Best-Practice-Studie: Auszug samedi GmbH Best-Practice-Studie Intelligente Netze Beispielhafte IKT-Projekte in den Bereichen Bildung, Energie, Gesundheit, Verkehr und Verwaltung Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Berlin, Dezember 2013
A. Kurzzusammenfassung 1. Zielsetzung der Studie Die vorliegende Studie hat zum Ziel, beispielhafte Anwendungsfälle Intelligenter Netze (Best Practices) vorzustellen und zu analysieren sowie bestehende Herausforderungen und Handlungsbedarfe zu identifizieren. Daraus leiten sich Handlungsempfehlungen für die politische Strategieentwicklung sowie praktisch orientierte Empfehlungen an Projekte und Projektentwickler ab. Die Studie wurde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) beauftragt und soll Impulse für die Erarbeitung einer Nationalen Strategie Intelligente Netze durch die Bundesregierung liefern. 2. Intelligente Netze: Einordnung und Definition Der Begriff "Intelligentes Netz" bezieht sich auf den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zur systematischen Vernetzung der Einzelkomponenten gesellschaftlicher Basisinfrastrukturen wie zum Beispiel dem Energiesystem. Zielsetzung ist es, vormals isolierte Komponenten, im Energiebereich beispielsweise dezentrale Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen sowie Netzkomponenten, miteinander zu verknüpfen, aufeinander abzustimmen und intelligent zu steuern. Intelligente Netze sollen dazu beitragen, die Effizienz, Flexibilität und Leistungsfähigkeit bestehender Infrastrukturen zu erhöhen, und zudem neue Anwendungsmöglichkeiten schaffen. Die Arbeitsgruppe 2 des Nationalen IT-Gipfels hat folgende Definition für Intelligente Netze entwickelt: "Als intelligente Netze werden Lösungen bezeichnet, die netzbasiert eine Regelung oder Koordination unterschiedlichster technischer Geräte ermöglichen. Dies geschieht zumeist kontextbezogen und über einen automatisierten Austausch von Daten. Ziel ist es, komplexe Prozesse besser zu managen, die Effizienz zu steigern, Verbrauch und Erzeugung miteinander zu koppeln und damit Ressourcen zu schonen sowie weitere, neue vernetzte Anwendungen zu ermöglichen." 1 Der Strategieansatz der Bundesregierung geht über diese Zielsetzung hinaus. Angestrebt wird die umfassende und systematische Nutzung von IKT-Potenzialen in zentralen Anwendungsfeldern. 1 Arbeitsgruppe 2 des Nationalen IT-Gipfels (2013): Jahrbuch 2012/2013. 5
5.5 samedi Intelligente Vernetzung aller Akteure im Gesundheitswesen I. Projektbeschreibung Die Online-Dienste von samedi vernetzen Patienten, Arztpraxen, Kliniken, OP- Zentren und Krankenkassen mit dem Ziel, den Dienstleistungsprozess im Gesundheitswesen zu optimieren. Das intelligente, cloudbasierte System integriert und koordiniert die Handlungsschritte der einzelnen Akteure, beschleunigt und vereinfacht Verwaltungsabläufe und ermöglicht den effizienteren Einsatz von Ressourcen. Damit geht der Ansatz weit über die reine Dokumentenübermittlung und Abrechnungsunterstützung hinaus. Die Nutzer der samedi-dienste profitieren von mehr Komfort und Servicequalität, reduziertem Verwaltungsaufwand und besserer Versorgungsleistung. Des Weiteren fördert das System durch die Vernetzung neue Kooperationsmodelle im Bereich der medizinischen Versorgung. Vereinfachte Verwaltungsabläufe und effizienterer Einsatz von Ressourcen Der Zugriff auf die samedi-dienste erfolgt über ein Online-Portal für registrierte Benutzer. Hier können Patienten ihren Arztbesuch zu jeder Zeit und von jedem Ort aus schnell und komfortabel selbst organisieren. Das System unterstützt sie von der Arztsuche bis hin zur Terminvereinbarung. Außerdem haben sie die Möglichkeit, den Behandlungsablauf und ihre persönlichen Gesundheitsdaten im kostenlosen Benutzerkonto einzusehen und zu verwalten. Gebuchte Termine laufen im Terminkalender der Arztpraxis zusammen, wo sie vom System nahtlos und intelligent, entsprechend dem Ressourcenbedarf für die jeweilige Behandlung, über den Tag verteilt werden. Auf Wunsch werden automatische Nachrichten per E-Mail oder SMS an die Patienten verschickt. Das können Terminerinnerungen sein, aber auch Anamnesebögen oder individualisierte Informationen, anhand derer sich Patienten vorab informieren und auf ihren Termin vorbereiten können. Auch Abrechnungen und Überweisungen lassen sich direkt aus dem System heraus organisieren. Um eine Überweisung zu tätigen, wählt der zuweisende Arzt den geeigneten Kollegen oder die gewünschte Klinik aus der samedi-datenbank aus und vereinbart per Mausklick einen Termin. Das System ermöglicht den sicheren Austausch behandlungsrelevanter Informationen, sodass die Betreuung des Patienten fachlich optimal koordiniert werden kann. Kliniken werden von samedi-diensten bei der Ressourcenplanung unterstützt. Ein spezielles OP-Management-Tool sorgt für die überschneidungsfreie Terminierung 118
