Arbeitsorganisation in der Fabrik 4.0 Prof. Dr.-Ing. Wilhelm Bauer Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Stuttgart Future Tracks Gute Arbeit in der Fabrik 4.0 Robotation Academy, Hannover, 14. April 2015 Seite 1
Treiber der Transformation Mensch und Gesellschaft Technologien Working smarter Business Seite 2
Erweiterte Lebensphasen in kürzerer Abfolge Individuelle Bedürfnisse dominieren soziale Beziehungen 23 60 Kindheit und Jugend Reproduktionsphase Erwerbs- oder Familienleben Ruhestand Kindheit Jugend Jobphase 1 Post- Adoleszenz Jobphase 2 Jobphase 3 RUSH HOUR Sabbatical Jobphase 4 Zweiter Unruhe- Dritter Aufbruch stand Aufbruch Quelle: in Anlehnung an Kirsten Brühl, Zukunfts institut, Arbeitswelt 2020, 2012 Familie 1 Familie 2 Familie 3 Reproduktionsphase Seite 3
innovativ selbstbewusst Die Gen Y ist technologieaffin spontan verwöhnt Seite 4
Mensch und Gesellschaft Eine hohe Diversity entsteht Individualisierung durch neue Werte und Lebensstile Die Unterschiede zwischen den Lebenswelten von junger und mittlerer Generation sind im Vergleich zu früher Alterung der Gesellschaft im Zuge demografischen Wandels Etablierung der Digital Natives im Berufsleben Quelle: Jacobs Krönung-Studie, Institut für Demoskopie Allensbach (2013); Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 14 Jahre, in Prozent, Nicht dargestellt: Unentschieden, keine Angabe Ausländische Bevölkerung in Deutschland nach der Region ihrer Herkunft (Stand 31.12.2013) Neues Gesundheitsbewusstsein mit Blick auf physische und psychische Gesundheit Soziale und kulturelle Vielfalt birgt Chancen und Konfliktpotenziale Migrationen Deutschland 2013: Einwanderer 1.226.493 Auswanderer 797.886 Quellen: Statista-Dossier»Bevölkerung in Deutschland I«; Mediendienst Integration, 2014 Seite 5
Individuelle und unternehmerische Interessen Geben und Nehmen als Maxime der Gestaltung Treiber auf Arbeitnehmerseite Work-Life-Balance Gesundheit Erholung Lebensqualität Freizeitangebot Familie Soziale Aktivitäten Medizinische Termine Reisen»Höhere«Bedürfnisse Kommunikationsmedien Spontanität und Aktivität als Lifestyle Pflegefälle Info-Verfügbarkeit Ziel: Private Flexibilität Enabler Technik: IT-Technologie & CPS/Industrie 4.0 Umfeld Werteveränderung: Flexibilisierung und Selbstoptimierung Umfeld Demografie & Diversity: Arbeitsmarkt Ziel: Dispositive Flexibilität Differenzierung Kundenanforderungen Variantenvielfalt Ausgleich Produktionsschwankungen Volatilität der Märkte Flexible Technologie Anpassung an Nachfrage Optimierter Ressourceneinsatz JIT-Produktion Treiber auf Arbeitgeberseite Seite 6
Grenzen der Entgrenzung Das Ende des Home-Working bei Yahoo»Yahoos, um der absolut beste Arbeitsplatz zu werden, sind Kommunikation und Zusammenarbeit wichtig, also müssen wir Seite an Seite arbeiten. ( ) Wir müssen ein Yahoo sein, und das beginnt damit, dass wir physisch zusammen sind. Marissa Mayer, CEO, 22. Februar 2013 Präsenzkultur Informelle Anwesenheit Kommunikation Loyalität Kontrolle Geregelte Arbeitsweise Work-Life-Balance? Leistung Zufriedenheit Motivation Flexible Arbeitsformen Partizipation Virtuelle Kollaboration Vertrauen Selbstbestimmung Flexible Arbeitszeit / -orte Der»Fall Yahoo«hat das Augenmerk stark auf die»grenzen der Entgrenzung«und deren Folgen auf Führungsfähigkeit, Teamidentität und Performance gerichtet. Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/yahoo-mayer-verbietet-mitarbeitern-das-home-office-a-885603.html (26. Februar 2013) Seite 7
