Heimversorgung/Versorgungsvertrag: Aufbruch zu neuen Ufern

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Transkript:

Heimversorgung/Versorgungsvertrag: Aufbruch zu neuen Ufern Verblistern Antikorruptionsrecht Dienstleistungen Honorierung Prof. Hilko J. Meyer Zentrum für Gesundheitswirtschaft und -recht (ZGWR) ApothekenRechtTag 2018, Berlin, 16. März 2018

Übersicht Teil I Die Pflichtaufgaben Lehren aus dem BGH-Urteil vom 14.07.2016 Teil II Zusätzliche Dienstleistungen Grenzen und Möglichkeiten der Vertragsgestaltung 2

Zum Einstieg: Pflegeversicherung und Heimversorgung 01.01.1995: Einführung der Pflegeversicherung als neue Säule der Sozialversicherung 01.07.1996: 2. Stufe der Pflegeversicherung: Anspruch auf stationäre Pflegeleistungen Umwandlung vieler städtischer Krankenhausbetten in stationäre Pflegebetten Herausfallen der Betten aus Krankenhausversorgung durch Krankenhaus- und krankenhausversorgende Apotheken außerhalb der Arzneimittelpreisverordnung 04.07.1997: Bundesrat fordert auf Antrag Berlins Änderung des Apothekengesetzes Ausdehnung der Krankenhausversorgung auf ärztlich geleitete Pflegeheime Schaffung eines neuen 12a ApoG: Heimversorgungsvertrag: Versorgung von Bewohnern nahegelegender Heime mit Arzneimitteln Information und Beratung Überprüfung der ordnungsgemäßen Aufbewahrung Anzeigepflicht 3

2003: Heimversorgung als eigenständiger Versorgungsbereich 26.04.2002: Bundestagsausschuss für Gesundheit Keine Einbeziehung von Pflegeheimen in Krankenhausversorgung ( 14 ApoG) Präzisierung des 12a ApoG Kontrahierungszwang der Apotheke für Versorgung von Heimbewohnern Genehmigungspflicht des Heimversorgungsvertrags Regionalprinzip Festschreibung der freien Apothekenwahl der Heimbewohner Mehrere Apotheken dürfen gleichzeitig oder auch im turnusmäßigen Wechsel die Versorgung übernehmen Weitere Änderungen zur Erhöhung des Schutzes der Heimbewohner und der Beschäftigten des Heimes 28.08.2003: Inkrafttreten des 12a ApoG 4

Ausgangsfall Heimträger T und heimversorgende Apotheke V haben einen Vertrag nach 12a Apothekengesetz ( Heimversorgungsvertrag ) mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten abgeschlossen. Im Jahr 2013 verlangt T von V ein Angebot für eine Arzneimittelbelieferung inklusive kostenloser Verblisterung. V sieht sich angesichts ihrer Ressourcen zu dieser Leistung nicht in der Lage und teilt dies T am 30. September 2013 mit. Daraufhin kündigt T den Vertrag mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 zum 31. Dezember 2013. Zum 1. Januar 2014 schießt T einen Versorgungsvertrag mit einer anderen Apotheke. V macht daraufhin Schadensersatz in Höhe von 17.000 Euro in Höhe des entgangenen Gewinns für die Dauer von sechs Monaten geltend. LG Hannover, Urt. v. 24.03.2015: 13.700 Euro Schadensersatz OLG Celle, Urt. v. 11.11.2015: Klageabweisung BGH, Urt. v. 14.07.2016: Zurückweisung der Berufung, Urteil des LG rechtskräftig 5

Teil I: BGH, Urt. v. 14.07.2016 Der Heimversorgungsvertrag ist seiner Rechtsnatur nach ein der behördlichen Genehmigung unterliegender, privatrechtlicher, zugunsten der Heimbewohner wirkender Rahmenvertrag, der eine zentrale Versorgung der Heimbewohner durch die in dem Vertrag bestimmte Apotheke öffentlich-rechtlich legalisiert. Kontrahierungszwang des Apotheker für die Übernahme der zentralen Versorgung Privatrechtlicher Vertrag mit Wirkungen zugunsten Dritter Ausnahme vom Zuweisungsverbot des 10 Abs. 1 ApoG Heimbewohner sind nicht Vertragspartner des Versorgungsvertrags. Heimbewohnern, die sich selbst aus öffentlichen Apotheken mit Arzneimitteln versorgen wollen und können, steht dies frei. Ein Vertragsverhältnis zwischen Apotheke und Heimbewohner wird erst im Zuge der konkreten Arzneibelieferung begründet (Kaufvertrag). 6

