Dokumentation des Workshops. Konfliktmanagement. im Rahmen des Projektstudiums Arbeits- und Organisationspsychologie



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Universität Bremen Fachbereich 11, Studiengang Psychologie Modularisiertes A&O-Projekt: Vertrauen in Organisationen Workshop: Konfliktmanagement DozentIn: Dr. Sylke Meyerhuber, Michael Tute Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement im Rahmen des Projektstudiums Arbeits- und Organisationspsychologie Datum: 08.01.2003 Ort: Universität Bremen, Grazer Str. 4, Raum 0110 Workshop-Team: Kerstin Götsch, Viktoria Dreher, Nancy Halfter

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement am 08.01.2003 2 Teilnehmende die Teilnehmer des modularisierten A&O-Projekts Vertrauen in Organisationen Sylke Meyerhuber Michael Tute

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement am 08.01.2003 3 Workshop-Ablauf Workshop-Inhalt Seite 13.15 Begrüßung & Orga 4 13.30 Einstieg in den Workshop Konfliktmanagement 5 13.40 Menschenbild und soziale Konflikte 6 14.25 Pause 14.40 Stufenmodell und Interventionsarten 13 15.45 Pause 16.00 Gruppenarbeit 27 16.15 Diskussion im Plenum 27 16.30 Schlusswort und Feedback 28 16.45 Ende

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 4 Kommunikations- und Moderationsregeln Für eine gute Gesprächskultur und zur Förderung einer konstruktiven und zielgerichteten Kommunikation wird zu Beginn des Workshops an die Vereinbarung und Beachtung der folgenden Kommunikations- und Moderationsregeln erinnert: Von sich und den eigenen Erfahrungen sprechen Wertungen / Entwertungen vermeiden Nicht zu lange sprechen Seitengespräche in die Runde einbringen Zum Thema und möglichst konkret sprechen Störungen äußern Begrüßung und Orga Zu Beginn werden die Workshop-Teilnehmer und das Workshop-Team von Sylke und Micha begrüßt und es wird über Organisatorisches gesprochen, z.b. über die im Februar anstehende Projektfahrt. Danach übergeben Sylke und Micha die Moderation an das Workshop-Team. Das Workshop-Team begrüßt ebenfalls noch einmal alle Teilnehmenden und stellt sich vor: durch den Workshop werden Viktoria, Kerstin und Nancy führen. Es wird zu Anfang darauf hingewiesen, dass innerhalb des Workshop-Teams keine bestimmten Rollen vergeben worden sind, z.b. ein Moderator, usw. und dass eine flexible und abwechslungsreiche Handhabung dessen angedacht sei.

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 5 Einstieg in den Workshop Konfliktmanagement Einführend wird erläutert, dass der Workshop Konfliktmanagement unter dem Oberthema Alltagsbewusstsein, Milieu und Konflikt in der betrieblichen Lebenswelt läuft und eine der zwei Säulen dazu ist. Die andere Säule ist das zu diesem Workshop gehörige Vertiefungsseminar, in dem es dann um die anderen beiden Themen Alltags- bewusstsein und Milieu, bezogen auf das Workshop-Thema Konfliktmanagement und das Projekt-Thema Vertrauen in Organisationen, gehen soll. Obwohl das Thema Alltagsbewusstsein eigentlich Grundlage für das Workshop-Thema wäre, wurde bewusst diese Themenreihenfolge gewählt, da ein interaktiver Anteil dem Workshop-Team wichtig war und dies sich gut beim Thema Konfliktmanagement verwirklichen ließ. In einem nächsten Schritt werden die einzelnen Bücher der Basis-Literaturliste kurz inhaltlich vorgestellt, um einen Überblick für Interessierte zur Vertiefung zu geben. o Lewin, K. (1982). Feldtheorie und Experiment in der Sozialpsychologie. In: F. Graumann (Hrsg.). Kurt Lewin Werkausgabe Bd. 4: Feldtheorie. Stuttgart: Klett-Cotta. Auf die Feldtheorie wird nicht eingegangen, da sie bereits ausführlich in dem Vertiefungsseminar zum Workshop Intragruppendynamik behandelt worden ist. o Gerth, H. & Mills C.W. (1970). Person und Gesellschaft. Die Psychologie sozialer Institutionen. Frankfurt a.m.: Athäum. In dem Buch geht es zusammengefasst um die Bedeutung vorgegebener Gesellschaften, um die Grenzen der Manipulierbarkeit, um die Beeinflussung der Sozialordnung und die Beziehung zwischen Biografie und Milieu. Dieses Buch war nicht Grundlage für den Workshop. o Leithäuser, T.; Volmerg, B; Salje, G.; Volmerg, U.. & Wutka, B. (1981). Entwurf zu einer Empirie des Alltagsbewußtseins. Frankfurt a.m.: Suhrkamp. Zu diesem Buch wird im Workshop nichts verraten, da es ausführlich im Vertiefungsseminar behandelt wird. Einen kleinen Einblick gewährt das Deckblatt zum Vertiefungstext, den alle Workshop-Teilnehmer erhalten haben. o Ortmann, G. (1995). Organisation und Psyche. In: B. Volmerg, T. Leithäuser, O. Neuberger, G. Ortmann & B. Sievers. Nach allen Regeln der Kunst. Macht und Geschlecht in Organisationen. S. 205-250. Freiburg i.b.: Kore. Hier geht es ganz allgemein um Angstabwehr in Institutionen. Der Text ist außerdem im Reader. Dieses Buch war nicht Grundlage für den Workshop.

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 6 o Goffman, E. (1974). Das Individuum im öffentlichen Austausch. Mikrostudien zur öffentlichen Ordnung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Goffman schreibt vorwiegend über seine Untersuchungen zur menschlichen Interaktion und sein zentraler Begriff ist der des Territoriums (Freiraums) des einzelnen. Dieses Buch war nicht Grundlage für den Workshop. o Glasl, F. (1994). Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte und Berater. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben. Dieses Buch zählt inzwischen zu den wichtigsten Standardwerken und gibt einen umfassenden Überblick. Für den Workshop Konfliktmanagement bildet das Buch die Grundlage. Menschenbild und soziale Konflikte Einleitung Folgende Frage wird gleich zu Anfang beantwortet: Was haben Konflikte mit Vertrauen zu tun? Nun, in Abteilungen einer Organisation, wo Misstrauen vorherrscht bzw. ein Misstrauensklima besteht, ist klar, dass es leicht zu Missverständnissen kommen kann und so Konflikte entstehen, die sich so ausweiten können, dass der gesamte Betrieb davon beeinträchtigt wird. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wie Konflikte entstehen, was in Menschen vorgeht und wie man diese beilegen kann, damit wieder ein vertrauensvolles Klima entsteht. Da Konflikte gerade die Vertrauensatmosphäre stark beeinträchtigen und sogar zerstören können, wird es in dem Workshop eingehend um das Thema soziale Konflikte und Konfliktmanagement gehen. Der folgende Workshop-Teil Menschenbild und soziale Konflikte wurde herausgearbeitet aus dem Buch Konfliktmanagement von Glasl (1994; Kap. 1.2, S. 12-15; Kap. 2, S. 25-46; Kap. 3.3, S. 59-60; Kap. 3.4, S. 60-64; Kap. 4.4, S. 90-93). Soweit andere Quellen verwendet wurden, wird auf diese entsprechend hingewiesen. Konfliktdefinition nach Glasl Einführend wird die Definition des Konfliktbegriffs nach Glasl vorgestellt, um darüber eine gemeinsame Ausgangsbasis und ein Grundverständnis zu bekommen, was ein sozialer Konflikt ist und was nicht.

