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S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G:

Transkript:

bekämpft Energiearmut Sozialpolitisch agieren Gesellschaftliche Teilhabe sichern Energiearmut verhindern Caritas in NRW Eine ausreichende Grundversorgung mit Haushaltsenergie (Strom, Gas und andere Brennstoffe) gehört neben einer bezahlbaren Wohnung zum Existenzminimum eines Menschen und somit zu den Grundlagen für Teilhabe am Leben der Gesellschaft. Insgesamt bedarf es einer breiteren Einordnung in den Kontext von Wohnen, Wohnungsmieten, Mietnebenkosten, Mietpreisbremsen sowie steigenden Energiekosten. Fakten Die Kosten für Heizenergie und Warmwasser in Privathaushalten sind zwischen 2002 und 2012 um 43 Prozent gestiegen, die Kosten für Strom um mehr als 53 Prozent. In Politik und Gesellschaft hat das Themenfeld Energie mittlerweile einen zentralen Stellenwert eingenommen: die Energiewende ist eingeleitet, auf erneuerbare Energien ist gesetzt, die vielfach mit zusätzlichen Kosten für die Verbraucher verbunden sind. Kosten für energetische Sanierung von Wohnungen werden zumeist auf die Endverbraucher umgelegt. Bei vielen Maß-nahmen ist zu beobachten, dass einkommensarme Haushalte hierbei stärker belastet werden. Sie haben unter anderem weniger Möglichkeiten Energiekosten einzusparen, da sie nicht über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, um sich effizientere Geräte anschaffen zu können. Herausgegeben von den n in Nordrhein-Westfalen: Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn Kontakt über: Projekt NRW bekämpft Energiearmut Projektkoordinatorin: Nicola Buskotte Caritasverband für das Erzbistum Köln e. V. Georgstraße 7, 50676 Köln Tel. 0221/ / 20 10-120 nicola.buskotte@caritasnet.de

Verstärkt wird dieses Problem durch schwankende Weltmarktpreise für Roh-stoffe und knapper werdende Ressourcen, Steuern und Abgaben (z. B. für erneuerbare Energien), Netzentgelte und Preiserhöhungen der Energieversorger. Obendrein machen immer knappere Haushaltsbudgets und manchmal mangelnde Kompetenz beim Planen der eigenen Finanzsituation die gestiegenen Energiekosten und damit verbundene Nachforderungen aus Energierechnungen schnell zu einer unüberwindbaren Kostenfalle. Bei den Energieversorgern ist zu beobachten, dass es vermehrt zu Sperrandrohungen und Abschaltungen kommt. Laut Monitoring-Bericht der Bundesnetzagentur wurde 2012 über 5,6 Millionen Haushalten eine Stromsperre an-gedroht, über 1,1 Millionen Unterbrechungen wurden beauftragt und über 320.000 Haushalten wurde tatsächlich der Strom gesperrt. Damit stiegen die Stromsperren im Vergleich zum Vorjahr um weitere knapp 3 Prozent. Der Kreis der Betroffenen dehnt sich weiter aus: Arbeitslose, die Grundsicherung nach dem SGB II und Rentner und Rentnerinnen, die Grundsicherung im Alter beziehen, sind besonders betroffen. Das Thema Energie bzw. Energiearmut betrifft mittlerweile alle Bereiche der Caritas. Für die dort um Beratung nachsuchenden Menschen (Alleinerziehende, Schwangere, junge Menschen, kinderreiche Familien, armutsgefährdete Haushalte, Wohnungslose, alte Menschen etc.) werden Energieschulden immer existentieller. Die Höhe der Regelsätze (für Erwachsene 391 Euro) hält seit Jahren nicht Schritt mit den kletternden Preisen. Die im Regelsatz enthaltenen Energiekosten sind zu gering bemessen, worauf das Bundesverfassungsgericht in einem aktuellen Urteil vom 9. September 2014 bereits reagiert hat. 1 Haushalte mit geringem Einkommen müssen laut Bundesumweltministerium rund 6,5 Prozent ihres Budgets für Energiekosten ausgeben. Eine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs Energiearmut gibt es in Deutschland bislang nicht, doch das Phänomen Energiearmut hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen und stellt sich als ein Problemfaktor für zunehmend mehr Menschen heraus. Im Bund und besonders in Nordrhein-Westfalen ist das Thema Energieversorgung sowie Schutzmaßnahmen für besondere Zielgruppen angekommen. Verbraucherberatung und Caritas setzen in NRW mit ihren Modellprojekten bei einkommensarmen Haushalten neue Akzente. 1 Pressemitteilung vom 09.09.2014 des Bundesverfassungsgerichtes zum o.g. Urteil Randbuchstabe e: Ergeben sich erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Deckung existenzieller Bedarfe, liegt es im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, geeignete Nacherhebungen vorzunehmen, Leistungen auf der Grundlage eines eigenen Index zu erhöhen oder Unterdeckungen in sonstiger Weise aufzufangen. Das gilt beispielsweise für den Haushaltsstrom, wo der Gesetzgeber im Falle außergewöhnlicher Preissteigerungen bei dieser gewichtigen Ausgabeposition verpflichtet ist, die Berechnung schon vor der regelmäßigen Fortschreibung anzupassen. Seite: 2

