Amsterdam Barcelona Basel Berlin Bielefeld Bremen Budapest Bukarest Cayman Islands Chemnitz Delhi Dresden Düsseldorf Erfurt Frankfurt/M. Halle/S. Hamburg Hannover Hongkong Ingolstadt Johannesburg Kassel Kiel Leipzig London Lübeck Mexiko-Stadt Moskau München New York Nürnberg Paris Potsdam Prag Rom Rostock São Paulo Stockholm Stuttgart Sydney Ulm Warschau Wien Würzburg Rechtsanwalt Kai Dellit Fachanwalt für Insolvenzrecht hww wienberg wilhelm Maximilian-Welsch-Str. 2 99084 Erfurt Tel.: +49 (0)361 601314-0 Fax: +49 (0)361 601314-30 Michaelstraße 71 09116 Chemnitz Tel.: +49 (0)371 38177-0 Fax: +49 (0)371 38177-30 kai.dellit@hww.eu Workshop II Wirtschaftliche Schwierigkeiten/ Sanierung/ Insolvenz Erfahrungsaustausch mit Praxisbeispielen und Diskussionen Ellipsis Berater Treff 2011 10.Mai 2011
Gliederung I. These: Insolvenzpläne werden in Sanierungsgutachten vernachlässigt II. Wettbewerb der Sanierungsalternativen/ Regelungsgehalt 1. Übertragende Sanierung (asset deal) 2. Außergerichtliche Sanierung des Unternehmensträgers 3. Insolvenzplanverfahren III. Machbarkeit und Vorteile von Insolvenzplänen 1. Machbarkeit/ Fall Tankkartenherausgeber/ Autohofbetreiber 2. Steuersparmodell/ Fall Brauerei 3. Sanierungsinstrumente in der Insolvenz/ Fall Maschinenbauunternehmen 4. Vor- und Nachteile von Insolvenzplänen IV. These: Erforderlichkeit der Ermittlung aller Sanierungsoptionen V. Gründe für das Schattendasein des Insolvenzplans/ Diskussion VI. ESUG (planrelevante Regelungen) 2
I. These/ Ausgangssituation Selbst nach Eintritt der Liquiditätskrise werden regelmäßig in Sanierungsgutachten lediglich folgende Szenarien gerechnet: - außergerichtliche Sanierung, - übertragende Sanierung (asset deal), - Insolvenz/ Zerschlagung; nicht aber: - Insolvenzplanverfahren. Das heißt: Da Ergebnis eines Insolvenzplanverfahrens nicht bekannt ist, kann möglicherweise nicht die beste Sanierungsoption gewählt werden. 3
I. These/ Wirkung - Es gibt wenige Fälle plangesteuerter Insolvenzverfahren, obwohl ein Insolvenzplan im Verhältnis zur außergerichtlichen Sanierung/ übertragender Sanierung die bessere Sanierungsoption ist (Fall Maschinenbauunternehmen; Fall Brauerei), - aber: nicht jedes Verfahren ist plangeeignet (Fall Tankkreditkartenherausgeber/ Autohofbetreiber). - Erst bei Scheitern der außergerichtlichen Sanierungsbemühungen wird Insolvenzantrag gestellt: dann ist ein Insolvenzplan aber meist wirtschaftlich nicht mehr machbar (Fall Automotive). - Insolvenzplanverfahren fristen Schattendasein (siehe nachfolgende Grafik). 4
I. These/ Wirkung Insolvenzpläne fristen Schattendasein Statistik Insolvenzpläne 14000 12000 10000 8000 6000 Unternehmensinsolvenzen Insolvenzplanverfahren 4000 2000 0 2008 2009 2010 2008 2009 2010 Unternehmensinsolvenzen 8906 11583 9598 Insolvenzplanverfahren 74 98 304 Prozent Quellen: ZInsO, Indat- Report 0,83% 0,85% 3,17% 5 5
II. Regelungsgehalt / 1. Übertragende Sanierung Übertragende Sanierung/ Phase 1 Unternehmenskrise X- GmbH Assets Rechtsträger im Feuer (etwa X- GmbH) Unternehmenskrise 6
