Ist die Herdbuchzucht ein Auslaufmodell?

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Transkript:

Z u c h t Ist die Herdbuchzucht ein Auslaufmodell? Die deutschen Herdbuch-Zuchtverbände stehen unter massivem Konkurrenzdruck. top agrar sprach mit den drei größten Zuchtverbänden und hat deren Stärken und Schwächen analysiert. Jungsau aus dem Bayernhybrid- Zuchtprogramm der EGZH. Auffällig ist die hervorragende Beinstellung. Wohl kaum ein Markt im Agrarbereich hat sich in Deutschland in den letzten fünf Jahren so stark verändert wie der Zuchtsauenmarkt: Das Absatzpotenzial für Jungsauen schrumpft. Denn der Sauenbestand ist seit 2006 um über 10 % gesunken, in Süddeutschland stehen sogar 20 % weniger Sauen als vor fünf Jahren in den Ställen der Ferkelerzeuger. Deutschlands Sauenhalter verlangen immer größere Jungsauen-Lieferpartien, S 4 top agrar 5/2011 Die Herd- buchzucht- Organisation German Genetic bietet eine Vielzahl von Piétrain-Ebern an. Hier im Bild der NP- Eber Chianti. da die Sauenbestände ständig wachsen. Internationale Zuchtorganisationen haben den deutschen Markt längst für sich entdeckt. Schätzungen gehen davon aus, dass Topigs und Danzucht jedes Jahr jeweils über 100 000 Jungsauen in Deutschland absetzen. Leidtragende sind die übrigen Zuchtorganisationen, die Marktanteile abgeben mussten. Hiervon sind auch die deutschen Herdbuchzüchter massiv betroffen. Auch vor ihnen hat der Dänen- bzw. Holland- Boom nicht halt gemacht. Hinzu kommt: Der deutschen Herdbuchzucht trauen viele Sauenhalter nicht mehr viel zu. In ihren Augen gilt sie als antiquiert, rückwärtsgewandt und wenig innovativ. Kurzum: Viele Ferkelerzeuger betrachten die Herdbuchzucht als Auslaufmodell. Doch ist die Schwarzmalerei gerechtfertigt? Hat die deutsche Herdbuchzucht tatsächlich nur noch geringe Chancen? Haben die deutschen Züchter die Zeichen der Zeit nicht erkannt und den züchterischen Anschluss verloren? top agrar hat die Situation mit den drei größten Herdbuchzucht-Organisationen diskutiert und die Stärken und Schwächen der drei folgenden Zuchtverbände analysiert: n Erzeugergemeinschaft und Züchtervereinigung für Zucht- und Hybridzuchtschweine in Bayern (EGZH). n Mitteldeutscher Schweinezuchtverband (MSZV). n Schweinezuchtverband Baden-Württemberg (SZV), jetzt German Genetic. Genetische Vielfalt passt Große, international tätige Zuchtunternehmen heben gerne hervor, dass sie jederzeit kurzfristig auf neue Marktanforderungen Maskenänderungen o. ä. reagieren können. Die Unternehmen halten bis zu neun Zuchtlinien vor. Bei so einem großen Genpool ist es leicht, bei Bedarf entsprechendes Tiermaterial zusammenzustellen. Die Frage ist aber: Ist solch eine genetische Vielfalt überhaupt notwendig? Und lässt sich das auf Dauer bezahlen? Jörg Sauter, Geschäftsführer German Genetic, beantwortet das mit einem klaren Nein: Eine so große Linienvielfalt muss nicht sein. Wir arbeiten bei den Sauen mit vier Linien. Innerhalb dieser Linien gibt es wiederum 15 bis 30 unter-

Während sich der MSZV und die EGZH züchterisch auf ihre Stammgebiete in Mitteldeutschland bzw. Bayern konzentrieren, ist German Genetic von Baden-Württemberg aus auf Expansionskurs. Grafik: Breithaupt schiedliche Blutlinien. Somit ist unser Genpool groß genug, um den deutschen Markt bedienen zu können. Ähnlich sehen Dr. Gunter Hallfarth, Geschäftsführer des MSZV in Sachsen und Günther Dahinten, Zuchtleiter Mutterrassen bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Tierzucht, die Situation. Das Vorhalten vieler unterschiedlicher Zuchtlinien ist extrem teuer. Um die genetische Vielfalt zu gewährleisten, erfolgt bei uns in Bayern bei ca. 10 % der Mutterrasseneber ein gezielter Spermaaustausch, erklärt Zuchtleiter Dahinten. Viel Wert