Bewerten Fordern Handeln In den Armuts- und Reichtumsberichten der Bundesregierung und den Sozialberichten des Landes NRW ist die Zunahme der gesellschaftlichen Spaltung (mehr Armut und wenige immer Reichere), von sozialer Ausgrenzung, von fehlender gesellschaftlicher Teilhabe und von ungerechten Verteilungsmechanismen dokumentiert. Bei der Darstellung dieser Zusammenhänge hat sich das Lebenslagenkonzept, das auf einer multidimensionalen Sichtweise basiert, bewährt. Kennzeichen, die die jeweilige Lebenslage eines Menschen beeinflussen, sind u. a. das Alter, (Aus-)Bildung, die familiäre Situation, die soziale Herkunft, der (rechtliche) Status, die Einkommens- und Vermögenssituation, der Erwerbstatus, die Wohnsituation sowie die gesellschaftliche Teilhabe im unmittelbaren Lebensraum der Menschen. Individuelle Merkmale bzw. Ressourcen (wie z. B. die psychische und physische Gesundheit, Mobilität, Netzwerke, eigene Wertvorstellungen, Alltagskompetenzen, Selbstvertrauen oder Entscheidungsmöglichkeiten) tragen zum Einbezug oder Ausschluss von Familien oder Alleinlebenden in unserer Gesellschaft bei. Hierbei spielt das zur Verfügung stehende Einkommen eine wichtige Rolle: mit entsprechendem Einkommen und/oder Vermögen lassen sich andere Lebenslagenbereiche (z.b. eine teurere Wohnung, bessere medizinische Leistungen) entscheidend beeinflussen. Wenn nur geringe monetäre Ressourcen vorhanden sind, treten andere Lebenslagen deutlicher in den Hintergrund und sind ein eindeutiger Indikator für Benachteiligung und soziale Ausgrenzung. Strom für zunehmend mehr energieträchtige Elektro- und Kommunikationsgeräte im Haushalt, Heizung und die Warmwasseraufbereitung sind wichtige Indizien für die gesellschaftliche Teilhabe geworden. Ein eigenes Kapitel zur Energiearmut in den Bundes- und Landesarmutsberichten, das das Phänomen der Energiearmut aufgreift und analysiert, wäre notwendig. Die Caritas in NRW fordert auch aufgrund vielfältiger Erfahrungen im Projekt Stromspar- Check ein Bündel von Maßnahmen, um Energiearmut zu verhindern und gesellschaftliche Teilhabe zu sichern. Das schließt konsequente sozialpolitische Forderungen an die Bundes- und Landespolitik, an die Kooperation mit anderen Wohlfahrtsverbänden und die Verbraucherberatung ein und beinhaltet auch Anregungen und Ideen für die direkte Beratungsarbeit mit betroffenen Klienten im örtlichen caritativen Engagement. Vor diesem Hintergrund sind für die Caritas in NRW nachfolgende Konsequenzen und Forderungen bedeutsam: 1. Energiearmut als übergreifende Herausforderung für die Beratungsarbeit der Caritas Innerhalb der Caritas in NRW geht es darum, das Thema Energie bzw. Energiearmut als Thema zu begreifen, das alle Dienste und Einrichtungen und zunehmend auch das Klientel aller Dienste und Einrichtungen betrifft. Eine besondere Herausforderung liegt bei den existenzunterstützenden Beratungsangeboten. Die angesprochenen Probleme und Facet- Seite: 3