II. Regelungsgehalt / 1. Übertragende Sanierung Übertragende Sanierung/ Phase 2 Trennung von Rechtsträger (etwa X- GmbH) und Vermögensgegenständen X- GmbH Assets Rechtsträger (X- GmbH) ist (bei Verkauf sämtlicher assets) nur noch leere Hülle mit Bankguthaben (Erlös aus Verkauf der assets) und Verbindlichkeiten. Es folgt regelmäßig die Befriedigung der Gläubiger der X- GmbH aus Kaufpreiserlös sowie deren Abwicklung/ Liquidation. 7
II. Regelungsgehalt / 1. Übertragende Sanierung Übertragende Sanierung/ Phase 3 Vermögensgegenstände werden auf neuen Rechtsträger (Y- GmbH) übertragen Y- GmbH Betriebsfortführung mit den auf sie übertragenen ehemaligen assets der X- GmbH durch neuen Rechtsträger (Y- GmbH) Assets 8
II. Regelungsgehalt / 2. Außergerichtliche insolvenznahe Sanierung Phase 1: Unternehmen im Feuer Assets Phase 2: Restrukturierung, ggf. Moratorien; jeweils individualrechtlich Rechtsträger (etwa GmbH, AG) Phase 3: saniertes Unternehmen Assets X- GmbH X- GmbH Außergerichtliche Sanierung Krise - Rechtsträger bleibt erhalten - Betriebsnotwendige assets bleiben beim Rechtsträger - Befriedigung der Altgläubiger aus frischen Eigenmitteln oder Fremdkapital - Ggf. Teilerlass einzelner Gläubiger 9
II. Regelungsgehalt/ 3. Insolvenzplan Insolvenzplan/ Phase 1 vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung/ Eröffnung des Insolvenzverfahrens) X- GmbH Assets Rechtsträger im Feuer (etwa X- GmbH) Drohende Zahlungsunfähigkeit/ Zahlungsunfähigkeit/ Überschuldung 10
II. Regelungsgehalt/ 3. Insolvenzplan Insolvenzplan/ Phase 2 nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung/ Eröffnung des Insolvenzverfahrens) X- GmbH Restrukturierung unter Nutzung der insolvenzspezifischen Sanierungsinstrumente Assets Rechtsträger (etwa X- GmbH) Schutzschild Insolvenzverfahren (Unzulässigkeit der Einzelzwangsvollstreckung) 11
II. Regelungsgehalt/ 3. Insolvenzplan Insolvenzplan/ Phase 3 nach Beendigung des Insolvenzverfahrens X- GmbH Assets Rechtsträger (etwa X- GmbH) - Schutzschild Insolvenzverfahren ist nicht mehr erforderlich, da Überschuldung/ Zahlungsunfähigkeit durch finanzwirtschaftliche Maßnahmen, meist auch haircut für alle ungesicherten Insolvenzgläubiger, beseitigt ist. - Rechtsträger bleibt erhalten (leistungswirtschaftliche und gesellschaftsrechtliche Restrukturierung läuft bzw. ist abgeschlossen). - Betriebsnotwendige assets bleiben beim Rechträger, Geschäfstbetrieb wird in A- GmbH fortgeführt. - Quotenzahlung an Altgläubiger aus frischen Mitteln oder künftigen Überschüssen. 12
III. Machbarkeit und Vorteile von Insolvenzplänen 1. Machbarkeit Fall: Betreiber von Autohöfen, Tankstellen, Tanklager und Tankkreditkarten (Umsatz knapp 400 Mio ) - Akzeptanzpartner der Tankkreditkarten kündigen Verträge, Tankkreditkartensystem bricht zusammen - Umsätze des Tankstellengeschäfts bei hohen Verlusten über Jahre rückläufig, Konzentration in der Branche - Vielzahl von Betriebsstätten, verteilt in Deutschland, die teilweise keinen Deckungsbeitrag erwirtschaften - Tanklager werden durch Hauptzollamt gesperrt, Altlastenbescheide sind zu erwarten - Personell überdimensionierte Zentrale - Kein sinnhaftes Controlling, da unzureichende Buchhaltung Insolvenzplan nicht machbar, statt dessen übertragende Sanierung 13
