SGB II. Teil 7 Personalisierte Leistungsberechnung. von Prof. Dr Klaus Schneider-Danwitz

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1 SGB II Teil 7 Personalisierte Leistungsberechnung von Prof. Dr Klaus Schneider-Danwitz 1

2 Notwendigkeit einer personalisierten Leistungsberechnung Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach 7 Absatz 3 Nummer 4 nur die im Haushalt lebenden Kinder, die auch selbst hilfebedürftig sind. Ob ein Kind hilfebedürftig ist, hängt davon ab, ob die Summe seiner Bedarfe höher sind als die ihm zur Verfügung stehenden Eigenmittel. Wie hoch die Bedarfe des Kindes sind, und wie viele Eigenmittel zur Verfügung stehen, lässt sich im Wege einer personalisierten Leistungsberechnung für die Bedarfsgemeinschaft errechnen. Das bedeutet, dass alle Bedarfe und alle Eigenmittel nicht einfach für die gesamte Bedarfsgemeinschaft addiert werden, sondern dass sie den Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft zugeordnet werden. Dazu ist eine Tabelle anzulegen, deren Spalten die Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft angeben und deren Zeilen deren Bedarfe (Sozialgeldbedarf und anteiliger Unterkunftsbedarf) und deren Eigenmittel (Einkommen, Selbsthilfemöglichkeiten und Vermögen) ausweisen. 2

3 Notwendigkeit einer personalisierten Leistungsberechnung Absetzbeträge im Sinne von 11b Absatz 1 SGB 2 sind für jeden Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft getrennt zu ermitteln. Das hat die folgenden Gründe: Ob etwa die Werbungskostenpauschale oder die Werbungskosten im einzelnen oder die stattdessen anzusetzenden Mindestpauschalen für Versicherungen, Aufwendungen oder Fahrtkosten anzusetzen sind, ist für jeden Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft getrennt zu ermitteln. So kann etwa für den Erwerbstätigen in der Bedarfsgemeinschaft die Werbungskostenpauschale in Abzug zu bringen sein und für seine Unterhalt oder Sozialleistungen beziehende Partnerin die Versicherungspauschale. Beziehen zwei Personen Erwerbseinkommen, so kann für den einen die Werbungskostenpauschale in Abzug zu bringen sein und für den anderen die tatsächlichen Werbungskosten. Diese Differenzierungen lassen sich am einfachsten im Wege einer personalisierten Leistungsberechnung darstellen. Dazu ist eine Tabelle anzulegen, deren Spalten die Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft angeben und deren Zeilen die für die Berechnung des Hilfebedarfs maßgeblichen Bedarfe und Einkommensverhältnisse 3 abbilden.

4 Personalisierte Leistungsberechnung Im Haushalt lebende Kinder unter 25 Jahren gehörende Kinder unter 25 Jahren gehören nach 7 Absatz 3 SGB 2 nicht zur Bedarfsgemeinschaft, wenn sie selbst nicht hilfebedürftig sind. Für diese Feststellung muss die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft in personalisierter Form wie folgt ermittelt werden. Personen im Haushalt Bedarfe Antragsteller Partner Kind 1 Kind 2 Regelbedarf +Mehrbedarf +Unterkunftskosten =Summe -Einkommen =Hilfebedürftigkeit 4

5 Fall: Personalisierte Leistungsberechnung Die erwerbsfähige Frau F lebt mit dem ebenfalls erwerbsfähigen Herrn M in einer 85m 2 großen Wohnung, die mit Heizung und Warmwasser 500 kostet. F und M leben dort mit ihrem 18jährigen Kind K 18 und ihrem 10jährigen Kind K 10. F hat einen 400 -Job (Brutto=Netto=400 ) und bekommt für beide Kinder das Kindergeld. M und K 10 haben kein Einkommen. K 18 ist Auszubildender in einer Bank und verdient 600 im Monat brutto, von denen ihm 479 netto ausbezahlt werden. Alle Haushaltsangehörigen haben keinerlei Vermögen. F beantragt beim Jobcenter für ihre Bedarfsgemeinschaft Arbeitslosengeld Welche laufende Leistung stehen der Bedarfsgemeinschaft ab zu? 2. F leidet unter einer Hornhautverkrümmung beider Augen. F benötigt deshalb eine Brille, die 300 kostet. F geht ihre Brille kaputt. Sie beantragt für sich 300 für eine neue Brille. Die Krankenkasse bezahlt das nicht. Wird Sie die 300 einmalig zusätzlich vom Jobcenter erhalten? 5