ten müssen für den jeweiligen Träger eruiert werden, um konkrete Hilfen und Beratungsmöglichkeiten für die von Energiearmut betroffene Klientel neu professionell zu organisieren. 2. Kostenfreie Energieberatung Haushalte sollten aktiv und frühzeitig bei der Bewältigung der Energiepreissteigerungen und bei Problemen mit dem Energieversorger unterstützt werden. Haushalte mit geringem Einkommen und im Sozialleistungsbezug (ALG II, Sozialhilfe, Wohngeld, Kinderzuschlag, BAföG) brauchen kostenfreien Angebote einer umfassenden Energieberatung. Präventive Beratungen sorgen dafür, dass Verbraucher(innen) Energieschulden und -sperren vermeiden können, dass nachhaltige Hilfen zur Existenzsicherung des Privathaushalts und zum Schuldenabbau greifen, dass Haushalts- und Finanzkompetenzen gestärkt und entsprechende energie- und kosteneffiziente Geräte eingesetzt werden (z. B. Kühlschranktausch). Energieberatungen für Haushalte sind weiter auszubauen und finanziell sowohl durch den Bund und die Länder als auch durch Energieversorger zu unterstützen. Ebenso sollen präventive Angebote und Multiplikatorenschulungen gefördert werden. Sozialleistungsträger sollen zusammen mit dem Leistungsbescheid durch gesonderte Hinweise oder Merkblätter auf diese Beratungsmöglichkeiten und konkrete Ansprechpartner hinweisen. Im Rahmen des Projektes Stromspar-Check werden solche Kooperationen bereits erfolgreich umgesetzt. 3. Energieoptimiertes Wohnen muss für alle bezahlbar sein Wohnen ist ein Menschenrecht. Jede und Jeder hat Anspruch auf angemessenen Wohnraum. Gerade Menschen aus einkommensbenachteiligten Haushalten leben oft in stark sanierungsbedürftigen Wohnräumen, da sie auf günstige Mieten angewiesen sind und verwiesen werden. Die günstige Miete geht aber in der Regel mit einem sehr hohen Energieverbrauch und entsprechend hohen Energiekosten einher. Energetisch sanierte Wohnungen sind deshalb für einkommensbenachteiligte Personen kaum noch bezahlbar. Bei Beziehern von Grundsicherungsleistungen werden die Mieten für diese Wohnungen in der Regel als nicht als angemessen anerkannt. Energetische Gebäudesanierung ist Aufgabe des Eigentümers. Die Kosten dafür werden üblicherweise auf die Mieter umgelegt. Aufgabe einer klimaschonenden Umweltpolitik ist es deshalb, die energetische Gebäudesanierung zu fördern und dabei die Kosten für Eigentümer und Mieter im Blick zu halten. Die jeweiligen Sozialleistungsträger sind gesetzlich zu verpflichten, angemessenen Mietsteigerungen bei einer energetischen Gebäudesanierung zu berücksichtigen. Seite: 4

4. Stromanteil im Regelbedarf realitätsbezogen anpassen Strombedarfe von Menschen, die Grundsicherungsleistungen beziehen, müssen grundsätzlich besser abgedeckt werden. Vor diesem Hintergrund fordert die Caritas in NRW, den Stromanteil im Regelbedarf für Einpersonenhaushalte zu erhöhen. Grundlage dabei sollte der Verbrauch sein, den diese Personengruppen abweichend von der Referenzgruppe der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) haben. Dieser ließe sich aus der EVS oder aus den Daten des Stromspar-Checks ermitteln. Eine Abweichung vom Statistikmodell in diesem Punkt ist gerechtfertigt, da die Grundleistungsempfänger(innen) einen deutlich höheren Bedarf haben als die Referenzgruppe. Der Stromanteil im Regelbedarf für Kinder ist nach dem tatsächlichen Verbrauch zu ermitteln (valide Datenerhebung). Auch der Mehrbedarf für dezentral erzeugtes Warmwasser sollte plausibel berechnet werden. Dieser Änderungsbedarf spiegelt sich auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. September 2014 wider, in dem auf die Problematik steigender Energiepreise ohne eine entsprechende Erhöhung der Regelsätze hingewiesen wird. 5. Steigende Strompreise zeitnah auffangen Aus dem Regelbedarf sollte immer die Menge an Strom finanzierbar sein, die als Durchschnittsverbrauch der Grundsicherungsbezieher(innen) ermittelt worden ist. Der Regelbedarf eines Alleinstehenden ist daher aktuell um 9,26 Euro zu erhöhen. Zudem ist der Stromanteil bis zur Neufestsetzung des Regelbedarfs jährlich an die tatsächliche Strompreissteigerung anzupassen. Gleichzeitig muss über eine Flexibilitätsreserve durch Aufnahme weiterer Verbrauchsausgaben in den Regelbedarf eine ausreichende Möglichkeit zum internen Ausgleich gewährleistet werden. Bei der Berechnung der Regelbedarfe der Einpersonenhaushalte ist auf die untersten 20 Prozent der Haushalte abzustellen. Verdeckt Arme sind aus der Regelbedarfsermittlung auszuschließen. Dazu sollte eine Heizkostenkomponente beim Wohngeld wieder eingeführt werden. 6. Stromsperren vermeiden Verhältnismäßigkeit und Mittel prüfen Immer wenn der Strom abgestellt wird, ist die oder der Betroffene schutzbedürftig. In einigen Fällen stellt eine Sperre auch eine unbillige Härte dar, gegen die man sich rechtlich wehren kann (z. B. in Fällen von Krankheit). Statt einer Sperre sind bei einer Sperrandrohung Chipkarten-Stromzähler für im Voraus bezahlte Karten (sogenannte Prepaid-Zähler) zu installieren, um eine Grundversorgung mit Strom zu gewährleisten. Bei deren Einsatz ist sicherzustellen, dass die Prepaidkarten ortsnah, zum Beispiel bei vielen Bankfilialen, aufgeladen werden können. Für den Fall, dass Stromschulden entstehen, wird ein geeignetes Verfahren benötigt, um umgehend die Versorgung mit Energie wieder sicherzustellen und eine sachgerechte Lösung für die Rückzahlung der Schulden zu finden. Dabei können die Schuldner- und Sozi- Seite: 5

