Working Paper 209. Die Zinseffekte der Geldpolitik Dr. Rolf Schneider, Jacqueline Seufert

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Transkript:

E CONOMIC RESEARCH Working Paper 209 04.07.2017 M A K R O Ö K O N O M I E F I N A N Z M Ä R K T E W I R T S C H A F T S P O L I T I K B R A N C H E N Dr. Rolf Schneider, Jacqueline Seufert Die Zinseffekte der Geldpolitik

AUTOREN: DR. ROLF SCHNEIDER +49.69.24431.5790 rolf.schneider@allianz.com JACQUELINE SEUFERT +49.69.24431.5144 Zusammenfassung Mit fundamentalen ökonomischen Daten wie Inflation und Wirtschaftswachstum steht das Renditeniveau langfristiger Anleihen nicht mehr im Einklang. Die Abweichungen sind durch den Einfluss der Geldpolitik zu erklären.. Die EZB hat ihr Reaktionsmuster bezüglich wichtiger Fundamentaldaten wie Preisauftrieb und Kapazitätsauslastung inzwischen deutlich verändert. Würden frühere Verhaltensmuster noch gelten, hätte die EZB die Zinswende angesichts der gestiegenen Inflationsrate und der besseren Kapazitätsauslastung bereits eingeleitet. Da die Leitzinsen und das Anleihekaufprogramm auf die Langfristzinsen Einfluss nehmen, ist der Zusammenhang von Fundamentaldaten und Langfristzinsen stark gelockert. Unser monetärer Erklärungsansatz für die langfristigen deutschen Zinsen weist im Schätzzeitraum 2000 bis Frühjahr 2017 mit einer erklärten Varianz von fast 99% eine sehr gute Anpassung auf. Der renditesenkende Effekt des EZB- Anleihekaufprogramms beträgt geschätzt 77 Basispunkte. In drei Szenarien mit unterschiedlichen Annahmen zur EZB-Politik und zu den US-Zinsen schätzen wir sodann den möglichen Verlauf der deutschen Langfristzinsen bis Ende 2019. Je nach Szenario steigen die deutschen Langfristzinsen bis Ende 2019 auf 1,5 bis 2,5%. Dabei ist in allen drei Szenarien ein Auslaufen des Anleihekaufprogramms unterstellt. Der Einfluss der Geldpolitik auf die Renditen im Euroraum: eine Aktualisierung Das Renditeniveau langfristiger EWU-Benchmark-Anleihen (10-jähriger deutscher Staatsanleihen), das im vergangenen Jahr zeitweise unter null gesunken war, bewegt sich zwar wieder im positiven Bereich, ist aber nach wie vor mit zuletzt 0,3% extrem niedrig. Mit fundamentalen ökonomischen Daten wie Inflation und Wirtschaftswachstum steht das Renditeniveau nicht im Einklang. Die Inflationsrate im Euroraum bewegt sich 2017 bisher zwischen 1,4% und 2,0%, also nicht weit entfernt von der Preisnorm der EZB. Auch die Kapazitätsauslastung im Euroraum ist annähernd normal. Von daher wären angesichts des mittelfristigen Produktivitätswachstums (0,5-1% jährlich) Benchmark- Renditen von 2-3% wohl ein ziemlich normales Niveau. Davon sind wir jedoch weit entfernt. Als Erklärungsfaktoren für das Renditeniveau am Kapitalmarkt reichen Inflation und Konjunktur also nicht aus. Es ist inzwischen wenig umstritten, dass die Geldpolitik einen starken Einfluss auf das langfristige Zinsniveau ausübt. Seit der Finanzkrise 2008 stellt die EZB unbeschränkt Liquidität zur Verfügung, hat die Leitzinsen auf null gesenkt und kauft seit 2015 Anleihen in großem Umfang auf. In unseren Untersuchungen zeigte sich, dass die Geldpolitik für den Rückgang der Langfristzinsen von zeitweise noch über 4% im Jahr 2008 auf vorübergehend unter 0% die entscheidende Größe ist. Die Geldpolitik trifft ihre Entscheidungen grundsätzlich in Abhängigkeit von Inflation und Konjunktur. Dies ist die Grundüberlegung der sogenannten Taylor Rule, auf deren 2