6 Zu 1. Berechnung der laufenden Leistungen Ob K 18 zur Bedarfsgemeinschaft gehört, hängt von seiner Hilfsbedürftigkeit ab. Dazu muss die Hilfsbedürftigkeit personalisiert berechnet werden. Bedarfe M F K 18 K 10 Regelbedarf 368,00 368,00 327,00 291,00 KdU Gesamtbedarf Lohn Steuern&SV Werbungskosten Erwerbstätigenfreibetrag Anrechenbares Erwerbseinkommen anrechenbares 0 Einkommen 125,00 125,00 125,00 125,00 493,00 493,00 452,00 416,00 400, ,00-60,00 240,00 600,00-121,00-100,00-100,00 279,00 192,00 Kindergeld 19, ,00 471,00 192,00 Hilfebedarf 493,00 234,00-19,00 224,00 6

7 Zu 1. Berechnung der laufenden Leistungen K 18 ist nicht hilfsbedürftig. Deshalb gehört er nicht zur Bedarfsgemeinschaft und sein Einkommen gilt nicht als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft. Soweit K 18 jedoch das Kindergeld nicht benötigt, gilt das nach 11 Abs.1 letzter Satz SGB II als Einkommen von F. Dies ist in Höhe von 19,00 der Fall. Der Bedarfsgemeinschaft stehen entsprechend der tabellarischen Auflistung der Bedarfe und des Einkommens aller Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft laufende Leistungen in Höhe von insgesamt 951,00 zu (493,00 für M + 234,00 für F + 224,00 für K 10 = 951,00 ).

8 Zu für die Brille Unabweisbarer Bedarf im Sinne von 24 Absatz 1 SGB 2 Gesundheit und Menschenwürde wären verletzt, wenn die notwendigen Maßnahmen zur Herstellung der Sehfähigkeit nicht ermöglicht werden. Nachrang Nach 5 SGB 2 haben Leistungen der Krankenversicherung Vorrang. Die Kosten von Augengläsern und Brillengestellen werden aber von den Krankenkassen nicht mehr übernommen. Bestreitbarkeit des Bedarfs aus dem Regelbedarf Nach 24 Absatz 1 SGB 2 steht ein unabweisbarer Sonderbedarf dem Arbeitssuchenden nur zu, wenn dieser aus dem Regelbedarf nicht bestritten werden kann. Maßgeblich ist nur der Regelbedarf, nicht Mehrbedarfe und Unterkunftskosten Maßgeblich sind aber alle Regelbedarfe der Bedarfsgemeinschaft. Nicht nur der von F. Aber K 18 gehört nicht dazu. Für M und F je 366 und für K ergeben Angesichts der nach 31a SGB 2 bestehende Möglichkeit zur Kürzung um 30% können nur etwa 30% des Regelsatzes zur freien Verfügung stehen. Das sind 300,60. Das genügt. Die 300 müssen daher nicht vom Jobcenter zusätzlich als Darlehen gewährt werden. 8

9 Fall: Aufstocker in der Bedarfsgemeinschaft M und F sind beide 34 Jahre alt und sind miteinander verheiratet. Sie haben das 15jährige Kind K 15 und das 9jährige Kind K 9. Die Miete beträgt kalt 600 und die Heizung kostet im Monat 80. M verdient brutto 900, netto 713. M fährt täglich mit dem Auto zur Arbeit. Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeit beträgt 15 km. Im Monat hat er durchschnittlich 19 Arbeitstage. Ein Versicherungsvertreter hatte M in der Vergangenheit eine Riesterrente angedreht. Dafür muss M nun 15 im Monat bezahlen. Für beide Kinder bekommt M Kindergeld. F verdient als Verkäuferin 1400, netto Sie fährt mit dem Bus zur Arbeit. Die Monatskarte kostet 60 im Monat. Vermögen besitzt die Familie nicht mit Ausnahme des gemeinsamen Autos, das wert ist. Berechnen Sie bitte kurz, ob die Familie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld 2 hat! 9

10 Lösungsvorschlag zum Fall Bedarfsgemeinschaft Bedarfe M F K 15 K 9 Gesamt Regelbedarf KdU Summe Einkommen M F K 15 K 9 Gesamt Brutto Steuer+SozV Versicherung Pauschale Aufwendungen -15,33 Pauschale -100 Fahrtkosten 0,20x19x15= Altersvorsorge Erwerbstätigenfreibetrag Summe Eink. 435, ,67 Hilfebedarf 98, ,33 10

11 Lösungsvorschlag zum Fall Bedarfsgemeinschaft II Vermögensanrechnung Wert des Autos davon anrechungsfrei Vermögen Freibeträge M F K 15 K 9 Gesamt Grundfreibetrag Anschaffungsfreibetrag Summe Die Summe der Freibeträge ist größer als das Vermögen. Es ist kein Vermögen auf den Bedarf anzurechnen. Die Bedarfsgemeinschaft erhält ab sofort monatlich 469. Zusätzlich erhält sie nach 28 Abs. 3 SGB 2 für die beiden Kinder jeweils 30 zum 1. Februar und 70 zum 1. August zur Deckung des Schulbedarfs. 11

12 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit