Die Dosierung ist auf den einzelnen Patienten abzustimmen



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Transkript:

Richtige Schmerztherapie bei Krebs Therapie antidouleur appropriee dans le cancer Die Dosierung ist auf den einzelnen Patienten abzustimmen La posologie doit etre adapte-e ä chaque patient Monika Jaquenod-Linder, Lucas Widmer, Beatrice Schaeppi, Zürich - Tumorschmerzen müssen und können gut behandelt werden. - Wichtig ist es, den Pathomechanismus abzuklären. - Ein früher Einsatz der Opioide ist zu empfehlen, dies wegen der Nebenwirkungen, die bei zu rascher Dosissteigerung auftreten. - Die Dosierung erfolgt höchst individuell, dabei sollen auch die Bezugspersonen miteinbezogen werden. - Bei Nicht-Tumorschmerzpatienten dürfen e Formen nur mit grösster Vorsicht eingesetzt werden (Sucht und Toleranzentwicklung). - Les douleurs cancereuses peuvent et doivent etre traitees correctement. -II est important cl'elticider le mecanisme pathologique. - Un recours precoce aux oploides est recommander, cela en raison des effets secondaires qui surviennent en cas d'augrnentation rapide de la posologie. - La posologie varie sensiblement dune personne a l'autre, par ailleurs l'entourage est egalement implique. - Chez les patients qui souffrent de douleurs qui n'ont pas des origines cancereuses, les formes ä courte duree d'action ne doivent etre utilisees 'avec la plus grande prudence (dependance et developpement dune tulerance). Trotz kontinuierlicher Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten bei malignen Tumorerkrankungen bleiben Tumorschmerzen im onkologischen Alltag ein häufiges. oft schwieriges Problem und deren optimale Behandlung eine grosse Herausforderung. In einer systematischen Review der Literatur wird eine Schmerzprävalenz von 33% bei onkologischen Patienten nach kurativer Behandlung, von 59% bei Patienten unter Antitumortherapie und von 64% bei Patienten mit metastatischer oder terminaler Erkrankung angegeben [1]. Mehr als zwei Drittel der Patienten mit Tumor-bedingten Schmerzen gaben eine Schmerzintensität von mässig bis stark an. Fast die Hälfte der Patienten war bezüglich der Schmerzen unterbehandelt [2]. Gemäss einer amerikanischen Studie aus dem Jahr 2012 litt ein Drittel der Patienten bei der ersten onkologischen Visite unter Schmerzen, ein Drittel der Patienten hatte keine adäquate Schmerztherapie. In einer Folgevisite vier Wochen später hatte sich die Schmerzbehandlung nicht verbessert [3]. Als wichtigste Barrieren für eine effektive Schmerzbehandlung werden auf Seiten des Arztes ungenügende Ausbildung in der Schmerztherapie und ungenügende Schmerzerfassung genannt [4]. Die Abklärung der Schmerzursache mittels Anamnese, Klinik und geeigneter bildgebender Verfahren ist von grösster Bedeutung, da Schmerzen häufig auf eine drohende Tumor-bedingte Komplikation (z.b. pathologische Fraktur. Rückenmarkskompression, Darmobstruktion etc.) hinweisen. Eine ursächliche Schmerzbehandlung (z.b. Radiotherapie, operative Therapie) kann in dieser Situation dringlich sein und dem Patienten zusätzliches Leid, z.b. das Auftreten einer Paraparese, ersparen. Zur Planung und Evaluation der Schmerzbehandlung wird eine initiale sowie kontinuierliche Erfassung der Schmerzintensität mittel standardisierter Skalen (z.b. Visualanalogskala, VAS, oder numeri- Ausschnitt Seite: 1/5