Basis die zinspolitischen Reaktionsmuster von Notenbanken häufig nachvollzogen werden. Angesichts der Krisen der letzten zehn Jahre und vieler unkonventioneller geldpolitischer Maßnahmen ist es aber fraglich, wie stabil die Reaktionsmuster sind. Dies gilt insbesondere auch für die Europäische Zentralbank, zumal sich ihre Strategie ohnehin auf einen komplexen Ansatz (Inflationsziel, Zwei-Säulen-Strategie) stützt. In einem ersten Schritt soll der Frage nachgegangen werden, ob die aktuelle Zinspolitik der EZB noch mit ihren früheren Reaktionsmustern im Einklang steht. Zweitens wird der Einfluss der Geldpolitik auf den aktuellen Langfristzins untersucht Drittens zeigen wir auf, welche Entwicklung der Langfristzinsen bis 2019 bei unterschiedlichen geldpolitischen Szenarien zu erwarten ist. Die Analyse stellt ein Update unserer im Working Paper 186 (Juni 2015) und Working Paper 204 (November 2016) vorgestellten Regressionsanalysen dar. Das zinspolitische Reaktionsmuster der EZB vollziehen wir im Zeitraum 2000 bis 2016 mit einer modifizierten Taylor -Regel gemäß des Ansatzes in Working Paper 204 (November 2016) nach. Das Niveau des Hauptrefinanzierungssatzes der EZB wird demgemäß von der Produktionslücke (der Abweichung von der Normalauslastung) und der Inflationslücke (der Abweichung vom EZB-Inflationsziel) sowie dem vergangenen Hauptrefinanzierungssatz bestimmt. Letzteres kann damit begründet werden, dass die europäischen Währungshüter eine Politik der ruhigen Hand bevorzugen. Deshalb versuchen sie auch bei Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abrupte und scharfe Kurskorrekturen zu vermeiden und zudem die Finanzmarktteilnehmer mit zeitlichem Vorlauf auf etwaige Zinsschritte vorzubereiten. Mit der zinspolitischen Reaktionsfunktion können beachtliche 97% der Varianz des Hauptrefinanzierungssatzes im Zeitraum 2000 bis 2016 erklärt werden. Das Verhalten der EZB scheint also auf den ersten Blick einem stabilen Reaktionsmuster zu folgen. Allerdings zeigt sich im Verlauf von 2016 eine systematische Abweichung der Schätzwerte vom tatsächlichen Null-Leitzins nach oben. Gemäß des von uns geschätzten bisherigen Reaktionsmusters müsste die EZB die Leitzinsen bereits 2017 recht zügig anheben und diesen Kurs 2018 und 2019 fortsetzen. Aus heutiger Sicht ist eine derartige Politik äußerst unwahrscheinlich. Die EZB hat ihr Reaktionsmuster bezüglich wichtiger Fundamentaldaten wie Preisauftrieb und Kapazitätsauslastung offensichtlich deutlich verändert. Das spricht aber auch dafür, dass die Korrelation von Inflation und Wirtschaftswachstum einerseits und den von der Geldpolitik beeinflussten Langfristzinsen andererseits schwächer und instabiler geworden ist. Abhängige Variable: EZB Hauptrefinanzierungssatz 1 Schätzzeitraum: 2000Q1 2016Q4 Koeffizient Standardfehler t-statistik Konstante 0,272 0,145 1,88 Inflationsrate 0,485 0,168 2,88 Produktionslücke 0,791 0,108 7,31 Vorquartals-Hauptrefinanzierungssatz 0,779 0,035 22,41 Bestimmtheitsmaß 0,971 Standardfehler 0,255 1 Schätzung auf Basis von Quartalsdaten (bedingt durch die Verwendung von Zeitreihen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen) 3