Die Folge: Smarter Working kommt Flexibilisierung von Arbeit in Ort, Zeit und Struktur Arbeite an einem festen Ort, zu festen Zeiten, in fixen Strukturen. Zeit flexibel Arbeite wo Du willst, wann Du willst, und mit wem Du willst. Zeitarbeit Teilzeitarbeit Gleitzeit fest fixe Strukturen mobil Ort Vertrauensarbeitszeit Telearbeit Mobile Arbeit Arbeitnehmer-ÜL flexible Teams Werkverträge Struktur Co-Working Cloud Work Nicht mehr die Menschen kommen zur Arbeit, sondern die Arbeit kommt zu den Menschen! Seite 8
Technologischer Fortschritt Gewaltige Umbrüche in einer digital vernetzten Welt Verschmelzen von realer und virtueller Welt»Intelligence everywhere«aufkommen einer neuen IT-Realität Quelle: Gartner: Top 10 Strategische Technologietrends 2015 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Computing Everywhere Das Internet der Dinge 3D-Druck Neue Formen der Datenanalyse Kontextbasierte Systeme Smart and Thinking Machines Cloud Computing Software-defined Applications and Infrastructures Web-Scale IT Risikobasierte Sicherheits- und Schutzmaßnahmen Seite 9
Die treibenden Kräfte der digitalen Transformation Hyper-Connectivity und Lernende Systeme Vernetzung Internet of Everything Cloud Computing Sensoren überall Wireless and Mobile Flächendeckende Breitbandinfrastruktur Learning Machines Autonomik Simulation Big Data Analytics Selbstlernende Algorithmen Quanten-Computing Bio-Informatik (extreme learning machines) Seite 10
Automatisierung der Wissensarbeit Arbeitsteilung im Business Machine Age»Künftig gibt es zwei Kategorien von Menschen: jene, die Computern sagen, was sie tun sollen und jene, die von Computern gesagt bekommen, was sie tun sollen.«marc Andreessen, Mitgründer des Unternehmens Netscape Communications Corporation und Entwickler des Browsers Mosaic Herausforderungen: Maschinen erledigen Aufgaben mit Wiederholungscharakter und niedriger Komplexität. Hard- und Software wird eigenständig Planungsaufgaben erledigen. Wissensarbeiter mittlerer Qualifikation werden von Computern überwacht und gesteuert (»Human Automation«). Seite 11
Wirtschaft 4.0 Große Chancen viel zu tun Beeinflusst die zunehmende Digitalisierung die Geschäfts- und Arbeitsprozesse der Unternehmen? Wie schätzen die Unternehmen den Stand der Digitalisierung insgesamt ein? (in Prozent) Digitaler Wandel erfasst die deutsche Wirtschaft auf ganzer Breite 74% rechnen mit einer Ausweitung der Innovationstätigkeiten zur Ausschöpfung der Möglichkeiten der Digitalisierung Quelle: IHK-Unternehmensbarometer zur Digitalisierung, Januar 2015; Basis: Umfrage vom 27. November bis 4. Dezember 2014; N = 1.849 Unternehmen Seite 12
Business Transformation Digitalisierung der Wertschöpfungsketten und neue Geschäftsmodelle Ökonomisches Digitale Geschäftsmodelle Open Innovation Globale Wertschöpfung Sharing Economy Beispiele Collaboration Platforms Customer Experience Centers Co-Working Centers Bikesharing/Carsharing Bildquelle: ubicentrex, Dassault Seite 13
Dienstleistungen in der Smart Service Welt Digitale Infrastrukturen schaffen neue Wertschöpfungsketten Kundenzentrierung und Anbietervielfalt Horizontale und vertikale digitale Integration Übergang zu neuen individualisierten Leistungsbündeln: Endkundenorientiert über gesamten Lifecycle überall und jederzeit Reifegrade digitaler Geschäftsmodelle Quelle: Accenture, 2014 Seite 14
Arbeitsorganisation in der Fabrik 4.0 Ganzheitliche Gestaltung guter Arbeit Physische Assistenz durch Fähigkeitsverstärker Gesunde und demografiefeste Arbeitsplätze ergonomisch, sicher und alter(n)sgerecht Wartungs- und Planungsassistenz lokationsbasiert, kontextadaptiv Vernetztes Arbeiten durch multimodale Mensch-Maschine- und Mensch-Mensch-Interaktion Innovative Lernformen mobil, personalisiert, situationsadaptiv Produktionssteuerung dezentral, flexible Kapazitäten, vollständiges Produktionsbild in Echtzeit Seite 15
