Großfl flächige Extensivweiden in Auen ein Plus für f r Landwirtschaft, Biodiversität und Gewässerschutz Prof. Dr. Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb bbv LandSiedlung GmbH Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 1
Definition Halboffene Weidelandschaften: ein durch Weidetiere (halb)offen gehaltenes Mosaik unterschiedlich intensiv beweideter Grünland und Gehölz Lebensräume definierte Nutzung, um auf großer Fläche Naturschutzziele zu erreichen mehrere Weidetierarten, alte Rassen u/o Wildtiere keine zusätzliche Düngung angestrebt: ganzjährige Weide freie Ökoton Entwicklung hohe Biodiversität historische Vorbilder: Hutungen, Waldweide Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 2
Historie der Beweidung große Pflanzenfresser in Mitteleuropa in den letzten 100.000 Jahren ABU (o.j.) Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 3
Historie der Beweidung Halboffene Weidelandschaften: historische Vorbilder: Hutungen, Waldweide reine Mähwiese erst seit 19. Jhdt. KAPFER (2010) Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 4 Mähweide Typen seit 1400 Jahren
Grünlandprojekt Rhön 2005 2009 Erprobung verschiedener Formen großflächigextensiver Beweidung auf insgesamt ca. 840 ha Einzelparzellen 10 bis 106 ha groß Mono und Multispezies (Rind, Schaf, Ziege, Pferd, Esel) teils ganzjährig begleitendes Monitoring Mehrwert für Landwirtschaft und Naturschutz als Ziel Träger: ARGE Rhön Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 5
Grünland Wert (G Wert) (PREUSCHE 2009) G-Werte 160,00 140,00 120,00 100,00 G-Wert Th G-Wert H G-Wert By G-Wert H - NO G-Wert By Spessart- Rhön G-Wert 80,00 > 400 m NN 60,00 40,00 < 400 m üb. NN < 400 m NN 20,00 0,00 h1w h5w-2 h9w h5w-4 h23w t10w h6w h24w h16w h10w t3w h14w b6w b16w b12w Weideflächen Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 6
Tagfalter (BAYER 2007) Tagfalterabundanzen Untersuchungsfläche "Kalte Buche" (KBU) Tagfalterabundanzen Untersuchungsfläche "Querenberg" (QBE) 300 100 Tagfalterabundanzen 250 200 150 100 50 Weide Mähw iese Tagfalterabundanzen 80 60 40 20 Weide Mähw iese 0 11.5. 24.05. 08.06. 12.06. 01.07. 11.07. 21.07. 01.08. 17.08. Begehungstermine 0 13.06. 24.06. 04.07. 15.07. 24.07. 10.08. 01.09. Begehungstermine Tagfalterabundanzen Untersuchungsfläche "Rockenstein" (ROS) Tagfalterabundanzen Untersuchungsfläche "Buchschirmberg" (BSB) 250 120 200 100 Tagfalterabundanzen 150 100 50 Weide Mähwiese Tagfalterabundanzen 80 60 40 20 Weide Mähwiese 0 0 22.5. 09.06. 17.06. 02.07. 13.07. 22.07. 04.08. 23.08. 29.05. 10.06. 18.06. 03.07. 17.07. 25.07. 13.08. 23.08. Begehungstermine Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 7 Begehungstermine
Koprophage Käfer (MENZ 2008, 2009) sieben Weidegebiete Rhön & Rohr (SM) sowie bei Berlin, 2007 & 2008 Ergebnisse: 12.623 Käfer, 32 Arten (davon drei der Roten Listen) kein Einfluss der Parasitenprophylaxe auf Artenset erkennbar aber deutlich geringere Individuenzahlen höchste Artendiversität bei ganzjähriger Beweidung (Querenberg und Rohr) Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 8
Quellen (HEMM 2009, REISS & ZAENKER 2007) Beweidung verursacht deutlich höhere horizontale Strukturdiversität bis 30 % Offenboden vorteilhaft kleinräumig hochdynamisches Mosaik an Mikrosukzessionen vertikale Strukturvielfalt: räumlich differenzierteres Muster unterschiedlicher Vegetationshöhen Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 9
