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Transkript:

Schiedsperson und Täter-Opfer-Ausgleich Vortrag des Präsidenten des Landgerichts Kiel, Dr. Friedrich Bonder, auf der Jahreshauptversammlung 1995 des Bundes Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen im Landgerichtsbezirk Kiel am 24. März 1995 Ihnen, den Schiedsfrauen und Schiedsmännern aus den Landgerichtsbezirk Kiel, etwas über die Handhabung des Täter-Opfer-Ausgleichs vortragen zu wollen, hieße so könnte mancher denken Eulen nach Athen tragen. Schließlich sind Sie bei den in 380 Abs. 1 StPO aufgezählten und nur auf Antrag zu verfolgenden Vergehen die zum Zwecke der Sühneverhandlung zuständige Vergleichsbehörde. Ihre Aufgabe ist es, nach einem Hausfriedensbruch, einer Beleidigung, einer Verletzung des Briefgeheimnisses, einer Körperverletzung, einer Bedrohung und einer Sachbeschädigung auf Antrag des Verletzten bevor dieser Privatklage erheben kann die Parteien laden und zwischen Opfer und Täter einen Vergleich zu versuchen. Welcher Art dieser Vergleich sein kann, sagt das Gesetz nicht, weder die Strafprozessordnung noch die Schiedsmannsordnung. Sühneversuch heißen Ihre Bemühungen. Sühne ist eigentlich eine aus der Religionswissenschaft übernommene Bezeichnung für den menschlichen Versuch, das durch Sünde gestörte Verhältnis zwischen Mensch und Gottheit wiederherzustellen. Wir leben in einer säkularisierten Welt. Ihr Sühneversuch hat die gütliche Beilegung eines Streites zum Ziel. Sie sollen Frieden stiften. Ich stelle mir das im Idealfall so vor, dass der Täter das Unrecht seines Tuns einsieht, sich entschuldigt oder gar Wiedergutmachung leistet und dass das Opfer die Entschuldigung annimmt, verzeiht und auf die Anrufung des Strafgerichts verzichtet. Aber wann gibt es schon einen Idealfall? Sicherlich haben viele von Ihnen schon erlebt, dass Sie, als die Parteien so vor Ihnen saßen und ihre Geschichte erzählten, gar nicht mehr wussten, wer Täter und wer Opfer war. Die Verfahrensvorschriften können Ihnen dann nicht mehr helfen. Neulich hat mir ein Schiedsmann von einem ganz vertrackten Fall erzählt. Ich will versuchen, ohne auf Einzelheiten einzugehen, den Kern des Streits zu skizzieren. Im Zuge erbrechtlicher Auseinandersetzungen kam es zwischen Mutter und Tochter auf der einen Seite und dem Sohn auf der anderen Seite zum Streit. Der Sohn inzwischen auch schon 50 Jahre alt fühlte sich vielleicht nicht ganz zu Unrecht ausgetrickst. Ein Wort gab das andere. Der Sohn verlor das Maß. Mutter und Tochter fühlten sich beleidigt. Alle drei wohnen weit auseinander, die Mutter auf Sylt, die Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/6

Tochter in Bremen und der Sohn hier bei uns. Mutter, Tochter und Sohn waren alle geneigt, sich wieder zu vertragen. Der Sohn aber wollte unbedingt, dass seine Mutter persönlich vor dem Schiedsmann erschien. Er wollte mit ihr Auge in Auge reden. Die Mutter aber ließ sich durch ihren Anwalt vertreten, wozu sie das Gericht wegen ihres hohen Alters ermächtigt hatte. Mit dem Anwalt zu reden, so hatte sich der Sohn den Sühneversuch nicht vorgestellt. Er wollte Waffengleichheit und nahm sich als Beistand selbst einen Anwalt. Die Mutter hat das auch nicht von Sylt an den Verhandlungstisch gebracht, und so ist dieser Sühneversuch trotz allseits bekundeter Bereitschaft, den Streit mit Hilfe des Schiedsmannes zu begraben, wohl gescheitert. Der Schiedsmann hat mir den Fall erzählt, weil er eigentlich noch nicht aufgeben wollte. Eigentlich hätte ich dem Schiedsmann raten sollen, mit Tochter und Sohn nach Sylt zu fahren und dort die Sühneverhandlung durchzuführen. Aber zu einer amtlichen Tätigkeit außerhalb seines Amtsbezirks ist der