Redebeitrag von Dr. Alfred Spieler, Referent für Sozialpolitik der Volkssolidarität Bundesverband e.v.



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Transkript:

Rentengipfel der Linksfraktionen im Deutschen Bundestag und im Landtag Mecklenburg-Vorpommern mit der RLS am 24. Januar 2009 in Rostock Alter in Würde und in finanzieller Sicherheit erleben Redebeitrag von Dr. Alfred Spieler, Referent für Sozialpolitik der Volkssolidarität Bundesverband e.v. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde, zuerst meinen herzlichen Dank für die Einladung. Ich freue mich, dass hier viele Mitglieder, ehren- und hautamtliche Mitarbeiter der Volkssolidarität in Mecklenburg- Vorpommern vertreten sind, unter ihnen die stellvertretende Landesvorsitzende, Frau Steinbach, die ich ebenfalls herzlich begrüßen möchte. Dass die Volkssolidarität beim Thema Rente so engagiert ist, hängt vor allem mit zwei Dingen zusammen. Erstens sind viele unserer Mitglieder selbst Betroffene und zweitens erleben wir auch bei Beratungsgesprächen zur Rente, dass das Niveau bei den Rentenneuzugängen absinkt, insbesondere bei denen, die lange Zeiten der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen haben. Meine Ausführungen gründen sich auf die Rentenpolitischen Leitlinien der Volkssolidarität vom August 2008. I. Der Wunsch nach finanzieller Sicherheit im Alter scheint künftig zunehmend weniger erfüllbar. Das gilt für Ost und West, aber insbesondere im Osten. Der vor wenigen Tagen von der Volkssolidarität vorgestellte Sozialreport 2008 über die soziale Lage in den neuen Ländern kommt zu dem bedrückenden Ergebnis, dass 64 Prozent der Befragten in der Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen also in der Vorrentnergeneration eine deutliche Armutsbedrohung verspüren. Eine große Rolle spielt dabei die Befürchtung, dass sich die materiellen Bedingungen im Alter verschlechtern werden. Immer neue Studien warnen vor Altersarmut. Die Frage ist wo liegen die Ursachen und was kann man dagegen tun? Für die Volkssolidarität stehen vor allem zwei Entwicklungen im Vordergrund. Erstens erleben wir in den letzten Jahren eine zielgerichtete Politik, das Leistungsniveau der gesetzlichen Rente langsam aber sicher herunterzufahren. Die Summe der Kürzungen bis 2030 beträgt etwa 20 bis 25 Prozent. Dafür sorgen so genannte Dämpfungsfaktoren, aber auch Einschnitte wie z. B. die Streichung von bewerteten Ausbildungszeiten. Im Ergebnis verzeichnen wir Renten- Nullrunden

2 bzw. Anpassungen unterhalb der Preissteigerungsraten. Jetzt wird angekündigt, dass es zum 1. Juli 2009 eine Rentenanpassung von 2,75 Prozent geben soll das ist erfreulich, nachdem der Realwert der Renten in den letzten 5 Jahren um gut 10 Prozent gesunken ist. Aber niemand sagt dazu, dass es 2010 und 2011 jeweils nur 0,6 Prozent mehr Rente geben soll. Während ein Durchschnittsverdiener heute etwa 27 Jahre braucht, um eine Rente über dem Grundsicherungsniveau von 630 Euro zu erreichen, wird ein Durchschnittsverdiener dafür im Jahre 2030 etwa 35 bis 37 Jahre benötigen. Wenn es sich kaum noch lohnt, Rentenbeiträge zu bezahlen, droht der gesetzlichen Rentenversicherung, vor allem bei den Jungen, der Verlust ihrer Legitimation als solidarisches Sicherungssystem. Das wäre ein grundlegender Bruch mit dem Sozialstaat, den ein so komplexes soziales Gebilde wie die bundesdeutsche Gesellschaft kaum ohne Schaden für den sozialen Zusammenhalt und die Demokratie überstehen dürfte. Mit immer neuen Reformen hat die Politik seit Jahren einen Paradigmenwechsel im deutschen Alterssicherungssystem durchgesetzt und dafür das Gespenst der demographischen Bedrohung an die Wand gemalt. Während lange Zeit galt, dass der Lebensstandard im Alter durch die gesetzliche Rente gesichert werden soll, erfolgte nunmehr eine Orientierung auf ein 3 Säulen Modell aus gesetzlicher Rente, betrieblicher und privater Altersvorsorge. In diesem Modell soll der Anteil der gesetzlichen Rente an den Alterseinkünften langsam aber stetig sinken, während der Anteil der privaten Altersvorsorge ständig ansteigen soll. Den Vätern dieses 3 Säulen Modells schwebt vor, die gesetzliche Rente nach und nach durch eine Privatisierung der Alterssicherung zu ersetzen. Mit dem Effekt, dass die Bedeutung der paritätischen Finanzierung schwindet, während die Belastung für die Arbeitnehmer wächst und ihre Sicherheit im Alter löchrig wird. Denn die gesetzlich Rentenversicherten müssen nicht nur weiterhin ihre Beiträge bezahlen, sondern zusätzliche Teile ihres Einkommens in die private Altersvorsorge also z. B. eine Riester-Rente investieren. Bis zu 16 Prozent ihres Einkommens müssten sie dafür aufbringen. Selbst Bezieher von ALG II sollen laut Walter Riester die 5 Euro Mindestbeitrag in die nach ihm benannte private Rente zahlen. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen: Nicht die gesetzliche Rentenversicherung als umlagefinanziertes solidarisches Sicherungssystem für das Alter ist gescheitert, sondern der Kurs auf mehr Privatisierung der Alterssicherung. Denn trotz der 12 Millionen Riester-Verträge werden viele Menschen keine ausreichende Alterssicherung haben, weil sie nicht genügend privat vorsorgen können.