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 7 Sozialer Konflikt ist eine Interaktion Definition sozialer Konflikte nach Glasl - zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen), - wobei wenigstens ein Aktor - Unvereinbarkeiten im Denken / Vorstellen / Wahrnehmen und / oder Fühlen und / oder Wollen - mit dem anderen Aktor (anderen Aktoren) in der Art erlebt, - dass im Realisieren eine Beeinträchtigung - durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge (a.a.o., S. 14-15). Zusammenfassung der Fragen und Diskussion: Hier wird noch einmal verdeutlicht, dass es sich in dem Workshop um soziale Konflikte dreht und nicht z.b. um innere Konflikte. Das Menschenbild und soziale Konflikte Glasl gründet seine Arbeit als Konfliktforscher und praktischer Konfliktberater auf ein ganzheitliches Menschenbild, das den Menschen als dreifältiges Wesen versteht und zwar bestehend aus: Leib (1) Seele (2) Geist (3) (a.a.o., S. 25). Und er sagt auch, dass diese unteilbar zum menschlichen Wesen dazugehören. D.h. will man das eigentlich menschliche und soziale Geschehen verstehen, darf der Mensch nicht nur auf ein oder zwei dieser Dimensionen reduziert werden (siehe Abb. 1) (a.a.o., S. 25). Zu diesem dreidimensionalen Menschenbild gehören drei verschiedene menschliche Regungen, die gewisse Konsequenzen für das Soziale mit sich bringen (siehe Abb. 1). o Der Mensch ist als biologisches Wesen anti-sozial (4). D.h. er muss Natur konsumieren, bzw. vernichten, also anderen Menschen entziehen (a.a.o., S. 28). In diesem Sinn ist er anti-sozial (a.a.o., S. 27). Wesentlich ist aber, dass der Mensch in der Befriedigung dieser Bedürfnisse von anderen abhängig ist und dies anerkennen muss.

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 8 o Des weiteren ist der Mensch als seelisches Wesen sozial (5), d.h. er braucht Kontakte mit anderen Mitmenschen, ist vom Respekt der anderen abhängig, lässt auch anderen Menschen etwas zukommen und erkennt anderen die gleichen Rechte, die er selbst hat, an (a.a.o., S. 28). Notwendig ist hier also die Anerkennung der Gleichberechtigung (a.a.o., S. 28). o Als dritte Wesensqualität ist der Mensch als geistiges Wesen a-sozial (6) (aber nicht im umgangssprachlichen Gebrauch). Und zwar, weil er das Bedürfnis hat, allein zu sein, um sich selbst zu finden, nachzudenken, zu forschen, vorhandene Möglichkeiten zu entdecken und zu entfalten (a.a.o., S. 28). Deshalb braucht der Mensch Freiraum, den er für sich beanspruchen kann (a.a.o., S. 28). Entsprechend dieser 3 Wesensarten lassen sich in Organisationen, wie z.b. in Betrieben, Schulen, Krankenhäusern, usw. drei Subsysteme erkennen (siehe Abb. 1) (a.a.o., S. 32). o Zum biologischen Wesen bzw. dem Leib gehört das technisch-instrumentelle Subsystem (7): hier geht es um den zweckgerichteten Einsatz von Fähigkeiten der Menschen, von physischen Mitteln und Instrumenten, von Abläufen und Prozessen (a.a.o., S. 32). Es gilt Zweckorientierung und der uneigennützige Einsatz der eigenen Fähigkeiten und Mittel zur Schaffung von Nutzen für andere (a.a.o., S. 32). o Das zweite ist das politisch-soziale Subsystem (8): hier sind die Beziehungen zwischen Einzelmenschen, in Gruppen und zwischen Gruppen und im Gesamtorganismus gestaltet sowohl formell als auch informell und hier gilt der Gleichheitsgrundsatz in Anwendung der Spieregeln und Normen, d.h. es geht bei allem um die Anerkennung der grundlegenden menschlichen Würde unabhängig von der Bedeutung der ausgeübten Funktion (a.a.o., S. 32). o Und zum geistigen Wesen gehörend als drittes das geistig-kulturelle Subsystem (9): dieses umfasst die Identität einer Organisation, ihre grundlegenden Ziele und Werte, weiter ist es der Rahmen für das Lernen der einzelnen Menschen, der Gruppen und des ganzen Organismus auch hier gilt als wichtigstes Funktionsprinzip das der authentischen Selbstbestimmung, der Freiheit und der Selbstverantwortung (a.a.o., S. 32). Damit der Mensch seinem Wesen entsprechend existieren und sich weiterentfalten kann, müssen also soziale Strukturen für Geist, Seele und Körper förderliche Bedingungen schaffen. Die Missachtung dieser Zusammenhänge schafft immer Konfliktpotential, d.h. die Menschen können sich der unmenschlichen Lebensbedingungen bewusst werden und sie können sich dagegen wehren (a.a.o., S. 31). Konfliktpotential ist z.b. gegeben, wenn ein Subsystem nicht nach seinem eigentlichen Funktionsprinzip gestaltet wird (Gleichheitsgrundsatz ungerechte Bezahlung) oder wenn sich das Gestaltungsprinzip eines Subsystems verabsolutiert und stereotyp auf alle Bereiche angewendet wird (Fließbandarbeit: Kontakt, Freiheit und Selbstbestimmung fehlt) (a.a.o., S. 32).

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 9 Abb. 1: Das Menschenbild und die drei Subsysteme der Organisation. Ein sozial-ökologischer Ansatz Glasl vertritt einen sozial-ökologischen Ansatz. D.h. Konflikte ergeben sich aus dem Zusammenwirken verschiedenster Faktoren und Umstände (a.a.o., S. 91), (entspricht Lewins Feldtheorie). Deshalb ist es sinnlos, Faktoren isoliert voneinander zu betrachten und beeinflussen zu wollen (a.a.o., S. 90), (siehe drei Faktoren vom Menschenbild). Er sagt auch, dass wir es in allen Fällen mit einer Konfliktmöglichkeit zu tun haben (a.a.o., S. 92). Ob aber ein Konflikt entsteht, hängt jedoch immer von verschiedenen Faktoren der Subjekte ab (a.a.o., S. 92). Und auf diese Faktoren wird nun im Weiteren eingegangen. Seelische Faktoren in Konflikten Als nächstes wird beschrieben, was mit den verschiedenen seelischen Aspekten im Konflikt geschieht. Veranschaulicht wird dies noch einmal in Abb. 2.

