Eltern von Leselernern Informiertheit, Förderung, Konflikte A. Schabmann & B. M. Schmidt Universität Wien
Ausgangslage LRS werden häufig spät erkannt, weswegen Kinder entsprechend spät in Hilfe erhalten (LIT) Mögliche Gründe: Geringe Akkuratheit von Lehrerurteilen (geringe prognostische Validität ) z.b. Schrader & Helmke (1990); Spinath (2005); Schabmann & Schmidt (2009); Schmidt & Schabmann (2010) Geringe prognostische Validität früher (Screening)Verfahren z.b. Marx & Weber (2006), Schabmann et al. (2009), Geringer Kenntnisstand der Eltern über die Leistungen ihrer Kinder z.b. Jansen & Streit (1992), Gasteiger-Klicpera, Klicpera & Schabmann (2001)
Kenntnisstand der Eltern - Literatur Elternurteile sind subjektiv und implizit, entstehen informell und beiläufig z.b. Schrader & Helmke (2006) diagnostische Kompetenzen im kognitiven Bereich recht gut, jedoch Tendenz zur Überschätzung; erhebliche Streuung z.b. Schrader (2006) Lernstörungen werden von Eltern spät oder gar nicht bemerkt z.b. Jansen & Streit (1992); Lauth & Mackowiak (2006) LRS: Eltern fällt es schwer LRS in unteren Klassenstufen zu erkennen. Kontinuierlicher anstieg der Akkuratheit von Einschätzungen ab dem Ende der ersten Klasse. Bei isolierten Schwierigkeiten werden Probleme noch viel später oder gar nicht erkannt z.b. Gasteiger-Klicpera et al. (2001); Klicpera, Schabmann & Gasteiger-Klicpera (2006)
Querschnittuntersuchung von Gasteiger-Klicpera et al. (2001) Einschätzungen von Eltern leseschwacher Kinder 120 100 13 10 9 13 12 80 23 25 31 33 38 große Probleme 60 40 23 29 35 34 29 mittlere Probleme leichte Probleme keine Probleme 20 41 36 25 20 21 0 Dez. 1. Klasse Jun. 1. Klasse 2. Klasse 3. Klasse 4. Klasse
Fragestellungen Wie akkurat schätzen Eltern die Leseleistungen ihrer Kinder ein, speziell bei Kindern mit LRS? Wie kommen diese Einschätzungen zustande? Lehrereinschätzungen objektive Leistungen Hausaufgabensituation Verhaltensauffälligkeiten für Lehrereinschätzungen Befunde zu Aggressivität, Hyperaktivität, oppositionelles Verhalten und Ängstlichkeit/Rückzug Schabmann & Schmidt ( 2009) Wie wirkt sich die mögliche Wahrnehmung von Schwierigkeiten auf die Inanspruchnahme professioneller Hilfe und die weitere Entwicklung im Lesen aus?
