Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer



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Transkript:

Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Kinderschutzes (Kinderschutzgesetz) BT-Drucks. 16/12429 v. 25.03.2009 vorgelegt vom Ausschuss Familienrecht und vom BO-Ausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer Mitglieder AS Familienrecht: unin un Ulrike Börger, Bonn, Vorsitzende (Berichterstatterin) Brigitte Hörster, Augsburg Karin Meyer-Götz, Dresden Frauke Reeckmann-Fiedler, Berlin Gabriele Küch, Hannover Sven Fröhlich, Offenbach Jan Christoph Berndt, Halle Dr. Kerstin Niethammer-Jürgens, Potsdam Julia von Seltmann, BK, Berlin Mitglieder BO-Ausschuss: un Dr. Henning Hübner, Bremerhaven Vorsitzender un un Hans-Peter Benckendorff, Frankfurt Jan J. Kramer, Oldenburg Dr. Albert Hägele, Kempten Dr. Dieter Finzel, Hamm Otmar Kury, Hamburg Ulrike Paul, Sindelfingen Dr. Karl-Heinz Göpfert, Düsseldorf Christian Dahns, Bundesrechtsanwaltskammer April 2009 BK-Stellungnahme-Nr. 14/2009 Im Internet unter www.brak.de (Stellungnahmen)

- 2 - Verteiler: Bundesministerium der Justiz Landesjustizminister/Justizsenatoren der Länder Familienminister/Familiensenatoren der Länder Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages Arbeitskreise Recht der Bundestagsfraktionen Rechtsanwaltskammern Bund Deutscher Rechtspfleger e. V. Bundesnotarkammer Deutscher Notarverein Bundessteuerberaterkammer Steuerberaterverband Wirtschaftsprüferkammer Deutscher Anwaltverein Deutscher Juristinnenbund Deutscher Richterbund Patentanwaltskammer Bundesverband der Freien Berufe Deutscher Familiengerichtstag e. V. Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht Redaktionen der NJW, FPR, FamRZ, FuR, FÜR, ZFE

- 3 - Die Bundesrechtsanwaltskammer nimmt die Gelegenheit wahr zur Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Kinderschutzes (Kinderschutzgesetz) und beschränkt sich nachfolgend auf den die Rechtsanwaltschaft besonders tangierenden Bestandteil des Gesetzes, nämlich 2 des Entwurfs mit der dort vorgesehenen Einschränkung der Verschwiegenheitspflicht unter den genannten Voraussetzungen. I. Die Verschwiegenheitspflicht ist Grundpflicht der Anwaltschaft, 43 a Abs. 2 BO, zugleich ihr Recht, 2 Abs. 1 BO, Grundpfeiler anwaltlichen Selbstverständnisses sowie wesentliche Voraussetzung für das Vertrauensverhältnis zu den Mandanten. Der besonderen Bedeutung der berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht trägt 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB Rechnung. Durch diese Vorschrift wird das unbefugte Offenbaren eines fremden Geheimnisses für einen Rechtsanwalt unter Strafe gestellt. Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht, die ein Rechtsanwalt zur Abwendung von Schaden für ein Kind oder einen Jugendlichen für notwendig hielt, bedürfen eines Rechtfertigungsgrundes im Sinne des 34 StGB, worauf die Gesetzesbegründung zutreffend hinweist. Die Bundesrechtsanwaltskammer spricht sich gegen eine darüber hinausgehende Befugnis von Rechtsanwälten zur Offenbarung von Gefährdungen des Kindeswohls aus und plädiert dafür, das Gesetz auf die Heilberufe zu beschränken. Ansonsten wird sich kein Tatverdächtiger/Täter z. B. einer Kindesmisshandlung mehr vertrauensvoll an eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt wenden können, um sich von ihm beraten oder vertreten zu lassen. Er muss schließlich befürchten, dass seine Informationen, die er erteilen muss, um sachgerecht vertreten zu werden, gegen ihn verwendet und den Ermittlungsbehörden offenbart werden. Dem Betroffenen würde damit ein effektiver Rechtsschutz entzogen, seine Vertretung durch die Anwaltschaft käme faktisch nicht in mehr Betracht. Anders als Rechtsanwälte haben Ärzte und Psychotherapeuten häufig objektive Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls, während Rechtsanwälte bei familienrechtlichen Auseinandersetzungen immer nur eine Seite hören und ihr auch Glauben schenken müssen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Vorwurf des Kindesmissbrauchs in der Praxis inzwischen zu einer relativ häufigen Argumentation in Sorge- und Umgangsrechtssachen geworden ist. Es ist deshalb zu befürchten, dass der Vorwurf des Kindesmissbrauchs im Hinblick auf die geplante neue Befugnis zur Offenbarung als In-

