Gegenseitige Blicke über die Grenze: Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie in Baden-Württemberg und der Schweiz Workshop 2 Chancen und Grenzen direkter Demokratie Jedes Gesetz, das das Volk nicht selbst beschlossen hat, ist nichtig; es ist überhaupt kein Gesetz. Rousseau Die Direktdemokratie ist eine Prämie für Demagogen. Heuss Größere Nationen können sich keine Verschweizerung leisten. Weber Die Demokratie setzt die Vernunft im Volke voraus, die sie erst hervorbringen soll. Jaspers Ablauf 1. Vorstellung ( min) 2. Einstieg Speed-Debating (20 min) 3. Definitionen und Unterscheidungsmerkmale (5 min) 4. Vergleich: Schweiz Baden-Württemberg (15 min) 5. Diskussion der Argumente (20 min) 6. Neuere empirische Ergebnisse (15 min) 2 1
1. Vorstellung 3 2. Speed-Debating 4 2
2. Speed-Debating - Methode: Einstieg zur Diskussion kontroverser Themen - Ziele: - Überzeugend argumentieren (pro und contra) in sehr kurzer Zeit Quelle: www.bpb.de/system/files/pdf/eoujq6.pdf - Informationsaustausch, durch Wiederholung und Diskussion guter Lerneffekt - Vorbereitung: Kleingruppen bereiten Argumente für pro- oder contra-seite vor - 90 Sekunden Debatte jeweils 1 Person pro gegen 1 Person contra, danach Partnerwechsel (3-5 mal) - Zusammenfassung, welche Argumente der Gegnerseite waren am überzeugendsten? 5 3. Definitionen 6 3
Definitionen Partizipatorische Demokratie - Verstärkte Bürgerbeteiligung - Nicht zwangsläufig Instrumente direkter Demokratie Direkte Demokratie als Verfahren - Alle durch die Verfassung und weitere Rechtsvorschriften ermöglichten Verfahren, durch die die stimmberechtigten Bürger eine Sachfrage selbst entscheiden oder auf die Agenda setzen können - Umstritten zudem die Direktwahl von Entscheidungsträgern 7 Abstimmungsarten Quelle: Möckli (1994), S.89 8 4
Phasenmodelle bei Initiativen Vorbereitungsphase Öffentliche Abstimmungsdebatte Umsetzungsphase Quelle: Möckli (1994), S.253 Quelle: Schiller (2002), S.39 9 4. Vergleich Schweiz Baden-Württemberg 5
DD in der Schweiz und in BW Schweiz (ca. 5 mio SB) Baden-Württemberg (ca. 7,5 mio SB) Verfassungsinitiative Obligatorisches Referendum Fakultatives Referendum Volksbegehren Volksentscheid Plebiszit Initiierung 0.000 Stimmberechtige Verfassung 50.000 Stimmberechtigte oder 8 Kantone.000 Stimmberechtigte 1/6 der Stimmberechtigten Reg. auf Antrag 1/3 bzw. ½ der Mitglieder des Landtags Frist Form Gegenstand Quorum Gegenentwurf möglich 18 Monate - 0 Tage 14 Tage (Amt) Anregung o. v- ändernder Verfassung Einfaches Volks- und Ständemehr Themenausschluss Gesetz- Verfassungsoder Vertragsentwurf Verfassung, I.Vetrag, Bundesgesetze Einfaches Volksund Ständemehr Gesetz- oder Vertragsentwurf Bundesgesetz, I.Vetrag, Ausgaben Einfaches Volksmehr Begründeter (v-ändernder) Antrag auf Landtagsaufl. Gesetz, Landesverf., Aufl. des Landtags 1/6 der Stimmberechtigten 6 Wochen nach VB Begründeter (v-ändernder) Antrag auf Landtagsaufl. Gesetz, Landesverf., Aufl. des Landtags Qualifizierte Mehrheit 1/3 bzw. ½ Ja - - - Ja - - - - Abgaben, Besoldung, Staatshaushaltsge setze Abgaben, Besoldung, Staatshaushaltsgesetze 14 Tage (v-ändernder) Gesetz, Landesverfassung Qualifizierte Mehrheit 1/3 bzw. ½ Abgaben, Besoldung, Staatshaushaltsgesetze 11 Volksbegehren und Volksentscheide 83 Volksbegehren seit 1966 38 19 3 1 5 16 5 4 1 Quelle: Eigene Darstellung nach: http://www.mehr-demokratie.de/volksentscheide_in_deutschland.html - Stand: Juni 2013 12 6
Volksbegehren und Volksentscheide Quelle: Eigene Darstellung nach: http://www.mehr-demokratie.de/volksentscheide_in_deutschland.html - Stand: Juni 2013 13 Volkinitiativen Schweiz 419 Volksinitiativen Bundesebene 1893-2013 303 183 98 90 2 4 20 Insgesamt zustande gekommen nicht zustande gekommen zurückgezogen abgeschrieben ungültig abgestimmt angenommen Eigene Darstellung nach: http://www.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis_2_2_5_9.html - Stand: Juni 2013 14 7