Schiedsmann nun einmal nicht befugt ( 14 SchOSH). Täter-Opfer-Ausgleich hat mit dem, was Sie im Rahmen des Sühneversuchs als Vergleichsgespräch führen, viel gemeinsam. Der Täter-Opfer-Ausgleich greift aber viel weiter und erfasst prinzipiell die gesamte Kriminalität. Was ist die Idee des Täter-Opfer-Ausgleichs? Nach der das geltende deutsche Strafrecht bestimmenden Auffassung betrifft das Straf-recht im wesentlichen das Verhältnis zwischen dem Staat und dem Täter. Die Straftat löst den staatlichen Strafanspruch aus, dessen Verwirklichung der Täter zu dulden hat. In diesem Rahmen wird erörtert, ob die Ausgestaltung des Strafrechts mehr an Vergeltung und Generalprävention oder mehr an der Resozialisierung des Täters zu orientieren sei. Der Schadensersatz für das Opfer der Straftat, d.h. die Wiedergutmachung, ist nach dieser überkommenen Ansicht ausschließlich Sache des Zivilrechts. Demgegenüber rückt die neue kriminalpolitische Strömung des Täter-Opfer- Ausgleichs das Verhältnis zwischen Täter und Opfer in den Blickpunkt des Interesses. Die Straftat wird jedenfalls zu einem wesentlichen Teil als Ausdruck oder Auslöser eines Konflikts zwischen Täter und Opfer angesehen. Aufgabe der Rechtsordnung sei es, die Regulierung dieses Konflikts insbesondere durch Wiedergutmachung des angerichteten Schadens zu ermöglichen und zu fördern. Gelinge die Konfliktregulierung, sei das Bedürfnis nach einer Reaktion auf die Straftat zu einem großen Teil erfüllt. Eine Strafe könne entfallen oder jedenfalls reduziert werden. Täter-Opfer-Ausgleich heißt also»bewältigung«von Straftaten durch Konfliktregulierung zwischen Täter und Opfer, insbesondere durch Schadenswiedergutmachung. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/6

Der Bundesgesetzgeber hat den Gerichten mit dem am 1. Dezember 1994 in Kraft getretenen neuen 46a StGB die Möglichkeit an die Hand gegeben, die Strafe zu mildern oder im Bereich der kleineren oder mittleren Kriminalität von Strafe ganz abzusehen, wenn der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutmacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder 2. in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt. In den Fällen, in denen keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen verwirkt ist, kann bereits die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen ( 153 b Abs. 1 StPO), wenn ein Täter-Opfer-Ausgleich stattgefunden hat. Das Ermittlungsverfahren wird dann eingestellt. Gelingt es dem Täter, die Tat ganz wiedergutzumachen oder das Opfer ganz zu entschädigen, so kann er in der Regel davon ausgehen, dass die Staatsanwaltschaft eine Anklage gar nicht erst erhebt oder dass das Gericht die Strafe mildert. 46a spricht in Nr. 1 von Wiedergutmachung und in Nr. 2 von Entschädigung. Beide Fallgruppen unterscheiden sich wohl nur graduell.»wiedergutmachung«in Nr. 1 dieser 'Vorschrift ist umfassend gemeint. Das Gesetz versteht darunter nicht nur Schadensersatz, sondern auch gemeinnützige Arbeiten, Geldzahlungen an gemeinnützige Einrichtungen (»symbolische Wiedergutmachung«) sowie immaterielle Leistungen wie Entschuldigung und Versöhnungsgespräch. Zugute kommen soll dem Täter nach dem Wortlaut des 46a Nr. 1 StGB, dass er sich intensiv darum bemüht, den Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, den der Tat zugrunde liegenden Konflikt zu lösen und den Frieden wiederherzustellen. Deshalb soll ausnahmsweise auch eine nur überwiegende Wiedergutmachung oder gar nur das ernsthafte Bemühen darum ausreichen. In der Begründung des Gesetzesentwurfes heißt es dazu, dem Täter solle eine realistische Chance auch in den Fällen eingeräumt werden, in denen eine vollständige Wiedergutmachung nicht möglich ist, so etwa in den Fällen, in denen die Geschädigten eine für einen Ausgleich erforderliche Mitwirkung aus rechtlich zu missbilligenden Gründen verweigern oder in denen durch relativ geringes Verschulden ein hoher Schaden angerichtet wird. Unabdingbar ist, dass die erreichte oder erstrebte Wiedergutmachung auf der Grundlage»umfassender Ausgleichsbemühungen«geleistet werden muss. 46a Nr. 2 StGB handelt von der Entschädigung und damit ist der finanzielle Bereich, die materielle Entschädigung, die Schadenswiedergutmachung gemeint. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/6

Honoriert werden soll, dass der Täter das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt und dies erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat. Gedacht ist insoweit etwa an umfangreiche Arbeiten in der Freizeit oder erhebliche Einschränkung im finanziellen Bereich, die erst eine materielle Entschädigung ermöglicht haben. Auch in diesen Fällen hat der Täter zu erkennen gegeben, dass er gewillt ist, zum Ausgleich der von ihm verursachten Tatfolgen ein über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag zu erbringen, der Ausdruck einer individuellen Übernahme von Verantwortung ist und somit friedensstiftende Wirkung hat. Täter-Opfer-Ausgleich hat nicht nur den Täter im Blick. Gesetzgeberisches Ziel ist es, die Belange des Opfers stärker in den Blickpunkt zu rücken. Es geht darum, dem Opfer sinnvolle Hilfe durch den Ausgleich des durch die Straftat verursachten Schadens und durch den Abbau von Ängsten geben zu können. Gleichzeitig kann der Täter auf diesem Wege besser als mit bloßer Bestrafung zur Einsicht in die Verwerflichkeit seines Tuns und zur Übernahme von Verantwortung für die Folgen seiner Straftat veranlasst werden. Derartige Ausgleichsmaßnahmen ergänzen daher die friedensstiftende Wirkung eines herkömmlichen Strafverfahrens. Sie können ferner im Hinblick auf die Allgemeinheit deutlich machen, dass eine Straftat nicht ohne Folgen bleibt und der Täter zur Verantwortung gezogen wird. Der Bundesgesetzgeber geht, wie die Begründung zu dem Gesetzentwurf ausweist, ausdrücklich davon aus, dass die Lösung des der Tat zugrunde liegenden Gesamtkonflikts unter Anleitung eines Dritten anzustreben ist. Nach allen Erfahrungen ist die Einschaltung eines Vermittlers zur Aufklärung, Beratung und Ausschöpfung der Möglichkeiten des Täter-Opfer-Ausgleichs notwendig. Damit stellt sich zugleich das Ressourcenproblem. Denn, und darüber kann kein Zweifel bestehen, der Täter-Opfer-Ausgleich ist arbeitsaufwendig und kostet Personal. Als Schlichtungsstellen kommen die Gerichtshilfe, freie Träger und Schiedspersonen in Betracht. Für Schleswig-Holstein hat der Generalstaatsanwalt durch Erlass geregelt, dass der Täter-Opfer-Ausgleich im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen bei jugendlichen und heranwachsenden Beschuldigten durch die Jugendgerichtshilfe sowie durch freie Träger der Jugendhilfe, bei erwachsenen Beschuldigten durch die Gerichtshilfe und durch freie Träger in der Straffälligenhilfe durchgeführt wird. Zu den freien Trägern gehören in Schleswig-Holstein etwa die Brücke Kiel e.v., Rechtsfürsorge Lübeck e.v., Norderhelp e.v. in Neumünster und der Verein Hilfe zur Selbsthilfe e.v. in Flensburg. Schiedsfrauen und Schiedsmänner werden in diesem Erlass des Generalstaatsanwalts nicht als Schlichtungsstellen für den Täter-Opfer- Ausgleich genannt. Das leuchtet ein, wenn man sich vor Augen hält, dass der Täter- Opfer-Ausgleich nach den Vorstellungen des Gesetzgebers keineswegs auf die Fälle Nachdruck und Vervielfältigung Seite 4/6