3 Damit komme ich zum zweiten Punkt, dem grundlegenden Wandel der Arbeitswelt. - Hohe Arbeitslosigkeit ist zu einer Dauer-Erscheinung geworden. Besonders schlimm in den neuen Ländern, wo nach wie vor über eine Million Menschen arbeitslos sind mit einem hohen Anteil bei den über 50-Jährigen. Von den heute 45- bis 65-jährigen Arbeitern und Angestellten verfügen rd. 55 Prozent über eigene Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit (Ost = 67 Prozent) mit einer durchschnittlichen Dauer von insgesamt 6,4 Jahren 1. Die Rentenabschläge bei vorzeitigem Renteneintritt sowie die mickrigen Beiträge aus dem Bundeshaushalt für Bezieher von Arbeitslosengeld II sorgen dafür, dass sich für Arbeitslose die Gefahr von Altersarmut deutlich verstärkt. Mit einem Anspruch von 2,19 Euro für ein Jahr Bezug von Arbeitslosengeld II droht bei 5, 6 oder 10 Jahren Leistungsbezug in den meisten Fällen Armut - Die Ausbreitung von Niedriglöhnen hat verheerende Rückwirkungen auf die künftigen Alterseinkommen. In Deutschland sind 6,5 Millionen Beschäftigte im Niedriglohnbereich tätig. Legt man eine Niedriglohnschwelle von 9,13 Euro zugrunde, so sind in den neuen Ländern bereits 41 Prozent der Beschäftigten dem Niedriglohnsektor zuzurechnen 22 Prozent in den alten Ländern. - Brüche in den Erwerbsbiographien wirken sich auf die Rentenanwartschaften ebenfalls negativ aus: Prekäre Beschäftigung, Teilzeitarbeit, Zeiten der Selbständigkeit und Arbeitslosigkeit. Bei Frauen kommen Zeiten der Familienarbeit hinzu. Immer weniger gibt es die nahezu geschlossenen Erwerbsverläufe bei Frauen ohnehin, aber verstärkt auch bei Männern. Der Eckrentner mit 45 Beitragsjahren mit durchschnittlichem Verdienst, der im Übrigen stets männlich war, wird immer seltener. Zusätzlich kommen im Osten noch Ungerechtigkeiten bei der Rentenüberleitung sowie die nicht vollendete soziale Einheit hinzu. II. Was kann und was sollte also getan werden? Unter dem Strich ist der Kurs im Alterssicherungssystem der Bundesrepublik dringend reformbedürftig. Dabei muss man sich darüber klar sein, dass die Fehlentwicklungen in der Arbeitswelt vor allem dort korrigiert werden müssen, weil sie eben nicht bzw. nur teilweise erst im Rentensystem also im Nachhinein repariert werden können. 1 Vgl. Altersvorsorge in Deutschland 2005, DRV/BMAS 2007

