AUSLANDSSEMESTER AN DER ACADIA UNIVERSITY, NOVA SCOTIA, KANADA

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1 AUSLANDSSEMESTER AN DER ACADIA UNIVERSITY, NOVA SCOTIA, KANADA Zeitraum: August 2015 bis April 2016 Identifizierungscode: KAN B32- w Nova Scotia liegt am östlichen Rande Kanadas, etwas vergessen zwischen der Atlantikküste und der Bay of Fundy, bekannt für die größten Gezeiten der Welt. Ich habe mich für die Acadia University entschieden auf Grund der guten akademischen Bewertungen und dem positiven Teamspirit für die sie bekannt ist. Besonders die Intimität der Nachhaltigkeits- orientierten Programme hatte mich gereizt da ich mir kleine Seminare, viele Diskussionen und selbständige Projekte erhoffte. VORBEREITUNG Acadia hat eine Partnerschaft mit der Universität Freiburg, welche es ermöglicht ohne Studiengebühren zu studieren. Ich habe mich für dieses Programm und gegen einen free mover entschieden, weil es mehr Sicherheit gab einen Platz zu bekommen. Da mir da Programm und die Uni gefiel, sah ich keinen Grund mich nicht darauf zu Universität bewerben. Die Bewerbung für den Austauschplatz beginnt bereits mehr als ein Jahr bevor man das Auslandssemester antritt. Dies benötigt viel voraussichtiges Planen aber gibt einem bereits im Dezember Sicherheit ob man gehen kann oder nicht. Ich empfehle anderen diesen Weg zu gehen, wenn man flexibel in der Universitätswahl ist, da man sich auf mehre Universitäten in Kanada gleichzeitig bewirbt und weniger Einfluss auf das Ergebnis hat. Bei mir lag die Auswahl zwischen Vancouver und Acadia, zum Beispiel. Da ich Liberal Arts and Sciences studiere, ist es möglich mit Freiheit seine Fächer zu wählen. Wenn man allerdings bestimmte Kurse und Programme braucht, wäre es besser sich direkt bei den Unis zu bewerben. Vor der Abreise, tritt man bereits in Kontakt mit Acadia, welche einem alle Schritte erklärt. Die Kurswahl verfolgt über und ist recht inoffiziell für Austauschstudenten. Das heißt, man kann meist ohne Probleme in Kurse für die man nicht alle Vorgaben erfüllt. Ich muss sagen, die Universität kümmert sich gut um die Auslandsstudenten und alle Fragen werden schnell beantwortet. Dies gilt für Fragen zu Kursen oder der Wohnungssuche. Für alle, die sich

2 off- campus eine Unterkunft suchen, gibt es Kontakte über die student union aber es ist gewöhnlicher dass die Austauschstudenten sich über ein Onlinesystem auf einen Platz im Wohnheim bewerben. Aus meiner Erfahrung haben diejenigen, die im Wohnheim wohnen mehr Anschluss zu den Studenten und nehmen mehr am Uni- Leben teil. Man muss wissen, dass das Leben sich hier mehr um die Uni dreht als in manchen deutschen Städten. STUDIEREN AN DER ACADIA Es gibt viel zu sagen über das Leben an einer Uni wie Acadia. Ich werde mich auf Sachen beschränken, die ich vorher gern gewusst hätte. Erstens, das Studium ist sehr verschult! Mich hat es ein wenig enttäuscht wie der Unterricht abläuft. Es kommt natürlich auf den Kurs an aber alles in allem erinnerte mich das Format eher an Schule als an Uni. Das heißt, es gibt viele Hausaufgaben, Essays, Quizze, Mid- terms und andere kleine Tests zwischendurch. Der Aufwand ist enorm aber die Aufgaben nicht sonderlich anspruchsvoll, wenn man aus einem höheren Semester kommt. Mir persönlich war es zu viel ständiges Abfragen von auswendig gelerntem Wissen, und zu wenig selbständiges Arbeiten mit selbständigem Zeitmanagement. Ich muss sagen, dass sich dies etwas verbessert, wenn man Kurse aus dem viertem oder drittem Jahr wählt. Diese erfordern etwas mehr Projektarbeiten und bieten spannendere Diskussionen. Das bringt mich zu dem nächsten Punkt: Ich habe es vermisst, dass die Studenten weniger Engagement im Unterricht zeigten als ich es gewöhnt war. Diskussionen bleiben oft sehr oberflächlich und sind nicht immer sehr gut geleitet. Es war oft mehr ein Frage- Antwort- Spiel als eine ausführliche Diskussion zwischen Studenten. Ich will mit diesen Punkten nicht sagen, dass ich nichts gelernt hätte. Im Gegenteil! Ich habe viel fachliches Wissen in Bereichen der Naturwissenschaften, Nachhaltigkeitsstudien und Wirtschaft erlangt. Besonders die kleinen Kurse des Environmental and Sustainability - Programms haben mir gut gefallen da diese näher an die diskussionsbasierten Kurse kommen, die ich gewöhnt bin. Besser wäre es noch gewesen, wenn diese Diskussionen auch tiefer gegangen wären. Besonders gelernt habe ich Kritik an universitären Strukturen zu üben. Meine Teilnahme an Makro- und Mikroökonomiekursen hat mich gelehrt, dass viele unserer heutigen globalen, ökonomischen Probleme nicht lösbar sind, wenn Universitäten sie nicht als solche darstellen. Kritik wird nicht gelehrt und so wird den Studenten vermittelt, dass mit unserem System alles in Ordnung ist. Jeder schreibt fleißig mit, dass GDP unser wichtigster Wirtschaftsindikator ist und dass Wachstum das Ziel einer funktionierenden, kapitalistischen Wirtschaft ist. Kritik an genau diesen Systemen, die uns in globale Ungerechtigkeiten geführt haben, gibt es dort nicht. Wenn wir Studenten in den stärksten Industrienationen immer noch beibringen, dass der neoliberale Kapitalismus unanfechtbar ist, dann erziehen wir damit die nächste Generation von Managern und Kaufläuten, die business- as- usual betreiben ohne daran zu denken, dass Klimawandel und