Quellen (HEMM 2009, REISS & ZAENKER 2006ff.) Beweidungseinflüsse in Randbereichen der Quellen konzentriert einzelne Quellen aber degradiert Habitatspezialisten auf Beweidung angewiesen: Drüsige Fetthenne (Sedum villosum) Binsen Quellsumpfwiesen und an Moosen artenreiche Quellfluren abhängig von Extensiv Beweidung (ELLENBERG 1996, HINTERLANG 1994) Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 10
Sinntal (GENETZKE 2010) Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 11
Sinntal (GENETZKE 2010) Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 12
Weidewirkungen (GENETZKE 2010) Kastenprofile werden beschädigt oder in ihrer Ausbildung verhindert Böschungsbewuchs und Breitenvariabilität positiv beeinflusst natürliche Selbstgestaltungskraft Tiefenvariabilität und Ufererosion nicht nennenswert beeinflusst Zaenker & Reiss Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 13
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Multifunktionalität Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 15
Multifunktionalität Wasserwirtschaft Konfliktminderung mit Landwirtschaft: Ausgrenzen von Uferrandstreifen unnötig Redynamisierung der Uferstrukturen Erhöhung Retentionsvermögen: Wiedervernässung möglich verringerte Nährstoff und PSM Einträge Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 16
Multifunktionalität Naturschutz Förderung der Biodiversität durch erhöhte Fließgewässerdynamik wiedervernässte/reaktivierte Auenbiotope weidetypische Strukturelemente unproblematische Biber Aktivität Regeneration ökosystemarer Prozesse wie Humus und Bodenbildung CO 2 Bindung Grundwasserneubildung Förderung des Erlebnis und Erholungswerts der Landschaft Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 17
Multifunktionalität zusätzliche Einkommensmöglichkeiten (Vermarktung, Erholungssuchende) Landwirtschaft positive arbeitsökonomische & wirtschaftliche Effekte: Kostendegression mit wachsender Flächengröße ggf. Einsparungen durch Ganzjährigkeit Konfliktvermeidung, Akzeptanzsteigerung ggf. Einkommensdiversifizierung Beitrag zur klimaschonenden Landwirtschaft Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 18
Ökonomie: Was sind die Produkte? Fleisch, Milch, Wolle Kultur und Erholungslandschaft Biodiversität Klimaschutz multifunktionale Landwirtschaft jedes Produkt muss seinen Preis haben Wie lässt sich eine ökonomisch tragfähige Beweidung realisieren? a) Preisniveau der o.g. Produkte durch Verbraucher durch Förderung (EU, Land, PPP) b) Aufwandsreduktion der Pflege bzw. Nutzung Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 19
GAP Reform Chance für win win Lösungen Vorschlag Fördermaßnahme: Umwandlung von Ackerland in Extensivgrünland in Überschwemmungsgebieten (HQ 100) Einstellung der ackerbaulichen Nutzung keine chemisch synthetischen Dünge oder Pflanzenschutzmittel und keine Wirtschaftsdünger kein vorbeugender Einsatz von Mitteln der Veterinärmedizin Beweidung: Besatzstärke von max. 1,0 GV/ha Bereitstellung von Flächen außerhalb des Überflutungsbereiches des HQ 100 in Form von ca. 100 m 2 /GV auch ganzjährig Standweide ohne Auskoppelung der Ufer 1.000 /ha/jahr Potenzial: 250.000 ha in Deutschland = 250 Mio. Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 20
Fazit 1. Weide mit langer Tradition, knüpft an Naturlandschaft an reines Mähgrünland erst seit ca. 200 Jahren 2. durch FFH Richtlinie gefestigte Fokussierung des Naturschutzes auf Mähgrünland & Biotoppflege hinterfragen 3. Halboffene Weidelandschaften schaffen raum zeitliche Strukturvielfalt reiche Biodiversität 4. Großflächigkeit, geringe Besatzdichte, Ganzjährigkeit und Multispezies Beweidung 5. stärkere Kooperation von Wasserwirtschaft, Naturschutz und Landwirtschaft nötig 6. Modellprojekte! Eckhard Jedicke & Karl Heinz Kolb Extensivweiden in Auen 21