4 Das heißt z. B. die sozial-versicherungsfreien Minijobs zurückzudrängen, über Mindestlöhne Armut trotz Arbeit zu verhindern, gerechte Entlohnung für Frauen durchzusetzen. Das heißt vor allem mehr Menschen zu ermöglichen, von eigener Arbeit vernünftig leben und Ansprüche für finanzielle Sicherheit im Alter verdienen zu können. Und wenn das im ersten Arbeitsmarkt nicht geht, dann müssen in einem ehrlichen zweiten Arbeitsmarkt Möglichkeiten geschaffen werden, damit Menschen versicherungspflichtig und sinnerfüllt tätig sein können. Gerade für Ältere brauchen wir akzeptable Brücken in die Rente statt perspektivlose Ein-Euro-Jobs. Die Volkssolidarität setzt sich dafür ein, dass die gesetzliche Rente auch in Zukunft die Hauptsäule der Alterssicherung bleibt und nicht zunehmend durch private Vorsorge ersetzt wird. Wir sind nicht gegen private Vorsorge aber bitte als zusätzliche Sicherung und nicht als Ersatz für die gesetzliche Rente. Was ist der Kern bei den Rentenpolitischen Leitlinien der Volkssolidarität? Erstens Wir wollen die Gesetzliche Rentenversicherung so fortentwickeln, dass sie Lebensstandardsicherung gewährleistet und Altersarmut möglichst weitgehend verhindert. Lebensstandardsicherung in und durch die gesetzliche Rentenversicherung heißt für uns, eine weitere Privatisierung der Altersvorsorge zu verhindern, die Tendenzen zur Absenkung des Leistungsniveaus fördert und damit Altersarmut begünstigt. Lebensstandardsicherung in und durch die gesetzliche Rentenversicherung heißt für uns, wieder ein klares Leistungsziel zu definieren. Wir wollen eine Rentenleistung deutlich oberhalb der Grundsicherung im Alter. Für die Zukunft darf das Sicherungsniveau nicht unter 53 Prozent vor Steuern liegen. (Das entspricht etwa dem Stand des Jahres 2000.) Lebensstandardsicherung heißt für uns, soziale Ausgleiche auszubauen, die den Veränderungen in der Arbeitswelt und Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit gerecht werden. Sie müssen durch die Sicherung der paritätischen Finanzierung und mehr Solidarität finanzierbar gemacht werden. Zweitens Die Volkssolidarität setzt sich dafür ein, einen verlässlichen Rahmen für die Leistungen aus der gesetzlichen Rente zu sichern. Sie wendet sich dagegen, den mit der Riester-Reform eingeschlagenen Weg fortzusetzen, das Leistungsziel der gesetzlichen Rentenversicherung zur Disposition zu stellen und der Bestimmung von Obergrenzen für die Beitragsstabilität oberste

5 Priorität einzuräumen. Dieser Weg vergrößert Unsicherheiten und erweist sich als Irrweg für jene, die sich private Vorsorge nicht leisten können. Ein Durchschnittsverdiener muss die Sicherheit haben, dass er nach seinem Arbeitsleben mit einer Rentenleistung deutlich oberhalb der Grundsicherung in den Ruhestand gehen kann. Drittens Die Volkssolidarität befürwortet die Überprüfung der Kürzungs- bzw. Dämpfungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel mit dem Ziel, diese Faktoren zu streichen und die Lohnbezogenheit der Rentenanpassungen wieder herzustellen. Damit soll gesichert werden, dass die Renten tatsächlich wieder entsprechend den Löhnen steigen können. Als erster Schritt ist der Riester-Faktor zu streichen, der die Rentenanpassung für alle Rentenbezieher absenkt, obwohl die Mehrheit der Beschäftigten sich nicht an dieser Form der privaten Altersvorsorge beteiligt. Viertens Die Volkssolidarität setzt sich dafür ein, die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung fortzuentwickeln. Die Fortentwicklung zu einer Erwerbstätigenversicherung unter Einschluss weiterer Bevölkerungsgruppen nicht versicherte Selbständige, Freiberufler, Beamte muss die bisher enge Basis solidarisch erweitern und auch diejenigen einschließen, die nur über einen geringen oder gar keinen Schutz für das Alter verfügen. Vorschläge für die Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung haben der Sozialverband Deutschland (SoVD), der DGB und die Volkssolidarität im Januar 2007 gemeinsam vorgelegt. Dies sind die wichtigsten Zielstellungen der Volkssolidarität für eine Reformierung des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung (mittelfristig). IV. Im Folgenden möchte ich weitere Schritte bzw. Maßnahmen nennen, die aus unserer Sicht ebenfalls notwendig sind: 1. Die Volkssolidarität setzt sich dafür ein, insbesondere für Niedrigverdiener Elemente einer Mindestsicherung auszubauen und damit Altersarmut entgegenzuwirken.

