Grundlagen der Umwelttechnik 2. Klimaschutz Vorlesung an der Hochschule Augsburg Dr. Siegfried Kreibe Stand 2013 1 Prinzip Treibhauseffekt Kurzwellige Sonnenstrahlung wird von der Erdoberfläche als langwellige Wärmestrahlung reflektiert. Treibhausgase (THG) halten diese langwellige Wärmestrahlung zurück Ohne natürliche THG lägen die Temperaturen auf der Erde bei -18 C (tatsächlich + 15 C) Anthropogener (vom Menschen verursachter) Treibhauseffekt: Verstärkung des natürlichen Treibhauseffektes v.a. durch von Menschen verursachte zusätzliche THG-Emissionen Quelle: Hamburger Bildungsserver 2
Die Vergangenheit 3 CO 2 -Emissionen aus fossilen Quellen weltweit Mio. t Kohlenstoff pro Jahr 8000 7000 6000 6000 5000 5000 4000 4000 3000 3000 3000 2000 2000 2000 1000 1000 1000 0 01959 1919 1979 1995 1996 1964 1929 1969 1939 1974 1949 1979 1959 1969 1989 1995,5 1991 19841996 1993 1996,5 1997 1984 1979 1989 1989 1994 1989 1997 1995 1994 1997,5 19971998 1998 1700 1839 1859 1750 1879 1800 1899 1919 1850 193919001959 1950 1979 2000 Durchschnitt 2000-2005 Jahr 4
Entwicklung Treibhausgaskonzentrationen Entwicklung in den letzten 10.000 Jahren Seit etwa 1750 exponentieller Anstieg der Konzentrationen wichtiger Treibhausgase in der Atmosphäre Grafik von oben nach unten: Kohlendioxid (CO 2 ) Methan (CH 4 ) Lachgas (N 2 O) Quelle: IPCC, Klimaänderung 2007; 4. Sachstandsbericht, Synthesebericht; bersetzung; Bern, Wien, Berlin 2007 5 Entwicklungen in der Vergangenheit Kurven: über ein Jahrzehnt gemittelte Werte Kreise: Jahreswerte Blaue Fläche: geschätzter Unsicherheitsbereich (roter Strich = Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990) Quelle: IPCC, Klimaänderung 2007; 4. Sachstandsbericht, Synthesebericht; Übersetzung; Bern, Wien, Berlin 2007 6
Die Zukunft 7 Was ist ein Modell? Ein Modell ist eine vereinfachte Beschreibung eines Ausschnitts der Wirklichkeit. Es umfasst die Bestandteile des Ausschnitts, Einflussgrößen und deren Wechselwirkungen. Modelle sind unterschiedlich vollständig und genau. Sie bilden die Wirklichkeit immer nur teilweise ab. Modelle können numerische oder qualitative Beschreibungen sein. Modelle helfen Mechanismen und Zusammenhänge in der Wirklichkeit zu verstehen und Folgen von Änderungen in der Wirklichkeit abzuschätzen. 8
Beispiele für den Einsatz von Modellen Drei-Kompartiment-Modelle der Umwelt Beschreiben z.b. den Transfer von Schadstoffen zwischen Wasser, Boden und Luft Ökobilanzen Beschreiben Stoff- und Energieflüsse zum Beispiel bei Herstellung, Einsatz und Entsorgung eines Produktes und deren Auswirkungen auf die Umwelt Markt-Modelle Beschreiben wie sich Kunden, Lieferanten, Konkurrenten und andere Akteure sich am Markt verhalten Klimamodelle Beschreiben wie Klimaänderungen zustande kommen 3-Kompartiment- Modell der Umwelt 9 Was ist ein Klimamodell? Ein Klimamodell ist eine (rechnerische) Darstellung des Klimasystems, die auf den physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften seiner Bestandteile und ihren Wechselwirkungen und Rückkopplungsprozessen basiert und alle oder einige seiner bekannten Eigenschaften berücksichtigt. 10