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 10 Und zwar beeinträchtigen Konflikte unsere Perzeptionen (1), d.h. unsere Wahrnehmungsfähigkeit und unser Denk- und Vorstellungsleben so sehr, dass wir im Laufe der Ereignisse die Dinge in uns und um uns herum nicht mehr richtig sehen (a.a.o., S. 34). Unser Blick verengt sich, wir reduzieren die Wirklichkeit zu einer einfacheren und der Konfliktstoff und die Konfliktgeschehnisse werden einseitig und verzerrt wahrgenommen (a.a.o., S. 36-37). Auch unser Gefühlsleben (2) wird stark beeinträchtigt (a.a.o., S. 35). Anfänglich tritt eine erhöhte Empfindlichkeit auf, die eine Haltung des beginnenden Misstrauens nährt (a.a.o., S. 38). Wir erleben recht unterschiedliche, widersprüchliche und auch gegensätzliche Gefühle (a.a.o., S. 38). Um der entstehenden Überempfindlichkeit zu begegnen, kapseln sich die Parteien schließlich ab und verlieren ihr Einfühlungsvermögen für andere und somit ihre Verbindung zur Außenwelt (a.a.o., S. 38-39). Ähnlich auffällig sind die Veränderungen in unserem Willensleben (3). Wir werden einseitig auf unsere vermeintlichen Interessen fixiert; mit jeder Aktion und Reaktion im Zuge der Konfliktaustragung werden in uns solche Seiten angesprochen, deren wir uns im großen und ganzen gar nicht bewusst sind (a.a.o., S. 35), (tiefere Gefühlsregionen, Triebe u. Begierden). Wir können dann zu unserem Erstaunen feststellen, dass wir imstande sind zu hassen, wie wir es von uns nicht für möglich gehalten haben. Und dass sich in unseren Aktionen Dinge entladen, die nicht zu unseren besten menschlichen Absichten gehören und die mit unseren sonstigen sittlichen Auffassungen nicht zusammenpassen (a.a.o., S. 35). Und all diese Veränderungen und Beeinträchtigen wirken zusammen (a.a.o., S. 35). Sie beeinflussen einander, verstärken sich gegenseitig und führen dazu, dass wir auf diese Weise die Kontrolle über uns selbst verlieren. Dies drückt sich dann in unserem äußeren Verhalten (4) aus (a.a.o., S. 35): Im äußeren, verbalen und nonverbalen Konfliktverhalten drücken sich die inneren Faktoren in gegenseitiger Durchmischung aus (a.a.o., S. 42). Es wird aggressiver und zerstörerischer. Wir lösen durch Wort und Tat Wirkungen aus, die wir zumeist so gar nicht gewollt hätten (a.a.o., S. 35). Die Wirkungen unseres äußeren Verhaltens werden als Effekte (5) für unsere Gegenpartei innerlich und äußerlich erfahrbar: Subjektiv fühlt sich der Gegner verkannt, abgewiesen und negiert (a.a.o., S. 35). Oder es tritt objektiv feststellbarer Schaden auf, weil Güter zerstört werden oder weil durch den Konflikt die Arbeit merkbar leidet bzw. weil Kunden den Betrieb meiden und dergleichen (a.a.o., S. 35). Und all dies bewirkt nur, dass auch unsere Gegenpartei im Konflikt zu mehr Gewalt greift, dass auch sie starrer und rücksichtsloser wird und uns noch mehr ärgert, reizt und bedrängt (a.a.o., S. 35).

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 11 Dadurch steigern wir einander in eine Eskalation des Konfliktes, die zuletzt so intensiv werden kann, dass wir uns dem Konflikt völlig ausgeliefert fühlen (a.a.o., S. 35). Abb. 2: Seelische Faktoren im Konflikt (a.a.o., S. 36). Der Konfliktrahmen: Mikro-, Meso- und Makrokonflikte Glasl stellt eine handlungsorientierte Typologie von Konflikten auf. Er geht dabei von drei Orientierungspunkten aus, die Anhaltspunkte für allererste Interventionen bieten: das ist einmal der Rahmen des Konfliktes (die Konfliktarena), die Reichweite der Bemühungen und die dominante Äußerungsform (a.a.o., S. 59). Im weiteren Vorgehen wird sich auf den Konfliktrahmen beschränkt, da alle drei Punkte den Umfang des Workshops sprengen würden. Durch einfache Beobachtung lässt sich aus den Streitgegenständen und eingebrachten Konfliktpunkten der Konfliktparteien erkennen, auf welchen Rahmen sie sich beziehen (a.a.o., S. 60-61). Für die Bestimmung von Grenzen ist allerdings nur von Bedeutung, ob die Konflikthandlungen innerhalb eines kleinen Rahmens zum Tragen kommen oder ob sie das Funktionieren eines größeren sozialen Feldes beeinträchtigen (a.a.o., S. 61). Hinzu kommt noch, dass je größer die Arena ist, in der der Konflikt aktiv ausgetragen wird, desto komplexer wird die soziale Situation

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 12 (a.a.o., S. 61). Und natürlich greifen dann ganz andere Interventionen als bei Konflikten in einem kleinen Rahmen. Eingeordnet werden Konflikte in den mikrosozialen, den meso-sozialen und den makro-sozialen Rahmen. Im Folgenden werden diese drei Ebenen gemeinsam mit den Workshop-Teilnehmern erarbeitet. Dazu haben die Workshop-Teilnehmer aktiv ihre Ideen eingebracht, was sie unter den einzelnen Ebenen verstehen. Die Ideen der Workshop-Teilnehmer sind in der Abbildung rechts den einzelnen Ebenen zugeordnet. In Abb. 3 ist links eine Kurzfassung der Definition von Glasl zu den drei Ebenen zu finden und unter der Abbildung werden die einzelnen Ebenen noch einmal ausführlicher erklärt und jeweils mit einem Beispiel veranschaulicht. Abb. 3: Metaplan zur Konfliktarena Mikro-soziale Konflikte: Glasl fasst darunter alle Konflikte zusammen, die zwischen zwei oder mehreren Einzelpersonen oder in kleinen Gruppen spielen. Hier kennt jeder jeden und es kann zu direkten, so genannten face-to-face-interaktionen kommen (a.a.o., S. 62). Das Gefüge der Beziehungen ist überschaubar(a.a.o., S. 62). Bsp.: Ein Konflikt zwischen den Lehrern einer Schule, wenn bei allem nur die Schulleitung in den Konflikt einbezogen ist und der Rest der Lehrer, die Schüler und Eltern darin nicht aktiv werden (a.a.o., S. 60).

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 13 Meso-soziale Konflikte: Hierunter fasst er Konflikte innerhalb einer Organisation, zwischen Gruppen und größeren organisatorischen Sub-Einheiten (a.a.o., S. 69). Diese bauen sich aus mikro-sozialen Einheiten auf (a.a.o., S. 62). Zwischen den Elementen der Organisation sind oft keine direkten Beziehungen mehr möglich, die Kommunikation erfolgt zumeist über Mittelspersonen und die weniger persönlichen Zwischengruppenbeziehungen erhöhen noch die Komplexität (a.a.o., S. 62). Bsp.: In unserem Beispiel hat sich der Konflikt auf die meso-soziale Arena ausgeweitet, wenn Gruppen von Lehrern aufeinanderprallen oder die Elternschaft, meist über Repräsentanten, mit einer Lehrergruppe oder einer Schülervertretung in Konfrontationen geraten ist (a.a.o., S. 60). Makro-soziale Konflikte: Hierzu gehören ganz allgemein Konflikte innerhalb sowie zwischen Bevölkerungsgruppen, zwischen Interessengruppen mit gesamtgesellschaftlichem Status, usw. (a.a.o., S. 69). Hier tritt eine noch wesentlich höhere Komplexität auf und erschwert eine gute Analyse und Interventionsstrategie (a.a.o., S. 63). Bsp.: Unser Beispielkonflikt hätte sich auf die makro-soziale Ebene ausgeweitet, wenn auch Eingriffe von Organen der öffentlichen Verwaltung auf den Plan gerufen würden, die wiederum zu Aktionen von politischen Parteien oder Interessenvertretungen der Lehrerschaft dieses Landes führen können (a.a.o., S. 60). Stufenmodell und Interventionsarten Einleitung Im zweiten Teil des Workshops wird das Stufenmodell der Konflikteskalation nach Glasl vorgestellt. Zwei Eskalationsstufen werden abwechselnd die wichtigsten Strategiemodelle der Konfliktbehandlung für diese Stufen eingeschoben. Welche Strategien in einer gegebenen Situation aber am meisten erfolgsversprechend sind, bestimmen Art und Intensität eines Konfliktes. Der zweite Workshop-Teil Stufenmodell und Interventionsarten wurde ebenfalls herausgearbeitet aus dem Buch Konfliktmanagement von Glasl (1994; Kap. 8.5, S. 207-210; Kap. 9, S. 211-214; Kap. 10, S. 215-279; Kap. 11, S. 289-320; Kap. 14, S. 360-367; Kap. 15, S. 368-405). Soweit andere Quellen verwendet wurden, wird auf diese entsprechend hingewiesen.