Monetäre Faktoren dominieren die Entwicklung der Langfristzinsen. Mit dem von uns mit monatlichen Daten entwickelten monetären Regressionsansatz (Working Paper 186, Juni 2015) kann die Rendite 10-jähriger deutscher Staatsanleihen durch die Kurzfristzinsen im Euroraum, das Anleihekaufprogramm der EZB und den internationalen Zinszusammenhang (repräsentiert durch die amerikanischen Kurz- und Langfristzinsen) sehr gut erklärt werden. Im Folgenden sei der Ansatz und seine Ergebnisse noch einmal genauer erläutert: Die EZB steuert mit ihren Leitzinsen weitgehend die Zinsen am Interbankenmarkt. In den vergangenen Jahren wichen die Geldmarktsätze zeitweise deutlich vom Hauptrefinanzierungssatz der EZB nach unten ab. Dies ist hauptsächlich auf die uneingeschränkte Liquiditätsbereitstellung der EZB an die Geschäftsbanken und den Bedeutungsgewinn des Satzes der Einlagenfazilität zurückzuführen. In den Geldmarktsätzen kommt deshalb die EZB-Geldpolitik in umfassenderem Maße zum Ausdruck als im Hauptrefinanzierungssatz. Daher haben wir den Dreimonats-Euribor im Schätzansatz für die deutschen Langfristzinsen eingefügt. Die deutschen Langfristzinsen werden von Entwicklungen an den internationalen Finanzmärkten beeinflusst. Dabei dürften vom amerikanischen Markt die größten Einflüsse auf den europäischen ausgehen. Die langfristigen US-Zinsen (Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen) wurden deshalb in das Modell für die deutschen Langfristzinsen eingebaut. Wie erwartet erwiesen sie sich als sehr signifikant. Allerdings zeigten sich Hinweise auf einen seit 2013 gesunkenen Einfluss der US-Langfristzinsen auf die europäischen. Eine positive wirtschaftliche Entwicklung veranlasste die US- Notenbank Ende Mai 2013 dazu, eine Reduzierung der Anleihekäufe anzukündigen. Im Oktober 2014 endete das Kaufprogramm der Fed. Ab Juni 2013 unterscheidet sich der Kurs der amerikanischen Notenbank deutlich von dem der EZB, die ihre expansiven Maßnahmen seither noch deutlich verstärkte. Dieser potenzielle Strukturbruch drückt sich in einem geringeren Koeffizienten der US-Zinsen ab Juni 2013 (0,65) gegenüber demjenigen für den Zeitraum 2000 bis Mai 2013 (0,83) aus. Darüber hinaus wird die Differenz der Kurzfristzinsen (Dreimonats-Euribor minus US-Dreimonats-Interbankensatz) in den Regressionsansatz einbezogen. Auch diese Variable weist einen hochsignifikanten Koeffizienten mit positivem Vorzeichen auf. Es stellt sich allerdings die Frage, weshalb ein Anstieg der US-Kurzfristzinsen bei gleichbleibenden EWU-Kurzfristzinsen renditesenkend auf die deutschen Langfrist- 4

zinsen wirkt. Dies tritt jedoch nur ein, wenn die steigenden US-Kurzfristzinsen nicht renditesteigernd auf die US-Langfristzinsen wirken. In einem solchen Fall würde sich die amerikanische Zinskurve abflachen, da die Langfristzinsen nicht dem steigenden Trend der Kurzfristzinsen folgen. Durch die Interaktion der Märkte dürfte auch die deutsche Zinsstrukturkurve flacher werden. Zur Quantifizierung des Einflusses des EZB-Kaufprogramms auf das Renditenniveau benutzten wir eine sogenannte Dummy-Variable. Diese binäre Variable indiziert Einsen ab dem dritten Quartal 2014, als das das Anleihe-Kaufprogramm von den Märkten antizipiert wurde. Für den Zeitraum außerhalb des Quantitative Easing (QE) nimmt die Variable den Wert 0 an. Die Umsetzung des Programms trat im März 2015 in Kraft und dauert immer noch an. Abhängige Variable: 10-jährige deutsche Staatsanleihen Schätzzeitraum: Januar 2000 bis Mai 2017 Koeffizient Standardfehler Statistik 10-jährige US-Staatsanleihen (vor Juni 2013) 0,839 0,010 82,86 10-jährige US-Staatsanleihen (nach Juni 2013) 0,654 0,015 42,40 EURIBOR3 0,133 0,014 9,58 EURIBOR3-USBOR3 0,256 0,011 23,51 QE-Dummy ab 2014Q3-0,749 0,045-16,69 Bestimmtheitsmaß 0,987 Standardfehler 0,179 EURIBOR3: EU Interbank Offered Rate 3 Monate USBOR3: USA Interbank Offered Rate 3 Monate Der monetäre Erklärungsansatz weist im Schätzzeitraum 2000 bis Anfang 2017 eine sehr gute Anpassung der geschätzten Werte an die tatsächlichen auf. Nur 1,3% der Streuung sind unerklärt. Der Standardfehler beträgt lediglich rund 18 Basispunkte. Eine Erhöhung der Kurzfristzinsen im Euroraum um 100 Basispunkte würde gemäß diesem Modell zu 5