alberatungsstellen der Wohlfahrtspflege wichtige Clearingstellen sein. Ihnen sind direkte Ansprechpartner(innen) bei den Energieversorgern zu nennen, damit die Kommunikation besser und zügiger abläuft als über Callcenter. In die Vereinbarung sind auch sozialverträgliche Grenzen für die Bemessung der an den Stromversorger zu zahlenden Raten aufzunehmen, wobei auch kleinste monatliche Raten möglich sein müssen. Darüber hinaus müssen weitere Belastungen durch Mahnkosten vermieden werden. 7. Energiearmut mit mehr Transparenz für die Verbraucher begegnen statt mit Gebühren und Nebenforderungen Die Verbraucherzentrale NRW kommt in ihrem Dossier Energiearmut zu dem Schluss: Es gilt, die Bandbreite sonstiger Kosten sowie Entgelte für Energiesperren zu minimieren und unberechtigte Gebührenforderungen zu unterbinden. Energieversorger sollten ihre Entgeltpraxis überprüfen und rechtskonform gestalten. 2 Das SGB II ist dahingehend zu ändern, dass Stromschulden durch das Jobcenter nicht nur als Darlehen, sondern im Einzelfall auch als Zuschuss übernommen werden können, beispielsweise dann, wenn alte Geräte mit hohem Stromverbrauch genutzt werden müssen. Ferner müssen Verbraucher die Möglichkeit haben, regelmäßig ihren Stromverbrauch und die anfallenden Kosten mit den Abschlägen zu vergleichen. Die Energieversorger sollten es ermöglichen, den Stromverbrauch monatlich selbst abzulesen und an den Energieversorger zu melden. So können Abschlagszahlungen auch während des laufenden Jahres angepasst und hohe Jahresnachzahlungen vermieden werden. Im Rahmen des Mahnwesens ist eine individuellere Verfahrensweise notwendig. Die Verbraucherzentrale NRW bemerkt: So kann eine Standardisierung der Abläufe dazu führen, dass Mahnkosten entstehen, obwohl es grundsätzlich möglich wäre, diese zu vermeiden. Dies ist beispielsweise immer dann der Fall, wenn die Fälligkeitstermine des Energieversorgers nicht mit den Überweisungsterminen der Jobcenter übereinstimmen. Hier kann allein die Anpassung der Fälligkeitstermine für die Abschläge ein einfaches Mittel sein, um zusätzliche Kosten für den Verbraucher zu vermeiden. Ebenso könnten Mahnkosten minimiert werden, wenn der Energieversorger in Einzelfällen kontrollieren würde, aus welchem Grund Mahnkosten zum wiederholten Male anfallen. Zum Beispiel im Falle der gesetzlichen Verrechnungsfolge: Der Verbraucher zahlt gegebenenfalls unbemerkt einen Abschlag nicht, gerät in Verzug und die nächste Abschlagszahlung wird, weil der Verbraucher die Zahlung nicht bestimmt hat, auf die alte Forderung angerechnet. Wiederholt sich dies bei jeder weiteren Abschlagszahlung, so gerät der Verbraucher jedes Mal in Verzug und wird wiederholt dafür angemahnt. 3 2 Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Dossier Energiearmut. Energiearmut bekämpfen - Daseinsvorsorge sichern. Stand 1.7.2014. Zitiert nach: http://www.vz-nrw.de/dossier-energiearmut, Abrufdatum 1.12.2014.S. 13. 3 Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Dossier Energiearmut, a.a.o., S. 10. Seite: 6