legen die Verbände darauf, die einzelnen Linien genetisch weiterzuentwickeln. Dazu Albrecht Weber, Zuchtleiter German Genetic: Die Kunden verlangen steigende Leistungen bei einer guten Gesamtwirtschaftlichkeit. Wir brauchen deshalb den genetischen Fortschritt, um interessant für unsere Kunden zu bleiben. Sein Verband forciert den Zuchtfortschritt in den eigenen Basiszuchtbetrieben durch gezielte Blutzufuhr aus Zuchtbetrieben und Besamungsstationen in Frankreich und den USA. Auch der MSZV kauft im Ausland zu. Einzig die EGZH in Bayern arbeitet sehr stark mit einheimischer Genetik, da man überwiegend für den bayerischen Markt produziert. So sind ca. 90 % der nachgestallten Sauen in Bayern Zuchtprodukte der EGZH. Unsere Genetik passt hervorragend zu den speziellen bayerischen Anforderungen. Wir wollen kein Risiko eingehen, indem wir zu viel fremdes Blut zukaufen, rechtfertigt Günther Dahinten die Zuchtausrichtung. Auch wenn der Zukauf genetischen Materials derzeit noch reibungslos zu funktionieren scheint. Eines darf man nicht vergessen: In Zukunft werden härtere Zeiten auf die Herdbuchzuchtorganisationen zukommen. Immer mehr Züchter und Zuchtunternehmen schotten ihre Genetik vor den Mitwettbewerbern ab, weil sie das eigene genetische Potenzial nicht aus der Hand geben und den Wettbewerb stark machen wollen. Zucht: Straffe Vorgaben bei German Genetic Wie schlagkräftig ein Zuchtverband arbeitet und wie groß der Zuchtfortschritt innerhalb der eigenen Population ist, hängt auch davon ab, wie straff er die Zucht lenkt. In Bayern etwa ist die Züchtung stark zersplittert. Auf der einen Seite gibt die EGZH-Zentrale die Zuchtausrichtung vor. Auf der anderen Seite suchen viele Züchter ihre Eber selbst aus, weil sie mit diesen speziellen Zuchtprodukten Nischenmärkte beliefern. Zwar machen unsere Zucht- und Verkaufsberater Druck, dass sich die Züchter an die Vorgaben des Verbandes halten. Aber es gelingt nicht immer, so Stephan Neher, erster Vorsitzender der EGZH. In Baden-Württemberg und Mitteldeutschland ist die Situation anders. Bei German Genetic gibt die Verbandszentrale in Stuttgart die Marschrichtung vor. Das ist durch Verträge sichergestellt. Wer sich nicht daran hält, dem wird die Erlaubnis entzogen, German Hybrid- oder German Piétrain-Zuchttiere zu erzeugen. Beim MSZV wird die Zuchtarbeit im Rahmen eines Besamungs-Zuchtprogrammes einheitlich gesteuert. Die letzte Entscheidung darüber, welche Sau mit welchem Eber angepaart wird, liegt aber beim Züchter. Vertragliche Regelungen bestehen nicht. Unsere Züchter halten top agrar 5/2011 S 5

Z u c h t Sie führen die Verbände German Genetic (SZV): Links Geschäftsführer Jörg Sauter, rechts Zuchtleiter Albrecht Weber. Bert Kämmerer (li.) ist erster Vorsitzende des MSZV, Dr. Gunter Hallfarth Geschäftsführer des Verbandes. Leitet als Präsident die Geschicke des SZV: Hans-Benno Wichert. Fusionen vollzogen 1. Reinzucht-Stammsauen Deutsche Landrasse: 3 000 Tiere; Deutsches Edelschwein/Large White: 3 300 Tiere; Piétrain: 1 600 Tiere; Linie D: 150 Tiere 2. Zucht- und Vermehrerstruktur 115 Betriebe 3. Tierverkäufe 61 000 Jungsauen, davon 7 000 Lizenzen für Eigenremontierer 2 500 Eber 4. Leistungsprüfung Im Feld: Jungsauen und Eber auf Zunahmen und Fleischanteil; Fruchtbarkeitsleistung in den Zuchtbetrieben anhand der Sauenplanerdaten; 16 000 Nachkommen von Endproduktebern Auf Station: 3 000 Tiere; pro Vorstufeneber mindestens zehn Nachkommen, pro Mutterrassen-Stammsau zwei Kastraten, pro Vaterrassen-Stammsau zwei weibliche Tiere 5. Besamungsstationen Abstetterhof, Herbertingen, Killingen (insgesamt 580 Eber); 1,05 Mio. verkaufte Spermatuben pro Jahr 6. Beteiligungen und Kooperationen Zucht- und Servicegesellschaft in der Schweiz mit zwölf Zuchtbetrieben