6 Anknüpfend an die existierende Regelung im SGB VI 262 (Rente nach Mindesteinkommen) sollte eine Hochwertung niedriger Einkünfte und die Einführung flexibler Anwartschaften geprüft werden. 2. Die Volkssolidarität fordert, wieder höhere Beiträge für die Bezieher von Arbeitslosengeld II abzuführen und damit Altersarmut von Langzeitarbeitslosen einzudämmen. Die mehrfachen Absenkungen bei den Beitragsabführungen für Arbeitslose zur Rentenversicherung haben nicht nur in der Rentenversicherung finanzielle Ausfälle in Höhe mehrerer Milliarden Euro verursacht, sondern auch die Rentenansprüche der betroffenen Langzeitarbeitslosen auf ein absolutes Minimum reduziert. Diese Kürzungen müssen rückgängig gemacht werden, weil sie den Schutz vor Altersarmut spürbar aushöhlen. 3. Die Volkssolidarität setzt sich dafür ein, die Höhe der Rentenabschläge zu reduzieren, weil für einen vorzeitigen Renteneintritt zunehmend arbeitsmarktpolitische bzw. gesundheitliche Gründe ausschlaggebend sind. Der Anstieg des Anteils von Neu-Rentnern mit lebenslangen Rentenabschlägen verdeutlicht, dass diese Entwicklung in hohem Maße auf Arbeitslosigkeit (erzwungenen Vorruhestand) und weniger auf freiwilligen Entscheidungen beruht. Angesichts der Auswirkungen auf das Niveau der Alterseinkünfte bei generell sinkendem Rentenniveau ist eine Reduzierung der Abschlagshöhe von heute 0,3 Prozent pro Monat früherer Rentenzugang erforderlich. 4. Die Volkssolidarität spricht sich dafür aus, durch einen Inflationsschutz in der Rentenformel den Realwert der Bestandsrenten zu sichern. In den Jahren, in denen die Preissteigerung das Wachstum der Löhne übertrifft, muss zumindest gesichert werden, dass die Rentenanpassungen nicht unterhalb der Lohnentwicklung bleiben. Sind dagegen die Löhne höher als die Preissteigerungsrate, so müssen die Renten zumindest in Höhe der Preissteigerungsrate angepasst werden. 5. Die Volkssolidarität setzt sich für einen besseren Schutz bei Erwerbsminderung ein und unterstützt die Forderung, die Kürzung der Erwerbsminderungsrenten durch einen Abschlag von 10,8 Prozent aufzuheben. Zugleich sollten Maßnahmen für einen

7 erleichterten Zugang in die Erwerbsminderungsrente geprüft und auf den Weg gebracht werden. 6. Die Volkssolidarität lehnt die Rente mit 67 ab, solange sich die Arbeitsmarktsituation und die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen für ältere Arbeitnehmer nicht grundlegend verbessern. In den neuen Ländern lehnten 2008 rund 80 Prozent der 18- bis 65-Jährigen die Rente mit 67 ab. 7. Die Volkssolidarität spricht sich dafür aus, die Pflege von Angehörigen in der Rente aufzuwerten und die Erziehung von vor 1992 geborenen Kindern besser zu würdigen. Im Vergleich zur Kindererziehung von nach 1991 geborenen Kindern werden Pflegezeiten unterbewertet. Deshalb sollte die Pflegezeit generell höher bewertet werden. Die Zuerkennung von drei Entgeltpunkten für die Erziehung eines nach dem 31.12.1991 geborenen Kindes war ein wichtiger und richtiger sozialpolitischer Schritt. Zugleich sind aber Frauen mit vor 1992 geborenen Kindern benachteiligt. Im Interesse dieser Frauen sollte als erster Schritt eine Aufwertung um einen weiteren Entgeltpunkt pro Kind erfolgen. 8. Wir sind für eine grundlegende Korrekturen bei der staatlichen Förderung von betrieblicher und privater Altersvorsorge. Die heutige staatliche Förderung geht in hohem Maße zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Rentner. Privilegiert werden vor allem gut Verdienende, die neben den Zulagen zusätzliche Steuerspareffekte in Anspruch nehmen können. Wenn die betriebliche Altersvorsorge wirksam zur Verbesserung der Einkommenssituation im Alter beitragen soll, müssen für Arbeitnehmer in kleinen und mittleren Unternehmen bessere Möglichkeiten eröffnet werden, insbesondere in den neuen Ländern mit der überwiegend durch solche Unternehmen geprägten Wirtschaftsstruktur. Ist das alles finanzierbar? Eine Frage, die seltsam anmuten mag angesichts der Milliardenbeträge, die für die Stützung des Bankensystems scheinbar aus dem Hut gezaubert wurden. Dennoch ist sie berechtigt. In den Rentenpolitischen Leitlinien weist die Volkssolidarität auf einige Punkte hin: - Die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung könnte mittelfristig bis zu 1,4 Beitragssatzpunkte bringen - Der Bund muss für Arbeitslose (ALG II) wieder höhere Beiträge abführen.