scher Ratingskala, RAS) empfohlen. Die Qualität des Schmerzes (somatisch, viszeral, neuropathisch) sollte beschrieben werden. Häufig liegen bei Tumorpatienten verschiedene Schmerztypen gleichzeitig vor. Dank des stetig zunehmenden Arsenals an onkologischen Behandlungsmöglichkeiten gelingt es in vielen Fällen, durch die spezifische Tumortherapie die Schmerzsituation des Patienten zu verbessern. Neben der traditionellen Chemotherapie und der Hormontherapie bei Hormon-abhängigen Tumoren (Brustund Prostatakarzinom) bekommen die sog. zielgerichteten Therapien einen immer grösseren Stellenwert. Die Anzahl der hochwirksamen Tyrosinkinase-Hemmer und spezifischen Antikörper, die bei Tumorerkrankungen eingesetzt werden können, wächst kontinuierlich. Ein neues Zeitalter der Systemtherapie von malignen Tumorerkrankung scheint mit der Anwendung von Antikörpern. welche die körpereigene Immunabwehr gegen Tumorzellen aktivieren, anzubrechen. Am weitesten ist diese Entwicklung in der Therapie des metastasierten Melanoms vorangeschritten, aber auch bei anderen soliden Tumoren (z.b. Bronchuskarzinom. Blasenkarzinom, Nierenzellkarzinom) und bei hämatologischen Neoplasien (Rezidiv des Hodgkin-Lymphoms) sind die ersten Resultate vielversprechend. Die Radiotherapie ist für die lokale Behandlung schmerzhafter Tumormanifestationen hochwirksam und hat insbesondere bei der Therapie von schmerzhaften Knochenmetastasen einen grossen Stellenwert. Begleitend und zur Verhinderung von weiteren Skelettkomplikationen werden bei ossären Metastasen Bisphosphonate oder Denosumab (Xgeva ), ein Antikörper, der die Osteoklastenaktivierung hemmt, verabreicht. Beim ossär metastasierten Prostatakarzinom steht neuerdings eine Radionuklid-Therapie mit Radium 223 (Xofigo ) zur Verfügung, die nicht nur die Schmerzen bessert, sondern auch zu einer Überlebensverlängerung führt. Medikamentöse Schmerztherapie Es gibt grosse Unterschiede in der Schmerztherapie zwischen onkologisch-palliativen und nicht-onkologischen Patienten. Bei den Erstgenannten ist die gute Schmerztherapie mit «Schmerzfreiheit» oberstes Ziel und die Langzeit-Nebenwirkungen der Medikamente stehen im Hintergrund. Bei nicht-palliativen Patienten muss die Schmerztherapie parallel mit einer gesteigerten Funktionalität der Patienten einhergehen, die körperliche und soziale Aktivität ist höher zu gewichten als die «Schmerzfreiheit». Tumorschmerzen sind vielschichtig. Oft sind es gemischte Schmerzen. Neuropathische Schmerzen brauchen zur Schmerzeinstellung zusätzlich «Adjuvanzien». Psychosoziale Faktoren und Ängste können die Schmerzen beeinflussen. Insbesondere wird das Bewusstsein der fortschreitenden, terminalen, «schrecklichen» Krankheit durch starke Schmerzen wach gehalten und verstärkt - ein Teufelskreis. der zu behandeln ist. Bei der Betreuung von Tumorschmerzen ist die Kommunikation zwischen Patienten. Angehörigen. Hausärzten und Spitex äusserst wichtig und entlastend. Der Patient muss das Vertrauen haben, dass die Schmerzen, die Erkrankung und alle dazugehörigen Begleitsymptome aufmerksam und sorgfältig behandelt werden. Bei der onkologisch-palliativen Schmerztherapie wird meist das WHO-Stufenschema als Grundlage aufgeführt. Es zeigt im Wesentlichen, dass es «nur» vier Gruppen von Medikamenten gibt: die Nicht-Opioide in der untersten Klasse zusammen mit den Adjuvanzien als Co-Analgetika. In der zweiten Stufe sind die schwachen Opioide, mit dem Hauptvertreter Tramadol. Diese Stufe hat wegen der oberen Dosisgrenze von Tramadol keinen Stellenwert in der Tumorschmerztherapie und sollte übersprungen werden. Die dritte Stufe enthält die wichtigsten Medikamente: die