TEILHABEPLANUNG FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN 2009 VERWIRKLICHUNG SELBSTBESTIMMTER TEILHABE IM LANDKREIS BERNKASTEL-WITTLICH



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Transkript:

TEILHABEPLANUNG FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN 2009 VERWIRKLICHUNG SELBSTBESTIMMTER TEILHABE IM LANDKREIS BERNKASTEL-WITTLICH Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich GB 3 Dr. Pascal Schleder / GB 5 Dr. Ulrike Lenhard FB 31 Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe Edith Maus FB 52 Gesundheit Dr. Günter Beyer Kurfürstenstraße 16 54516 Wittlich März 2010

transfer Unternehmen für soziale Innovation Eva-Maria Büch Thomas Schmitt-Schäfer Layout & Redaktion: Jutta Blatzheim-Roegler Schlossplatz 5 54516 Wittlich mail@transfer-net.de www.transfer-net.de 2

Inhaltsverzeichnis 0 TEILHABEPLANUNG FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN LEICHTE SPRACHE 8 1 TEILHABEPLANUNG FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN 17 1.1 Auftrag des Landkreises und Projektablauf... 18 1.2 Ergebnisse der IST Analyse (Zusammenfassung)... 18 1.2.1 Verständnis von Behinderung... 18 1.2.2 Leistungen und Kosten der Eingliederungshilfe im Landkreis Bernkastel-Wittlich... 19 1.2.3 Prognose zur Fallzahlentwicklung... 20 1.2.4 Feststellung des individuellen Hilfebedarfs... 21 1.2.5 Information und Beratung der Eltern von Kindern mit Behinderungen... 22 1.2.6 Hilfen zum selbstbestimmten Wohnen... 23 1.2.7 Hilfen zu Arbeit und Beschäftigung... 25 1.2.8 Mobilität und Sozialraum... 25 1.2.9 Psychiatrische Versorgung der Einwohnerinnen und Einwohnern aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich... 26 1.3 Zielentwicklung in der Zukunftskonferenz... 27 1.4 Empfehlungen... 29 1.4.1 Weiterentwicklung der ambulanten Versorgungsstruktur.... 30 1.4.2 Einführung eines Fallmanagements in der Kreisverwaltung... 33 1.4.3 Öffentlichkeitsarbeit und Beratung betroffener Bürgerinnen und Bürger... 36 1.4.4 Gestaltung des Sozialraumes... 37 2 MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN IM LANDKREIS BERNKASTEL-WITTLICH 38 2.1 Zusammenfassung... 38 2.2 Der Behinderungsbegriff der ICF... 39 2.3 Der Behinderungsbegriff im SGB... 40 2.4 Allgemeiner und spezifischer Behinderungsbegriff... 43 2.5 Behinderungsbegriff in der UN-Konvention... 45 2.6 Auswertung der Schwerbehindertenstatistik im Landkreis Bernkastel-Wittlich... 46 3

2.7 Behinderungsbegriff in den Arbeitskreisen der Teilhabeplanung Bernkastel-Wittlich... 48 3 LEISTUNGEN DER MEDIZINISCHEN REHABILITATION 50 3.1 Häufigkeit von Maßnahmen medizinischer Rehabilitation... 51 4 LEISTUNGEN ZUR TEILHABE AM ARBEITSLEBEN (BERUFLICHE REHABILITATION) 60 4.1 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Bundesagentur für Arbeit... 60 4.2 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Deutsche Rentenversicherung... 70 5 LEISTUNGEN UND KOSTEN IN DER EINGLIEDERUNGSHILFE IM LANDKREIS BERNKASTEL-WITTLICH 74 5.1 Leistungsberechtigte Personen nach Geschlecht, Alter und Herkunft.. 74 5.2 Leistungen zum selbstbestimmten Wohnen... 77 5.3 Kosten in der Eigliederungshilfe... 78 6 ERMITTLUNG DES INDIVIDUELLEN HILFEBEDARFS UND INDIVIDUELLE TEILHABEPLANUNG 80 6.1 Verwaltungsinterne Prozesse und Strukturen zur Klärung des Bedarfs und notwendiger Leistungen im Einzelfall... 80 6.2 Die Teilhabekonferenzen... 82 6.2.1 Fragestellungen... 83 6.2.2 Methodik und Durchführung... 84 6.3 Auswertung der Teilnehmenden Beobachtung... 85 6.3.1 Beteiligung der leistungsberechtigten Person und evtl. dritter Personen 85 6.3.2 Beteiligung der THK-Teilnehmer... 87 6.3.3 Bedeutung des Individuellen Teilhabeplans... 89 6.3.4 Bedeutung der Ziele... 89 6.3.5 Umfang der Leistungsbewilligung (Quantität und Zeiträume)... 91 6.3.6 Inhaltliche Diskussion... 93 6.4 Auswertung der Teilhabepläne... 94 6.4.1 Zusammenfassung... 94 6.4.2 Fragestellungen... 95 6.4.3 Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich in Wohnheimen der Behindertenhilfe... 95 6.4.4 Basisdaten der ausgewerteten THP... 96 4

6.4.5 Mitwirkung an der Teilhabeplanung... 98 6.4.6 Kriterien einer notwendigen Heimunterbringung... 100 6.4.7 Neuaufnahmen im Jahr 2008... 103 6.4.8 Qualität der Teilhabepläne... 106 7 FRÜHFÖRDERUNG UND SCHULE 108 7.1 Kinder im Vorschulalter mit Förderbedarf... 108 7.2 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf... 111 8 HILFEN ZUR TEILHABE IN ARBEIT UND BESCHÄFTIGUNG 116 8.1 Überbetriebliches Ausbildungszentrum - Wittlich... 116 8.1.1 Personelle Situation... 116 8.1.2 Supervision... 116 8.1.3 Erreichbarkeit des ÜAZ - Wittlich... 116 8.1.4 Aufnahmen und Beendigungen im ÜAZ - Wittlich... 116 8.1.5 Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des ÜAZ - Wittlich... 117 8.2 Integrationsfachdienst... 123 8.3 Integrationsbetriebe... 125 8.4 Werkstätten für behinderte Menschen... 125 8.4.1 Personalstruktur... 125 8.4.2 Supervision... 125 8.4.3 Erreichbarkeit der WfbM... 125 8.4.4 Anzahl der Werkstattbeschäftigten nach Geschlecht... 126 8.4.5 Erst- und Wiederaufnahme in der WfbM... 127 8.4.6 Die Beschäftigten der WfbM.... 127 8.4.7 Vorzeitig beendete Maßnahmen... 133 8.4.8 Regulär beendete Maßnahmen... 134 8.4.9 Teilzeit-Arbeitsplätze... 137 8.5 Tagesstätten... 138 8.5.1 Personalstruktur... 138 8.5.2 Zusatzqualifikation... 139 8.5.3 Supervision... 139 8.5.4 Erreichbarkeit der Tagesstätten... 139 8.5.5 Zuverdienstmöglichkeit... 142 8.5.6 Erst- und Wiederaufnahmen in den Tagesstätten... 142 5