von Operationen und die Anbindung externer Partner wie Belegärzte oder ambulante Operateure. Für Krankenkassen bietet das System die Möglichkeit zur direkten Abrechnung mit den Ärzten. II. Projekthistorie und Ausblick Die samedi GmbH wurde 2008 von den heutigen Geschäftsführern gegründet. Die Markteinführung der Online-Lösung erfolgte im selben Jahr. Stand heute ist die Anwendung technologisch ausgereift und das Unternehmen wirtschaftet profitabel. Geplant ist die Weiterentwicklung der Dienste für Arztpraxen, zudem soll die Vernetzung und Integration der Akteure im Gesundheitssektor vorangetrieben werden. Dies gilt vor allem für die Bereiche Terminbuchung und -koordination, Online-Dokumentation sowie Online-Abrechnung. Kurzfristig strebt das Unternehmen die Internationalisierung seines Angebots an. Das Patientenkonto ist bereits in zwölf und die Software in fünf Sprachen verfügbar. Erste Kundenbeziehungen im Ausland existieren seit 2013. III. Technologie des Netzes Netz-Infrastruktur: Die Kommunikation im Netzwerk erfolgt über herkömmliche Internetverbindungen, wobei eine Bandbreite von 1Mbit/s erforderlich ist. Für die mobile Anwendung ist eine konstante Verbindung mit EDGE-Kapazität ausreichend, da das Volumen der übertragenen Datenpakete gering ist. Die besonders hohen Datenschutzanforderungen im Gesundheitssektor wurden bereits bei der Entwicklung des Systems berücksichtigt und die Verschlüsselungsarchitektur europaweit zum Patent angemeldet. Die Datenpakete 119
werden lokal beim Kunden verschlüsselt, sodass sich keine personenbezogenen Daten auf dem Server befinden und damit eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht ausgeschlossen ist. Die Sicherheit bei der browserbasierten Datenübertragung ist durch SSL-Verschlüsselung gewährleistet und der Zugang zum System wird durch Software-Zertifikate auf die lokalen Arbeitsplätze in den Praxen und Kliniken eingeschränkt. Im Jahr 2012 wurde das System von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zertifiziert. Hardware: samedi ist eine reine Online-Anwendung, ihre Nutzer können über herkömmliche IT-Arbeitsplätze oder über mobile Endgeräte darauf zugreifen. Die samedi GmbH stellt dem Netzwerk das erforderliche zentrale Serversystem zur Verfügung. Software: Die Kompatibilität des Dienstes mit allen Praxisverwaltungssystemen wird über standardisierte Schnittstellen hergestellt. Dabei greift die speziell programmierte Software über ein Java-Plugin direkt auf die bestehende Verwaltungssoftware zu. Hierfür wurden spezielle Schnittstellen entwickelt (zum Beispiel ein HL7-Gateway für Kliniken oder ein Reporting Client per XML/CSV für SAP-Systeme), um die Datenkonsistenz zu gewährleisten. Als cloudbasierte Anwendung wird samedi direkt aus dem Browser heraus aufgerufen (Software as a Service). Die dynamische Nutzeroberfläche des Systems ist somit sehr schnell verfügbar. Eine lokale Speicherung von Software oder Daten ist nicht erforderlich, sämtliche Daten werden ausschließlich in der Cloud prozessiert. Neben der browserbasierten Anwendung werden iphone-apps für Patienten und Ärzte angeboten. Diese umfassen Funktionen wie Arztsuche und Terminvereinbarung sowie Praxis- und Einsatzplanung. IV. Investitionsstruktur und Finanzierungsmodell Seit der Unternehmensgründung im Jahr 2008 wurde Investitionskapital aus Mitteln privater Gesellschafter gesammelt. Eine öffentliche Bezuschussung gab es bislang nicht. Die privaten Investitionsmittel wurden durch die Gründer und weitere Gesellschafter aufgebracht. Mittlerweile werden die Investitionen aus den eigenen Umsätzen finanziert. Mittelfristig besteht weiterer Investitionsbedarf, vor allem für die Vertriebsaktivitäten des Unternehmens. V. Geschäftsmodell und Wirtschaftlichkeit der Anwendung Zielgruppe des Online-Dienstes sind Patienten, Kostenträger sowie Leistungserbringer in allen Sektoren des Gesundheitsmarkts. Bisher umfasst die Kundschaft zu rund 80 Prozent niedergelassene Ärzte im Bundesgebiet. Derzeit nutzen circa 7.500 Leistungserbringer mit insgesamt rund 4 Mio. Patienten das System. Bis zum Jahr 2015 wird die Anbindung von 12.000 Leistungserbringern angestrebt, darunter vermehrt auch Maximalversorger und Universitätskliniken. Die Finanzierung des Systems erfolgt werbefrei durch gebührenpflichtige, monatliche 120