III. Machbarkeit und Vorteile von Insolvenzplänen 1. Machbarkeit - Fall Brauerei - Überdimensionierte Brauanlagen, da Änderung der strategischen Planung der Gruppe; Folge: unzureichende Auslastung, sodass Kapitaldienst zu keiner Zeit erwirtschaftet werden konnte - Stopp der fortlaufenden Zuführung von Liquidität durch Muttergesellschaft zur Begleichung des Kapitaldienstes, nach Eintritt von deren Krise, sodass Zahlungsunfähigkeit eintrat, unverzüglicher Insolvenzantrag - Zerstrittene Gesellschafter - Hohes Abschreibungspotential auf Brauanlagen Insolvenzplan: Stärkung der Hausmarke, Fremdbrauaufträge, Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile auf einen der Altgesellschafter, der statt Kauf der assets frisches Eigenkapital einbringt, jeweils unter aufschiebender Bedingung der Rechtskraft des Plans (Steuersparmodell) 14
III. Machbarkeit und Vorteile von Insolvenzplänen 2. Steuersparmodell Fall : Brauerei; Insolvenzplan und Steuersparmodell (hier: Abschreibungspotenzial) 20 Mio. 4 Mio. Insolvenzplan: Abschreibungspotenzial = Restbuchwert der Brauanlagen Übertragende Sanierung Abschreibunspotenzial = Kaufpreis 15
III. Machbarkeit und Vorteile von Insolvenzplänen 3. Sanierungsinstrumente in der Insolvenz Fall : Maschinenbauunternehmen Insolvenzplan und Sanierungsinstrumente in der Insolvenz Umsatzeinbruch von 2007 auf 2008 während Finanz- und Wirtschaftskrise auf einen Umsatz in 2009 von 50 Mio. Operative Verluste: 2008: - 4,3 Mio. 2009: - 2,2 Mio. Cash flow ebenfalls negativ. Insolvenzplan oder außergerichtliche Sanierung? 16
Fall : Maschinenbauunternehmen Insolvenzplan und Sanierungsinstrumente in der Insolvenz Vorteile Insolvenzplan: III. Machbarkeit und Vorteile von Insolvenzplänen 3. Sanierungsinstrumente in der Insolvenz - Personalabbau: Sonderkündigungsfristen gemäß 113 InsO geringere Personalabbaukosten - Neuverhandlung von Mieten, Versicherungen, Leasing und sonstigen Verträgen gemäß 103, 109, 114, 115 InsO Absenkung des sonst. betrieblichen Aufwands - Teilerlass sämtlicher ungesicherter Gläubiger geringere Altverbindlichkeiten als bei haircut nur mit einzelnen Gläubigern 17
Fall : Maschinenbauunternehmen Insolvenzplan und Sanierungsinstrumente in der Insolvenz - Insolvenzgeldzahlung III. Machbarkeit und Vorteile von Insolvenzplänen 3. Sanierungsinstrumente in der Insolvenz Darlehen entbehrlich, hierauf kein Zinsaufwand - Nichtzahlung von Aufwand (Verbot der Zahlung auf Insolvenzforderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens) Verbesserung des Finanzmittelbestandes - Ab Insolvenzverfahrenseröffnung können Verbindlichkeiten wieder aufgebaut werden Optimierung des net working capital Gesamtvorteil Insolvenzplan gegenüber außergerichtlicher Sanierung im Finanzmittelbestand in den ersten 3 Jahren nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens: 16,2 Mio 18
III. Machbarkeit und Vorteile von Insolvenzplänen 4. Vor- und Nachteile von Insolvenzplänen Vorteile Insolvenzplan - Insolvenzspezifische Sanierungsinstrumente (siehe obige Folie) - Obstruktion einzelner Insolvenzgläubiger oder Gläubigergruppen ist stark eingeschränkt, vgl. Gruppenbildung sowie 245, 251 InsO - Höhere Bereitschaft aller Beteiligter in der Insolvenz des Unternehmens, Sanierungsbeiträge zu leisten (etwa auch Arbeitnehmer und Gesellschafter) - Regelmäßig hohe Eigenkapitalquote nach Restrukturierung - Schlüsselindustrien können nach dem Parken in der Insolvenz durch Wirtschaftskrisen gerettet werden 19