8.5.7 Die Besucher und Besucherinnen der Tagesstätten... 142 8.5.8 Ergebnisse aus den Arbeitskreisen... 153 8.6 Tagesförderstätte Maria Grünewald... 153 8.6.1 Personelle Situation... 154 8.6.2 Angehörigenarbeit... 154 8.6.3 Supervision... 154 8.6.4 Erreichbarkeit der Tagesförderstätte... 154 8.6.5 Aufnahmen und Beendigungen im Jahr 2008... 154 8.6.6 Die Besucher/-innen der TAF... 154 8.7 Ergebnisse aus den Arbeitskreisen Arbeit I und II... 161 8.8 Expertengremium Fachausschuss... 162 8.9 Fazit... 163 9 HÄUSLICHKEITSBEFRAGUNG 165 9.1 Grundsatzziele im Lebensbereich "Wohnen"... 165 9.2 Fragebogen an die Betroffenen... 167 9.3 Fragebogen an die Angehörigen... 174 9.4 Ergänzende Anmerkungen... 179 10 HILFEN ZUM SELBSTBESTIMMTEN WOHNEN 181 10.1 Zusammenfassung... 181 10.2 Stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe im Landkreis Bernkastel-Wittlich... 186 10.2.1 Alter, Räumliche Lage und Struktur stationärer Einrichtungen der Behindertenhilfe im Landkreis Bernkastel-Wittlich... 186 10.2.2 Personelle Situation in den Wohnheimen... 191 10.2.3 Leistungsberechtigte Personen in den Wohnheimen im Landkreis Bernkastel-Wittlich... 198 10.3 Ambulant betreutes Wohnen und persönliches Budget im Landkreis Bernkastel-Wittlich... 218 10.3.1 Personelle Situation im Betreuten Wohnen bzw. Leistungen nach dem persönlichen Budget... 221 10.3.2 Leistungsberechtigte Personen im Betreuten Wohnen bzw. bei Leistungen nach dem persönlichen Budget... 225 10.4 Ergebnisse aus den Arbeitskreisen... 242 10.4.1 AK Wohnen Betroffene... 242 10.4.2 Arbeitskreis Wohnen - Experten... 245 6

11 PFLEGEDÜRFTIGE MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN 248 12 ZUR PSYCHIATRISCHEN VERSORGUNG DER EINWOHNERINNEN UND EINWOHNER IM LANDKREIS BERNKASTEL-WITTLICH 250 12.1 Krankenhausbehandlungen wegen einer seelischen Störung... 250 12.2 Teilstationäre und stationäre Krankenhausbehandlungen für Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich wegen einer psychischen Störung... 251 12.2.1 Aufnahmen in teilstationäre Behandlung... 253 12.2.2 Stationäre Behandlungsmaßnahmen wegen einer psychischen Störung... 253 12.3 Sozialpsychiatrischer Dienst bei der Kreisverwaltung... 260 12.4 Angebote zum selbstbestimmten Wohnen... 266 12.5 Angebote zur Teilhabe am Arbeitsleben... 266 12.6 Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle... 266 13 FUNKTIONSFÄHIGKEIT DES SOZIALRAUMS 269 13.1 Anbindung an den ÖPNV... 269 13.2 Wirtschaftliche Infrastruktur: Einrichtungen des täglichen Bedarfs und Dienstleistungen... 270 13.3 Niedergelassene Ärzte... 276 14 PROGNOSE: ENTWICKLUNG DER ANZAHL LEISTUNGSBERECHTIGTER PERSONEN 278 14.1 Annäherung über die Entwicklung der Gesamtbevölkerung Bernkastel-Wittlich... 278 14.2 Annäherung über die Entwicklung der Schwerbehindertenstatistik und der Fallzahlentwicklung in der Eingliederungshilfe... 280 14.3 Fallzahlentwicklung: Hilfen zur Arbeit... 282 14.4 Fallzahlentwicklung Tagesstrukturierende Hilfen im Alter... 284 14.5 Fallzahlentwicklung: Hilfe beim Wohnen... 286 14.6 Fazit... 287 15 VERZEICHNISSE 289 15.1 Tabellenverzeichnis... 289 15.2 Abbildungsverzeichnis... 297 15.3 Literaturverzeichnis... 298 16 ANHANG - DOKUMENTATION ZUKUNFTSKONFERENZ 302 7

0 TEILHABEPLANUNG FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN LEICHTE SPRACHE Menschen mit einer Behinderung sollen in der Gesellschaft dabei sein können. Sie sollen so leben können, wie sie das gerne möchten. Deswegen gab es im Land-Kreis Bernkastel-Wittlich eine Teilhabe-Planung. Die Firma transfer hat die Teilhabe-Planung durchgeführt. Ganz viele Menschen haben dabei geholfen. Dafür als aller Erstes: VIELEN DANK! Bei der Planung wurde zum Beispiel gefragt: Wie viele Menschen mit Behinderungen gibt es im Land-Kreis? Wo leben sie? Was machen sie tagsüber? Wie geht es ihnen? Was ist gut und was ist nicht so gut?... und noch ganz viel mehr. Um das heraus zu finden, wurde ganz viel gemacht: Es gab viele Arbeits-Kreise und Gespräche. Viele Zahlen wurden ausgewertet. Es gab Frage-Bögen an Menschen mit Behinderungen und ihre Familien. Die Teilhabe-Konferenzen wurden untersucht. 8

Die Wohn-Heime, die Tages-Stätten, die Tages-Förder-Stättewurden befragt. Eine Zukunfts-Konferenz. Dort wurden gemeinsam Ziele für den Land-Kreis entwickelt. die Werkstatt und das Ambulant Betreute Wohnen Und es gibt sehr viele Ergebnisse. Sie zeigen, wie Menschen mit Behinderungen aktuell im Land-Kreis leben und was ihnen wichtig ist. Es waren nicht immer alle Teilnehmer einer Meinung. Deswegen wurde viel diskutiert. Alle Ergebnisse stehen in einem Bericht. Der Bericht ist sehr lang und in schwerer Sprache geschrieben. Deswegen werden hier die wichtigsten Ergebnisse kurz und in leichter Sprache vorgestellt. Wichtiges zum Wohnen Es gibt im Land-Kreis 7 Wohn-Heime. Dort leben 324 Menschen mit Behinderungen. In anderen Land-Kreisenn leben weniger Menschen in einem Wohnheim. Über die Hälfte der Bewohner lebt seit über 10 Jahren in einem Wohn-Heim. Für manche ist das Wohn-Heim das Zu-Hause. Sie wohnen gerne dort. Andere Menschen möchten lieber wo anders leben. Einige Teilnehmer sagten, dass es schwer ist, Wohnungen für Menschen mit Behinde- rungen zu finden. Anderee Teilnehmer sahen das anders. Schwierig ist, dass einigee der Wohnheime nicht im Ort liegen. Ein Bus fährt nur selten oder gar nicht. Schwierig ist auch, dass es in manchen Wohn-Heimen wenig Einzel-Zimmer gibt. Im Land-Kreis Bernkastel-Wittlich gibt es auch das Betreute Wohnen. Betreutes Woh- nen heißt, dass man in seiner eigenen Wohnung lebt. Oder man lebt mit seiner Partnerin oder mit Freunden zusammen. 9

Man bekommt Unterstützung bei Dingen, die schwer fallen. Es gibt im Land-Kreis 4 Dienste, die Unterstützung beim Wohnen anbieten. Sie helfen zum Beispiel beim Putzen, beim Einkaufen oder bei der Freizeit. Oder wenn es mal Streit mit dem Freund oder den Nachbarn gibt. Das waren Ergebnisse aus dem Arbeits-Kreis Wohnen: 1. Viele Menschen mit Behinderungen wohnen so, wie sie das möchten. Sie konnten mit-entscheiden, wie und mit wem sie leben möchten. 2. Andere Menschen mit Behinderungen können das nicht. Sie würden gerne anders wohnen. 3. Alle Teilnehmer waren sich einig: in einer großen Wohn-Gruppe gibt es auch großen Streit. 4. Darin waren sich auch alle einige: Privatsphäre ist wichtig! Außerdem wurde in dem Arbeits-Kreis gefordert: Quelle: AK Wohnen-Betroffene, 06.07.2009 In der UN-Konvention steht drin, welche Rechte Menschen mit Behinderungen haben. Das ist sehr wichtig. Wichtiges zur Arbeit Im Land-Kreis gibt es viele Arbeits-Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen. Mehr als in einigen anderen Land-Kreisen. Es gibt zum Beispiel die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Tatsächlich arbeiten viele Menschen mit Behinderungen in der Werkstatt. Mehr als in anderen Land- Kreisen. 10