Abgrenzung des BGH zur Sicht des Bundessozialgerichts Das einzelne Vertragsverhältnis ist ein [privatrechtlicher] Kaufvertrag, der bei gesetzlich krankenversicherten Heimbewohnern wiederum zum Teil durch öffentliches Recht überlagert wird. BGH, Urt. v. 14.07.2016, Rn. 13. 129 SGB V begründet somit im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die Apotheken zur Abgabe von vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln an die Versicherten. Im Gegenzug erwerben die Apotheken einen vertraglich näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die Krankenkassen. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass 129 SGB V nach seinem Wortlaut selbst keine Regelung zur Zahlungspflicht der Krankenkassen aufweist. Die Vorschrift setzt die Vergütungspflicht der Krankenkassen aber als selbstverständlich voraus. BSG, Urt. v. 17.12.2009, Az.: B 3 KR 13/08 R 7

BGH: zweiseitiger Vertrag Der Heimversorgungsvertrag ist regelmäßig als zweiseitiger Vertrag zwischen öffentlicher Apotheke und Heimträger ausgestaltet. Der Apotheker gewährleistet die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung und übernimmt Informations- und Beratungspflichten gegenüber den Heimbewohnern und den Beschäftigten des Heims. Der Heimträger hat dem Apotheker beziehungsweise dem von ihm beauftragten pharmazeutischen Personal ein Zutrittsrecht zum Heim einzuräumen und sicherzustellen, dass die Arzneimittel ordnungsgemäß aufbewahrt und die in der Pflege tätigen Mitarbeiter mindestens einmal im Jahr über den sachgerechten Umgang mit Arzneimitteln beraten werden. Dem zusätzlichen Aufwand des Apothekers steht insoweit ein finanzieller Ausgleich gegenüber, als dem Apotheker ein privilegierter Zugang zu (potentiellen) Kunden eröffnet wird, an die er Arzneimittel liefern kann. 8

Abgrenzung zum Urteil des OLG Celle Der Sinn und Zweck von Verträgen i. S. v. 12 a Abs. 1 ApoG wie dem vorliegenden Vertrag zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung der Bewohner eines Heimes i. S. d. 1 des Heimgesetzes liegt mithin allein darin, dass die Versorgung der Heimbewohner mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten gesichert ist. Schutzsubjekt des 12 a Abs. 1 ApoG sind nach diesem Verständnis allein die Heimbewohner bzw. mittelbar auch das Heim selbst, nicht aber die Apotheke. OLG Celle, Urteil vom 11.11.2015, 4 U 61/15, Rn. 28. Nach alledem bezweckt 12a ApoG nicht allein den Schutz der Heimbewohner und -träger. Die Norm hat vielmehr auch den finanziellen Ausgleich des Apothekers für den zu leistenden Mehraufwand im Blick und will dem Apotheker die konkrete Möglichkeit eröffnen, zusätzlichen Gewinn durch eine Steigerung des Medikamentenabsatzes zu erzielen. BGH, Urteil vom 14.07.2016, III ZR 446/15, Rn. 32. 9

BGH: Bindung des Heimträgers an die Kündigungsfrist Nach 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, 5 ApoG darf der Heimversorgungsvertrag die freie Apothekenwahl der Heimbewohner nicht einschränken und keine Ausschließlichkeitsbindung zugunsten einer Apotheke enthalten. Die Zuständigkeitsbereiche mehrerer an der Versorgung beteiligter Apotheken sind klar abzugrenzen. Die Präambel des Versorgungsvertrags, die darauf Bezug nimmt, bringt lediglich zum Ausdruck, dass mehrere Versorgungsverträge parallel zur Ausführung gelangen können. Sie räumt dem Heimträger aber nicht die Befugnis ein, einen bestehenden Versorgungsvertrag unabhängig von einer Kündigung einseitig zu beenden und durch einen neuen Vertrag mit einer anderen Apotheke zu ersetzen. Insbesondere bedeutet die Befugnis des Heimträgers, weitere Versorgungsverträge mit anderen Apotheken "zum gleichen Gegenstand" zu schließen, nicht, dass solche Verträge ohne ein Einvernehmen der Beteiligten oder eine (Teil-)Kündigung des bisherigen Versorgungsvertrags durchgeführt werden können. (BGH, Rn. 25, 26) 10

Legitimes Interesse des Apothekers an Vertragslaufzeit Obwohl mit der Heimversorgung gem. 12a Abs. 1 ApoG ein erheblicher Mehraufwand für den Apotheker verbunden ist, sieht das Gesetz kein zusätzliches Entgelt vor. Der Gesetzgeber ist vielmehr davon ausgegangen, der Versorgungsapotheker sei typischerweise "der" Lieferant des Heims und seiner Bewohner, so dass die Belieferung durch den Apotheker den finanziellen Ausgleich für die zusätzlichen Kontroll- und Beratungspflichten darstelle. Die Vereinbarung einer längeren (hier: sechsmonatigen) Kündigungsfrist dient nicht nur der Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit zugunsten der Heimbewohner, sondern auch dem legitimen Erwerbsinteresse des Apothekers. Diesem obliegen im Rahmen des Versorgungsvertrags neben der Belieferung mit Arzneimitteln zahlreiche vertragliche und gesetzliche Verpflichtungen, deren Erfüllung unter Umständen finanziell aufwändige Dispositionen erfordert. 11