Active Arm Beispiel: Physische Assistenz durch Fähigkeitsverstärker Intelligentes Exoskelett zum Transport schwerer Güter in Smart Factories Arbeitswissenschaftliche Ziele: Erhöhung der Belastbarkeit von Produktionsarbeitern Prävention von Arbeitsunfällen und Erkrankungen des Bewegungsapparates Produktivitätssteigerung in der Produktion Body Trunk http://www.robo-mate.eu/ Initial weight of manipulated part Passive Arm Reduced weight of manipulated part 25 KG 11 KG This project has received funding from the European Union s Seventh Framework Programme for research, technological development and demonstration under grant agreement N 608979. Save the Date: 1 st Exoskeleton Demo in Industry at Fraunhofer ZVE 12. Juni 2015 Seite 16
Beispiel: Physische Assistenz durch kooperative Roboter Leichtbauroboter (LBR) in kooperativen Montageumgebungen (»Robokoop«) Bewerten der Einbindung des Menschen in Montageprozess und -organisation Gestaltung der Mensch-Roboter-Schnittstelle nach den Anforderungen und Fähigkeiten des Menschen Quelle: Götz KG Armaturen, Sicherheitsventilmontage 2014 Neues Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von LBR-Automatisierungen Erstellung eines Leitfadens zur Planung und Gestaltung der MRK Quelle: IAO/IAT, Bohrmaschinenmontage 2015 Konsortium: Fördergeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Montageanlagenbauer Sensor-Entwickler Anwender Begleitforscher assoziierte Partner Seite 17
Busgetriebemontage M3 ZF Friedrichshafen Situation nachher: ergonomisch sicher effizient Seite 18
Beispiel: Vernetztes Arbeiten Logistikaufgaben und Störungsbehebung mit Datenbrille Der Einsatz mobiler Endgeräte eröffnet neue Möglichkeiten bei der Nutzung der aktuellen Produktionsdaten. Ja 72,7% teils/teils 19,0% Nein 8,3% Quellen: Fraunhofer IAO: Produktionsarbeit der Zukunft Industrie 4.0; 2013 Seite 19
Beispiel: Produktionssteuerung Mitarbeiter bekommen Einsatzanfragen auf ihre mobilen Endgeräte Samstag geht leider nicht. Ich kann diesen Samstag arbeiten. Kundenauftrag: 50 Getriebe bis Montag Einsatzanfrage auf Smartphone Zusatzschicht am Samstag durchführen»meistercockpit«für Einsatzanfragen Seite 20
Industrie 4.0 Eine Revolution der Arbeitsorganisation?! Qualifikation und Kompetenzaufbau der Fachkräfte erforderlich Die Einführung von Industrie 4.0 erfordert vom Produktionsmitarbeiter folgende Kompetenzen: Quelle: Ingenics AG/Fraunhofer IAO» Industrie 4.0 Eine Revolution der Arbeitsgestaltung«, 2014 Seite 21
Gedanken und Impulse zum Schluss 1.»Volatilität beherrschen Flexibilität gewährleisten«: Potenziale neuer Formen der Kollaboration von Mensch und Maschine für optimierte Produktionsprozesse und effiziente Ressourcenplanung ausschöpfen. 2.»Diversität und individuelle Bedürfnisse nutzen«: Beschäftigte als zentrales Kapital industrieller Wertschöpfung zeitgemäß qualifizieren und Kompetenzen stetig ausbauen. 3.»Gestalten statt verwalten«: Tragfähige Geschäftsmodelle entwickeln und deren Mehrwert herausarbeiten. 4.»Speed-up Erster sein«: Dynamik der IuK-Branche aufgreifen und auf die Produktion übertragen, um Leitmarkt und -anbieter zu sein. 5.»Die Vision von Industrie 4.0 leben«: Pionierarbeit durch Vorreiter-unternehmen leisten und deutsche Ingenieurskunst und Gründlichkeit um zielgerichtete Umsetzungsstärke anreichern. Seite 22
Kontakt Prof. Dr.-Ing. Wilhelm Bauer Fraunhofer IAO Nobelstraße 12 70569 Stuttgart Tel: +49 711 970-2090 Fax: +49 711 970-2083 wilhelm.bauer@iao.fraunhofer.de http://www.iao.fraunhofer.de Seite 23