Manche Menschen mit seelischen Behinderungen gehen in eine Tages-Stätte. Dort kannn man manchmal ein wenig Geld verdienen. Das ist leider nicht oft möglich. Manche Menschen mit schweren Beeinträchtigungen gehen in die Tages-Förder- soll es mehr Möglichkeiten geben. In Bernkastel-Wittlich besuchen eher wenig Men- Stätte. Auch dort kann man kaum Geld verdienen. Für einige Menschen dauert die Fahrt zur Tages-Förder-Stätte sehr lange. In einem Arbeitskreis wurde gesagt: Für Menschen mit schweren Beeinträchtigungen schen die Tages-Förder-Stätte. Einige Teilnehmer sagten: Das Angebot in der Werkstatt ist sehr gut. Deswegen möchten so viele Menschen dort arbeiten. Die Teilnehmer aus den Arbeits-Kreisen sagen aber auch: Es gibt ganz viele andere Möglichkeiten. Sie sagten: Beziehungen sind wichtig. Man muss die richtigen Leute kennen. Die helfen dann. Die Arbeit-Geber müssten besser informiert werden. Es gibt Unterstützung, wenn sie einen Menschen mit Behinderung einstellen. Dauernd ändert sich etwas, im Bereich Arbeit. Die Teilnehmer sagten: Man muss immer auf dem Laufenden sein. Und: dafür gibt es wenig Möglichkeiten im Land-Kreis gibt. Die Anbieter sollten mehr mit einander reden. Der Land-Kreis soll dabei helfen. 11

Wichtiges zur Tages-Struktur und Frei-Zeit Allen Teilnehmern der Arbeits-Kreise war es wichtig, am Tag etwas zu machen. Erst muss man aufstehen. Dann geht man zur Arbeit oder in die Tages-Stätte. Wichtig sind auch die Mahl-Zeiten. Abends und am Wochenende ist dann Frei-Zeit. Manche schauen gerne Fernsehen. Andere spielen gerne oder gehen spazieren. Bei einem Punkt waren sich alle einig: Es ist schwierig, irgendwo hin zu kommen. Die Wohn-Heime liegen oft außerhalb eines Ortes. Der Bus fährt nicht oft genug, vor allem am Wochenende nicht. Der Fahr-Plan ist nicht gut zu lesen. Es müsste sich einiges ändern. Gut wäre es, wenn Menschen mit Behinderungen mehr in Vereine gehen würden. Einige machen das auch schon. Sie gehen zum Beispiel in den Fussball-Verein oder in den Karate-Verein. Andere Menschen wünschen sich Angebote nur für Menschenn mit Behinderungen. Der Arbeits-Kreis Tages-Struktur sagt: Das brauchen Menschen mit Behinderungen, um mitmachen zu können: Wann und wo findet ein Angebot statt? Welche Bus-Verbindung gibt es? Wie heißt die Halte- stelle? Wer ist mein Ansprechpartner? Ist das Angebot barriere-frei? Fax-Nummer, e-mail,adresse und Telefon-Nummer Die Fax-Nummer und die e-mail Adresse sind wichtig für Menschen, die nicht hören können. 12

Außerdem sollte es bei Angeboten einen Hinweis geben: Menschen mit Einschränkungen willkommen. Dann traut man sich auch, hin zu gehen. Wichtiges zum Individuellen Teil-Habe-Plan (THP) Jeder Mensch mit Behinderungen, der Leistungen der Eingliederungs-Hilfe erhält, hat einen Individuellen Teil-Habe-Plan. Man sagt auch kurz THP dazu. Hier kann jeder sagen, wie er gerne leben möchte. Die Mitarbeiter aus den Wohn-Heimen oder vom Betreuten Wohnen helfen den Menschen mit Behinderungen bei dem THP. Auch denen, die nicht selbst reden können. Es werden gemeinsam Ziele vereinbart. Diese Ziele sind sehr wichtig. So kann der Mensch mit Behinderung mitbestimmen. Dieser Teil-Habe-Plan wird in der Teil-Habe-Konferenz besprochen. In dieser Konferenz nehmen zum Beispiel diese Menschen teil: Mitarbeiter von der Kreis-Verwaltung Mitarbeiter von den Wohn-Heimen und vom ambulant Betreuten Wohnen Der gesetzliche Betreuer Ein Mitarbeiter vom Gesundheits-Amt Die Menschen mit Behinderungen können auch dabei sein. Das ist wichtig, weil man dann selbst sagen kann, was man gut findet. Und man kann sagen, was man nicht so gut findet. Und was man gerne anders hätte. Man kann auch jemanden mitnehmen, der einem helfen soll. Das kann zum Beispiel jemand aus der Familie oder eine Betreuerin sein. Oder eine gute Freundin. Wichtiges für die ärztliche Versorgung Die Teilnehmer der Arbeits-Kreise sagten: Es gibt zu wenige Fach-Ärzte für Menschen mit einer seelischen Behinderung. 13

Die Warte-Zeiten sind oft sehr lang. Auch Therapeuten gibt es zu wenig. Die Sozio-Therapie kann nur von einem Arzt im Land-Kreis verordnet werden. Für Menschen, die zum Beispiel zu viel Alkohol trinken, gibt es eine gute Sucht- Beratung im Landkreis. Wenn man viel zu viel Alkohol getrunken hat, muss man manchmal ins Krankenhaus. Das ist hier im Land-Kreis manchmal nicht so einfach. Das Kranken-Haus möchte das verbessern. Wichtiges aus der Zukunftskonferenz In der Zukunfts-Konferenz haben ganz viele Menschen mitgemacht. Sie haben gesagt, was im Land-Kreis anders werden soll. Dafür wurden Ziele für den Land-Kreis erarbeitet. Die wichtigsten Ziele sind: a) "Jeder wohnt wo, wie und mit wem er will." Einige wichtige Schritte dorthin: Es soll möglich sein, alleine zu wohnen. Oder in Wohn-Gruppen. Jeder soll die Hilfe bekommen, die er braucht. Dort wo er wohnt. Auch Hilfe bei der Pflege. Das heißt z.b. beim Waschen. In den Wohn-Heimen soll es mehr Einzel-Zimmer geben. Man soll in den Wohn-Heimen lernen, alleine zu wohnen. b) Es soll passende Arbeit für alle geben. Es soll normal sein, Kollegen mit Behinderung zu haben. Es soll genug Arbeit geben und es soll mehr Geld für die Arbeit von Menschen mit Behinderungen geben. Einige wichtige Schritte dorthin: 14