- 4 - strument in Sorge- und Umgangsrechtsstreitigkeiten eingesetzt wird, um durch die Information des Jugendamtes den Druck auf den Verfahrensgegner beträchtlich zu erhöhen. Dies gilt um so mehr, als die Jugendämter aufgrund der in der letzten Zeit aufgetretenen Fälle von Kindesmissbrauch und aufgrund des zunehmenden öffentlichen Drucks unverzüglich auf derartige Vorwürfe reagieren und im Sorge- und Umgangsrechtsstreit, in dem sie kraft Gesetzes Stellungnahmen unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls abgeben müssen, eine solche Stellungnahme nicht mehr unbefangen abgeben können. Die durch den Gesetzentwurf angesprochenen Konfliktfälle lassen sich im Einzelfall unter dem Blickwinkel der Nothilfe oder des übergesetzlichen Notstandes auch de lege lata lösen. Einer darüber hinaus gehenden Aufhebung der Strafbarkeit von Schweigepflichtverletzungen bedarf es jedenfalls für die Anwaltschaft nicht. II. Für den Fall, dass es zu einer Differenzierung zwischen Rechtsanwälten und sonstigen Berufsgeheimnisträgern, insbesondere Angehörigen der Heilberufe, nicht kommen sollte, hält die Bundesrechtsanwaltskammer die folgenden Änderungen des Gesetzentwurfs für geboten. Die Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht erfordert es, dass die Voraussetzungen einer Befugnis zu ihrer Verletzung und damit für die Aufhebung der Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des 203 StGB einerseits genau definiert, andererseits auf das absolut Notwendige beschränkt werden. 1. In 2 Abs. 1 des Entwurfs wird angeknüpft an "gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen". Die Absätze 2 und 3, die konkret die Befugnis zur Verletzung der Verschwiegenheitspflicht regeln, knüpfen an Abs. 1 an. Die Formulierung ist zu ungenau und zu weit gefasst. Insbesondere der Begriff des Kindeswohls ist als solcher ein Begriff, unter den das gesamte Recht eines Kindes oder eines Jugendlichen an Gesundheit sowie körperlicher, geistiger und seelischer Entwicklungsförderung gefasst wird (s. 1 Abs. 1 des Entwurfs). Es wird folgende Formulierung empfohlen:

- 5 - "Konkrete Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen, insbesondere Gefahr für Leben und körperliche oder psychische Gesundheit." 2. Die Befugnis zur Verschwiegenheitsverletzung und Weitergabe von Erkenntnissen ist nach der Formulierung in 2 Abs. 3 des Entwurfs von der Feststellung abhängig, dass die Personensorgeberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, eine Gefährdungseinschätzung vorzunehmen oder eine Gefährdung des Wohls oder eines Jugendlichen abzuwenden. Diese Anforderung wird sich häufig, wenn nicht sogar in der Regel, nicht erfüllen lassen. In der Praxis dürften es im Wesentlichen die im Familienrecht tätigen Rechtsanwälte oder Strafverteidiger sein, die im Rahmen ihrer Tätigkeit von einer erheblichen Kindeswohlgefährdung erfahren und vor der Frage stehen, das Jugendamt einzuschalten. Im Familienrecht ist es in der Regel so, dass personensorgeberechtigt beide Elternteile sind, und zwar grundsätzlich unabhängig von Trennung und Ehescheidung bzw. bis zu einer anderweitigen Entscheidung des Gerichts, 1626, 1628, 1629 Abs. 1, 1687, 1671 BGB. Die anwaltliche Vertretung bezieht sich in der Regel nur auf einen Ehegatten. Die Kontaktaufnahme mit dem anderen Ehegatten wird häufig nicht und im Übrigen auch nicht ohne Verstoß gegen das berufsrechtliche Verbot der Umgehung des Gegenanwaltes möglich sein. Auch ein Strafverteidiger wird sich häufig in einer vergleichbaren Situation befinden. Während in Abs. 1 des Entwurfs das Gebot, mit den Personensorgeberechtigten die Situation zu erörtern und, soweit erforderlich, bei ihnen auf die Inanspruchnahme geeigneter Hilfen hinzuwirken, durch den Nachsatz "soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht infrage gestellt wird", angemessen relativiert wird, bezieht sich in Abs. 3 dieser relativierende Halbsatz sprachlich nur auf das Gebot, die Betroffenen vorab darauf hinzuweisen, dass eine Information des Jugendamtes beabsichtigt sei. Wichtiger wäre die Relativierung der Voraussetzungen, unter denen die Unterrichtung des Jugendamtes unter Verletzung der Verschwiegenheitspflicht erfolgen kann.

- 6 - Praktikabler wäre folgende Formulierung: "Ist ein Tätigwerden erforderlich, um eine Gefährdungseinschätzung vorzunehmen oder eine erhebliche Gefährdung des Wohles eines Kindes oder eines Jugendlichen im Sinne von Abs. 1 abzuwenden, sind die in Abs. 1 genannten Personen befugt, dem Jugendamt die gewichtigen Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung mitzuteilen. Sie sollen sich vorher vergewissern, dass die Personensorgeberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, an der Abwendung der Gefahr für das Kindeswohl mitzuwirken, und haben die Betroffenen vorab über die beabsichtigte Weitergabe von Informationen an das Jugendamt hinzuweisen, es sei denn, dass dadurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen infrage gestellt wird." * * *