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 14 Das Stufenmodell der Eskalation nach Glasl Warum betrachten wir ein Modell der Konflikteskalation? Begegnet man einem Konflikt, ist es wichtig, diesen überhaupt zu erkennen, ihn einzuordnen und entsprechende Interventionsmaßnahmen für jede Eskalationsstufe zu finden, um den Konflikt lösen bzw. schlichten zu können. Aufbau des Stufenmodells Das Neun-Stufenmodell der Konflikteskalation nach F. Glasl nennt drei Hauptphasen mit jeweils drei Eskalationsstufen. Zwischen den einzelnen Stufen liegen Wendepunkte, auch Schwellen genannt. Zwischen den Hauptphasen befinden sich die Hauptschwellen. Perzeptionen Die Perzeptionen (Sinneswahrnehmungen) ändern sich während des Konfliktverlaufs. Die erste Hauptphase ist sachbezogen und kooperativ gekennzeichnet. Mit der zweiten Hauptphase begeben sich die Parteien in subjektive Sphären, die Perzeptionen sind beziehungsgerichtet. Die dritte Hauptphase, gewaltbezogen und destruktiv, ist auf Vernichtung ausgerichtet. Schwellen Es handelt sich hierbei nicht um objektiv strategisch wichtige, sondern eindeutig, unzweifelhaft erkennbare Punkte (a.a.o., S. 211). Sie appellieren nicht an Logik und Verstand, sondern unterbewusst an die Gefühle und die Phantasie des Menschen. Dabei werden sie stillschweigend, als ungeschriebenes Gesetz, von den Parteien anerkannt. Schwellen stellen Grenzen der Gewaltanwendung dar, die unausgesprochen festgelegt werden (a.a.o., S. 212). Sie geben den Parteien also Sicherheit. Keine Partei will Verschulder sein, die Schwelle ( den Damm ) gebrochen zu haben. Die folgende Eskalationsstufe wird somit auf Zeit als unbetretbar respektiert. Schwellen können aber auch mit Zunahme der Eskalation als point of no returns gesehen werden (a.a.o., S. 214). Stufenmodell abwärts F. Glasl stellt sein Stufenmodell der Konflikteskalation in einer Abwärtsbewegung dar: Die Parteien stoßen mit der Eskalation des Konfliktes in Regionen / Stufen, die

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 15 immer unmenschlichere Energien aufrufen. Er vergleicht dies mit dem archetypischen Gang des Menschen in Bereiche der Unterwelt (a.a.o., S. 215). Schlummernde, unmenschliche, unsoziale, ja selbst bestialische Regungen werden von Stufe zu Stufe geweckt, die aus tiefen Regionen des Unterbewussten aufbrechen und sich der Kontrolle und Lenkung des Menschen entziehen (a.a.o., S. 215). 1 1. Hauptphase sachbezogen-kooperativ Verhärtung Standpunkte ver- Debatte härten zuweilen, prallen auf- Polarisation einander taktisches Ver- noch keine halten starren Parteien oder Reden zur Tri- Lager büne, über Dritte Überzeugung: Spannungen Überlegener durch gegenüber Gespräch lösbar Unterlegenem Bewußtsein der Prestige bestehenden Spannung zeitliche Krampf Parteien um Standpunkte zeitweilige Ausrutscher und Verkrampfung 2 3 Stufen der Konflikteskalation nach Friedrich Glasl Taten Images Reden hilft Koalitionen nichts mehr, also: Taten jeder reagiert Strategie der nur vollendeten Tatsachen kein Gesichtsverlust Diskrepanz verbal - Lücken in nonverbal Normen nonverbales dementierbares Verhalten domi- Strafverhalten niert self-fulfillingpro- Gefahr: Fehlphecies durch interpretationen Perzeptionsfixierung pessimistische Antizipationen, Werben um Mißtrauen, Anhänger, Akzeleration symbiotische Koalitionen Gruppenhaut, Kohäsion, einander in Konformitäts- negative Rollen druck manövrieren, bekämpfen Empathie verloren Stereotypen, Klischees, Images, Kampagnen 2. Hauptphase beziehungsbezogen-kompetitiv 4 5 6 Gesichtsverlust Droh- deutlich und strategien direkt: Angriffe Drohung und Gesichtsverlust, Gegendrohung Demaskierung Forderung Demasque: Enttäuschung, Aha-Erlebnis rückwirkend Sank- Sanktionstion potential Engel - Teufel dosierte Gewalt Ekel Akzeleration Ausstoßen, durch Ultimata verbannen, Isolation Glaubwürdigkei t Ideologien, Werte, Prinzipien 7 8 Begrenzte Schläge Zersplitterung begrenzte Vernichtungsschläge als passende Antwort relativ kleiner eigener Schaden = Gewinn 3. Hauptphase gewaltbezogen-destruktiv Angriffe auf Sanktionspotential Angriffe auf Infrastruktur, Nervensystem vitale Systemfaktoren zerstören, Sytem wird unsteuerbar, zerfällt 9 Gemeinsam in den Abgrund kein Weg mehr zurück totale Konfrontation gemeinsamer Untergang win-win win-lose lose -lose Moderation (1-3) Vermittlung (5-7) Machteingriff (7-9) Prozessbegleitung (3-6) Schiedsverfahren (6-8) Quelle: S. Meyerhuber u. M. Schottmayer