8 - Zu prüfen wären die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und höhere Steuerzuschüsse für die Verbesserung der sozialen Ausgleiche - Die Einführung von Mindestlöhnen und die Aufhebung der Versicherungsfreiheit für Minijobs würden Beitragseinnahmen erhöhen. V. Abschließend einige Bemerkungen zur Problematik der Ost -Renten. Die Volkssolidarität setzt sich seit Jahren konsequent für eine gerechte politische Lösung zur Angleichung des Rentenwerts Ost ein. Es geht darum, dass gleiche Lebensarbeitsleistungen in Ost und West in der Rente gleich anerkannt und gleich bewertet werden. Wir haben nie eine sofortige Angleichung gefordert. Aber wir verstehen, dass viele Rentnerinnen und Rentner ungeduldig sind, weil die Regierungspolitik offenbar meint, die Probleme aussitzen zu können. Der 2006 von ver.di unterbreitete Vorschlag für Angleichungszuschläge im Stufenmodell hat die volle Unterstützung der Volkssolidarität. Inzwischen gibt es ein breites Bündnis mit weiteren Einzelgewerkschaften im DGB (GEW, Transnet, GdP) und Sozialverbänden zur Unterstützung dieser Initiative. Und inzwischen gibt es in allen Parteien und Bundestagsfraktionen Bewegung. Die LINKE, FDP und Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben Anträge im Bundestag gestellt. Frau Merkel hat sich geäußert. Im Bundesrat gibt es einen Antrag der neuen Länder und in Mecklenburg-Vorpommern einen Ministerpräsidenten, der zu diesem Thema eine Reihe konstruktiver Gedanken geäußert hat. Bewegung heißt aber noch lange nicht, dass die Regierungspolitik in Berlin den legitimen Interessen der Menschen in den neuen Ländern entgegenkommen will. Es gibt ernsthafte Hinweise dafür, dass man nach einer Regelung sucht, um zwar das Rentenrecht einheitlich für Ost und West auszugestalten. Dabei soll aber der Rückstand beim Rentenwert Ost 12,1 Prozent bzw. beim Eckrentner Ost brutto monatlich 145 Euro Verlust gegenüber dem Eckrentner West dieser Rückstand soll durch eine Umrechnung faktisch eingefroren, also nicht beseitigt werden. Wir wollen aber nicht nur eine formalrechtliche Vereinheitlichung des Rentenrechts, sondern eine Beseitigung der damit heute verbundenen materiellen Benachteiligung für die fast 4 Millionen Rentnerinnen und Rentner in den neuen Ländern. Und wir wollen, dass die Hochwertung der Verdienste der 5,2 Millionen Beschäftigten Ost für die Ermittlung der Rentenanwartschaften nicht mit einem Federstrich zu einem bestimmten Stichtag gestrichen wird. Solange die Einkommen in den neuen Ländern deutlich unter denen in den alten Ländern liegen, d. h. um mehr als 20

9 Prozent, solange muss die Hochwertung der Verdienste dem Grunde nach beibehalten werden. Und schließlich wollen wir eine steuerfinanzierte Lösung, damit nicht die Rentenversicherten in den alten Ländern für die Kosten der deutschen Einheit aufkommen müssen. Nach über 18 Jahren deutscher Einheit reicht es nicht aus, über die Vollendung der sozialen Einheit zu reden. Wir wollen endlich Taten sehen!