Stichprobe und Instrumente Stichprobe N=293 Kinder (54.6% Buben) aus Volksschulen in Niederösterreich (2 aufeinanderfolgende Kohorten) Instrumente Lesetests Dez. 1. Klasse, Juni 1., 2. und 4. Klasse Befragungen der Eltern und Lehrer zu diesen Zeitpunkten Einschätzung der Lesefähigkeit Prognose der künftigen Leistungen Verhaltensauffälligkeiten Förderung im Elternhaus Hausaufgabensituation professionelle Hilfen
Akkuratheit von Einschätzungen
Einschätzungen der Eltern bei Kindern mit unterschiedlichem Leistungsstand 80 70 69,1 60 50 40 30 viel leichter leichter gleich schwerer 20 19,4 10 5,4 6,1 0 gesamt
Einschätzungen der Eltern bei Kindern mit unterschiedlichem Leistungsstand Elterneinschätzungen 120,0 100,0 95,8 80,0 81,6 60,0 schwerer gleich oder leichter 40,0 20,0 18,4 0,0 schwache Leser 4,2 durchschnittliche/gute Leser
Einschätzungen der Lehrer bei Kindern mit unterschiedlichem Leistungsstand Lehrereinschätzungen 100,0 90,0 87,0 80,0 70,0 67,6 60,0 50,0 40,0 30,0 32,4 schwach durchschnittlich/gut 20,0 10,0 0,0 schwache Leser 13,0 durchschnittliche/gute Leser
Vergleich der Einschätzungen Eltern und Lehrer Eltern Sensitivität (SE) 18,4 Spezifität (SP) 95,8 RATZ 31,9 Lehrer Sensitivität (SE) 32,4 Spezifität (SP) 87 RATZ 19,9 RATZ > 66% RATZ 34% - 66% RATZ < 34% gute prognostische Validität zufriedenstellend aber eher unspezifisch nicht akzeptabel
Prädiktoren der Einschätzungen
Prädiktoren des Elternurteils (Lehrerurteil) Anteil der Kinder, die von den Eltern als schwache Leser eingeschätzt werden 20,0 18,0 16,0 14,0 12,0 10,0 8,0 18,6 6,0 4,0 2,0 0,0 schwache Leser 3,4 durchschnittliche/gute Leser Lehrereinschätzung
Prädiktoren des Elternurteils (Lehrerurteil x Leistungen) 25 20 20 100 90 80 70 60 50 40 84,3 Ende 1 Ende 2 Ende 4 61,8 30 20 10 0 1,3 17,6 14,7 11,7 2,6 5,9 Eltern - + - + - + - + Lehrer - + - + Test + - + gut /durchschnittlich - schwach korrekt (Typ p <.01) Überschätzung Eltern korrekt gegen Lehrer alle daneben
Hausübungssituation Kind muss ermahnt und gedrängt werden 70,0 60,0 50,0 40,0 30,0 41,7 35,3 35,3 45,3 Elterneinschätzung schwerer Elterneinschätzung gleich oder leichter 20,0 10,0 0,0 17,6 11,8 7,6 3,6 0,0 1,8 gar nicht ein wenig mittel stark sehr stark 70,0 60,0 57,9 50,0 40,0 30,0 26,3 44,6 41,7 Test schwach Test durchschnittlich/gut 20,0 10,0 0,0 8,8 10,3 2,6 2,5 2,6 2,7 gar nicht ein wenig mittel stark sehr stark
Hausübungssituation Kind trödelt oder unterbricht 80,0 70,0 70,3 60,0 50,0 40,0 30,0 35,3 35,3 22,7 29,4 Elterneinschätzung schwerer Elterneinschätzung gleich oder leichter 20,0 10,0 7,0 0,0 in einem Zug durch trödelt unterbricht 80,0 70,0 71,7 60,0 50,0 40,0 39,5 42,1 Test schwach Test durchschnittlich/gut 30,0 20,0 21,5 18,4 10,0 6,8 0,0 in einem Zug durch trödelt unterbricht
Hausübungssituation Skala Macht Hausübungen gerne... Muss ermahnt, gedrängt werden... Trödelt... Zeit für Hausübungen... Kümmert sich eigenständig um Hausübungen... 10 9 8 7 7,6 8,9 8,9 6,8 6 5 4 ungünstige Einschätzung günstige Einschätzung 3 2 1 0 Test (p<.05) Eltern (p<.01)
Einschätzung und internalisierende Störungen und Viktimisierung Anteil der Kinder, die von den Eltern als schwache Leser eingeschätzt werden 70 60 50 57,1 Opfer von Gewalthandlungen werden als schwach eingestuft 40 Viktimisierung 30 25 intern. Auff. 20 13,8 20,8 17,6 10 9,7 0 auffällig unauffällig auffällig unauffällig 2,3 2 schwach durchschnittlich/gut