Konsequenzen für den Versorgungsvertrag Rechtscharakter als zweiseitiger Rahmenvertrag Keine missverständliche Bezugnahme auf zwingendes Recht Leistungen und Gegenleistungen im Verhältnis Heimträger Versorgungsapotheke Sicherstellung der Arzneimittelversorgung / Zugang zu den Bewohnern Systematisierung und Gegenüberstellung der Leistungsbereiche Pflichtleistungen der Apotheke gegenüber den Bewohnern Pflichtleistungen der Apotheke gegenüber dem Heim Pflichtleistungen des Heimträgers gegenüber den Bewohnern Pflichtleistungen des Heimträgers gegenüber der Apotheke Kooperationspflichten beider Seiten Sicherstellung der Autonomie und der Versorgung der Heimbewohner Teilnahme an der zentralen Versorgung Übermittlung der erforderlichen Daten 12

Teil II: Weitere Lehren aus dem Ausgangsfall Vertragsgestaltung kann die Marktverhältnisse nicht ändern Nachfrage nach zusätzlichen Dienstleistungen Vertragsgestaltung kann kein zwingendes Recht abändern Zulässigkeit zusätzliche Dienstleistungen Vertragsgestaltung muss von dem realen Marktverhältnissen ausgehen Analyse der wechselseitigen Interessen Vertragsgestaltung muss rechtlich dem sicheren Weg suchen Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen Vertragsgestaltung kann die Rechtssicherheit erhöhen durch Transparenz, Trennschärfe und Systematik 13

Der Pflegemarkt: Regulierung und Wettbewerb Heimträger 01.01.1995: Einführung der Pflegeversicherung Bedarfsunabhängige Zulassung der Pflegeeinrichtungen Unternehmens- und Finanzierungsverantwortung bei Einrichtungsträgern Pauschalierte Teilkostenvergütung ohne Selbstkostendeckungsgarantie 2014-2016 Drei Pflegeneuordnungsgesetze Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil Ambulant vor stationär, höhere Standards Stationäre Bewohner älter und kränker Wettbewerbsverschärfung, Konsolidierung Heimversorgende Apotheken 11.06.1958: Niederlassungsfreiheit 20.08.1960: Apothekengesetz, Fremd- und Mehrbesitzverbot 16.05.1961: Apothekenpflicht im AMG 17.05.1977: Preisbindung apothekenpflichtige AM, Apothekenabschlag ( 376 RVO) 28.08.2003: Heimversorgungsvertrag 01.01.2004: GKV-Modernisierungsgesetz 29.08.2005: Industrielles Verblistern für Apotheken 26.03.2007: Teilmengen ohne Preisbindung, Preisvereinbarungen: nur Modellversuche 12.06.2012: Änderung ApBetrO: höhere Standards Wettbewerbsverschärfung, Konsolidierung 14

Der Heimversorgungsmarkt: ein Nachfragermarkt Nachfrager: der Heimträger Qualitäts- und Kostenwettbewerb Fachlicher Aufsicht durch Landesbehörden, Pflegekassen, medizinischen Dienst Mangel an Pflegefachkräften Nachfrage nach (Zusatz-)leistungen, die die Pflege- und Versorgungsqualität erhöhen Nachfrage nach Zusatzleistungen, die Personal(kosten) einsparen Nachfrage nach Leistungen, die außerhalb der Pflegepauschale liegen (GKV) Anbieter: die heimversorgende Apotheke Relativ niedrige Markteintrittsschwelle Hohe Qualitätsstandards, fachliche Aufsicht Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel Wettbewerb um Zugang zu den Bewohnern 15

Kurzüberblick: Die rechtlichen Schranken Autonomie der Heimbewohner Heimvertrag (Bund), Heimrecht (Land) Recht der Pflegeversicherung und der Krankenversicherung Arzneimittel-, Apotheken-, und Berufsrecht Apotheker, Ärzte HWG, UWG, GWB StGB: neue und alte Korruptionstatbestände Unrechtsvereinbarung: Gegenleistung für unlautere Bevorzugung im Wettbewerb komplementär 16

Neue Dienstleistungen: Vier Beispiele 1. Zusätzliche Schulungen für die Pflegefachkräfte 2. Medikationsmanagement 3. Rezeptmanagement 4. Patientenindividuelles Verblistern 17