Teil-Habe-Planung für den Bereich Arbeit Man muss mehr ausprobieren können. Förderung für Arbeit außerhalb der Werkstatt c) Der THP geht vom Menschen mit Behinderung aus. Einige wichtige Schritte dorthin: Menschen mit Behinderungen sagen selbst ihre Ziele Man soll Ziele z.b. auch malen können, wenn das Schreiben schwierig ist. d) Bei der Frei-Zeit sollen die Angebot offen sein. Einige wichtige Schritte dorthin: Angebote am Wochen-Ende Vereine und andere Veranstaltungen öffnen Extra Angebote für Menschen mit geistiger Behinderung e) Mobilität für alle. Einige wichtige Schritte dorthin: Barriere-freie Busse und Bahnen Bring-Dienste und Einkaufs-Service f) Jeder soll die Informationen bekommen, die er braucht Einige wichtige Schritte dorthin: Barriere-freie Seite im Internet Begleitung bei einer Anfrage Die Beratung kommt nach Hause. Das sind die Empfehlungen Transfer hat der Kreis-Verwaltung Vorschläge gemacht. Damit sollen einige der Ziele erreicht werden. Das sind die wichtigsten Empfehlungen: 15

1. Mehr Menschen mit Behinderungen sollen in der eigenen Wohnung oder in Wohn-Gemeinschaften leben können. Sie kriegen dort die Hilfe, die sie brauchen. Aber: Wenn jemand gerne im Wohn-Heim bleiben möchte, darf er das auch. Niemand muss ausziehen, wenn er das nicht möchte. 2. Die Mitarbeiter der Kreis-Verwaltung sollen mehr an den THP beteiligt sein. Sie sollen den Menschen mit Behinderungen gut zuhören und sie gut beraten. 3. Es soll eine Stelle geben, wo man alle Informationen bekommt. 4. Der Sozial-Raum soll anders werden. Z.B. Barriere-freie Busse. Sozial-Raum ist überall dort, wo Menschen leben. Also eigentlich der ganze Land- Kreis. Transfer hat der Kreis-Verwaltung auch gesagt, wie man das erreichen kann. Das steht im langen Abschluss-Bericht. Die Kreis-Verwaltung kann das nicht alles alleine machen. Viele Menschen müssen daran mitarbeiten. Quelle Grafik: alle inklusive-un-konvention, leichte Sprache 16

1 TEILHABEPLANUNG FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN Im Juni 2001 hat der Gesetzgeber mit Erlass des Sozialgesetzbuches IX die Gewichtungen bei den Hilfen für Menschen mit Behinderungen verschoben. Im Mittelpunkt des gesetzlichen Auftrages an Dienste und Einrichtungen sowie an die öffentlichen Verwaltungen steht nun, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. 1 Nicht länger Schädigungen oder Defizite betroffener Menschen stehen im Vordergrund, sondern deren Möglichkeiten, sich, so wie sie sind, aktiv am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Im Bewusstsein dieser Aufgabe haben die rheinland-pfälzischen Partner der Hilfen für Menschen mit Behinderungen, das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit, die kommunalen Spitzenverbände, die in der Liga der Freien Wohlfahrtsverbände zusammengeschlossenen Träger, Dienste und Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie der Verbände der Betroffenen und Angehörigen im Dezember 2004 eine Zielvereinbarung Wohnen zur Stärkung gemeindenaher Wohn - und Unterstützungsformen für behinderte Menschen in Rheinland-Pfalz" abgeschlossen. Als Aufgabe der Zielvereinbarung wurde festgehalten, dass es vorrangiges Ziel ist, Menschen mit Behinderungen ( ) eine ihren individuellen Wünschen entsprechende Wohnform anbieten zu können, in der auch ihre selbstbestimmte Form der Betreuung sichergestellt ist und die ein Höchstmaß an Privatsphäre ermöglicht. Man kam überein, dass neue Wohn - und Betreuungsformen für Menschen mit Behinderungen erforderlich sind. Um diese Ziele zu erreichen sollte zunächst die Ist-Situation in Bezug auf die Wohn - und Betreuungssituation erhoben sowie vorhandene rechtliche Hindernisse analysiert werden. Im weiteren Fortgang sollten gemeinsame Projekte realisiert und Hilfen individualisiert finanziert und abgesichert werden. Hierbei sollte sichergestellt sein, dass auch Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf einbezogen sind. Bestehende Formen eines Qualitätsmanagements sollten unter Beteiligung der Nutzerinnen und Nutzer weiter entwickelt werden. Die Entwicklung eines differenzierten Wohnangebotes sollte mithilfe eines Controllings abgebildet werden. 1 1, Satz 1 SGB IX 17

1.1 Auftrag des Landkreises und Projektablauf Der Landkreis Bernkastel-Wittlich beauftragte transfer - Unternehmen für soziale Innovation Mitte 2008 mit einer Teilhabeplanung für Menschen mit Behinderungen, die den in der oben zitierten Zielvereinbarung formulierten Anforderungen gerecht werden sollte. Darüber hinaus sollte der Funktionsbereich Arbeit und Beschäftigung ebenso betrachtet werden, wie die Inklusionsfähigkeit des Sozialraumes im Landkreis Bernkastel-Wittlich. Ergänzend waren in der Teilhabeplanung auch Fragen der psychiatrischen Versorgung für Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich zu erörtern. In einer Ende 2008 zu Stande gekommenen Projektvereinbarung wurden die Zielgruppen der Teilhabeplanung, ihr konkretes Anliegen, Inhalt und Umfang der Bedarfserhebung, das Vorgehen bei der Bedarfsermittlung sowie Art und Umfang der Empfehlungen festgelegt. Vereinbart wurden auch die Projektstruktur sowie die strukturierte Beteiligung der im Feld arbeitenden Experten, Mitarbeitenden in den Diensten und Einrichtungen und der leistungsberechtigten Personen. Mit Beginn des Jahres 2009 wurde mit der Bestandserhebung unter breiter Beteiligung begonnen. In einer Auftaktveranstaltung sowie im Rahmen einer Zukunftskonferenz zur Zielentwicklung waren alle betroffenen Akteure einschließlich der Menschen mit Behinderungen eingebunden. Der Planungsprozess wurde von einer Steuerungsgruppe begleitet, in welchem der Beirat für Menschen mit Behinderungen, Vertretungen der Dienste und Einrichtungen sowie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Familie, Frauen, und Gesundheit vertreten waren. Die Steuerungsgruppe tagte viermal. Insgesamt fanden 20 Arbeitskreise, sechs Expertentreffen und fünf Experteninterviews statt. Die Praxis der Teilhabekonferenzen wurde teilnehmend beobachtet. Neben der Auswertung von Daten der Routineberichterstattung (Krankenhausdiagnosestatistik, Sozialhilfestatistik, ) wurden eigene Erhebungen durchgeführt. Unter anderem wurden Werkstattbeschäftigte und Besucherinnen und Besucher der Tagesförderstätte, die in eigener Häuslichkeit allein oder mit ihrer Familie lebten, schriftlich befragt (Häuslichkeitsbefragung). Die zentralen Ergebnisse des Planungsprozesses sowie die sich hieraus ergebenden Empfehlungen wurden Ende Oktober 2009 in der Steuerungsgruppe vorgestellt und diskutiert. 1.2 Ergebnisse der IST Analyse (Zusammenfassung) 1.2.1 Verständnis von Behinderung Eine zukünftig zu bewältigende Aufgabe ist die Kommunikation eines Verständnisses von Behinderung als einer Beeinträchtigung gesellschaftlicher Teilhabe infolge eines gesundheitlichen Problems einer konkreten, jeweils besonderen Person in jeweils besonderen Lebensum- 18

