprünglich von der Linkspartei. Aber Schäuble sieht da wenig Handlungsmöglichkeiten belehrt seinen Staatssekretär. Das Problem liegt aber nicht in Deutschland. Ich hab das auch mit Steffen Kampeter diskutiert. Das Problem, was da auch in diesen Veröffentlichungen sichtbar geworden ist, durch die Nutzung von vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten in Europa und weltweit, hat seine Ursache nicht in Deutschland. Und deswegen kann s auch in Deutschland durch noch so gute Zusammenarbeit von Bund und Ländern nicht gelöst werden. Dass diese Zusammenarbeit nicht funktioniert, liegt auch an Schäuble selbst. Beispiel Daten CDs aus Banken in Steueroasen: Ohne die wäre der ehemalige Postchef Klaus Zumwinkel und viele andere nicht als Steuerbetrüger erwischt worden. Die Namen standen auf der CD einer liechtensteinischen Bank, die Nordrhein-Westfalen kaufte. Obwohl solche CDs dem Fiskus Milliarden in die Kassen spülen, wird noch immer darüber gestritten, ob der Staat die überhaupt kaufen darf. O-Ton Norbert Walter-Borjans, SPD, Finanzminister NRW: Wenn dieses aber so der Fall ist, dann war es bisher immer eine ganz klare Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, dass der Bund die eine Hälfte bezahlt hat, und die Länder - je nach Anteil der Einwohner - die andere. Davon haben sich,
möglicherweise aus einem gewissen Trotz heraus, nach dem gescheiterten Abkommen mit der Schweiz, der Bund und ein paar Länder - vor allem Bayern, Hessen, Sachsen - verabschiedet. Das ist natürlich jetzt auch keine besonders gute Darstellung gegenüber Steuerbetrügern. Für den Kauf der Daten CDs will Schäuble jetzt also nicht mehr zahlen, weil die rot-grün regierten Bundesländer sein Lieblingsprojekt im Bundesrat platzen ließen: das Steuerabkommen mit der Schweiz. Danach sollten Deutsche ab 2013 ihr Schwarzgeld in der Schweiz pauschal versteuern, wären dabei anonym geblieben. Für Kritiker eine Begünstigung von Steuerbetrügern. O-Ton Reinhard Kilmer, ehemaliger Steuerfahnder: Da ging es ja letztlich darum, dass auch Herr Schäuble Straftäter weiter schützen wollte. Er wollte ihnen weiter Anonymität zusichern. Und das sieht natürlich jetzt vor der Entrüstung, die heute geäußert wird, ein bisschen merkwürdig aus. Solche Kritik lässt der Minister abprallen. Und dann gibt es da noch das sogenannte Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz. Völlig wirkungslos - nach Meinung der Opposition. O-Ton Gerhard Schick, B 90/Grüne, Finanzpolitischer Sprecher: Das heißt, der Bundesfinanzminister definiert heute die Situation so, dass es gar keine Steueroasen gibt. Das ist natürlich völlig absurd. Notwendig wäre es, diese Liste wirklich aufzustellen und dann wirklich Druck zu machen auf diese Oasenstaaten, so wie es Frankreich beispielsweise macht. O-Ton Frontal21: Was nutzt das Steuerhinterzeihungsbekämpfungsgesetz, wenn auf der schwarzen Liste der Steueroasen nicht ein einziges Land steht? Na ja, das Steuerhinterzeihungsbekämpfungsgesetz war ein nützlicher Ansatz. Ich glaube, der Finanzminister, der es unterzeichnet hat, war mein Amtsvorgänger. O-Ton Frontal 21: Aber warum haben Sie es nicht verschärft? Na, ich kann doch nicht ständig Gesetzte verschärfen, die bringen im Übrigen trotzdem nichts.
So bleibt erst einmal alles wie es ist: Weiter freie Fahrt für Steueroptimierer in ihre Oasen - weltweit. Abmoderation: Kampf gegen Steuerflucht wollen Deutschland und die USA jetzt beim wichtigen IWF-Treffen in der kommenden Woche gemeinsam voranbringen. So die Ankündigung heute. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.