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 16 Erste Stufe: Verhärtung Die erste Stufe der Konflikteskalation unterscheidet sich kaum von alltäglichen Spannungen und Reibungen. Auch in einem gut funktionierenden Team einer Organisation kann es unterschiedliche Meinungen und Standpunkte geben (a.a.o., S. 216). Sie verhärten zuweilen und prallen aufeinander. Dabei bewertet eine Person die Qualität der eigenen Standpunkte höher, als die des anderen. Nur in den Momenten der Verhärtung der Standpunkte bilden sich Parteien und Lager, sie sind nicht starr. Treten diese Momente häufiger auf, stellt sich automatisch in Ansätzen ein Modell der Krisenbewältigung ein (a.a.o., S. 220): Die Partei erkennt die Reibungsmomente als etwas Bekanntes und drängt sie durch Anstrengungen zurück. Die Lager sind der Überzeugung, die Spannungen durch Gespräche zu lösen, auf dem Wege einer geordneten verbalen Auseinandersetzung, z.b. durch Abwägen und Argumentieren. Sie sind sich der bestehenden Spannungen bewusst und sehen diese als krampferzeugend und Energie- und Zeitverlust an. Die zeitweiligen Ausrutscher und Verkrampfungen werden als vermeidenswert, negativ bewertet, auch wenn sie zum Bild des Normalen gehören. Die genannten Merkmale der ersten Stufe der Konflikteskalation findet man u.a. in kooperativen Problemlösungen oder Verhandlungsgesprächen wieder (a.a.o., S. 221). Zweite Stufe: Debatte Gelingt es den Parteien nicht, das gelegentliche Abgleiten in Erstarrungen wieder aufzufangen, begeben sie sich auf die zweite Stufe der Konflikteskalation. Sie scheuen hier keine harten verbalen Konfrontationen. Bei der ersten Stufe lautete das Kernproblem: Welches ist der bessere Standpunkt? Nun heißt es: Welches ist der bessere Standpunkt, und wer vertritt ihn besser (a.a.o., S. 222)? War es in der vorherigen Stufe wichtig, Fairness zu wahren, ist dies hier nicht mehr der Fall. Polarisationen entstehen. Taktiken kommen als erlaubte Waffe zur Anwendung (a.a.o., S. 223). Der nächste Schritt wird geplant und durchdacht. Die Interessen und Ziele der einzelnen Parteien rücken immer mehr in den Vordergrund. Dadurch steigert sich das Zusammengehörigkeitsgefühl, was zur Selbstüberheblichkeit und Arroganz führen kann (a.a.o., S. 222). Die Parteien sind jeweils vor der anderen auf der Hut, werden misstrauisch. Sie suchen nach Argumenten und wirksamen Beweisen, zur Stützung der eigenen sachlichen Auffassungen, versuchen an Vorurteile zu appellieren und Emotionen des anderen zu reizen. Indem die Parteien auf einer Art Tribüne reden, wollen sie Dritte einbeziehen.

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 17 Des Weiteren führen beide Parteien top down: von oben herab setzen sie die Gegenseite durch rhetorische Mittel und logische Operationen unter intellektuellem Druck (a.a.o., S. 224). Es heißt nun Überlegener gegen Unterlegenem. Immer mehr Streitpunkte werden eingebracht. Es kommt zum Wettkampf um Überlegenheit im Status. Das Verteidigen der eigenen Standpunkte wird zur Prestigesache (a.a.o., S. 222). Beide wollen ihr Ansehen wahren. Die Parteien sind der Meinung, dass vom Vertreten ihrer sachlichen Standpunkte auch ihre Position im nicht- sachlichen Sinne abhänge. Die eine Seite will die andere dominieren und imponieren, jedoch nicht beherrschen (a.a.o., S. 223). Die Reaktion ist, Taktiken abprallen zu lassen und gleichzuziehen: so werden Gespräche zu Debatten. Die Lager entwickeln einen Scharfsinn für die inneren Widersprüche des Gegners: wenn eine Partei sich z.b. in ihrer Argumentation widerspricht, hält die andere ihr dies deutlich vor Augen. Die Wirkung darauf heißt Abweisung. Dieses Zurechtweisen führt zur Entfremdung und Erstarrung statt zum gegenseitigen Überzeugen. Es wurde beobachtet, dass vor allem bei ungeübten Verhandlern das gegenseitige Weisen auf Fehler auftritt, und das Gespräch eskaliert (a.a.o., S. 224). Parteien können sich in der zweiten Stufe noch immer zeitlich begrenzt bilden. Beispiele für die zweite Stufe sind das Appellieren an Denkgewohnheiten (a.a.o., S. 227): In unserem Unternehmen haben wir immer Gesagt, dass... so dass es keiner Begründung bedarf, denn schon Goethe sagte... oder gegenseitig vor ein krasses Dilemma stellen und die Seiten müssen einen Kompromiss eingehen, denn Schließlich liegt die Wahrheit in der Mitte (a.a.o., S. 228). Strategiemodell auf den Stufen 1-3: Moderation Das Strategiemodell Moderation hat sich auf den Eskalationsstufen von eins bis drei als hilfreich erwiesen. Der Moderator kann darauf vertrauen, dass die Parteien die Konflikte nach einigen Interventionen selbst bewältigen können (a.a.o., S. 362). Die Interventionen wenden sich am meisten der Klärung von gegenseitigen Wahrnehmungen zu. Blitzlichter, diagnostische Pausen, Konfliktlisten und Konfliktanalysen helfen festzustellen, ob Absicht und Aufnahme einer Botschaft identisch sind (a.a.o., S. 368). Bei dieser Interventionsart werden die Arbeitstechniken mit wenig Tiefgang zur Problemlösung und Entscheidungsfindung empfohlen. Für die Verbesserung der Kommunikation und das Aufdecken eventueller Unterströme dienen folgende Methoden: Metaplan oder Methoden der Selbstbeobachtung (a.a.o., S. 369). Eine Methode wird näher vorgestellt. Sie heißt Alter- Ego- Kommentare und wurde von M. Miles herausgearbeitet (a.a.o., S. 307). Ziel dieser Intervention ist es, sich in die Gefühle und Einstellungen des anderen einzuleben und zu lernen, diese Gefühle nicht zu unterdrücken, sondern zu erkennen. Man spricht für das Ich eines anderen:

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 18 Alter- Ego. Während die Konfliktparteien miteinander eine Episode des Konfliktes besprechen, versucht jeder zu beobachten, wie sich die anderen Personen fühlen, was sie ärgert usw. Sobald z.b. Anton bei Bernd beobachtet, dass er sich sehr ärgert und den Ärger hinunterschluckt, sagt Anton : Alter- Ergo für Bernd: Die Bemerkung von Carla ärgert mich jetzt sehr. Stimmt das Anton? Anton darf nur kurz ja oder nein sagen, damit das Gespräch weiter gehen kann. So kann jeder aussprechen, was zumeist unterschwellig bleibt. Dritte Stufe: Taten Auf Stufe zwei wird der Gegenseite noch das Recht auf Erwiderung und Rechtfertigung gegeben. Äußert aber z.b. eine Partei einen Vorschlag und kontert die Gegenpartei sofort mit einem Gegenvorschlag, ist die dritte Stufe der Konflikteskalation erreicht. Entschlossenheit macht sich bemerkbar. F. Glasl spricht von einer Strategie vollendeter Tatsachen. Noch nehmen die Parteien Widerstand der anderen in Kauf, er soll erst mit der sechsten Stufe gebrochen werden. Die Kommunikation ist zunehmend belastet: In Sitzungen wird zeitlich stark überzogen, immer mehr offene Punkte bleiben zum Schluss übrig, als sie in die Sitzung getragen wurden. Diskutieren ist also zwecklos (a.a.o., S. 231). Verbale Kommunikation tritt in den Hintergrund, bleibt aber noch bestehen (a.a.o., S. 234). Es wird mehr auf Gesichtsausdruck, Gestik, Mimik oder Körperhaltung geachtet. Parteien lernen, zwischen Überton (verbal) und Unterton (nonverbal) zu unterscheiden, wobei sie meinen, der Unterton offenbare die wahren Absichten ihres Gegners (a.a.o., S. 236). Dabei kommt es oft zu Fehlinterpretationen: Eine Partei kann ja mittels nonverbaler Kommunikation schier unmöglich bewusst ausdrücken, dass sie eine spezifische Handlung nicht ausführen will (a.a.o., S. 236). Der Gegner (fehl-) interpretiert und erahnt dies als negative, pessimistische Absicht. F. Glasl bezeichnet das Unterstellen, Vorwegnehmen negativer Absichten als Pessimistische Antizipation (a.a.o., S. 207). Nonverbale Sprache ist einseitig, kann schnell erfolgen und gibt einem das Gefühl, unabhängig zu sein. Parteien können nicht auf längerfristige Absichten der Gegenpartei schließen. Die Folge ist Misstrauen und eine Beschleunigung, Akzeleration des Konfliktes. Um die Partei bildet sich eine Gruppenhaut. Die Gruppenkohäsion, der Zusammenhalt, stärkt das Selbstwertgefühl, Geschlossenheit macht sich bemerkbar (a.a.o., S. 237): Alle sitzen in einem Boot! Jedoch geht dies mit der Entstehung von Konformitätsdruck in Bezug auf individuelle Meinungen einzelner Gruppenmitglieder einher. Die Empathie, das Einfühlungsvermögen, geht verloren (a.a.o., S. 237): Individuelle Gefühle werden entpersönlicht und der Gruppe untergeordnet. Es herrscht hier eine Pattsituation vor: Die Parteien können weder vor noch zurück, wobei sie noch im Bewusstsein sind, den Konflikt lösen zu können, auch wenn die Angst zunimmt, der Boden der Problemlösung gehe verloren. Diese Eskalationsstufe ist z.b. durch das Anfertigen und Verbreiten möglicher