5. Diskussion der Argumente 15 DD in der Schweiz und in BW Schweiz (ca. 5 mio SB) Baden-Württemberg (ca. 7,5 mio SB) Verfassungsinitiative Obligatorisches Referendum Fakultatives Referendum Volksbegehren Volksentscheid Plebiszit Initiierung 0.000 Stimmberechtige Verfassung 50.000 Stimmberechtigte oder 8 Kantone.000 Stimmberechtigte 1/6 der Stimmberechtigten Reg. auf Antrag 1/3 bzw. ½ der Mitglieder des Landtags Frist Form Gegenstand Quorum Gegenentwurf möglich 18 Monate - 0 Tage 14 Tage (Amt) Anregung o. v- ändernder Verfassung Einfaches Volks- und Ständemehr Themenausschluss Gesetz- Verfassungsoder Vertragsentwurf Verfassung, I.Vetrag, Bundesgesetze Einfaches Volksund Ständemehr Gesetz- oder Vertragsentwurf Bundesgesetz, I.Vetrag, Ausgaben Einfaches Volksmehr Begründeter (v-ändernder) Antrag auf Landtagsaufl. Gesetz, Landesverf., Aufl. des Landtags 1/6 der Stimmberechtigten 6 Wochen nach VB Begründeter (v-ändernder) Antrag auf Landtagsaufl. Gesetz, Landesverf., Aufl. des Landtags Qualifizierte Mehrheit 1/3 bzw. ½ Ja - - - Ja - - - - Abgaben, Besoldung, Staatshaushaltsge setze Abgaben, Besoldung, Staatshaushaltsgesetze 14 Tage (v-ändernder) Gesetz, Landesverfassung Qualifizierte Mehrheit 1/3 bzw. ½ Abgaben, Besoldung, Staatshaushaltsgesetze 16 8
6. Empirische Ergebnisse 17 Empirische Ergebnisse USA und die Schweiz als Forschungslabor Ausreichende Anzahl an Abstimmungen für quantitative Analysen zu Abstimmungsergebnissen Unterschiedliche Ausformung direkter Demokratie in der States/Kantonen aber Teil eines einheitlichen, übergeordneten Systems Most Similar Systems Design (method of difference) 18 9
Empirische Ergebnisse - Allgemein - Direkte Demokratie begünstigt weder eindeutig die politische Linke noch die politische Rechte (Linder 2005) - Direkte Demokratie führt zu einer deutlichen Befürwortung des Status Quo (Wagschal/Obinger 2000) - Dabei hat insbesondere das fakultative Referendum Bremswirkung, während Initiativen größeres Innovationspotenzial haben (Wagschal 1997; Linder 2005) - Positiven Einfluss auf Informiertheit, Sozialkapital und Zufriedenheit mit pol. System (Vatter 2007) 19 Empirische Ergebnisse - Grundrechte Unterschiedlich je nach Ort und Zeitraum In konservativen US-Staaten eher negativ für Minderheiten in liberalen eher positiv (Gerber/Hug 2002) In der Schweiz fallen 60% bis 2/3 eher schlecht für Minderheit aus (Vatter 2007) Unterschiede zwischen Minderheiten Gewinner: Sprachgruppen, Rentner, Invalide Verlierer: Homosexuelle, Migranten 20
1998 Hawai 2000 California 2000 Nevada 2002 Nevada 2004 Michigan 2004 North Dakota 2004 Ohio 2004 Oregon 2006 Colorado 2006 Virginia 2006 Wisconsin 2008 California 2008 Florida 2009 Maine 2012 North Carolina 2012 Maine 2012 Maryland 2012 Minnesota 2012 Washington 1998 Alaska 2000 Nebraska 2000 Nevada 2002 Nevada 2004 Arkansas 2004 Georgia 2004 Kentucky 2004 Louisiana 2004 Mississippi 2004 Missouri 2004 Montana 2004 North Dakota 2004 Ohio 2004 Oklahoma 2004 Utah 2005 Kansas 2005 Texas 2006 Alabama 2006 Arizona 2006 Colorado 2006 Idaho 2006 South Carolina 2006 South Dakota 2006 Tennessee 2006 Virginia 2008 Arizona 2008 Florida 2012 North Carolina 31.03.2014 Bsp. Legalizing gay marriage All ballots 0 90 80 70 60 50 40 30 Against For 20 0 Quelle: Eigene Darstellung nach: http://www.iandrinstitute.org - Stand: Juni 2013 21 Bsp. Legalizing gay marriage 0 90 80 70 60 50 40 30 20 0 Democrat states 0 90 80 70 60 50 40 30 20 0 Republican states For Against Quelle: Eigene Darstellung nach: http://www.iandrinstitute.org - Stand: Juni 2013 22 11
Bsp. Legalizing gay marriage 0 All ballots 90 80 70 60 50 40 30 Against For 20 0 Quelle: Eigene Darstellung nach: http://www.iandrinstitute.org - Stand: Juni 2013 23 Empirische Ergebnisse - Finanzen Robin-Hood-These: Bei direktdemokratischer Beteiligung werden Sozialleistungen und sonstige Ausgaben für Staatstätigkeit deutlich erhöht ODER Bremswirkung: direktdemokratische Beteiligung führt eher zu einer Bremswirkung der Ausgaben in Schweizer Kantonen weißen Kantone mit mehr und einfacheren Mitwirkungsmöglichkeiten geringere Haushaltsdefizite, geringere Steuerbelastung, effizientere Mittelverwaltung, höheres BIP (Freitag/Vatter 2006; Vatter 2007) weniger Steuerhinterziehung (Feld 2002) auf 24 12
Kontakt Bei Fragen und Anregungen Julian Schärdel Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Seminar für Wissenschaftliche Politik Professur für Vergleichende Regierungslehre Werthmannstr.12 79085 Freiburg Mail: julian.schaerdel@politik.uni-freiburg.de 25 13