ständen. Die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses wird erschwert durch eine unterschiedliche Bedeutung des Begriffs Behinderung" in den einzelnen Sozialgesetzbüchern. Hiermit verbunden sind jeweils unterschiedlich ausgestaltete Rechtsansprüche und Mitwirkungspflichten. So handelt es sich bei der Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft und der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises um einen gänzlich anderen Sachverhalt als bei der Prüfung des Vorliegens einer wesentlichen Behinderung nach SGB XII. Unterschiedliche Zuständigkeiten und Rechtsverhältnisse ergeben sich aus der Beantwortung der Frage, ob ein Kind seelisch oder geistig behindert ist - eine Frage, die in nur wenigen Fällen trennscharf zu beantworten sein dürfte. Weiterhin hat sich gezeigt, dass Behinderung häufig als defizitäre Eigenschaft einer Person begriffen wurde, ein Verständnis, welches eine Verwirklichung von Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschwert. Wie ein roter Faden zog sich durch die Argumentation in den Arbeitskreisen vor und während der Zukunftskonferenz daher die Forderung nach einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit zum Abbau diskriminierender Vorstellungen über Behinderung in der Bevölkerung sowie einer verbesserten Information und Beratung der Betroffenen, ihrer Angehörigen und nahe stehender Personen. 1.2.2 Leistungen und Kosten der Eingliederungshilfe im Landkreis Bernkastel-Wittlich Am 31.12.2007 bezogen 715 Personen Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB XII, am 31.12.2008 waren es 740 Personen. Dies entspricht einer prozentualen Zunahme von 7. Der Anteil der Personen, die zum Stichtag Hilfen zum selbstbestimmten Wohnen in der eigenen Wohnung, in Wohngemeinschaften oder in Wohnheimen erhalten haben, lag in 2007 bei 53, im Jahre 2008 bei 55 aller Fälle in der Eingliederungshilfe. Die Anzahl der zum Stichtag stationär in Wohnheimen versorgten Fälle blieb in den beiden Jahren mit 267 Fällen gleich; die Anzahl der in eigener Wohnung oder in Wohngruppen ambulant betreuten Personen stieg von 112 im Jahre 2007 auf 139 Personen im Jahre 2008, was einem Zuwachs von 24 entspricht. Insgesamt belief sich der Zuschussbedarf für Leistungen der Eingliederungshilfe im Jahre 2007 auf 9.224.827, im Jahre 2008 auf 9.398.842. Dies entspricht einem Zuwachs von 2. Je Fall zum Stichtag wandte der Landkreis damit 12.901 im Jahre 2007 und 12.701 im Jahre 2008 auf. Die fallbezogenen Kosten sind damit im gleichen Zeitraum um 2 gesunken. Diese Wirkung ist auf die offenbar erfolgreichen Bemühungen der Kreisverwaltung zurückzuführen, die Häufigkeit von Wohnheimunterbringungen zu stabilisieren und gleichzeitig ambulante Hilfen im Bereich des Wohnens auszubauen. Dies ist offensichtlich eine Folge der Ein- 19

führung des personenzentrierten Ansatzes in der psychiatrischen Versorgung und der Hilfen zur Teilhabe 2 sowie der Einführung des persönlichen Budgets zur Finanzierung von ambulanten Hilfen. Durchschnittlich verursacht ein stationärer Fall je Monat Aufwendungen von circa 1.500, während für ambulante Hilfen zum selbstbestimmten Wohnen durchschnittlich etwa 500 monatlich aufgewandt werden müssen. 1.2.3 Prognose zur Fallzahlentwicklung Eine Prognose bezüglich der Fallzahlentwicklung ist für die Ausgestaltung der Hilfelandschaft nützlich, gestaltet sich jedoch auf Grund der Vielzahl an zu berücksichtigenden Parametern als methodisch schwierig und nur bedingt zuverlässig. Für den Landkreis Bernkastel-Wittlich wurden die Entwicklungen der Gesamtbevölkerung, der Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis, sowie insbesondere die Altersentwicklungen der leistungsberechtigten Personen und ihrer Angehörigen betrachtet, um so zu einer Einschätzung in verschiedenen Hilfebereichen zu gelangen. Bei den Altersentwicklungen wurden alle Leistungsberechtigten, die unabhängig von ihrer Herkunft im Landkreis Bernkastel-Wittlich versorgt werden, berücksichtigt. Diesem Vorgehen liegt die Annahme zugrunde, dass diese Personen dauerhaft im Landkreis Bernkastel-Wittlich wohnen und auch hier Unterstützung in Anspruch nehmen werden. Während langfristig mit einem Rückgang der Fallzahlen gerechnet werden kann, wird es nach den vorliegenden Erkenntnissen in den nächsten fünf Jahren eine absolute Fallzahlsteigerung in der Eingliederungshilfe geben. Dies bezieht sich auf notwendige Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, tagesstrukturierende Hilfen und Hilfen zum selbstbestimmen Wohnen. Im Bereich Arbeit werden bis 2015 von den Förderschulen des Landkreises 155 Schülerinnen und Schüler abgehen (31 Personen je Jahrgang), die unter Umständen leistungsberechtigt im Sinne des SGB XII sind. Erstmalige Unterstützung im Bereich der Tagesstrukturierung werden voraussichtlich die Personen benötigen, die das Rentenalter erreichen und nicht mehr in die WfbM arbeiten gehen können. Bis zum Jahr 2015 wird dies bei 26 Personen der Fall sein. Hier gilt es neue Unterstützungsmöglichkeiten zu eröffnen. Von den jetzigen Besucherinnen und Besuchern der Tagesförderstätte wird bis 2015 niemand das Rentenalter erreichen. 2 Vgl. Psychiatriebericht 1999 Vorschläge zur Psychiatrieplanung 20

Im Bereich Wohnen wurden insbesondere die aus der Häuslichkeitsbefragung gewonnenen Stammdaten der Angehörigen der Menschen mit Behinderungen für eine Prognose berücksichtigt. Bis 2015 werden 40 Personen, die ihre erwachsenen Kinder mit Behinderungen maßgeblich unterstützen, über 80 Jahre alt und aller Voraussicht nach nicht mehr in der Lage sein, ihre Angehörigen zu versorgen. Mit diesen 40 Familien sollte man frühzeitig in Kontakt treten, um gemeinsame Perspektiven zur weiteren Unterstützung der behinderten Familienmitglieder zu entwickeln. 1.2.4 Feststellung des individuellen Hilfebedarfs Die Feststellung des Hilfebedarfs im Einzelfall und die Klärung der zur Bedarfsdeckung notwendigen Leistungen sind Aufgaben der Kreisverwaltung, Fachbereich 31, als örtlichem Träger der Sozialhilfe und nach Aufgabenübertragung durch den überörtlichen Träger im Rahmen der Regionalisierung der Eingliederungshilfe in Rheinland-Pfalz. Zentrales und einheitliches Instrument zur Klärung des individuellen Bedarfs und der zur Bedarfsdeckung notwendigen Leistungen ist in Rheinland-Pfalz die Individuelle Teilhabeplanung (THP), die für jeden Fall erstellt und im Zeitablauf fortgeschrieben wird. Teilhabepläne werden ganz überwiegend durch die Leistungserbringer erstellt, manche werden von Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter des sozialpsychiatrischen Dienstes bei der Kreisverwaltung, manche vom zuständigen Sozialarbeiter im Fachbereich 31 angefertigt. Die Klärung, ob im konkreten Einzelfall eine wesentliche Behinderung im Sinne des SGB XII vorliegt, erfolgt mithilfe einer fachlichen Expertise des Gesundheitsamtes. Derzeit sind die Zeiträume der Bewilligung beantragter Leistungen und der Fortschreibung der THP voneinander unterschieden. Häufig wird eine zeitlich unbefristete Kostenübernahmeerklärung ausgesprochen, die Teilhabeplanung muss jedoch in der Regel in Zeiträumen von etwa einem Jahr, vereinzelt bis zu fünf Jahren fortgeschrieben werden. Seitens der Kreisverwaltung werden die Leistungsanbieter regelhaft an die Vorlage einer Fortschreibung der Teilhabeplanung erinnert. Die teilnehmende Beobachtung von Teilhabekonferenzen sowie die Auswertung aller individuellen Teilhabepläne der Personen, die im Jahre 2008 stationär versorgt und in der Teilhabekonferenz beraten wurden, brachte ein differenziertes Bild hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der THP. So wurden in nahezu einem Viertel aller Fälle Teilhabepläne erst nach der Platzierung der betreffenden Personen in einem Wohnheim erstellt - die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Wohnheimunterbringung war somit nicht Folge eines THP, sondern erfolgte nach anderen Kriterien. Auch scheinen die Ziele der leistungsberechtigten Personen 21