Besamungsstation und Partnerbetriebe in Serbien Vertriebsgesellschaft für Eber in Spanien Sau und Service GmbH, die Bedarfsartikel für landwirtschaftliche Betriebe verkauft Scannerservice BW Schweineherdbuchzucht Schleswig-Holstein (SHZ) bei German Piétrain und German Duroc sich im Wesentlichen an die Vorgaben des Verbands, erklärt der erste Vorsitzende des MSZV, Bert Kämmerer. Intensive Leistungsprüfung Um herauszufinden, welche genetischen Anpaarungen vielversprechend sind und mit welchen Tieren sich der höchste Zuchtfortschritt erzielen lässt, müssen Zuchtschweine ihre Leistungsfä- S 6 top agrar 5/2011 Das Team der EGZH (von links nach rechts): Günther Dahinten, Zuchtleiter Mutterrassen, Stephan Neher, erster Vorsitzender, Martin König, Geschäftsführer, Dr. Rudolf Eisenreich, Zuchtleiter Vaterrassen. higkeit regelmäßig unter Beweis stellen. Die Herdbuchzuchtverbände testen ihre Anpaarungen mithilfe von Eigenleistungsprüfungen im Feld. Darüber hinaus schicken die Verbände regelmäßig Nachkommen in die Leistungs-Prüfungsanstalten (LPA) der jeweiligen Bundesländer. Bei der EGZH in Bayern werden zum Beispiel bei der Landrasse bis zu 200 Nachkommen auf Station geprüft. Für die Herdbuchzuchtverbände sind die Stationsprüfungen von immens großer Bedeutung. Beim Testen der Nachkommen in der LPA werden die Leistungsdaten von jedem Tier genauestens erfasst und statistisch ausgewertet, erläutert Albrecht Weber. Die Verbände haben somit eine extrem hohe Datensicherheit in der Zuchtwertschätzung. Und noch etwas kommt hinzu: Neben den Mastleistungen wie Futterverwertung, Futteraufnahme und Tageszunahme werden im Rahmen der LPA-Prüfungen auch die Schlachtleistungen der Einzeltiere genauestens erfasst und ausgewertet. Dazu werden die Schlachtkörper in den stationseigenen Schlachthäusern feinzerlegt. Wie lange sich die Herdbuchzuchtverbände die Stationsprüfungen aber noch leisten können, ist ungewiss. Solange der Staat die Zuchtarbeit finanziell honoriert, wird sich an der Situation wenig ändern. Allerdings denken die Tierzuchtverwaltungen in den neuen Bundesländern derzeit daran, sich aus der Förderung der Leistungsprüfung zurückzuziehen, weil dies nicht mehr als hoheitliche Aufgabe gilt. In den anderen Bundesländern dürf-

Konzentriert sich auf Bayern 1. Reinzucht-Stammsauen Deutsche Landrasse: 3 300 Tiere; Deutsches Edelschwein: 500 Tiere; Piétrain: 800 Tiere 2. Zucht- und Vermehrerstruktur 100 Betriebe 3. Tierverkäufe 27 000 Jungsauen 2 260 Eber 4. Leistungsprüfung Im Feld: 55 000 Jungsauen und Eber auf Zunahmen, Fleischanteil und Exterieur; Fruchtbarkeitsprüfung aller Sauen mit bekannter Abstammung anhand von Sauenplanerdaten auf der Zucht- und Produktionsstufe Auf Station: 9 500 Tiere pro Jahr; pro KB-Eber mindestens 16 Tiere, pro Mutterrassen-Stammsau zwei Kastrate, pro Vaterrassen-Stammsau zwei weibliche Tiere 5. Besamungsstationen keine 6. Kooperationen Hybridschweine-Zuchtverband Nordost (HSZV) MSZV Suis AG Große Zuchtherden 1. Reinzucht-Stammsauen Deutsche Landrasse: 4 000 Tiere; Deutsches Edelschwein: 1 000 Tiere; Piétrain: 100 Tiere; Duroc: 40 Tiere 2. Zucht- und Vermehrerstruktur 15 Betriebe 3. Tierverkäufe 45 000 Jungsauen, davon 27 000 Tiere für die Eigenremontierung 250 bis 500 Eber 4. Leistungsprüfung Im Feld: 45 000 Jungsauen auf Tageszunahmen, Fleischanteil und Exterieur; Fruchtbarkeitsleistung aus den Sauenplanerdaten der Zuchtbetriebe und von zehn Ferkelerzeugerbetrieben Auf Station: 1 000 DL- und LW-Jungeber 5. Besamungsstationen: Grimma, Kamenz, Stotternheim, (insgesamt 500 Eber) 650 000 verkaufte Spermatuben pro Jahr 6. Kooperationen EGZH EG-Rheinland ten die Diskussionen ähnlich verlaufen. Trotz des angekündigten Rückzugs des Staates bleibt Dr. Gunter Hallfarth, Geschäftsführer des Mitteldeutschen Schweinzuchtverbandes, zuversichtlich: Derzeit praktizieren wir eine stationäre Leistungsprüfung in sehr breitem Umfang. Eine maßvolle Reduzierung hätte keine Nachteile auf die Entwicklung der genetischen Qualität. Wir stehen in intensiven Verhandlungen mit den Landesbehörden, um für beide Seiten eine angemessene Lösung zu finden. Hoffnung setzen die Verbände auch in die genomische Selektion. Sollte das Verfahren praxisreif werden, müssten deutlich weniger Tiere auf Station geprüft werden, da die schlechtesten Nachkommen bereits vorab selektiert werden. Noch ist Geld vorhanden Ein Mitarbeiter der Prüfstation Schwarzenau fotografiert die Kotelettfläche und berechnet dann das Fleisch-Fett-Verhältnis. Aus den Kotelettproben ermittelt man das Safthaltevermögen. Ohne Moos nix los. Das gilt natürlich auch für die Herdbuchzuchtverbände. Nach eigenen Aussagen stehen alle drei Verbände finanziell auf gesunden Füßen. SZV und MSZV konnten in den letzten Jahren finanzielle Überschüsse erwirtschaften. Die EGZH hingegen musste zwei Mal hintereinander ein deutliches Minus ausweisen. Dieses ist nach Angaben der EGZH-Geschäftsführung vor allem auf Rückgänge beim Jungsauenabsatz in Russland zurückzuführen. Die weltweite Wirtschaftskrise hat auch vor dem Jungsauenverkauf nicht haltgemacht, heißt es bei der EGZH. Trotz der derzeit angespannten Lage sieht man auf Dauer aber großes Absatzpotenzial in Osteuropa und Russland. Um wieder schwarze Zahlen zu schreiben, spart die EGZH jetzt Personalkosten ein und verzichtet bei künftigen Verträgen auf die Absatzgarantie bei den Jungsauen. Gleichzeitig hat man eine Erhöhung der Gebühren vorgenommen. Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit wird auch sein, wie viele Jungsauen man pro Jahr verkauft und welchen Erlösanteil die Zuchtorganisation dafür einbehalten kann, ohne die Züchter und Kunden zu verärgern. Hier stehen die Organisationen unterschiedlich gut da. Durch die Fusionen mit dem rheinischen Verband ist es German Genetic nach eigenen Angaben gelungen, den Zuchttierverkauf auf rund 61 000 Jungsauen zu erhöhen. Die Verkaufszahlen enthalten rund 7 000 Lizenzen für eigenremontierte Sauen. Der MSZV verkauft laut Aussage von Geschäftsführer Dr. Gunter Hallfarth jährlich 45 000 Jungsauen. 18 000 Jungsauen werden direkt von den Vermehrern an die Landwirte ausgeliefert. Der Rest läuft über Zuchtlizenzen im Rahmen der Eigenremontierung. Die EGZH in Bayern vermarktet nach eigenen Angaben 27 000 Jungsauen pro Jahr. Fraglich ist, ob die Verbände mit die- top agrar 5/2011 S 7

Z u c h t Eigene Besamungsstationen bringen Geld in die Kasse Mit dem Verkauf von Ebersperma lässt sich gutes Geld verdienen. Vielen Besamungsstationen in Deutschland geht es wirtschaftlich sehr gut. Wer eigene Besamungsstationen besitzt, wie der SZV und der MSZV, darf sich glücklich schätzen. Die drei bayerischen Stationen sind hingegen eigenständige Unternehmen. Genau das macht die Situation für den bayerischen Zuchtverband so schwierig. Die EGZH hat fast keinen Einfluss auf die Spermaverkäufe. Mit ihrem genetischen Know-how verdienen andere Geld. Stephan Neher bestätigt das: Die Besamungsstationen in Bayern können frei am Markt agieren. Sie kaufen unsere Eber und veräußern das Sperma möglichst gewinnbringend. Zwar bekommt die EGZH für jede Tube Mutterrassensperma Lizenzgebühren, um ihre Basiszucht und Leistungsprüfung finanzieren zu können. Jedoch lassen sich die zuvor entstandenen Kosten damit bei weitem nicht abdecken. Erschwerend kommt hinzu, dass die bayerischen Besamungsstationen im Wettbewerb untereinander stehen, was die Spermapreise drückt. SZV und MSZV steuern hingegen die Eber- und Spermavermarktung selbst. Beide Verbände entscheiden selbst darüber, welche Eber auf die Stationen kommen. Zudem erzielen beide Verbände hohe Erlöse aus dem Spermaverkauf. Der MSZV zum Beispiel verlangt von Nichtmitgliedern für Mutterlinien-Sperma 30 Zuchtlizenz pro Tube. Und das sen Absatzzahlen auf Dauer wirtschaftlich überleben können. Fakt dürfte sein, dass die EGZH bei weiter rückläufigem Absatz erneut unter großen wirtschaftlichen Druck geraten könnte. Die Konkurrenz lauert Schwierigkeiten bereitet den Herdbuchzuchtorganisationen die zunehmende Verbreitung dänischer und holländischer Ferkel. Weil viele Mäster auf diese Genetiken umstellen, geraten die heimischen Ferkelerzeuger zunehmend unter Druck und steigen aus der Produktion aus. Damit schrumpft das Absatzpotenzial für Jungsauen. Übersicht 1 zeigt die Entwicklung der Sauenbestände in den Heimatmärkten der Herdbuchverbände. Auch in Mitteldeutschland verschärfen Holländer und Dänen den Wettbewerb. Viele niederländische Sauenhalter, Mit dem Spermaverkauf steuern einige Verbände ihre Zuchtarbeit. Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht, glaubt man beim MSZV. Wer künftig Zuchtsperma aus dem MSZV-Programm kaufen möchte, muss unter Umständen noch tiefer in die Tasche greifen. Der SZV in Baden-Württemberg liefert Sperma von Vorstufenebern nur an eigene Zucht- oder anerkannte German Genetic-Eigenremontierer aus. Für Nicht-Mitglieder sind die Eber hingegen gesperrt. die in den neuen Bundesländern investieren, favorisieren die Genetik aus ihrem Heimatland. Allein in Thüringen stehen mittlerweile über 50 % und in Sachsen- Anhalt sogar fast 60 % der Sauen unter holländischer Regie. Der nordsächsische Raum soll angeblich komplett verbandsfrei sein. Das ist für unseren Verband einerseits ein Problem, andererseits aber auch eine Chance, weil der Markt vor unserer Haustür wächst, erklärt Dr. Gunter Hallfarth. Allerdings sei es nicht einfach, aus diesem Klientel neue Kunden zu gewinnen. Größere Lieferpartien sind überlebenswichtig Die Größe der Sauenherden wächst in Deutschland unaufhaltsam. Der Trend geht hin zu 400, 600 oder gar 1 000 Sauen pro Bestand. Diese Herdengrößen verlangen entsprechend große Jungsauenpartien. Die Tiere müssen aus einem Vermehrungsbestand kommen. Bislang hatten die Herdbuchzuchtverbände große Schwierigkeiten, diese Kundenwünsche zu erfüllen. Mit der HAG (Herrensteiner Agrar Gesellschaft) im westfälischen Drensteinfurt bei Münster ist es German Genetic gelungen, eine Vermehrungsherde mit 1 500 Sauen an sich zu binden. Wir sind heute in der Lage, Betriebe mit 400 bis 600 Sauen komplett neu zu bestücken, freut sich Geschäftsführer Jörg Sauter über die Zusammenarbeit. Dabei soll es nicht bleiben. Man plant auch im Süden den Aufbau größerer Vermehrungsherden. Wir müssen das Wachstum in der Sauenhaltung auch auf der Vermehrerstufe mitgehen, ist der Vorsitzende von German Genetic, Hans- Benno Wichert, überzeugt. Über die Größe der Vermehrungsherden braucht sich Bert Kämmerer vom MSZV weniger Gedanken zu machen. Ihm stehen Bestände mit bis zu 1 500 Vermehrungssauen zur Verfügung. Allerdings ist selbst dies für die Großanlagen in den neuen Bundesländern manchmal noch zu klein. Und wie sieht es in Bayern aus? Nach Aussage von Martin König kann auch die EGZH größere Jungsauenpartien anbie- Nordino, ein Landrasse-Eber aus dem Zuchtprogramm des MSZV, ist mit einem Fruchtbarkeitszuchtwert von 173 derzeit der Spitzenvererber. S 8 top agrar 5/2011