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 19 Streitschriften oder Flugblätter gekennzeichnet. Parteien bedienen sich dabei bestimmter Jargons und Termini, um sich von der Gegenpartei abzugrenzen. Handeln die Streitfragen nun nicht mehr um die Argumente des Gegners, sondern um den Gegner selbst, wird der Konflikt also zunehmend personifiziert, bedienen Parteien sich Vorurteile und kollektiver Klischeebilder, ist die vierte Stufe und die zweite Hauptphase der Konflikteskalation schnell erreicht. Eine win-lose-haltung (a.a.o., S. 216) wird eingenommen, d.h. man rechnet nur noch mit einem Gewinn oder Verlust. Vierte Stufe: Image, Koalitionen Die Einstellungen werden immer starrer und aggressiver. Parteien sehen nur schwarz oder weiß, dafür oder dagegen. Mischfarben gibt es nicht. Das Hauptanliegen ist das Wahren des eigenen Ansehens, getreu dem Motto Dein Image ist alles! Die Parteien begründen jetzt ihr Verhalten, indem sie ja nur auf das des Gegners reagieren, Verantwortung wollen sie nicht übernehmen. Den Seiten geht es nicht mehr um den maximalen Nutzen, sondern das maximale Unbehagen des Gegners herbeizuführen. Eine besondere Form ist das dementierbare Strafverhalten (a.a.o., S. 242): Es wird provoziert und sich anschließend entschuldigt, wobei die Partei sich nicht öffentlich provozieren lassen darf, sonst würde sie dem Bild des Gegners, dessen Stereotyp, entsprechen. Wenn eine Partei meint, ihre Handlung sei aus Versehen passiert, in Wahrheit aber aus Absicht, und entschuldigt sich dafür, so kann der Betroffene nicht öffentlich wütend sein, er würde sein Gesicht verlieren, und die fünfte Stufe der Konflikteskalation wäre erreicht. Goffman spricht auch von unofficial or hinted comunication (a.a.o., S. 245). Die vierte Eskalationsstufe ist durch den Effekt der self fullfilling prophecies durch die Fixierung auf Perzeptionen geprägt (a.a.o., S. 241): Je mehr eine konflikthafte Situation in der kollektiven Wahrnehmung mit einer konflikthaften Situation aus der Vergangenheit übereinstimmt, umso größer ist die Gefahr, dass auch bei der Strategie der Konfliktbearbeitung auf alte Muster zurückgegriffen wird. Die soziale Arena weitet sich sprunghaft aus. Immer mehr Personen werden zur eigenen Unterstützung einbezogen. Die Parteien suchen nach Verbündeten, werben um Anhänger. Symbiotische Koalitionen und Bündnisse, die zusammenwirken, werden geschlossen (a.a.o., S. 243). Vor allem bei Imageverlusten spielen z.b. auf der Meso-Ebene Beziehungen von Führungskräften zu ihren Mitarbeitern eine entscheidende Rolle. Auch im Publikum werden durch Versprechungen und Vortäuschungen symbiotische Koalitionen gesucht. Mit der Erstellung eines strahlenden Selbstbildes und eines schmutzigen Feindbildes manövrieren sich die Parteien einander in negative Rollen (a.a.o., S. 240). Selbst nimmt die Partei sich als Übermensch, den Gegner als Untermensch wahr. Dabei bedienen sie sich Klischees. Sie haben also eine sehr stark vereinfachte Vorstellung vom Gegner. Beide erstellen einen Stereotyp vom anderen und denken als kollektive Eigenschaft in Vorurteilen (a.a.o., S. 239). Dieser wird als dumm, schwach, verwundbar und übertrieben dargestellt. Die Partei muss sich z.b. in Interviews von

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 20 Beratern sehr anstrengen, auf die Frage nach positiven Eigenschaften der Gegenpartei eine Antwort zu finden (a.a.o., S. 246). Um Unterstützung bei Außenstehenden zu erhalten, werden gleichzeitig Imagekampagnen entwickelt. In dieser Eskalationsstufe greifen die Parteien den Gegner an und denunzieren ihn, jedoch wollen sie nicht mutwillig dessen Gesichtsverlust provozieren. Die folgende Stufe der Konflikteskalation wäre ansonsten erreicht. Strategiemodell auf den Stufen 3-6: Prozessbegleitung Die Prozessbegleitung wird auf den Eskalationsstufen drei bis sechs empfohlen. Der Prozessbegleiter arbeitet an bereits länger fixierten Wahrnehmungen und Verhaltensweisen der Konfliktparteien (a.a.o., S. 362-363). Es werden die folgenden Funktionen des Prozessbegleiters betont: helfend, unterstützend, stimulierend, nicht zwingend, nicht beurteilend, nicht suggestiv. Die Ziele der Prozesskonsultation sind die Parteien zu befähigen, die Konflikte aus eigener Kraft zu lösen, die Konfliktmechanismen aus der Wirkung zu setzen. Die Konfliktparteien widmen sich der Konfrontation der stereotypen Selbst- und Feindbilder. Hier ist wichtig, die gefestigten Rollen und Beziehungen aufzulockern (a.a.o., S. 371). Die Methode des Psychodramas von G. Leutz kann zum Entdecken der eigenen Barrieren behilflich sein und dient dazu, psychischen Abstand zur eigenen Rolle zu gewinnen (a.a.o., S. 308). Man greift eine kritische Episode aus dem Konfliktverlauf heraus, beschreibt sie aus der Erinnerung und dramatisiert sie. Dabei spielen die Teilnehmer ihre eigenen Rollen. Nach einiger Zeit tauschen sie ihre Rollen und setzen den Dialog fort. Eine andere Methode wird mit den Workshop-Teilnehmern durchgeführt: Sie heißt Haus-Baum-Hund (F. Moser, 2001; S. 56) und schult die Einfühlungsfähigkeit. Hier können innere Konflikte und nonverbale Interaktion erlebt werden, sowohl dominierendes als auch unterwerfendes Verhalten sensibilisiert werden. Normalerweise bilden je zwei Teilnehmer aus zwei verschiedenen Gegenparteien eine Gruppe. Im Workshop ist das ganze Plenum an der Durchführung der Methode beteiligt. Es werden Gruppen aus je zwei Teilnehmern gebildet. Jede Gruppe erhält einen Stift und einen Bogen Papier. Aufgabenstellung: Jede Zweier-Gruppe soll ein Haus, einen Baum und einen Hund gemeinsam mit einem Stift auf ihr Blatt Papier zeichnen. Wichtig bei dieser Übung ist, dass die Teilnehmer nicht miteinander sprechen und keine Informationen mit dem Partner austauschen dürfen, auch nicht durch Gestik oder Mimik. Wenn sie Haus, Baum und Hund gezeichnet haben, soll das Bild gemeinsam mit einem Künstlernamen unterschrieben werden und danach von eins bis fünf benotet werden.