oftmals nicht der Bezugspunkt der erbrachten Leistungen zu sein. Hinzu kommt, dass wiederum etwa ein Viertel der betreffenden Personen bei der Erstellung der Planung nicht beteiligt waren. Bei Menschen mit einer geistigen und/oder körperlichen Behinderung war dies häufiger Fall als bei Menschen mit einer seelischen Behinderung. In der Gesamtbetrachtung zeigte sich ein großes Verbesserungspotential hinsichtlich der Qualität der Individuellen Teilhabepläne. 1.2.5 Information und Beratung der Eltern von Kindern mit Behinderungen Bei Fachkräften und Eltern bestand breites Einvernehmen, dass im Landkreis Bernkastel- Wittlich ein bedarfsdeckendes Angebot an therapeutischen Angeboten, Diensten und Einrichtungen für Kinder mit Behinderungen besteht. Eigene Erhebungen brachten keine anders lautenden Erkenntnisse. Dagegen wurden große Defizite hinsichtlich der Beratung der Eltern von Kindern mit Behinderungen erkannt. Für diese Beratung steht das Sozialpädiatrische Zentrum Trier mit seiner Nebenstelle in Wittlich sowie das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung zur Verfügung. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kindertagesstätten im Landkreis beraten Eltern im Rahmen ihrer zeitlichen und fachlichen Ressourcen, die durchgängig als nicht ausreichend für komplexere Fragestellungen beschrieben wurden. Der Zugang zum Sozialpädiatrischen Zentrum gestaltet sich hochschwellig: Voraussetzung für eine Beratung und gegebenenfalls tiefergehende Diagnostik im Sozialpädiatrischen Zentrum ist das Vorliegen einer ärztlichen Diagnose und die Feststellung, dass das betreffende Kind behindert oder zumindest von einer Behinderung bedroht ist. Es ist somit erforderlich, beim eigenen Kind auftretende Phänomene und Verhaltensweisen als behindert zu begreifen und sich dies bestätigen zu lassen, um eine Beratungsleistung in Anspruch nehmen zu können. Dies erleben, so wurde eindrücklich in den Arbeitskreisen berichtet, einige Eltern als diskriminierend mit der Folge, dass notwendige Beratungen und Hilfestellungen unterbleiben. Beratungen im Gesundheitsamt sind in der Regel eingebettet in amtsärztliche Untersuchungen, die vorgenommen werden, um gegebenenfalls bestehende Rechtsansprüche beziehungsweise die Eignung zum Schuleintritt zu überprüfen. Inhaltlich sollten sich die Beratungsleistungen auf die Folgen und Auswirkungen einer Behinderung jenseits medizinischer Sachverhalte (eine Aufklärung über medizinische Sachverhalte erfolgt in der Regel über die Ärzteschaft), 22

gegebenenfalls bestehende Rechtsansprüche, im Landkreis vorhandene Dienste, Einrichtungen und Unterstützungsmöglichkeiten, bestehende Angebote der Selbsthilfe sowie Fragen der schulischen Laufbahn und damit der adäquaten Wahl der Schulform und des Bildungsgangs erstrecken. 1.2.6 Hilfen zum selbstbestimmten Wohnen Im Landkreis Bernkastel-Wittlich gibt es 7 Wohnheime für Menschen mit Behinderungen mit insgesamt 324 Plätzen. Dies sind 2,87 Plätze auf 1000 Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises, mehr Heimplätze, als es durchschnittlich in Rheinland-Pfalz oder in Deutschland gibt. Die Wohnheime für Menschen mit Behinderungen im Landkreis Bernkastel-Wittlich liegen überwiegend außerhalb von Ortschaften und sind mit dem ÖPNV nicht oder nur schwer erreichbar. Drei der Häuser sind nach aktuellen fachlichen internationalen Standards zu groß, da nach Auffassung europäischer Experten bei dieser Größe eine Gefährdung der Menschenrechte nicht ausgeschlossen werden kann. In zwei Häusern leben - gemessen am nationalen Durchschnittswert - durchschnittlich zu viele Personen in einem Zimmer. Vier Dienste erbringen Leistungen zum ambulant betreuten Wohnen und im Rahmen des persönlichen Budgets. Die Dienste haben ihren Sitz in der Kreisstadt Wittlich oder in der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues. Für die Leistungsberechtigten, die unabhängig von ihrer Herkunft im Landkreis Bernkastel- Wittlich versorgt werden, zeigt sich - im deutschlandweiten Vergleich - für ambulante Hilfen eine unterdurchschnittliche und für stationäre Hilfen eine überdurchschnittliche Versorgungssituation. Im Vergleich zu anderen Regionen (Eifelkreis Bitburg - Prüm, Hessen, Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen) ist die Versorgungsquote im stationären Bereich zu hoch und im ambulanten Bereich zu niedrig. Diese Aussage trifft auch für Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich unabhängig vom Ort der Leistungserbringung zu. Innerhalb des Landkreises wiederum zeigt sich, dass Bürgerinnen und Bürger aus der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues, der Kreisstadt Wittlich, der Verbandsgemeinde Traben- Trarbach, der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf und der Verbandsgemeinde Neumagen- Dhron im Vergleich zum Durchschnitt des Landkreises überdurchschnittlich häufig ambulante und stationäre Hilfen in Anspruch nehmen. Dagegen ist die Inanspruchnahme in der Ver- 23