potenten Opioide. WHO Stufe 1: Nicht-Opioide Die NSAIDs können gerade bei Knochenmetastasen und bei Tumorkachexie eine günstige Wirkung haben. Welches Präparat unter den vielen NSAIDs ausgewählt wird, ist meist «Erfahrungssache» des verschreibenden Arztes, wobei die Erfahrungen des Patienten und die Komorbiditäten berücksichtigt werden (dazu gehört beispielsweise die Frage. ob primär ein Cox-II- Hemmer eingesetzt wird). Die längerfristigen Nebenwirkungen auf Niere, Magen -/Darmtrakt oder Herz sind weniger relevant als bei Nicht-Tumorpatienten, bei letztgenannten sollen die Medikamente langfristig wegen der Nebenwirkungen mit Zurückhaltung verordnet werden. Es gibt klare individuelle Unterschiede zwischen den Präparaten, bei geringer Wirksamkeit des einen muss auf ein zweites gewechselt werden. Schluckstörungen müssen erfragt werden und die Tablettengrösse ist mitzuberücksichtigen. Paracetamol hat keine entzündungshemmenden Eigenschaften, ist aber im Nebenwirkungsprofil unter 2 g günstiger als die NSAIDs. Oft wird Paracetamol - wenn es schon lange eingesetzt wurde - ohne klaren Benefit weiter verordnet. Eine Wirkkontrolle mit einem Absetzversuch kann sinnvoll sein. Ausschnitt Seite: 2/5

Metamizol: Gerade die Tropfenform ist gut einzunehmen und hat ihren Platz meist als Komedikation mit den Opioiden. Adjuvanzien Bei neuropathischen Schmerzen sind Antiepileptika und antidepressive Substanzen wertvoll. Die Auswahl der Substanzen berücksichtigt unter anderem deren zusätzliche Nebenwirkungen, die bei Tumorpatienten günstig eingesetzt werden können. Im Folgenden ein paar Beispiele. Pregabalin: Hat eine günstige Wirkung auf neuropathische Schmerzen, führt zu einer Gewichtszunahme, zu einem besseren Nachtschlaf und ist anxiolytisch. Die Dosierung liegt individuell zwischen 0-0-25 mg bis 300-0-300 mg. Mirtazapin: Hat neben der Schmerzreduktion appetitfördernde und auf die Nacht sedierende Eigenschaften und wird aus diesem Grund von den Autoren oft verschrieben. Dosierung 15-45 mg abends; Schmelztabletten werden übrigens nicht oral resorbiert, sondern im Dünndarm und wirken somit nicht bei Erbrechen. Kortikosteroide: Haben einen hohen Stellenwert bei neuropathischen Schmerzen durch Plexusinfiltrationen, bei Leberkapselspannung, zur Appetitanregung. zur Hirndrucksenkung oder Behandlung des Ileus. WHO Stufe 3: Starke Opioidanalgetika Alle Karzinompatienten mit mässigen und starken Schmerzen sollten mit Opioiden behandelt werden. Es ist günstig, bei mässig starken Schmerzen früh mit kleinsten Dosen zu beginnen, damit keine Übelkeit auftritt. Die «Opioidunverträglichkeit» ist meist ein Problem der zu raschen Dosissteigerung. Bei den meisten Tumorpatienten ist durch den konsequenten Einsatz mit Steigerung der Opioide eine optimale Schmerztherapie möglich, es braucht wegen der höchst individuellen Dosierung Zeit und wegen des «Morphium-Stigmas» eine gute Aufklärung des Patienten und insbesondere auch der Angehörigen. Gerade Angehörige spielen eine wesentliche Rolle bei Opioid- Verabreichung. da der Patient im Verlauf der Erkrankung zunehmend auf deren Unterstützung angewiesen ist. Bei älteren Patienten findet man zu Unrecht teilweise mehr Zurückhaltung im Verschreiben der Opioide [5]. Es gibt im Handel wenige starke Opioid-en. Alle sind wirksam und die optimale Auswahl ist abhängig von patientenspezifischen und medikamentenspezifischen Faktoren. Die reinen en haben keinen Ceiling-Effekt, d.h. bei einer Dosissteigerung kommt es zu einer verbesserten