Strahlungsantrieb Strahlungsantrieb (Einheit: W/m 2 ) = Veränderung in der vertikalen Nettoeinstrahlung (Einstrahlung minus Ausstrahlung) an der Tropopause (= Grenzbereich v. Troposphäre, 0-12 km über dem Meeresspiegel u. Stratosphäre, 12-50 km) aufgrund einer Veränderung z.b. in der Konzentration von Kohlendioxid Der Strahlungsantrieb ist ein Maßstab für den Einfluss, den ein einzelner Faktor auf die Veränderung des Strahlungshaushalts der Atmosphäre hat. Er ist ein Index für die Bedeutung dieses Faktors für eine Klimaänderung. 11 Einige Treibhausgase und ihr Treibhauspotenzial Treibhauspotenzial (Klimawirksamkeit) im Vergleich zu CO 2 (kg CO 2eq pro kg Gas) Beitrag zum anthropogenen Treibhauseffekt (%) Kohlendioxid 1 60 Methan 25 20 Lachgas 298 6 FCKW 11 (CClF 3 ) 14.400 2 Schwefelhexafluorid 22.800 gering CO 2eq : CO 2 -Äquivalente; bezogen auf 100 Jahre Quelle: Forster, P. et al.: Changes in Atmospheric Constituents and in Radiative Forcing in: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. 4th IPCC Assessment Report. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA.. 2007; Zugriff: 15.6.2013 12
Quellen des Strahlungsantriebs Hinweis: Albedo ist der Anteil der Sonnenstrahlung, der an einer Oberfläche reflektiert wird GDWV: Grad des wissenschaftl. Verständnisses Quelle: IPCC, Klimaänderung 2007; 4. Sachstandsbericht, Synthesebericht; Übersetzung; Bern, Wien, Berlin 2007 13 Was ist ein Szenario Ein Szenario ist eine plausible und häufig vereinfachte Beschreibung davon, wie die Zukunft sich gestalten könnte, basierend auf einer zusammenhängenden und in sich widerspruchsfreien Reihe von Annahmen über die treibenden Kräfte und die wichtigsten Zusammenhänge. Szenarien beruhen häufig auf Modellen. Die Eigenschaften und Einflussgrößen im Modell werden verändert und dann berechnet, was sich dadurch am Modell verändern würde. Dies erlaubt eine Abschätzung künftiger Entwicklungen. 14
Beispiele für IPCC Klimaszenarien Szenarientyp A1: starkes ökonomisches Wachstum und zunehmend ausgeglichene Verhältnisse zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, Bevölkerungszunahme bis Mitte des 21. Jahrhunderts, dann Abnahme Einführung neuer und effizienterer Technologien. Szenarientyp A2: Sehr heterogene Welt; Autarkie und Bewahrung lokaler Identitäten; regionale Fruchtbarkeitsmuster konvergieren sehr langsam; stetig zunehmende Bevölkerung; wirtschaftliche Entwicklung vorwiegend regional orientiert; Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum und technologische Veränderungen bruchstückhaft und langsam. Szenarientyp B1: Sich näher kommende Welt; Mitte des 21. Jahrhunderts kulminierende, dann rückläufige Weltbevölkerung; rasche Änderung der wirtschaftlichen Strukturen Richtung Dienstleistungs- / Informationswirtschaft; Rückgang des Materialverbrauchs; Einführung sauberer und ressourceneffizienter Technologien; globale Lösungen für wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit sowie erhöhte sozialer Gerechtigkeit. Hinweis: IPCC Szenarien beinhalten keine zusätzlichen Klimainitiativen! D.h. z.b. keine Umsetzung d. Emissionszielsetzungen des Kyoto-Protokolls. 15 Vsl. Erwärmung Erdatmosphäre (Szenarien) Anstieg der globalen Temperatur roter Strich = Durchschnitt Jahre 1980-1990 Quelle: IPCC, Klimaänderung 2007. 4. Sachstandsbericht, Synthesebericht; Übersetzung; Bern, Wien, Berlin 2007 16
Vsl. Änderung Meeresspiegel und Temperatur Die IPCC Szenarien führen bis 2099 zu Meeresspiegelanstiegen zwischen 18 und 59 cm Zu Temperaturanstiegen zwischen 0,3 und 6,4 C Quelle: IPCC, Klimaänderung 2007. 4. Sachstandsbericht, Synthesebericht; Übersetzung; Bern, Wien, Berlin 2007 17 Wichtige Folgen Temperaturanstieg Quelle: IPCC, Klimaänderung 2007; 4. Sachstandsbericht, Synthesebericht; Übersetzung; Bern, Wien, Berlin 2007 18