Zusätzliche Schulungen für die Pflegefachkräfte Zulässigkeit: Leistung aus dem Pflichtkatalog des 12a ApoG Zusätzliche Leistung? Frage der Häufigkeit (vgl. Heimgesetze der Länder) Unmittelbarer Adressat/Nutznießer: Personal des Heims Mittelbarer Adressat/Nutznießer: Heimbewohner/Versorgungsqualität Vorteil für Heimträger? Qualifizierung der Mitarbeiter ist Pflicht des Heimträgers/Versorgungsqualität als Wettbewerbsparameter Einschätzung: Zulässige Leistung der Versorgungsapotheke Grenze Zusatzleistung: vertraglich zu regeln Preisvereinbarung: vertraglich zu regeln Kostenlose Leistung zulässig? In vernünftigem Rahmen kaum von den Informationsund Beratungspflichten abzugrenzen 18

Medikationsmanagement Zulässigkeit: Pharmazeutische Tätigkeit gem. 1a Abs. 3 Nr. 6 ApBetrO Zusätzliche Leistung? Keine generelle Verpflichtung, Grenze: Bedenken, Inf. u. Berat. Unmittelbarer Adressat/Nutznießer: Heimbewohner/Versorgungsqualität Vorteil für Heimträger? Versorgungsqualität als Wettbewerbsparameter Einschätzung: Zulässige Leistung der Versorgungsapotheke Als Zusatzleistung gegenüber dem Heimträger: vertraglich regelbar Preisvereinbarung: vertraglich regelbar Kostenlose Leistung zulässig? Für Vorteil spricht: Aufwendige Dienstleistung, vgl. ärztl. Honorar, Modellversuch Aber: Überwiegender Vorteil beim Patienten, keine ersparten Aufwendungen des Heimträgers 19

Rezeptmanagement Uneinheitliche Praxis: Reichweitenkontrolle, Botendienste, Arztkontakte, Vorab-Fax Zulässigkeit: RWK: zulässig; Botendienste: fraglich; Arztkontakte/Fax: strittig Zusätzliche Leistung: Ja Unmittelbarer Adressat/Nutznießer: Heimträger, ggf. Arzt Mittelbarer Adressat: Heimbewohner/kontinuierliche Anschlussmedikation Vorteil für Heimträger (ggf. auch f. Arzt): Ersparte Aufwendungen Einschätzung: Zulässigkeit der Leistung der Versorgungsapotheke rechtlich umstritten RWK, Botendienste als Zusatzleistung vertraglich regelbar: klare Abgrenzung zur Rezeptzuweisung, Arztkontakt bleibt Aufgabe des Heims Preisvereinbarung: vertraglich regelbar Kostenlose Leistung unzulässig: Vorteil im Rahmen einer Unrechtsvereinbarung 20

Patientenindividuell verblisterte Fertigarzneimittel Zulässigkeit: Fremd- und Eigenverblistern zulässig ( 21 Abs. 2 AMG, 34 ApBetrO) Zusätzliche Leistung: Ja, aufwendige Herstellung, zusätzlicher Koordinierungsaufwand Unmittelbarer Adressat/Nutznießer: Heimbewohner/Erleichterung der Einnahmetreue, Portionierung, Einnahmeplanung/Arzneimittelsicherheit Mittelbarer Adressat/Nutznießer: Heimträger/Entlastung Pflegefachkräfte Vorteil für Heimträger: Arzneivorbereitung Aufgabe des Heims, ersparte Aufwendungen Einschätzung: Zulässigkeit: Verordnetes Fertigarzneimittel, individuell neuverpackt (vgl. A&R 1/2018) Zustimmung des Patienten zum Verblistern und zur Datenweitergabe erforderlich Preisvereinbarung: Fertigarzneimittel/GKV/PKV; Verblistern: Patient/Heim Kostenlose Leistung unzulässig? Vorteil im Rahmen einer Unrechtsvereinbarung: Unlautere Bevorzugung im Wettbewerb? Vgl. Ausgangsfall 21

Konsequenzen für den Heimversorgungsvertrag Ausdrückliche Vereinbarung von Zusatzdienstleistungen Zivilrechtliche Privatautonomie Transparente Leistungsbeschreibung Klare Verantwortlichkeiten Datenschutzrechtliche Regelungen Plausible Entgeltregelungen Zusatzvereinbarung zum Heimversorgungsvertrag 22

Ausblick Mustervertrag Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheker (BVKA) und Deutscher Apothekerverlag Überarbeitung weitgehend abgeschlossen Vorstellung auf der BVKA-Jahrestagung 2018 am 7./8. Juni 2018, Mainz Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Folien: www.fra-uas.de/zgwr (ab heute Abend) Kontakt: hilko.meyer@zgwr.fra-uas.de 23