Analgesie, in einer halb-logarithmischen Dosis-Wirkungs-Beziehung. Die Dosis soll soweit gesteigert werden, bis eine Wirkung eintritt. Weiter ist der Erfolg von der richtigen Applikationsform (oral, transdermal, parenteral) abhängig. Neuere Opioide wie Tapentadol mit zusätzlichen Nicht-Opioid-Rezeptoren-Eigenschaften erweitern das Spektrum. Neuere Studien zeigen die Abhängigkeit der Bioverfügbarkeit der Opioide von enzym-genetischen Mechanismen [6] und von Medikamenteninteraktionen, eine höchst individuelle Dosierung mit «feinfühliger» Titration ist somit zentral. Da die unterschiedlich starken en eine unterschiedliche Affinität zu den Subtypen der verschiedenen Opiatrezeptoren haben, können die Präparate ein unterschiedliches Nebenwirkungsprofil haben. Bei intolerabler Nebenwirkung oder ungenügender Wirkung soll deshalb eine Opioidrotation vorgenommen werden. Die langfristige Applikation der Opioide speziell in hohen Dosen kann zur Opioid-induzierten Hyperalgesie führen. Wir sehen dies im Alltag selten, da wir Dosen über 800-1000 mg Morphin-Äquivalent meiden, indem wir ein weiteres Opioid zuführen, den Applikationsweg ändern oder Ketamin einsetzen. Nebenwirkungen Die Opioid-abhängigen Nebenwirkungen sind oft eine Herausforderung. da die Tumor-assoziierten Nebenwirkungen gleich sein können. die Zuordnung nicht immer einfach ist und oft zu schnell den Opioiden zugeschrieben wird. Gerade das «end of life»-delir, bei dem Opioide meist eine unwesentliche Rolle spielen, wird immer wieder den Opioiden zugeordnet und führt zu dem genannten «Morphium-Stigma». Dies braucht klärende Gespräche mit allen involvierten Personen. Wir betonen in der Aufklärung. dass die Opioide im Gegensatz zu schwachen Analgetika nicht organtoxisch und deshalb ideale Medikamente zur Langzeittherapie sind. Die für uns wichtigste Nebenwirkung ist die Obstipation, da der Patient auch ohne Opioide viele Risikofaktoren für die Obstipation hat (ungenügende Flüssigkeitszufuhr. schwierige Nahrungsaufnahme, körperliche Inaktivität und mangelnde Privatsphäre beim Stuhlen). Wenn der Patient die osmotischen Laxatienten nicht mehr trinken mag, so verwenden wir Lubiproston 24 mcg 1-0-1, da dies als kleine Tablette meist noch eingenommen werden kann. Oxycodon/Naloxon und Tapentadol haben diesbezüglich ein Ausschnitt Seite: 3/5

besseres Nebenwirkungsprofil. Nausea und Emesis können bei Steigerung der Dosis auftreten, die Verordnung von verschiedenen Antiemetika ist obligat, aber leider sind sie nicht immer genügend wirksam. Die Müdigkeit ist meist nicht allein durch die Opioide verursacht, sie wird nach Steigerung der Dosis Tage später besser. Bei einigen Patienten ist der Einsatz von Methylphenidat hilfreich. Tipps zur Verschreibung der Opioide in der Tumorschmerztherapie Wahl der retardierten Basistherapie: In Tabelle 1 sind die von uns eingesetzten Opioide aufgeführt. Bei Tumorschmerzpatienten entscheiden wir uns oft für Fentanyl TTS (sicherer Applikationsweg sowohl bei Erbrechen als auch in der terminalen Phase. in welcher der Patient oral nichts mehr aufnehmen kann). Bei Opoid-naiven Patienten beginnen wir mit 12 mcg/h, da 25 mcg/h schon mit Nausea verbunden sein können. Bei starker vorbestehender Obstipation sind Oxycodon /Naloxone oder Tapentadol günstiger. Wahl der en Form: Bei möglichem Erbrechen vorzugsweise Fentanyl buccal. Kurzwirksame Form immer max. stündlich und Dosisanpassung bei Steigerung der retardierten Form. Morphin oder Hydromorphon-Ampullen können in Reserve mit