III. Machbarkeit und Vorteile von Insolvenzplänen 4. Vor- und Nachteile von Insolvenzplänen Nachteile Insolvenzplan - Makel der Insolvenz, ggf. einhergehend mit Umsatzrückgängen - Unsicherheit der Beteiligten hinsichtlich der Bestellung des Insolvenzverwalters und dessen Sanierungsgeneigtheit - Abgabe der Kontrolle von Geschäftsführung/ Vorstand an Insolvenzverwalter - Vermeintlich: Höhere Sanierungsbeiträge im Insolvenzverfahren erforderlich, da Verfahren teuerer 20
IV. These/ Erforderlichkeit der Ermittlung aller Sanierungsoptionen - In Sanierungsgutachten sollte immer auch das Insolvenzplanszenario berechnet werden, sofern dessen rechtliche Voraussetzungen vorliegen (etwa mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit) und der Fall nicht planungeeignet ist: - Folge: - Es kann die beste Sanierungslösung gewählt werden. - Die insolvenzspezifischen Sanierungsinstrumente können genutzt werden. 21
IV. These/ Erforderlichkeit der Ermittlung aller Sanierungsoptionen - Bei plangeeigneten Verfahren: Erarbeitung und Begleitung von pre- packed Plänen (schuldnerinitiiert), verbunden mit Eigenverwaltung (erfolgversprechend, wenn Organ insolvenzkompetent ist und Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt wird). - Folge: - Auftrag für Berater besteht regelmäßig fort - Unternehmer behält einen großen Teil der Kontrolle - Hinwirken auf rechtzeitigen Insolvenzantrag (bereits bei einsetzender drohender Zahlungsunfähigkeit) - Folge: - Insolvenzplan wirtschaftlich machbar - Kein Anfechtungsrisiko für Kreditinstitute oder Honorare der Berater 22
V. These: Gründe für das Schattendasein des Insolvenzplans/ Diskussion - Insolvenzplan rechtlich oder wirtschaftlich nicht machbar? - Vorteile und Rechtsmaterie des Insolvenzplanverfahrens unbekannt? - Widerstand der Unternehmen (Angst vor Kontrollverlust)? - Rechtliche Risiken? - Sorge der Berater vor Rückforderungen von Honoraren durch den Insolvenzverwalter? - Sorge der Berater vor Auftragsverlust bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens? - Sorge der Kreditinstitute vor Anfechtung? 23
VI. ESUG Planrelevante Änderungen - Beschleunigung des Verfahrens - Straffung der Verfahrensabläufe (etwa Frist zur Zurückweisung des Insolvenzplans oder Erleichterung der Schlussrechnungslegung) - Ersetzung von Formvorschriften (auch für Eingriffe in Gesellschafterrechte) - Beschränkung von Rechtsmitteln - Zulässigkeit von Insolvenzplänen bei Masseunzulänglichkeit - Erleichterung der Begleichung von Masseverbindlichkeiten bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens - Zulässigkeit von Eingriffen in die Rechte der Gesellschafter - Erhöhung der Rechtssicherheit (etwa Sonderverjährung für nicht am Verfahren teilnehmende Gläubiger) 24 24
Amsterdam Barcelona Basel Berlin Bielefeld Bremen Budapest Bukarest Cayman Islands Chemnitz Delhi Dresden Düsseldorf Erfurt Frankfurt/M. Halle/S. Hamburg Hannover Hongkong Ingolstadt Johannesburg Karlsruhe Kassel Kiel Leipzig London Lübeck Mexiko-Stadt Moskau München New York Nürnberg Paris Potsdam Prag Rom Rostock São Paulo Stockholm Stuttgart Sydney Ulm Warschau Wien Würzburg Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 25 25