Übersicht 1: Entwicklung der Sauenbestände 500000 Tiere 400000 300000 200000 Baden-Württemberg Bayern Mitteldeutschland 1) 100000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 1) Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen Quelle: Statistisches Bundesamt In Baden-Württemberg und Bayern sinken die Sauenbestände seit 2007 deutlich. Den süddeutschen Verbänden brechen damit die Heimatmärkte weg. Grafik: Breithaupt ten. Wir haben zum Beispiel einen Betrieb mit 700 Sauenplätzen fast ausschließlich mit trächtigen Tieren aus einem Vermehrungsbetrieb beliefert, so König. Vorsitzender Stephan Neher gibt allerdings zu: Sollten die Anfragen aus Großbetrieben zunehmen, haben wir auf der Vermehrerstufe noch mit Defiziten zu kämpfen. Geschäftsführer Martin König und sein Team planen deshalb den Aufbau von Vermehrungsbetrieben in Wartestellung. Das Konzept: Größere Ferkelerzeuger, die im geschlossenen System arbeiten bzw. dieses anstreben, sollen auf Vermehrung umstellen, sobald die EGZH einen passenden Kundenbetrieb für den Neuvermehrer findet. Ob das Modell Erfolg hat, bleibt abzuwarten. Hochgesundheit Pflicht Neben der Fruchtbarkeit ist die Gesundheit der Jungsauen in den letzten Jahren zu einem entscheidenden Verkaufsargument geworden. Organisationen, die keine hochgesunden Tiere ausliefern, haben es schwer, neue Kunden zu gewinnen bzw. alte Betriebe zu halten. Für Albrecht Weber, Zuchtleiter German Genetic, steht fest, dass der Gesundheitsstatus der Jungsauen auch in Zukunft sehr stark darüber entscheidet, ob die Zuchttiere noch zu vermarkten sind. Deshalb wird das bestehende SPF-Programm weiter ausgebaut. Vor allem in den größeren Vermehrungszuchtbetrieben will man dann hochgesunde Tiere (frei von PRRS und APP) erzeugen. Damit glauben wir für die jeweiligen Kundenansprüche geeignete Zuchttiere anbieten zu können, die eine recht gute gesundheitliche Ausgangslage haben, zeigt sich der Zuchtleiter überzeugt. Ähnlich ist die Situation heute beim MSZV. Doch das war nicht immer so. Vor allem zu Beginn des neuen Jahrtausends hatte man große Gesundheitsprobleme, wie Kritiker erklären. Der MSZV konnte damals keine hochgesunden Jungsauen anbieten, heißt es. Das dürfte auch erklären, warum in diesen Jahren viele Betriebe, die ihre Herden repopuliert haben, die Genetik wechselten. Nach der Sanierung mehrerer Vermehrungsbetriebe können wir heute hochgesunde Jungsauen anbieten. Viele unserer Vermehrer sind mittlerweile PRRS-, Dysenterie-, Räude- und Rhinitis-frei. Zudem läuft die APP- und Mykoplasmen-Sanierung, erklärt Geschäftsführer Dr. Gunter Hallfarth. Was uns Sorge bereitet, sind die immensen Kosten der Sanierungsmaßnahmen. Unter Umständen müssen wir für den Hochgesundheitsstatus der Jungsauen einen entsprechenden Zuchtzuschlag erheben. Vor ähnlichen Problemen steht die EGZH. Ihr hat vor allem die Diskussion um die PRRS-Freiheit stark zugesetzt. Jedem Landwirt wurde geraten, nur noch PRRS-freie Tiere zuzukaufen. Dabei macht dieses Vorgehen selten Sinn, weil viele Höfe aufgrund der hohen Schweinedichte den Status PRRS-frei langfristig überhaupt nicht halten können, gibt Verbandschef Stephan Neher zu Bedenken. Mittlerweile sieht man sich aber besser gerüstet. So sind nach Verbandsangaben rund zwei Drittel der EGZH-Vermehrungsherden PRRS-frei. Kampf um den bayerischen Markt ist eröffnet Die Herdbuchzucht hat sich bisher sehr stark auf die regionalen Märkte konzentriert. In Zukunft wird sich das ändern. Auch bei den Herdbuchzuchtverbänden sieht man die Notwendigkeit, top agrar 5/2011 S 9