3 soziale Ungerechtigkeit vielleicht nicht innerhalb dieses Systems lösbar sind. Es geht mir nicht um die Argumentation gegen Kapitalismus, sondern darum, wie Universitäten eine Verantwortung haben Kritik an Systemen zu lehren. Dies habe ich sehr vermisst. DAS LEBEN Jeder der nach Wolfville geht, muss wissen, dass es klein ist. Gerade einmal 7,000 Menschen leben in diesem Örtchen. Das mag nicht für jeden etwas sein, aber für diejenigen, die sich darauf einlassen, kann ich sagen, dass einem nicht viel fehlen wird. Trotz seiner Größe hat Wolfville viel zu bieten, da nahezu 50% der Einwohner Studenten sind. Es gibt genug nette Cafés und Bars um sich, Wanderwege und Sporteinrichtungen. Das Kulturangebot ist natürlich nicht zu Mein Wohnheim vergleichen mit großen Städten, aber die Studentenschaft bemüht sich sehr Vorträge, Filme und Diskussionen zu organisieren. Durch die reichlichen Hausaufgaben bleibt meistens nicht viel Freizeit übrig. Ich persönlich habe diese in einer kleinen Kletterhalle verbracht. Um zufrieden an der Acadia zu studieren kann ich anderen empfehlen sich so viel wie möglich in das Campusleben einzubringen. Die extracurricularen Aktivtäten sind äußerst wichtig um Freundschaften aufzubauen und Kontakte zu knüpfen. Wer nicht auf dem Campus lebt und sich nicht anderweitig in das Uni- Leben einbringt, ist schnell isoliert. In Acadia geht es um Gemeinschaft und Zusammenhalt. Darauf sollte man sich auf jeden Fall einlassen um von der Uni in vollem Umfang zu profitieren. Meine vorherige Sorge, dass das Leben in solch einer kleinen Stadt langweilig würde, hat sich nicht bestätigt. Es gab immer genug zu tun und zu erleben, wenn man nur die Chancen ergreift. Allerdings kommt es sehr auf das Eigenengagement an. Wer nur zu den Vorlesungen geht und dann alleine lernt, ist an der Acadia wohl nicht gut aufgehoben. Aber wer offen ist und sich den doch eher amerikanischen Kulturen etwas anpasst, der wird sehr schnell seine Nische in dieser kleinen Universität finden. Es muss einem bewusst sein, dass in Acadia Leben und Studieren eins ist. Verstecken ist schwierig und führt nicht zum Erfolg. Ich empfehle allen zu den Lunch- Vorlesungen zu gehen, sich in der Acadia PRIDE zu engagieren, dem Outdoor Club beizutreten, ein Sport- Team zu finden oder dem Acadia Refugees Club zu helfen. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, die zu Anfang des Jahres alle auf einer kleinen Messe vorgestellt werden. In

4 diesen kleinen Kreisen ist es leichter Freunde mit gleichem Interesse zu finden und sein Wissen von Land und Leuten zu erweitern. Außerdem kann ich empfehlen jede Möglichkeit zu nutzen Nova Scotia kennenzulernen. Es ist eine kleine aber unglaublich tolle Provinz, die ich nun meine zweite Heimat nennen darf. Wenn ihr also Freunde habt, die euch in ihre Familien einladen, nehmt es unbedingt an! Dies sind die Erfahrungen, die euch hinter die Türen in das alltägliche Leben schauen lassen. Mir hat dies sehr gut gefallen! FAZIT Ja, ich kann die Acadia sehr weiterempfehlen. Mir fiel es schwer letzte Woche Abschied zu nehmen von dem Bay of Fundy, seinen hohen Gezeiten und lieblichen Weinhügeln. Jeder, der in seinem Auslandsjahr ein neues kleines Fleckchen Zuhause sucht und nicht den Trubel einer Großstadt will, wird Wolfville in sein Herz schließen. Eins ist aber zu bedenken: Acadia ist eine gute Uni, aber wer Haupstraße und Acadia Kino einzig und allein aus akademischem Interesse hierherkommt, sollte sich bewusstmachen, dass das amerikanische System verschulter ist als in Deutschland. Mein Fehler war es zu viele Einführungskurse zu wählen, anstelle von höheren Semestern. Ich empfehle euch immer mit den Professoren über eure Befürchtungen zu sprechen. Ich habe oft gewechselt aus dem Gefühl, dass mir der Kurs zu oberflächlich war. Die Lehrer sind sehr kulant und lassen euch oft in Kurse, deren Anforderungen ihr nicht komplett erfüllt. Ich kam immer mit und hätte mir gewünscht manche Kurse übersprungen zu haben und gleich den fortgeführten Kurs zu wählen. Fragen ist immer okay! Mit diesen Tipps kann ich Acadia von ganzem Herzen weiterempfehlen.

5 K.C. Irving Center. Wunderbarer Ort zum Lernen und Lesen