Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter mit Poliklinik.



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Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter mit Poliklinik Psychosen M.Karle 05.11.13

Exogene Psychosen (organische Störungen, F0) Endogene Psychosen Psychosen Einteilung - Schizophrene Psychosen (Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen, F2) - Affektive Psychosen (Manische und bipolare affektive Störungen, F30, 31 schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen F32.3) 2 Karle, M.

Affektive Psychosen Manische Störung: (Hypomanie, Manie ohne und mit psychot. Symptomen) eine in einem umschriebenen Zeitraum deutlich abgrenzbare Veränderung der Stimmung (gehoben und reizbar) und des Antriebs (gesteigert) Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen: Bipolare affektive Störung: mindestens 2 Episoden einer affektiven Störung, eine davon mit manischen Symptomen 3 Karle, M.

Affektive Psychosen Merkmale einer manischen Störung: Gesteigerte Gesprächigkeit, Rededrang Ideenflucht Verlust normaler sozialer Hemmungen altersinadäquate Kritiklosigkeit Vermindertes Schlafbedürfnis Überhöhte Selbsteinschätzung Erhöhte Ablenkbarkeit Gesteigerte Libido Ggf. Halluzinationen und Größenwahn 4 Karle, M.

Affektive Psychosen Merkmale einer depressiven Episode: Gedrückte Stimmung Interessensverlust Freudlosigkeit und Verminderung des Antriebs Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven Suizidgedanken, Selbstverletzungen oder Suizidhandlungen Schlafstörungen Verminderter Appetit 5 Karle, M.

Affektive Psychosen Häufigkeit: ca. 0,3 bis 0,7% der Bevölkerung; davon 10% in Kindheit und Jugend Altersspezifische Besonderheiten: Vorpubertät: Irritierbarkeit, emotionale Labilität, gesteigerte Aktivität und gefährliche Verhaltensweisen häufiger als angehobene Stimmung Adoleszenz: Jugendliche präsentieren häufiger psychotische Symptome, gemischte affektive Symptome und Störungen im Sozialverhalten 6 Karle, M.

Schizophrenie Symptomatik Grundlegende Veränderungen des Bezugs zur äußeren Realität und zu sich selbst, Zusammenbruch der Realitätsprüfung und der Ich- Funktionen (Entwicklungsknick?) Minussymptome Plussymptome: Wahn, Halluzinationen, Katatonie 7 Karle, M.

Schizophrenie Symptomatik (nach Bleuler) Grundsymptome Denkstörungen (Formale Denkstörungen) Affektstörungen Antriebsstörungen (Autismus) Akzessorische Symptome Wahn (Inhaltliche Denkstörung) Halluzinationen (Wahrnehmungsstörung) Katatonie 8 Karle, M.

Schizophrenie Symptomatik (nach ICD-10) Gedankenlautwerden, - eingebung, -entzug Kontroll-, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten Kommentierende oder dialogische Stimmen Unrealistischer (bizarrer) Wahn (übermenschliche Kräfte und Fähigkeiten) Halluzinationen jeder Sinnesmodalität Gedankenabreißen (Zerfahrenheit, Neologismen) Katatone Symptome (Bewegungsstarre, -stereotypien, Negativismus, Stupor, Mutismus) Negative Symptome (Apathie, Sprachverarmung, Affektverflachung) Veränderung umfassender Aspekte des Verhaltens einer Person (Ziellosigkeit, Trägheit, sozialer Rückzug) 9 Karle, M.

Schizophrenie Symptomatik (nach DSM-IV) Wahn Halluzinationen desorganisierte Sprechweise (Zerfahrenheit) grob desorganisiertes oder katatones Verhalten negative Symptome (flacher Affekt, Alogie, Willensschwäche) 10 Karle, M.

Lebenszeitprävalenz 1% Schizophrenie - Epidemiologie Beginn: Männer 3 Jahre früher als Frauen (Häufigkeitsgipfel 24 vs. 27 J.) Beginn der Schizophrenie im Jugendalter bei ca. ¼ der Patienten Kindliche Schizophrenien ca. 1,6 von 100 000 (unterdiagnostiziert?) 11 Karle, M.

Schizophrenie - Ätiologie Vulnerabilitätskonzept nach Ciompi Biologische Einflüsse Psychosoziale Einflüsse Prämorbide Vulnerabilität Unspez. Stress Akute psychotische Dekompensation Remission / / / Chronifizierung 12 Karle, M.

Basissymptome Subjektive Beschwerden und Veränderungen der Erlebnisweise mit kognitiven Beeinträchtigungen, Minussymptomatik, Körperfehlwahrnehmungen, vegetative Symptome (z.b. Schlafstörungen, Herzrasen) Übergangsreihe (Klosterkötter 1998) Stufe 1 (unspezifische BS): z.b. Erschöpfbarkeit, Lärmempfindlichkeit, Schlafstörungen Stufe 2(spezifische BS): subjektive Denkstörungen, Gedankenblockaden, Wahrnehmungsbeeinträchtigungen, Störungen des Handlungsablaufes, Körpermissempfindungen Stufe 3: Derealisation, Depersonalisation Stufe 4: Produktive psychotische Symptome, Wahn, Halluzinationen 13 Karle, M.

Schizophrenie - Untergruppen (nach ICD-10) Paranoide Schizophrenie Hebephrene Schizophrenie Katatone Schizophrenie Undifferenzierte Schizophrenie Postschizophrene Depression Schizophrenes Residuum Schizophrenia simplex 14 Karle, M.

Behandlung (Pharmako-, Psycho- und Soziotherapie) Akutbehandlung, Medikamentöse Behandlung Psychotherapie Aufklärung, Psychoedukation Rückfallprophylaxe Rehabilitation, soziale Wiedereingliederung schulisch-berufliche Eingliederung Arbeit an der verminderten sozialen Kompetenz, an der Beeinträchtigung der Kontakt- und Beziehungsfähigkeit, der Bewältigung der Erkrankung, der Verselbständigung komplexes Zusammenspiel verschiedener Ansätze und Berufsgruppen langfristig 15 Karle, M.

Prognose im Jugendalter ungünstigerer Gesamtverlauf (Nicolson & Rapoport 1999) 57% nach 10 Jahren erheblich eingeschränkt 75% noch finanziell abhängig 83% weitere stationäre Aufnahmen 74% aktuell in psychiatrischer Behandlung langfristiges Suizidrisiko > 10% 16 Karle, M.

Risikofaktoren im Jugendalter höhere familiäre Belastung höhere perinatale Risiken (Hypoxie) mehr entwicklungsneurologische Defizite niedrigeres prämorbides soziales Anpassungsniveau häufiger prämorbide Beeinträchtigungen in Motorik, Sprache, Schlechtere Schulleistungen mehr Negativsymptome mehr kognitive Einschränkungen 17 Karle, M.