Abonnements der Kunden. Dies macht samedi zu einem vollständig privat finanzierten Anbieter für technologische Dienstleistungen. Die Nutzungsgebühr hängt vom Leistungsumfang des gebuchten Anwendungspakets ab. In den letzten vier Jahren wurde ein Gesamtportfolio von 26 Diensten entwickelt, darunter beispielsweise Ressourcenplanungstools für OP-Säle, Formulardokumentation für Ärztenetze und ein Kundenkontaktsystem (Customer Relationship Management CRM). Diese Leistungen werden für die unterschiedlichen Anwendergruppen zu entsprechenden Paketen kombiniert. Das Spektrum reicht von einem Basisangebot mit Kalender und Buchungssystem zum Preis von 9,90 Euro je Arzt/Behandelnden pro Monat bis zu einem Komplettpaket für Krankenhäuser oder größeren Ärztenetze ab einer monatlichen Gebühr von 990 Euro. Für Krankenkassen gibt es ebenfalls Preis- und Servicepakete, beispielsweise in den Bereichen Marketing, Case Management und Online-Abrechnung. Für Patienten fallen keine Kosten an. Das Startup-Unternehmen hat eine eigenständige Wirtschaftlichkeit bereits erreicht, arbeitet profitabel und finanziert seine Investitionen selbst. VI. Hemmende Faktoren im Projektverlauf Im Verlauf des Projekts wurden vor allem Hemmnisse struktureller Art identifiziert. Die Vernetzung der zahlreichen Akteure gestaltet sich äußerst komplex, was an der Vielfalt der Interessen sowie an Schnittstellen und Datenbanken liegt, die es zu integrieren gilt. Das Versorgungsstrukturgesetz ist aus Sicht des Unternehmens in diesem Zusammenhang ein guter Ansatz in die richtige Richtung. Eine Verordnung, die zur offenen und möglichst kostenfreien Zusammenarbeit bezüglich technischer Standards verpflichtet, würde den Ausbau intelligenter Gesundheitsnetze unter diesem Gesichtspunkt erheblich erleichtern. Die Implementierung der Online-Dienste von samedi setzt voraus, dass die Versorgungsabläufe in den Praxen und Kliniken bereits im "Offlinebetrieb" in klare Prozesse gegliedert und auf Basis einheitlicher organisatorischer Standards verknüpft sind; dies ist jedoch häufig nicht der Fall. Aus Sicht des Unternehmens mangelt es im Bereich E-Health bislang an Bewusstsein für die Potenziale von Online-Diensten wie die von samedi. Öffentliche Institutionen, so der Vorschlag des Unternehmens, sollten Foren, Weiterbildungen und Förderinstrumente deshalb in der Form gestalten, dass die Anwender bei der Produktauswahl frei entscheiden und auch Startups an den Förderprogrammen partizipieren können. Das deutschlandweite Förderprojekt ArztterminOnline mit der Techniker Krankenkasse sei ebenfalls ein Anfang, Bewusstsein und Öffnung für E- Health und Online-Dienste zu schaffen. 121
VII. Ergebnisse aus dem Projektverlauf Die Online-Dienste von samedi werden im Markt positiv aufgenommen und weisen hohe Nutzerzahlen auf. Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Zum einen erfordert das System keinerlei Investition in Software oder Hardware, Anwender können bestehende Verwaltungs- und Informationssysteme weiter nutzen. Zum anderen lag der Fokus in der Produktentwicklung von Anfang an darauf, dass das System praktisch anwendbar und leicht zu bedienen ist. Unterstützt durch entsprechende Forschung und Feldtests entstanden Bottom-up-Prozesse, die in einfachen Schritten implementiert werden können. Nicht zuletzt führt die leistungsstarke Software-as-a-Service-Technologie bei den Anwendern nachweislich zu einer Reduktion von Betriebs- und Wartungsaufwänden. Um ihre Marktposition auszubauen, setzt die samedi GmbH auf eine Erweiterung des Dienstangebots, auf die Erhöhung der Nutzerzahl und die Internationalisierung des Portfolios. Eine Replikation des Dienstleistungsangebots bei einer Vielzahl von Anwendern ist aus technologischer Sicht problemlos möglich. 122
Impressum Best-Practice-Studie Intelligente Netze Beispielhafte IKT-Projekte in den Bereichen Bildung, Energie, Gesundheit, Verkehr und Verwaltung Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie Gesamtverantwortung: Projektmanagement: Bearbeitung: Redaktion: Ina Wietheger, Torsten Koss Thilo Zelt Christopher Schmitt Maike Kleihauer Roland Berger Strategy Consultants GmbH Am Sandtorkai 41 20457 Hamburg 225