bandsgemeinde Manderscheid, der Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf, der Einheitsgemeinde Morbach und der Verbandsgemeinde Wittlich-Land unterdurchschnittlich. In den Wohnheimen der Behindertenhilfe im Landkreis Bernkastel-Wittlich leben zu einem Drittel aller Bewohnerinnen und Bewohner Personen mit einer Pflegebedürftigkeit, die in Pflegestufen nach SGB XI eingestuft worden sind. Nicht in allen Wohnheimen bietet die Personalstruktur die zur Bewältigung der Pflegebedürftigkeit erforderliche Strukturqualität, da kein pflegerisches Fachpersonal vorgehalten wird. Männer sind, wie in den übrigen Einrichtungen der Behindertenhilfe in Deutschland auch, im Landkreis Bernkastel-Wittlich überrepräsentiert. Dagegen nehmen Einwohnerinnen und Einwohner mit anderen als der deutschen Staatsbürgerschaft Leistungen der Behindertenhilfe in geringerem Ausmaß in Anspruch, als dies der Anteil an der Gesamtbevölkerung erwarten lassen würde. Es entsteht der Eindruck, dass die Einrichtungen konzeptionell eher auf (lebenslangen) Verbleib ausgerichtet sind. Jedenfalls leben mehr als die Hälfte der betroffenen Personen seit mehr als 10 Jahren in den Einrichtungen. Maßnahmen werden insbesondere im ersten Jahr nach Aufnahme beendet, zu einem Zeitpunkt also, in dem die Anpassung der leistungsberechtigten Personen an die neuen sozialen Bedingungen noch nicht abgeschlossen ist. Bei den Leistungen in der Form des persönlichen Budgets ( Hilfe nach Maß") werden nach einer Berechnung auf der Grundlage der Haushaltsdaten des Landkreises mehr direkte klientenbezogene Betreuungsstunden bewilligt, als in den Diensten an Personalressourcen zur Verfügung steht. Dies wird darauf zurückgeführt, dass es keine Leistungsvereinbarungen nach 75 SGB XII gibt und insoweit einzelne Leistungsbestandteile nicht hinreichend voneinander abgegrenzt werden können. Hinzu kommt, dass die landesweit kommunizierten Entgelte allein für Fachleistungen zu niedrig und allenfalls im Rahmen einer Mischkalkulation tragfähig sind. Die ambulanten Dienste und Einrichtungen verfügen jedoch ausschließlich über Fachkräfte und haben sich außerdem keine weiteren Einnahmequellen beispielsweise aus der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Pflegeversicherung erschlossen. Zudem liegt das Volumen der durchschnittlich bewilligten Stundenzahl im Landkreis über dem im Zuständigkeitsbereich der beiden Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen. Im Bereich der ambulanten Hilfen fällt das Fehlen jeglicher Leistungen zur beruflichen Teilhabe ins Auge. Auch deuten bei dem Personenkreis der Menschen mit einer seelischen Störung Diagnoseverteilung und Einkommenssituation an, dass vorrangige Leistungen zur therapeuti- 24

schen Behandlung von Störungsbildern zur Vermeidung des Eintretens einer wesentlichen Behinderung angezeigt sein könnten. 1.2.7 Hilfen zu Arbeit und Beschäftigung Im Landkreis Bernkastel-Wittlich gibt es ein umfangreiches Angebot an unterschiedlichen Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen, das überwiegend auf oder über dem Niveau anderer Regionen liegt. Im Vergleich zu anderen Regionen nutzen überdurchschnittlich viele Personen die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Insbesondere die Bundesagentur für Arbeit scheint zu diesem Ergebnis beizutragen, da bei ihr überdurchschnittlich viele Reha-Fälle in eine Beschäftigung im Arbeitsbereich der WfbM münden. Einem alles ist möglich steht bei den professionellen Akteuren die Wahrnehmung gegenüber, dass die Dienste auf den Einzelfall bezogen professionell arbeiten, jedoch lediglich auf den Einzelfall bezogen miteinander kooperieren. Ein sozialer Raum zum strukturellen Austausch steht nicht zur Verfügung. Die Qualität bestehender Beziehungen zwischen den einzelnen Akteuren, bis hin zu den Arbeitgebern untereinander, scheint maßgeblich für eine gelungene Integration ins Arbeitsleben, vereinbarte und verbindliche (professionelle) Verfahren und Arbeitsweisen zu sein. Lange Fahrzeiten und nur vereinzelt die Möglichkeit, mit eigener Arbeit geringfügig Geld zu verdienen (Zuverdienst) zeichnet die Versorgungsrealität in den Tagesstätten und der Tagesförderstätte aus. Insbesondere die Erreichbarkeit des Angebots für schwer bzw. mehrfach behinderte Menschen in der im Landkreis vorhandenen Tagesförderstätte ist für einige der dort Beschäftigten durch lange Anfahrtszeiten beschwerlich. Gleichzeitig scheint hier im Bereich von tagesgestaltender Beschäftigung für schwer- und mehrfach behinderte Menschen Bedarf zu bestehen. Dies ergibt sich aus dem Vergleich mit anderen Regionen und der Problembeschreibung insbesondere von gesetzlichen Betreuern und Kliniksozialdiensten, die eine Unterversorgung für jüngere Personen mit schweren neurologischen Störungen wahrnehmen. 1.2.8 Mobilität und Sozialraum Im Rahmen der Teilhabeplanung wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Mobilität als ein zentrales Problem für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben angeführt. Dies ergibt sich zum einen aus der örtlichen Lage der Wohnheime, die die individuellen Möglichkeiten begrenzen, zum anderen aber hauptsächlich aus den Angeboten des ÖPNV. Dessen Ver- 25

bindungen wurden insbesondere in den Abendstunden und am Wochenende als unzureichend wahrgenommen. Die Gestaltung der Busfahrpläne wurde als unübersichtlich und im Schriftbild zu klein kritisiert. Von den Teilnehmenden wurde eine barrierefreie Gestaltung des ÖPNV gefordert. In Bezug auf Einrichtungen und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs wurde im Rahmen der Teilhabeplanung keine explizite Problemlage angezeigt. Dies könnte in einem Zusammenhang mit der Wohnsituation der mitwirkenden Menschen mit Behinderungen stehen. Die Mehrzahl der Teilnehmenden lebt in Wohnheimen der Eingliederungshilfe, eine individuelle Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln ist daher für sie in der Regel nicht erforderlich. Tatsächlich gibt es Möglichkeiten, sich mit Hilfe von Dorfläden oder rollenden Märkten auch im ländlichen Raum zu versorgen. Für die Geldversorgung gibt es zahlreiche Initiativen der Banken des Landkreises, um einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen. Der Zugang zur ärztlichen und fachärztlichen Versorgung wird überwiegend als ausreichend eingeschätzt. Schwer zugänglich ist jedoch die fachärztliche Versorgung für Menschen mit seelischer Behinderung, Psychotherapie durch Psychologen fehlt ganz. In Bezug auf Inklusion wurden von den Teilnehmenden einige gelungene Beispiele genannt. Einige Menschen mit Behinderungen engagieren sich in Vereinen (z.b. in der Fußballmannschaft). Besonders erwähnt wurde das Angebot behindertengerechtes Karate des Vfl Traben-Trarbach, wodurch eine Integration in einen normalen Verein ermöglicht wird. Die Menschen mit Behinderungen formulierten hilfreiche Angaben, die ihnen eine Teilnahme an Veranstaltungen und Angeboten des Sozialraums erleichtern würden. Neben Angaben zu Busverbindungen, Barrierefreiheit und einem Ansprechpartner wurde insbesondere der Hinweis Menschen mit Einschränkungen willkommen angeregt. 1.2.9 Psychiatrische Versorgung der Einwohnerinnen und Einwohnern aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich Eine Analyse der Häufigkeit von stationären Krankenhausbehandlungen wegen einer psychiatrischen Diagnose zeigt in nahezu allen Bereichen eine mit der landes - und bundesweiten Situation korrespondierende Versorgungsrealität. Allerdings werden Männer aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich deutlich seltener stationär wegen einer Suchterkrankung behandelt (Entgiftungsbehandlungen), als dies landes- und bundesweit der Fall ist. Gleichzeitig werden Maßnahmen medizinischen Rehabilitation (Entwöhnungsbehandlungen) wegen einer Suchterkrankung sehr gut genutzt. Die beiden Sachverhalte, die sich mit den Wahrnehmungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den entsprechenden Arbeitskreisen decken, deuten einer- 26