Einschätzung und internalisierende Störungen OR Modell 1 Modell 2 Modell 3 Modell 4 weitere... Test 4.7 ** 3.7 * 2.7 3.5 * Lehrerurteil 5.0 ** 4.5 * 2.8 4.0 * Hausaufgaben 4.8 ** 5.9 ** 4.4 * Intern. Auffälligkeiten 4.3 * Viktimisierung 8.8 ** Migrationsstatus *) kein Effekt SES *) kein Effekt Ausbildung der Eltern kein Effekt Leseschwierigkeiten Eltern kein Effekt Cox & Snell.07.09.10.13 Nagelkerke.18.25.28.35 *) geringe Varianz aufgrund der Stichprobenzusammensetzung
Längerfristige Entwicklung RATZ 80 70 60 50 40 Eltern Prädiktion Eltern Akkuratheit Lehrer Prädiktion 30 20 10 0 Ende 1. Klasse Ende 2. Klasse Ende 4. Klasse
Längerfristige Entwicklung der Lesefähigkeit Entwicklung der schwachen Leser 60,0 50,0 40,0 30,0 falsch eingeschätzt korrekt eingeschätzt 20,0 10,0 0,0 Ende 1. Klasse Ende 2. Klasse Ende 4. Klasse
Förderung als Reaktion der Eltern? 53,0 52,0 51,0 50,0 49,0 48,0 47,0 46,0 45,0 Bücher vorstellen und empfehlen gemeinsam ein ganzes Buch lesen Bibliothek gehen vorlesen lassen über das Gelesene sprechen 52,1 Bücher schenken 46,3 45,4 50,6 Elterneinschätzung schwerer Elterneinschätzung gleich oder leichter 44,0 schwach durchschnittlich/gut Test Leistungsgruppe (Test): p <.05; h 2 =.02
Art der Förderung Art der Förderung bei Kindern, die professionelle Hilfe erhalten (13,9%) 50 45 46,2 40 35 30 25 20 21,1 22,2 15 10 10,5 5 0 private Nachhilfe schulpsychologischer Dienst LFK sonstige (z.b. Kinesiologie)
Professionelle Förderung nach Ratern Anteil der Kinder, die von Eltern, Lehrern und nach Testung als schwache Leser eingeschätzt werden und Förderung erhalten 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 31,3 10,0 19,5 18,2 5,0 0,0 Eltern Lehrer Test
Professionelle Förderung Eltern? Eltern Lehrer Test Anteil Förderung 75,0% 0% 16,7% 5,9% 33,3% 16,7% 11,5% 13,7% p <.01
Professionelle Förderung? Längerfristige Entwicklung der geförderten und nicht geförderten Kinder 90,0 80,0 70,0 60,0 50,0 40,0 keine Förderung Förderung KG 30,0 20,0 10,0 0,0 Anfang 1. Klasse (% korrekt) Ende 1. Klasse Ende 2. Klasse Ende 4. Klasse Zeit Förderung : p >.05; h 2 <.01
Zusammenfassung und Diskussion Eltern (leseschwacher) Kinder wissen anfangs der ersten Klasse wenig über die Leistungen der Kinder bescheid; erst gegen Ende der 4. Klasse wird die Einschätzung deutlich akkurater Prädiktoren der Einschätzung sind primär wahrgenommene Leistungen der Kinder die Hausaufgabensituation Lehrereinschätzungen, wobei Lehrereinschätzung selbst wenig akkurat sind die genannten Faktoren nur einen geringen Beitrag zur Erklärung der Elterneinschätzungen leisten sachfremde Merkmale der Kinder spielen eine Rolle; anders als bei den Lehrern sind es eher Internalisierende Verhaltensauffälligkeiten, vor allem Viktimisierung Zwar sind Eltern eher bereit, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie Probleme bei ihren Kindern sehen, aber insgesamt ist es offenbar eher Zufall, ob ein Kind diese Hilfen erhält oder nicht. Förderung besteht in erster Linie aus privater Nachhilfe, LFK und weiteren Methoden des Psychomarktes Erfolg fraglich.
Diskussion das Dilemma Lehrer Eltern Kinder Tests Prognose Intervention
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Diskussion das Dilemma Lehrer Eltern Kinder Tests Prognose Intervention Wer erhält sie?
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