Wichtige Folgen Temperaturanstieg Quelle: IPCC, Klimaänderung 2007; 4. Sachstandsbericht, Synthesebericht; Übersetzung; Bern, Wien, Berlin 2007 19 Treibhausgasemissionen: Quellen und Gegenmaßnahmen 20
Quellen anthropogener Treibhausgase weltweit 1970-2004 Quelle: IPCC, Klimaänderung 2007; 4. Sachstandsbericht, Synthesebericht; Übersetzung; Bern, Wien, Berlin 2007 21 Bevölkerungsexplosion 22
Treibhausgasemissionen pro Kopf (2007) Jährliche Treibhausgasemissionen (t CO 2 -Äquivalente / Kopf) Qatar 53,5 USA 18,1 Deutschland 9,6 China 4,9 Rumänien 4,4 Indien 1,4 Uganda 0,1 Quelle: CDIAC (Carbon Dioxide Information Analysis Centre) 23 Treibhausgasemissionen in Deutschland Quelle: Umweltbundesamt 2010 24
Minderung Treibhausgas-Emissionen: grundsätzliche Ansatzpunkte andere Einsatzstoffe (z.b. Solarenergie statt Braunkohle) Abfangen und deponieren der Treibhausgase (z.b. in Salzstöcken) Kohlenstoffhaltiger Input (z.b. Kohle) Prozess (z.b. Herstellung, Einsatz und Entsorgung eines Produktes) Freisetzung von Treibhausgasen effizientere Nutzung der Einsatzstoffe (z.b. verbrauchsgünstige Pkw) Verzicht auf den Prozess / das Produkt (a) Entmaterialisierung (z.b. Datei statt CD) (b) Verzicht auf den Nutzen des Prozesses / Produktes 25 Maßnahmen zur Minderung von Treibhausgasemissionen Wärmedämmung an Gebäuden Niedrigenergiehäuser Vermehrte Nutzung von Abwärme Vermehrter Einsatz erneuerbarer Energien Reduzierung des Energieverbrauchs elektrischer Geräte Kraft-Wärme-Kopplung statt reiner Stromerzeugung Reduzierung des Treibstoffverbrauchs von Kfz Entwicklung und Einsatz energieeffizienter Geräte Modernisierung von Heizungsanlagen Materialeffizienz. 26
Wege zur Treibhausgasminderung Pläne UBA 27 Maßnahmen zur Treibhausgasemission Z.B. Materialeffizienz Materialeffizienz ist die Erreichung gleicher mit geringerer Materialmenge Primärenergie / -rohstoff Bezugsgröße Entlastung der Umwelt bei vollst. Vermeidung [kg CO 2 -Äquivalente] Aluminium-Barren aus Primärrohstoffen 1 t 12.643 N-Dünger 1 t 7.643 PET-Granulat (amorph) 1 t 4.356 Reinkupfer aus Primärrohstoffen 1 t 2.932 Rohstahl aus Oxygen- Stahlverfahren 1 t 2.541 PP-Granulat 1 t 1.985 Methanol 1 t 1.264 Zementklinker mit Steinkohle 1 t 1020 Zellstoff aus Primärfasern (elementar chlorfrei gebleicht) 1 t 351 Rohglasscherben 1 t 125 Zum Vergleich: 1 t Heizöl im Heizkraftwerk (ohne Vorketten): ca. 3.100 kg CO 2 -Äqu. 1 t Braunkohle in WS-Verbrennung (ohne Vorketten): ca. 1.100 CO 2 -Äqu. 28
Scoping = Umgang mit Klimafolgen Klimawandel wird in gewissem Umfang unvermeidbar sein => Auseinandersetzung mit unvermeidbaren Folgen erforderlich z.b. voraussichtliche Folgen für Bayern bis 2100 (Szenario A1B Energiemix fossil / nicht fossil): Anzahl heiße Tage (>30 C) steigt auf bis das Doppelte (Gesundheitsrisiko) Eistage (T max <0 C) und Schneebedeckung deutlich verringert (Tourismus) Zunehmende Starkniederschläge (Hochwassergefährdung) Häufigere sommerliche Dürren (Landwirtschaft) Aufwärtsbewegung der Vegetationszonen im Gebirge (bei +2 C um ca. 400 Höhenmeter) (Artenverlust, Ökosysteme könne nicht nachregeln) Temperaturanstieg im Winterhalbjahr um > 2 C (teils Vorteile für Agrarwirtschaft - Sortenwahl, Vegetationsperioden) Gefahren durch neue Schädlinge (Landwirtschaft) Fichtenbestand wird stark zurückgehen (Forstwirtschaft) 29