einem Anstieg der deutschen Langfristzinsen um fast 40 Basispunkte führen. Der geschätzte renditesenkende Effekt des Anleihekaufprogramms beträgt erhebliche 77 Basispunkte. 2 Diese Schätzergebnisse belegen den starken Einfluss der Geldpolitik auf das Renditenniveau am Rentenmarkt. Um die Entwicklung der Langfristzinsen prognostizieren zu können, bedarf es deshalb insbesondere Annahmen zur zukünftigen Geldpolitik und zur US-Entwicklung. Wir haben drei Szenarien erstellt, um eine Vorstellung über den möglichen Verlauf der deutschen Langfristzinsen bis Ende 2019 zu erhalten. Im Basisszenario gehen wir von einem Auslaufen des EZB-Anleihekaufprogramms von Anfang bis Mitte 2018 aus sowie von zwei Anhebungen des Hauptrefinanzierungssatzes der EZB im Jahr 2019. Darüber hinaus unterstellen wir einen Anstieg der US-Langfristzinsen auf 3,3% bis Ende 2018 und auf 3,8% bis Ende 2019.Für die US-Kurzfristzinsen nehmen wir einen Anstieg auf 2% bis Ende 2018 und reichlich 2,5% bis Ende 2019 an. Ein derartiges Szenario dürfte im Einklang mit einer moderaten Reflationierung sein. Das zweite Szenario unterstellt eine mäßige wirtschaftliche Entwicklung mit einer entsprechend expansiveren Geldpolitik im Vergleich zum Basisszenario. Hier wird angenommen, dass die EZB die Anleihekäufe erst ab April 2018 zurückführt und das Anleihekaufprogramm nicht vor Ende 2018 beendet. Des Weiteren nehmen wir an, dass die EZB den Hauptrefinanzierungssatz bis Ende 2019 bei null belässt. Außerdem treffen wir die Annahme, dass die US-Langfristzinsen bis Ende 2019 nur auf 3,0% und die Kurzfristzinsen nur auf 2% steigen. In Szenario 3 unterstellen wir eine kräftige Konjunktur und entsprechend eine restriktivere Geldpolitik als im Basisszenario. Die EZB beendet ihr Anleihekaufprogramm im ersten Halbjahr 2018 und hebt den Hauptrefinanzierungssatz ab Mitte 2018 in mehreren Schritten auf 1,5% Ende 2019 an. Die US-Langfristzinsen steigen bis Ende 2019 auf 4,5% an, die US-Kurzfristzinsen auf 3,5%. Alle drei Szenarien weisen mittelfristig einen Aufwärtstrend bei den zehnjährigen deutschen Staatsanleiherenditen auf. Dieses Ergebnis der Modellrechnungen ist nicht überraschend, da in allen drei Szenarien ein Ende des Anleihekaufprogramms unterstellt ist, das gemäß Schätzung einen zinssteigernden Effekt von 77 Basispunkten hat. Während im Basisszenario und in Szenario 3 die Rendite der zehnjährigen Anleihen schon bis 2 Eine Schätzung der EZB lieferte ein ähnliches Ergebnis. Nach ihrer Berechnung beläuft sich der zinssenkende Effekt der geldpolitischen Maßnahmen auf die langfristigen risikofreien Sätze auf 80 Basispunkte seit Juni 2014. Vgl. Benoît Cœuré: Dissecting the yield curve: a central bank perspective (16.05.2017) 6