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 21 Nach der Anleitung geht es los. Als alle mit dem Zeichen fertig sind, werden die Bilder gemeinsam an eine Metaplanwand für alle sichtbar angebracht (siehe Abb. 4). Abb. 4: Alle Zeichnungen der Übung Haus-Baum-Hund Zur Auswertung wurden folgende Fragen im Plenum besprochen: o Wie habe ich das erlebt? o Was ist mir schwer, was ist mir leicht gefallen? o Wie leicht oder schwer war das gemeinsame Führen des Stiftes? o Wie sehr konnte ich mich durchsetzen, wie sehr musste oder wollte ich mich unterordnen? o Was ist produktiver: zusammenzuarbeiten oder sich durchzukämpfen? o Wie geht es mir in ähnlichen Situationen? Eindrücke und Diskussion in Stichworten: o Derjenige, der mit der linken Hand zeichnen musste, aber Rechtshänder ist, fand es schwieriger und hat dann gedacht, der andere wird es schon machen.

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 22 o Da bei der Übung viel gelacht wurde, wurde die Überlegung eingebracht, dass Konflikte hier gut durch das Lachen gelöst werden könnten. o Es wurde sich abgewechselt im Zeichnen und es hat gut geklappt, weil gleiche Ideen bestanden. o Es wurde festgestellt, dass beim Zeichnen gleichzeitig verschiedene Ideen versucht wurden durchzuführen, so dass einer schließlich nachgeben musste. o Schwierig wurde es beim Namen und der Note. o Es war sehr lustig, komisch und hat Spaß gemacht. o Manchmal wusste der eine nicht, was gemalt wird und war überrascht, was rauskam. Fünfte Stufe: Gesichtsverlust Die fünfte Eskalationsstufe ist durch deutlich direkte Angriffe gekennzeichnet. Der Gesichtsverlust, auch Demaskierung, ist hier ein sehr dramatisches Geschehen (a.a.o., S. 247). Nach Goffman stellt das Gesicht den sozialen Wert dar, den die Person, Gruppe oder Organisation beansprucht (a.a.o., S. 248). Ein Gesicht zu haben, bedeutet respektiert und geachtet zu werden. Der Gesichtsverlust geht mit dem Verlust der Identität einher. Mit dem Abwerfen von Masken des Gegners empfindet die Partei, dass sie dessen Täuschung über Bord wirft : Der Gegner wird ent - täuscht (a.a.o., S. 248). Dies führt bei den Parteien zu einem Aha-Erlebnis (a.a.o., S. 247). Das Gefühl tritt auf, die andere Partei nun ganz und gar zu durchschauen. Das Erlebnis bezieht sich auch rückwirkend: auf die Vergangenheit bezogen. Gleichzeitig kommt bei den Parteien ein Gefühl des Ekels und Abscheus auf (a.a.o., S. 251). Der Gegner wird symbolhaft als unrein und unwert betrachtet. Die Positionen des Über- und Untermenschen aus Eskalationsstufe vier sind gänzlich ausgeweitet. Das Menschenbild geht dem menschlichen Maß hinaus (a.a.o., S. 249). Die Parteien erleben den Gegensatz von Himmel und Hölle, sie identifizieren sich mit dem Engel, den Gegner mit dem Teufel (a.a.o., S. 249). Die Situation erfordert bei BeraterInnen große Sorgfalt: Beide würden z.b. ein gemeinsames Essen wohl ablehnen. Nun geht es darum, den Gegner auszustoßen, zu verbannen und zu isolieren. Auch Ideale, Werte und Prinzipien fließen in den Konflikt mit ein (a.a.o., S. 256). Dieser wird jetzt aus Pflichtgefühl geführt. Gekennzeichnet ist die fünfte Eskalationsstufe durch einen grundlegenden Vertrauensbruch. Somit erwartet jeder vom anderen den ersten Schritt zu einem gemeinsamen Vertrauen, doch die Barrieren bleiben aufrecht. Ein Kompromiss und Vergleich wird als eine Lösungsvariante des Konfliktes gänzlich ausgeschlossen. Der soziale Rahmen weitet sich immer mehr aus: Außenstehende werden zu Richtern gemacht, die eine Partei wählen müssen. Die Parteien sind sich dem Betreten der nächsten Eskalationsstufe bewusst, doch ihnen drängt nach Klarheit und Eindeutigkeit (a.a.o., S. 257). Die Schwelle zu Stufe sechs kann schnell betreten werden und wirkt nicht mehr so abschreckend.

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 23 Mit dem Einsetzen von Drohstrategien ist die nun folgende Eskalationsstufe erreicht (a.a.o., S. 257). Sechste Stufe: Drohung Das Gewaltdenken verstärkt sich weiter. Nun sprechen die Parteien gegenseitige Drohungen aus. F. Glasl unterscheidet drei Phasen des Drohverhalten (a.a.o., S. 258). Die erste Phase kann schon in vorherigen Stufen der Konflikteskalation auftreten. Hier aber kommt die dritte Phase des Drohverhaltens zum Vorschein. Sie ist ultimativ und dadurch akzelerierend. Die Drohung der einen Seite provoziert eine Gegendrohung der anderen (a.a.o., S. 258). Beide sind der Auffassung, nur durch Unbeugsamkeit glaubhaft zu bleiben. Forderung Sanktion Abb.4: Drohungsdreieck (a.a.o., S. 265) Sanktionspotenzial Das Drohungsdreieck nach F. Glasl (Abb.4) besagt, Forderung, Sanktion und Sanktionspotenzial stehen in einem Verhältnis. Beispiel 1 für eine Drohung: Wenn Du bis morgen nicht die Dokumentation ausformuliert hast, kürze ich Dein nächstes Monatsgehalt um die Hälfte! Hier stehen Forderung und Sanktion in keinem angemessenen Verhältnis zueinander. Die Forderung ist zu gering für die angedrohte Sanktion. Beispiel 2: Wenn Du bis morgen nicht die Dokumentation ausformuliert hast, nehme ich Deinen Bleistift als Pfand! Die Forderung ist nun zu hoch gestellt für die angedrohte Sanktion oder umgekehrt ist die Sanktion zu niedrig. Dennoch überdrohen Parteien, um vom Gegner ernst genommen zu werden (a.a.o., S. 264). Nun muss die Partei aber auch noch über das entsprechende Sanktionspotenzial verfügen, das für das Ausführen der Sanktion notwendig ist, sonst verlieren die Drohung und ihr Verfasser an Glaubwürdigkeit. Auch hütet sich ein Droher, der ernsthaft erscheinen möchte, zu Überfordern (a.a.o., S. 265). Der Gegner könnte die Drohung als Alibi für einen Angriff interpretieren (a.a.o., S. 265). Die Partei gewinnt außerdem an Glaubwürdigkeit, wenn sie Sanktionen durch Stellen von Ultimata dosiert. Eine der wirksamsten Drohformen für Machtlose einer Organisation, z. B. Studenten einer Universität, ist das Drohen mit dem Einschalten von Meinungsmedien. Das Spielen mit Gefühlen der Angst ist eine der fatalsten Erscheinungsformen der sechsten Eskalationsstufe (a.a.o., S. 262). Die Parteien leiden unter erheblichen Stress und Zeitdruck (a.a.o., S. 259). Noch versuchen sie, ein größeres Gewaltausmaß zu verhindern, sonst wäre Drohen und Gegendrohen auch zwecklos. Jedoch drängt die Eigendynamik des Konfliktes zum Überschreiten der Schwelle auf die folgende Eskalationsstufe (a.a.o., S. 271).