der sog. Bagatellkriminalität beschränkt werden soll. In der Praxis haben sich auch Fälle von schwerem Diebstahl, gefährlicher und schwerer Körperverletzung, Raub und räuberischer Erpressung als durchaus geeignet für einen Täter-Opfer-Ausgleich erwiesen. Der Täter-Opfer-Ausgleich in solchen Fällen geht dann wohl doch über das Maß dessen hinaus, was man den ehrenamtlich tätigen Schiedspersonen zumuten kann. Gleichwohl: Es ist zu erwarten, dass die mit der Einführung von 5 46 StGB verbundene Ausweitung des Auftragsvolumens für den Täter-Opfer-Ausgleich nur durch Einrichtung weiterer Ausgleichsstellen erreicht werden kann. In dem Zusammenhang ist dann die Frage zu stellen, ob die Schiedsfrauen und Schiedsmänner für den Bereich der Kleinkriminalität nicht solche Ausgleichsstellen sein können. In den neuen Bundesländern gilt das Gesetz über die Schiedsstellen in den Gemeinden vom 13. September 1990, das also noch von der Volkskammer der damals noch bestehenden Deutschen Demokratischen Republik verabschiedet worden ist. Nach diesem Gesetz sind die in den Gemeinden ehrenamtlich tätigen Schiedspersonen nicht nur beim Sühne-Verfahren für das Schlichtungsverfahren zur außergerichtlichen Erledigung sonstiger Strafsachen eingeschaltet. In 40 dieses Gesetzes heißt es:»bei einem Vergehen, dessen Folgen geringfügig sind, kann der Staatsanwalt bei geringer Schuld des Täters und mit dessen Zustimmung die Sache einer Schiedsstelle übergeben, wenn dadurch eine außergerichtliche Erledigung der Sache, namentlich im Wege der Wiedergutmachung oder des Täter-Opfer- Ausgleichs, zu erwarten ist und kein öffentliches Interesse an der Erhebung der öffentlichen Klage besteht. Bei einem gegen fremdes Vermögen gerichteten Vergehen sind die Folgen in der Regel als geringfügig anzusehen, wenn die Höhe des Schadens den Betrag von 300, DM nicht übersteigt.«ich könnte mir denken, dass für solche oder ähnliche Fälle kleinerer oder mittlerer Kriminalität auch in den alten Bundesländern die Schiedspersonen als neutrale Vermittler im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs herangezogen werden können. Aber hierzu bedarf es sicherlich einer weiteren Initiative. In dem Referentenentwurf des Justizministeriums für ein»gesetz über die Sozialen Dienste der Justiz«heißt es in 5 3, dass der Täter-Opfer-Ausgleich zu den Aufgaben der Sozialen Dienste der Justiz gehört. Mit den Sozialen Diensten sind die Gerichtshilfe, die Bewährungshilfe und die Führungsaufsicht gemeint, nicht jedoch die Schiedspersonen. Die Schiedspersonen als neutrale Vermittler beim Täter-Opfer-Ausgleich auch außerhalb der Privatklagedelikte für alle Fälle der kleineren und mittleren Kriminalität mit überschaubarem Schaden bis zu einer bestimmten Grenze, die bei 1.000, DM liegen mag, zuzulassen, wäre möglicherweise eine sinnvolle Ergänzung ihres Aufgabenkatalogs. Zu diesen Delikten könnten dann auch kleine Betrügereien und Nachdruck und Vervielfältigung Seite 5/6

z.b. auch der Handtaschenraub gehören. Vielleicht könnte auf diese Weise dem Unmut begegnet werden, mit dem viele die angeblich großzügige Praxis der Staatsanwaltschaft betrachten, Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Statt der Einstellung nach 5 153 StPO könnte die Staatsanwaltschaft dann bei Vergehen mit geringfügigen Folgen, die in den Augen der Öffentlichkeit aber mehr sind als Bagatellen, mit Zustimmung des Beschuldigten die Abgabe an die Schiedsfrau oder den Schiedsmann verfügen. Ich kann den kriminalpolitischen Effekt einer solchen Regelung sachverständig nicht abschließend beurteilen und möchte mich daher auf den Hinweis an Sie beschränken, dieser Frage von sich aus weiter nachzugehen. Für den weiteren Verlauf Ihrer Jahreshauptversammlung wünsche ich Ihnen alles Gute. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 6/6