genauer Instruktion abgegeben werden, falls eine orale Einnahme z.b. bei Erbrechen für den Moment nicht mehr möglich ist (führt sonst zu Hospitalisierungen). Eine gute Information der Patienten und Angehörigen, eine schriftliche Abgabe aller Dosierungen mit Steigerungsmöglichkeiten und die Therapie der Nebenwirkungen sind zentral. Dies kann in Form eines «Massnahmenplans» geschehen. Schwierig einzustellende Patienten In ca. 5% können Tumorpatienten schmerztherapeutisch mit den genannten Massnahmen nicht befriedigend eingestellt werden. Wir applizieren bei diesen Patienten die Medikamente über Schmerzpumpen (PCA-Geräte) s.c., i.v. über den Port oder intrathekal. Die Medikamentenauswahl wird vergrössert und Kombinationen mit folgenden Medikamenten sind möglich: Ketamin, Catapresan, Dormicum, Haldol, Buscopan und Lokalanästhetika. Fazit Die konsequente, individuelle, engagierte Behandlung der Tumorschmerzen ermöglicht dem Patienten, sein Leben «zu Ende zu leben». Bei der Betreuung von Patienten mit Tumorschmerzen zu Hause sind die Hausärzte zusammen mit der spitalexternen Krankenpflege und den Angehörigen die wichtigsten Kontaktpersonen. Bei schwieriger Schmerzproblematik müssen Spezialisten hinzugezogen werden. Zusammen mit spezialisierten onkologischen Spitexangeboten können Patienten auch mit stärksten Schmerzen bis am Ende zu Hause bleiben und optimal versorgt werden, sofern die Patienten Bezugspersonen haben, welche Zeit und Kraft haben, diese Betreuung mitzutragen. Literaturliste beim Verlag Dr. med. Monika Jaquenod-Linder Wirbelsäulen-und-Schmerz-Clinic Zürich Klinik Hirslanden Witellikerstrasse 40, 8032 Zürich monika@jaquenod.ch Ausschnitt Seite: 4/5

Tab. 1: Auswahl der Opioide Wirkstoff Opioid- Opiold- Rezeptor Applikations- Möglichkeiten Maximale Tagesdosis Äquipotenz Aquipotenz Bemerkungen Morphin p.o., rectal, i.v., s.c., intrathekal, retardiert,, orale Bioverfügbarkeit 30%.Keine»* «Keine,* 10 mg Morphin parenteral = 30 mg oral - Metaboliten: MG3 zentral excitatorisch MG6 hohe analgetische Potenz - Kontraindiziert bei Niereninsuffizenz Hydromorphon p.o., s.c., i.v., intrathekal, retardiert, Morphin: Hydromorphon oral 3-5:1 - Neuer auch in Tropfenform Oxycodon Oxycodon/ Naloxon p.o., retardiert, retardiert rt 120 mg (bis 160 mg) 5 mg = 10 mg Morphin p.o. - Vorteile bezüglich Obstipation Fentanyl transdermal, buccal, i.v. s.c., intrathekal 25 mcg/h TTS = 60 mg MST. - TTS bei Kachexie oft nicht mehr so gut wirksam - Pflasterwechsel später alle zwei Tage notwendig - Pflaster können geschnitten werden Methadon p.o., s.c., i.v., intrathekal Morphin oral: Methadon oral 30-90 mg Mo 3-4:1 90-300 mg Mo 8:1 >300 mg Mo --«- 12:1 - Halbwertszeit 15-190 h - Bei schneller Steigerung und fixer Dosierung Kumulation möglich - NMDA-Rezeptor-Antagonist - Hohe Dosen QT-Veränderungen Tapentadol, NA- reuptake Hemmer p.o., retardiert, 500-600 mg 100 mg = 40 mg Morphin oral - Spez. bei neuropathischen Schmerzen - Besser bezüglich Obstipation Buprenorphin Part. - Antagonist lingual, transdermal - 35 mcg TTS = 60 mg Morphin - Spez. bei neuropathischen Schmerzen Pethidin (Dolantin) p.o., s.c. 6-10 mg/kg/kg Max. 600 mg 75 mg s.c. = 10 mg Morphin s.c. - Norpethidin, neurotoxisch, als Metabolit mit HWZ 12-16 h, Kumulation bei Niereninsuffizienz und älteren Patienten - Gefahr der Toxizität, vor allem bei höheren Dosen - höchstes Suchtpotential * Die Information keine obere Dosisgrenze» ist mit Vorsicht zu behandeln, wegen Hyperalgesie-Risiko Ausschnitt Seite: 5/5