Mitte 2018 deutlich ansteigt, kommen die deutschen Langfristzinsen im zweiten Szenario insbesondere durch die spätere Beendigung des Anleihekaufprogramms wesentlich langsamer in Schwung. Der unterschiedliche Renditeverlauf in den drei Szenarien ist natürlich auch durch die unterschiedlichen Annahmen zur Zinsentwicklung in den USA mitbedingt. Nach unseren Szenarien würden die deutschen Langfristzinsen bis Ende 2019 je nach Szenario auf 1,5 bis 2,5% steigen. Dies wäre kein unbeträchtlicher Renditeanstieg, allerdings blieben die realen Anleiherenditen angesichts des zu erwartenden Preisauftriebs immer noch sehr niedrig. So wünschenswert ein höheres Renditeniveau für den Sparer und zur Vermeidung von Fehlallokation von Kapital wäre, so unruhig könnte die Entwicklung an den Finanzmärkten bis zu diesem höheren Niveau verlaufen. Wir gehen allerdings davon aus, dass die EZB Korrekturen ihrer Politik mit einer wohl überlegten Forward Guidance einläutet, um so scharfe Reaktionen an den Märkten zu vermeiden. Für das Anleihekaufprogramm dürfte eine solche Vorinformation nicht mehr lange auf sich warten lassen. ÜBER DIE ALLIANZ Die Allianz Gruppe zählt zu den weltweit führenden Versicherern und Asset Managern und betreut mehr als 86 Millionen Privat- und Unternehmenskunden. Versicherungskunden der Allianz nutzen ein breites Angebot von der Sach-, Lebens- und Krankenversicherung über Assistance-Dienstleistungen und Kreditversicherung bis hin zur Industrieversicherung. Die Allianz ist einer der weltweit größten Investoren und betreut im Auftrag ihrer Versicherungskunden ein Investmentportfolio von über 650 Milliarden Euro. Zudem verwalten unsere Asset Manager Allianz Global Investors und PIMCO mehr als 1,3 Billionen Euro für Dritte. Mit unserer systematischen Integration von ökologischen und sozialen Kriterien in unsere Geschäftsprozesse und Investitionsentscheidungen sind wir führend im Dow Jones Sustainability Index. 2016 erwirtschafteten über 140.000 Mitarbeiter in mehr als 70 Ländern für die Gruppe einen Umsatz von 122 Milliarden Euro und erzielten ein operatives Ergebnis von 11 Milliarden Euro. Die Einschätzungen stehen wie immer unter den nachfolgend angegebenen Vorbehalten. VORBEHALT BEI ZUKUNFTSAUSSAGEN Soweit wir in diesem Dokument Prognosen oder Erwartungen äußern oder die Zukun ft betreffende Aussagen machen, können diese Aussagen mit bekannten und unbekannten Risiken und Ungewissheiten verbunden sein. Die tatsächlichen Ergebnisse und Entwicklungen können daher wesentlich von den geäußerten Erwartungen und Annahmen abweichen. Neben weiteren hier nicht aufgeführten Gründen können sich Abweichungen aufgrund von (i) Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und der Wettbewerbssituation, vor allem in Allianz Kerngeschäftsfeldern und - märkten, (ii) Entwicklungen der Finanzmärkte (insbesondere Marktvolatilität, Liquidität und Kreditereignisse), (iii) dem Ausmaß oder der Häufigkeit von Versicherungsfällen (zum Beispiel durch Naturkatastr ophen) und der Entwicklung der Schadenskosten, (iv) Sterblichkeits- und Krankheitsraten beziehungsweise -tendenzen, (v) Stornoraten, (vi) insbesondere im Bankbereich, der Ausfallrate von Kreditnehmern, (vii) Änderungen des Zinsniveaus, (viii) Wechselkursen, einschließlich des Euro/US Dollar -Wechselkurses, (ix) Gesetzes- und sonstigen Rechtsänderungen, insbesondere hinsichtlich steuerlicher Regelungen, (x) Akquisitionen, ei nschließlich anschließender Integrationsmaßnahmen, und Restrukturierungsmaßnahmen, sowie (xi) allgemeinen Wettbewerbsfaktoren ergeben. Terroranschläge und deren Folgen können die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß von Abweichungen erhöhen. KEINE PFLICHT ZUR AKTUALISIERUNG Die Gesellschaft übernimmt keine Verpflichtung, die in dieser Meldung enthaltenen I nformationen und Zukunftsaussagen zu aktualisieren, soweit keine gesetzliche Veröffentlichungspflicht besteht. 7