seits eine hohe Qualität der Suchtberatung im Landkreis an. Andererseits scheint der Zugang zu psychiatrischen Entgiftungsmaßnahmen hochschwellig zu sein. 1.3 Zielentwicklung in der Zukunftskonferenz Die Zukunftskonferenz diente als abschließende Veranstaltung der Teilhabeplanung für Menschen mit Behinderungen. Sie baute auf den Ergebnissen der bereits durchgeführten Workshops, Interviews, den Expertengremien und den Erhebungen bei den Einrichtungen und Diensten sowie den ausgewerteten Daten auf. Folgende Ziele wurden mit der Zukunftskonferenz verbunden: 1. Vorstellung der bisherigen Ergebnisse der Teilhabeplanung. 2. Diskussion dieser Ergebnisse und Identifikation der relevanten Themen. 3. Gemeinsame Zielentwicklung für den Landkreis unter Beteiligung aller Akteure. In einem ganztägigen Prozess entwickelten die über 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für insgesamt neun Themenbereiche Ziele, die teilweise sehr konkret formuliert wurden. Für den Bereich Wohnen wurde formuliert: Jeder wohnt wo, wie und mit wem er will." Auch solle es alle Wohnformen in ausreichender Zahl geben. Als Meilensteine für die genannten Grundsatzziele wurde vorgetragen, dass es Wohnhäuser mit kleinen Gruppen im Ort geben solle. Wohnraum solle passend sein - die dort lebenden Menschen sollten die für sie passende Unterstützung erhalten. In den Wohnheimen solle es mehr Einzelzimmer geben. Dort solle man im Rahmen von Trainingswohnen das Wohnen lernen können. Außerdem war es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wichtig, ihren Wohnraum individuell gestalten zu können. Im Bereich Arbeit wurden drei Grundsatzziele formuliert: es solle entsprechende, nach Neigung und Eignung passende Arbeit für alle geben, es solle normal sein, behinderte Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz zu haben und die Menschen mit Behinderungen selbst formulierten eindrücklich, dass es für sie mehr Arbeit an sich, aber auch mehr Geld für die Arbeit, die sie leisten, geben solle. Als Meilensteine auf dem Weg dorthin wurde vorgeschlagen, Teilhabeplanung zum Thema Arbeit" einzuführen. Es solle mehr Nischenarbeitsplätze und Praktika geben und man müsse mehr ausprobieren können (sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer). Nötig sei auch, dass sich das Bewusstsein in der Öffentlichkeit verändere und die Unternehmen besser aufgeklärt würden. Auch außerhalb einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen müsse es eine dauerhafte und unkomplizierte personelle und finanzielle Förderung geben. 27

Die Teilhabeplanung geht vom Betroffenen, seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten aus lautete ein Grundsatzziel im Bereich Bedarfsfeststellung und Teilhabeplanung. Der Verfahrensablauf solle optimiert sein, die Antragstellung transparent. Alle Geldgeber und Kostenträger sollten in einen Topf zahlen. Meilensteine zu diesem Ziel sind nach Auffassung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Zukunftskonferenz, dass die Betroffenen ihre Ziele selbst formulieren. THPsolle es in Form verschiedener Medien geben. Beim Leistungsträger und beim Leistungserbringer solle es eine kontinuierliche personelle Zuständigkeit geben. Als weiterer Meilenstein wurde ein einrichtungs - und trägerübergreifender Qualitätszirkel vorgeschlagen. Im Bereich Tagesstrukturierung und der Freizeitgestaltung sollten die bestehenden Angebote von Vereinen und anderen Veranstaltungen offener gemacht werden. Besonders am Wochenende sei dies wichtig - dies ist die Auffassung einer weiteren Arbeitsgruppe. In einem anderen Arbeitskreis trat man dafür ein, dass es besondere Angebote für Menschen mit geistiger Behinderung geben solle. Für Kinder mit Behinderungen wurden zwei Grundsatzziele formuliert: 1. Eine Kita für alle in jedem Ort. 2. Jedes Kind erhält die Hilfe, die es aufgrund seiner persönlichen Lebenssituation benötigt. Als Meilenstein zu diesem Ziel wurde festgehalten, dass bei der Entwicklung von Kindertagesstätten Kinder mit Behinderungen den gleichen Stellenwert erhalten sollten wie die Kinder unter drei Jahren. Auch solle es eine Vernetzung und Durchlässigkeit der Schulen geben. Einen breiten Raum nahm das Thema Mobilität ein. Das Grundsatzziel lautete: Mobilität für alle. Meilensteine auf diesem Weg sind die barrierefreie Gestaltung von Bus - und Bahnfahrten sowie die Gewährleistung einer individuellen Mobilität. In diesem Zusammenhang wurden mobile Hilfen wie Bring - Dienste und Einkaufsservice als Möglichkeiten der Verbesserung benannt. Ein Prozess der Zukunftskonferenz beschäftigte sich mit der Pflege. Grundsatzziel war hier: Lebensqualität in der Pflege durch Erweiterung des Pflegebegriffs. Angesprochen wurde eine Verbesserung der Lebensqualität durch eine individuelle Kombination pflegerischer und anderer Hilfen dort, wo die Menschen leben wollen. Grundsatzziele für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit sind, dass Behinderung als Normalität verstanden wird und dass man von Beginn an miteinander statt nebeneinander lebt. Als wichtiger Schritt hierzu wurde eine Sensibilisierung für die Sicht der Betroffenen angesehen. Auch wolle man offene Begegnungen wagen. Organisationsstrukturen sollten so gebaut werden, 28

dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mitentscheiden können. Auch sollten Chancen angeboten und genutzt werden, einander besser zuhören zu lernen. Einen intensiven Austausch gab es im Bereich Information und Beratung. Als Grundsatzziel wurde formuliert: jede und jeder hat Zugang zu Information und Beratung. Meilensteine auf dem Weg dorthin seien eine barrierefreie Website, ein Sonntags - Notdienst, ein aufsuchender Beratungsdienst, die Vereinheitlichung von Telefonnummern, die Berücksichtigung von Sprachbarrieren, die Begleitung in der Anfrage von Beratung sowie die Vernetzung aller beteiligten Dienste. Während einige Teilnehmer die Ansicht vertraten, dass es eine unabhängige Beratungs- und Koordinierungsstelle geben solle, traten andere für eine Informations- und Beratungsstelle bei der Kreisverwaltung ein. Eine dritte Gruppe vertrat die Auffassung, dass es eine Plattform zur Vernetzung geben solle. Auch in einem weiteren Punkt gab es Unterschiede: einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer traten dafür ein, dass es eine Beratungsstelle für alle geben solle, andere wollten eine Beratungsstelle nur für Kinder und deren Familien. 1.4 Empfehlungen Um die in der Zukunftskonferenz formulierten Ziele erreichen zu können, werden Maßnahmen insbesondere in vier Handlungsfeldern vorgeschlagen. Diese sind 1. die Weiterentwicklung der ambulanten Versorgungsstruktur, 2. die Einführung eines Fallmanagement in der Kreisverwaltung, 3. die Errichtung einer Informations- und Beratungsstelle beim Gesundheitsamt der Kreisverwaltung, 4. die Gestaltung des Sozialraumes. Die Verbesserung der Lebensqualität und der Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen bedarf der gemeinsamen Anstrengung aller Akteure. Die Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich ist daher bei der Realisierung einiger Empfehlungen auf die Mitwirkung Dritter angewiesen. transfer bietet fachliche Beratung und Begleitung bei der Realisierung der vorgeschlagenen Maßnahmen im Rahmen einer detaillierten, noch zu erstellenden Projektvereinbarung an. Ergänzend wird vorgeschlagen, die geplanten Maßnahmen im kritischen Dialog und in Zusammenarbeit mit dem Beirat für Menschen mit Behinderungen, den Heimbeiräten, dem Werkstattbeirat und den Leistungserbringern umzusetzen. Angeregt wird, die im Planungsprozess bewährte Struktur eines gemeinsamen Steuerungskreises weiterhin zu nutzen. 29