Z u c h t Zuchtarbeit: Laufen die Verbände der Zeit hinterher? überregional aktiv zu werden und neue Absatzmärkte zu erschließen. Die Heimatmärkte allein können das Überleben nicht mehr sichern. Durch die Fusion mit den Zuchtverbänden im Rheinland und in Schleswig- Holstein hat der SZV in Baden-Württemberg bereits den Schritt raus aus dem süddeutschen Markt vollzogen. Auch beim MSZV geht man diesen Weg. So wurde kürzlich eine enge Zusammenarbeit mit der EG-Rheinland begonnen. Ziel ist es, neue Kundenbetriebe im Rheinland und in Westfalen zu gewinnen. Wir wollen an die dortigen Familienbetriebe mit klassischem Jungsauenzukauf heran, begründet Bert Kämmerer die Vorgehensweise. Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen hat man beim MSZV schon länger. So besteht mit der EGZH in Bayern seit mehreren Jahren ein Kooperationsvertrag. Das Konzept sieht vor, dass man größere bayerische Betriebe über 400 Sauen mit Sauen aus dem MSZV- Jungsauenprogramm bestückt. Im Gegenzug konnte Zu einem tragfähigen Zuchtkonzept gehören Zukunftsvisionen. Kritiker bemängeln, dass die Herdbuchzucht in puncto Fruchtbarkeit der Konkurrenz deutlich hinterherhinkt. Das ist schlichtweg falsch, kontert EGZH-Zuchtleiter Günther Dahinten. Die Ferkelzahlen bei unseren EGZH- Sauen konnten wir in den letzten Jahren deutlich steigern. Der bayernweite Vergleich von über 2 000 Betrieben zeigt, dass wir bei den aufgezogenen Ferkeln je Wurf Spitze sind. Das gilt auch für die MSZV-Genetik, wie Dr. Gunter Hallfarth betont. Viele Praktiker bestätigen, dass die Zahl der lebend geborenen Ferkel mittlerweile bei über 13 Ferkeln liegt, erklärt er. Hallfarth ist sogar davon überzeugt, dass etliche Zuchtunternehmen von den Vorleistungen der Herdbuchzucht profitiert haben und dass das auch so bleibt. Auch Hans-Benno Wichert von German Genetic will sich den Vorwurf zu niedriger Ferkelzahlen nicht gefallen lassen. Unsere besten Kundenbetriebe setzen heute über 30 Ferkel pro Sau und Jahr ab. Und das ist noch nicht das Ende. Letztlich entscheidend ist aber auch die Gesamtwirtschaftlichkeit, die maßgeblich von der Qualität des Mastendproduktes beeinflusst wird, erklärt Wichert. Ein zweiter Kritikpunkt besagt, dass international tätige Zuchtunternehmen schon seit längerem mit Hochdruck daran arbeiten, die Gesäugequalität zu verbessern sowie die Mütterlichkeit der Sauen und die Vitalität der Ferkel zu optimieren. Auch in diesem Punkt habe man viel zu spät auf die Anforderungen des Marktes reagiert, lautet der Vorwurf an die Herdbuchzüchter. Das stimmt so nicht: Bei German Genetic besteht seit über einem Jahr eine BLUP-Zuchtwertschätzung für die Gesäugequalität. Zudem werden Bewertungsschemata für die Mütterlichkeit erarbeitet, hält German Genetic- Zuchtleiter Albrecht Weber dagegen. der MSZV auf die erfolgreiche bayerische Piétrainzucht zurückgreifen. Die Verantwortlichen des MSZV sehen Bayern mittlerweile ganz klar als Zukunftsmarkt, liegen die bayerischen Betriebe doch direkt vor der eigenen Haustüre. Auch für German Genetic spielt Bayern als Absatzmarkt eine entscheidende Rolle. Ab dem 1. Mai 2011 wird sich ein neuer Vertriebsleiter speziell um den süddeutschen Markt kümmern. Unser Ziel ist, den Jungsauenabsatz in Bayern von derzeit 5 000 Tieren jährlich deutlich zu erhöhen, macht Geschäftsführer Jörg Sauter klar. Allerdings müssen sich Sauter und sein Team darauf einstellen, dass sich auch in ihrem Stammgebiet andere Verbände engagieren. Die EGZH sieht z. B. auch Baden-Württemberg als interessanten Absatzmarkt. Keine Fusion, keine Zukunft? Genauso wie in der freien Wirtschaft hat es auch im Zuchtsauenbereich in den letzten Jahren Fusionen gegeben. Holland ist ein klassisches Beispiel. Hier sind verschiedene Zuchtverbände zum Unternehmen Topigs verschmolzen. Topigs wiederum arbeitet in Deutschland seit fünf Jahren mit dem ehemaligen Zuchtverband in NRW zusammen. Wollen die verbliebenen deutschen Herdbuchzüchter auch in Zukunft noch am Markt mitmischen, dürften Fusionen oder zumindest Kooperationen auch bei ihnen unausweichlich sein. Der SZV hat diesen Schritt bereits getan. Ähnliches ist vor Jahren beim sächsischen Schweinezuchtverband geschehen, als man mit den Verbänden in Sachsen-Anhalt und Thüringen zum MSZV fusioniert ist. Allein