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 24 Strategiemodell auf den Stufen 5-7: Vermittlung Vermittlungsinterventionen sind einsetzbar auf den Stufen fünf bis sieben, wenn die Parteien keine Möglichkeiten mehr für kooperative Konfliktbehandlung sehen, aber weiteren Schaden einschränken oder vermeiden wollen (a.a.o., S. 363). Vermittler können ihre eigenen Vorschläge einbringen und eventuell Druckmittel einsetzen. Sie wenden sich mehr Personen den Konfliktgegenständen und der Korrektur der Wahrnehmungen zu und arbeiten weniger an der Verbesserung der Beziehungen (a.a.o., S. 381). Manchmal werden, um die erstarrten Einstellungen zu flexibilisieren, undeutliche oder labile Situationen geschaffen. Diese zwingen die Parteien zu einer Neuorientierung. Im Allgemeinen werden bei dieser Intervention die Konfliktparteien getrennt, da sie nicht mehr konstruktiv arbeiten können. Ihre Beziehungen werden kanalisiert und Informationen werden selektiv vermittelt, um die Störfaktoren in der Kommunikation zu vermeiden. Die Techniken der Vermittlung haben sich besonders hilfreich bei Arbeitskonflikten, Streiks und internationalen Krisen erwiesen. Es wird eine der bekanntesten Techniken, die GRIT-Taktik nach C. Osgood vorgestellt (a.a.o., S. 312). Sie wird vor allem zur einseitig initiierten Entspannung in internationalen Krisen vorgeschlagen: o Eine Partei erklärt öffentlich ihren Vorsatz, zu einer einseitigen Maßnahme der Spannungsverminderung überzugehen. o Dieselbe Partei führt eine eindeutige Gebärde der Versöhnung durch und lädt gleichzeitig die Gegenpartei ein, dasselbe zu tun. o Auch wenn die Gegenpartei darauf nicht positiv reagiert, folgt die nächste versöhnende Gebärde. o Wenn die Gegenpartei darauf aggressiv reagiert, folgt eine - öffentlich angekündigte - angepasste, aber deutlich sehr beschränkte Maßnahme der Vergeltung. o Danach wird die nächste entspannende Maßnahme angekündigt und durchgeführt. Siebte Stufe: Begrenzte Vernichtung Jegliche Kommunikation der Parteien bricht ab, sie ist monologisch (a.a.o., S. 275). Der Gegner soll nun gezielt durch dosierte, unangekündigte Vernichtungsschläge zum Zweck seiner Entmachtung und in seinem Dasein erschüttert werden. Dies betrachten die Seiten als eine passende Antwort, sie reagieren also nur noch. Wobei eine Konfliktlösung bei gleichzeitiger Existenz des Feindes nicht mehr vorstellbar ist. Bei den Parteien vollzieht sich eine Werteumkehr: selbst ein relativ kleiner eigener Schaden ist schon ein eigener Gewinn (a.a.o., S. 272). Die Schadenfreude wertet

Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 25 den Verlust des Gegners zum eigenen Gewinn um. Das Denken vollzieht sich nur in Qualitäten des Schädigen und Zerstörens. Die Angriffe richten sich vor allem auf das in Stufe sechs beschriebene Sanktionspotenzial und seine Organe (a.a.o., S. 272). Dies spiegelt sich z. B. im Zerstören des etablierten Kontrollsystem einer Organisation wieder: Stempel- oder Personalkarteikarten und Magnetbänder werden vernichtet, Ordnungsdienste offen oder anonym bedroht, Pressekampagnen gestartet, die Personalstelle wird massiv mit Aufgaben überhäuft, das Sicherheitssystem lahm gelegt, oder auch im Zerstören finanzieller Positionen des Unternehmens (a.a.o., S. 273). In der siebten Stufe ist die Gewaltanwendung noch auf Angriffe des Sanktionspotenzials, welches in Stufe sechs demonstrativ zur Schau gestellt wurde, begrenzt. Weitet sich diese aus, ist die folgende Eskalationsstufe schnell erreicht. Achte Stufe: Zersplitterung Mit der achten Stufe der Konflikteskalation erfolgen nun Angriffe auf das Nervensystem und die Infrastruktur des Feindes. Das Nervensystem meint die Personen, die an der Front stehen, an oberster Stelle einer Organisation, die die Entscheidungen treffen. Unter Infrastruktur versteht F. Glasl z. B. die materiellen und finanziellen Mittel oder Versorgungslinien, welche es gilt, zu unterbinden (a.a.o., S. 276). Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Mitglieder des Managements eines Unternehmens griffen die Gewerkschaftsvertreter massiv an, um die Gewerkschaft zu zersplittern. Auf dem Wege von Skandalgeschichten verloren sie ihre Vertrauenswürdigkeit. Doch ist nicht Vertrauen die Machtbasis der Gewerkschaftsvertreter? Zu diesem Zeitpunkt standen auch noch ihre Wahlen kurz bevor (a.a.o., S. 277). Die destruktiven Neigungen beider Parteien nehmen immer mehr überhand. Die Zerstörung richtet sich gegen alle Zeichen von Vitalität und Lebensfähigkeit des Feindes, so dass ihr System unsteuerbar ist und zerfällt. Strategiemodell auf den Stufen 6-8: Schiedsverfahren Mit Hilfe von Schiedsverfahren sollen die Parteien zur Annahme einer verbindlichen Lösung geführt werden (a.a.o., S. 363). Dies wird auf den Stufen sechs bis acht gemacht. Der Konflikt wird grundsätzlich über Verhaltensregulierungen bzw. Verhaltenskontrolle beendet. Der Schiedsrichter entscheidet aufgrund eigener Beurteilungen, wie der Konflikt gelöst werden kann. Er muss in jeder Hinsicht neutral, unparteilich und unbefangen sein (a.a.o., S. 390). Der Konfliktmanager akzeptiert die Wahrnehmungen der Parteien mehr oder weniger so, wie sie sind. Er wirkt auch nicht auf die Einstellungen der Parteien ein. Dokumentation des Workshops Konfliktmanagement vom 08.01.2003 26