8. Tarif und Anbieterwechsel auch einkommensarmen Haushalten ermöglichen Notwendig ist eine ergebnisoffene Diskussion um die Zukunft der Grundversorgung und Verbesserungen für die Kunden. Für überschuldete Haushalte gibt es eine besondere Problematik, weil ein Tarif- oder Anbieterwechsel aufgrund der schlechten Bonität teilweise nicht möglich ist. Die Verbraucherzentrale NRW hält fest: Die Betroffenen sind im teuren Grundversorgungstarif gefangen und müssen dauerhaft mehr Geld pro Kilowattstunde bezahlen. Beim Grundversorgungsangebot war im Gegensatz zu den übrigen Angeboten wettbewerblicher Preisdruck in der Vergangenheit deutlich weniger spürbar. 4 9. Energieeffizienz verbessern Verbrauchern müssen Pauschalen gewährt werden, die im Rahmen der Erstausstattung der Wohnung für die Anschaffung von Haushaltsgeräten benötigt werden. Diese müssen entsprechend erhöht oder mit einem Zuschuss aufgestockt werden, so dass damit die Anschaffung energieeffizienter Geräte möglich ist. Auch für die notwendige Neuanschaffung energieeffizienter Geräte müssen entsprechende Zuschüsse für Haushalte mit geringem Einkommen (ALG II/Sozialhilfe, BAföG, Wohngeld, Kinderzuschlag) gewährt werden. Der Zuschuss könnte an einen Verwendungsnachweis gebunden sein. Soweit Programme des Bundesumweltministeriums Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln vorsehen, dürfen diese nicht das ALG II mindern. Der Einbau intelligenter Stromzähler sollte weiter vorangetrieben und unterstützt werden, damit Kund(inn)en einen transparenten Überblick über ihren Stromverbrauch erhalten und dabei helfen können, Energie zu sparen. Für Haushalte mit geringem Einkommen sollten kostenlose Soforthilfen zur Verfügung gestellt und direkt installiert werden. Die Ergebnisse aus dem Projekt Stromspar-Check zeigen, dass mit geringinvestiven Energie- und Wassersparartikeln mehr als 100 Euro pro Jahr eingespart werden können. Der zusätzliche Austausch eines stromfressenden Kühlgeräts durch ein energieeffizienten Neugerätes kann Einsparungen von jährlich 200 Euro bringen. 10. Geringen Stromverbrauch honorieren und weiter denken Das derzeitige Tarifsystem ist unsozial und ökologisch nicht sinnvoll. Denn hohe Grundgebühren schlagen bei geringem Verbrauch überproportional zu Buche. Hoher Energieverbrauch wird vielfach durch die aktuelle Tarifgestaltung noch attraktiv, denn ein hoher Stromverbrauch wird durch Mengenrabatte belohnt eine absurde Fehlsteuerung. Vielmehr muss es sich auszahlen, Strom zu sparen und ein solches Verhalten muss durch eine niedrige Energierechnung honoriert werden. Notwendig wäre die Einführung eines linearen Tarifes. Diese Maßnahme würde gewährleisten, dass ein geringer Stromverbrauch nicht unverhältnismäßig teuer ist 5, so die Verbraucherzentrale NRW. 4 Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Dossier Energiearmut, a.a.o., S. 14. 5 Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Dossier Energiearmut, a.a.o., S. 13. Seite: 7

Es gilt zu prüfen, ob nicht grundsätzlich jedem Haushalt eine Grundmenge an Strom (beispielsweise 500 bis 1.000 kwh pro Jahr) zur Verfügung gestellt werden bei gleichzeitiger Anhebung der Verbrauchspreise über dieser Grenze. Damit würde auch der Forderung einem Grundrecht auf Strom genüge getragen werden (Modell Belgien bzw. Forderung des Bundes der Energieverbraucher e. V.). Seite: 8