die EGZH in Bayern versucht derzeit noch, allein über die Runden zu kommen. Die entscheidende Frage wird sein: Wie lange können die drei Zuchtverbände in der jetzigen Konstellation noch überleben? Gibt es überhaupt eine Zukunft ohne Fusionen? Bei Lichte besehen dürfte es für jeden Herdbuchzuchtverband schwieriger werden, wirtschaftlich allein klar zu kommen. Zu groß ist der Druck, Kosten zu sparen und neue Absatzmärkte hinzuzugewinnen. Im Rahmen der Leistungsprüfungen werden die von den Verbänden auf Station eingestallten Tiere intensiv begutachtet. Dazu zählt unter anderem die Beurteilung des Exterieurs. Fotos: Dorsch (3), Frey (3), Heil (1), Werkbilder S 10 top agrar 5/2011

Im Grunde genommen wissen das alle Beteiligten. Doch keiner der Verantwortlichen will in die zweite Reihe zurücktreten. Jeder will nach einer möglichen Fusion weiterhin das Sagen haben. Kurzum: Die Köpfe bremsen dringend notwendige Fusionen aus, wie unsere Beispiele verdeutlichen: Strategische Allianzen sind sicherlich wichtig, um dauerhaft am Markt bestehen zu können. Wir wollen aber in den entscheidenden strategischen Fragen selbst handlungsfähig bleiben und die Weiterentwicklung mindestens in dem gleichen Tempo vorantreiben wie bisher, erklärt German Genetic-Geschäftsführer Sauter. Für Fusionen sind wir immer offen, aber die Gespräche sind schwierig. Wir waren sehr überrascht über das Vorpreschen des SZV mit German Hybrid und German Piétrain. Sinnvoller wäre es gewesen, für die gesamte Herdbuchzucht ein Gesamtdeutsches Label zu entwickeln und die Kräfte zu bündeln, so der Tenor bei der EGZH. Und auch beim MSZV hat man eigene Vorstellungen. Hier heißt es aus dem Führungskreis: Eine sachbezogene und gleichberechtigte Zusammenarbeit mit dem SZV würde beiden Organisationen Vorteile bringen. Dazu müssen aber beide Seiten konsensbereit sein. Die Beispiele zeigen sehr deutlich, wie schwierig sich eigentlich notwendige Fusionen unter den Herdbuchzuchtverbänden gestalten. Inzwischen redet man schon seit über zehn Jahren miteinander. Wirklich vorangekommen ist man aber nicht. Die Zeit drängt! Die deutsche Herdbuchzucht hat zwar ein schlechtes Image. Ein Auslaufmodell ist sie aber nicht. Sie braucht den Vergleich mit anderen großen Zuchtorganisationen nicht zu scheuen. Das genetische Potenzial ist gut. Spitze aufgestellt ist man bei der Leistungsprüfung. Eine vergleichbar hohe Prüfdichte findet man derzeit nirgendwo sonst. Das alles darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf die Verbände harte Zeiten zukommen. Die Kunden werden kritischer. Vor allem die jüngeren Ferkelerzeuger verlangen weiter steigende Fruchtbarkeitsleistungen bei einer guten Gesamtwirtschaftlichkeit. Wem es nicht gelingt, sein Zuchtprodukt dahingehend konsequent weiter zu entwickeln, dem wird es künftig schwerfallen, neue Marktanteile zu gewinnen. Die Märkte werden kleiner. Der süddeutsche Sauenmarkt schrumpft sogar überproportional stark. Den Verbänden brechen in ihren Heimatmärkten immer mehr Kunden weg. Danzucht und Topigs bearbeiten jetzt verstärkt die Märkte in Süddeutschland, nachdem sie den Norden und Osten der Republik bereits überrollt haben. Es spricht also vieles dafür, dass die deutschen Zuchtverbände jetzt an einem Strang ziehen müssen. Durch einen Zusammenschluss könnten sie ihre Marktposition deutlich verbessern. Gemeinsam würden sie über 100 000 Jungsauen pro Jahr verkaufen und fortan in einer Liga mit den Dänen und Holländern spielen! Mit vereinten Kräften wäre es leichter, neue Absatzmärkte im In- und Ausland zu erschließen. Die Verbände sind gut beraten, endlich ernsthaft über Fusionen zu verhandeln. Es darf nicht mehr nur beim Reden bleiben. Die Zeit drängt! Marcus Arden, Klaus Dorsch top agrar 5/2011 S 11