Jahresbericht 2018 des Niedersächsischen Landesrechnungshofs
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- Kristin Teresa Busch
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1 Jahresbericht 2018 des Niedersächsischen Landesrechnungshofs Bemerkungen und Denkschrift zur Haushaltsrechnung des Landes Niedersachsen für das Haushaltsjahr 2016
2 Jahresbericht 2018 Seite: 143 Der LRH verkennt nicht, dass die unter dem Begriff Wissenschaftliche Weiterbildung zusammengefassten Bildungsangebote und Studienformate in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen und sich dabei unterschiedliche Erscheinungsformen herausgebildet haben. Dennoch hält er es für unabdingbar, die einzelnen Bildungsangebote und Studienformate jenseits der bisherigen generalklauselartig gefassten Regelung 242 gesetzlich zu definieren, soweit hieran ein Gebührentatbestand oder eine Gebührenbefreiung geknüpft ist. Dies würde zugleich gewährleisten, dass die niedersächsischen Hochschulen für ihre Angebote im Bereich der Weiterbildung weitestgehend einheitlich Gebühren und Entgelte erheben. Im Übrigen verlangt auch das EU-Beihilferecht eine stringentere Ausgestaltung dieses Bereichs. Dass eine differenzierte Darstellung der verschiedenen Weiterbildungsformate grundsätzlich möglich ist, zeigen die Beispiele anderer Bundesländer. So finden sich in den Hochschulgesetzen etwa des Freistaats Bayern 243 und auch von Baden-Württemberg 244 entsprechende Legaldefinitionen. 22. Unzulässige Privatisierung in der Weiterbildung Im Rahmen der Weiterbildung ist es Hochschulen mangels gesetzlicher Ermächtigung nicht gestattet, die Erhebung von Studiengebühren auf natürliche oder juristische Personen des Privatrechts zu übertragen. Daneben sprechen auch wirtschaftliche sowie praktische Erwägungen dafür, die Weiterbildung innerhalb der Hochschulen durchzuführen und abzuwickeln Abs. 3 NHG regelt in diesem Bereich die Erhebung von Gebühren und Entgelten. 243 Artikel 56 des Bayerischen Hochschulgesetzes in der Fassung vom (GVBl. S. 245), zuletzt geändert durch Gesetz vom (GVBl. S. 568). Darüber hinaus verfügt Bayern noch über eine Hochschulgebührenverordnung, in der den Hochschulen anknüpfend an die einzelnen Weiterbildungsmaßnahmen Vorgaben für die Erhebung der Gebühren gemacht werden des Gesetzes über die Hochschulen in Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz) vom (GBl. S. 1), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom (GBl. S. 584).
3 Jahresbericht 2018 Seite: 144 Allgemeines Die Weiterbildung 245 gehört neben Forschung und Lehre zu den Aufgaben der Hochschulen. 246 Sie gewinnt sowohl durch die aufgrund der demografischen Entwicklung mittelfristig sinkende Zahl traditionell Studierender als auch durch die veränderten Erwartungen des Arbeitsmarkts an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zunehmend an Bedeutung. Die niedersächsischen Hochschulen bieten aktuell insgesamt rd. 80 Weiterbildungsstudiengänge und berufsbegleitende Studiengänge an. Organisation der Weiterbildung Die niedersächsischen Hochschulen organisieren die Weiterbildung fast ausschließlich hochschulintern. Davon abweichend vermarktet die Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel ihre Weiterbildungs- und berufsbegleitenden Studiengänge u. a. mit dem Hochschulverbund Virtuelle Fachhochschule. Diesem Hochschulverbund gehören insgesamt zehn Fachhochschulen an. Aus Niedersachsen sind dies neben der Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel noch die Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth und die Hochschule Emden/ Leer. Während die Hochschule die der akademischen Administration zugehörigen Aufgaben, wie etwa Akkreditierung, Immatrikulation sowie Prüfungs- und Zeugniswesen durchführt, übernimmt der Kooperationspartner oder dessen Dienstleister alle übrigen Tätigkeiten. Die Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel führt gemeinsam mit schleswig-holsteinischen Hochschulen im Hochschulverbund Virtuelle Fachhochschule u. a. die weiterbildenden Online-Master-Studiengänge Betriebswirtschaftslehre und 245 Unter wissenschaftlicher Weiterbildung versteht man die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer ersten Bildungsphase und in der Regel einer Erwerbsoder Familientätigkeit, wobei das wahrgenommene Weiterbildungsangebot dem fachlichen und didaktischen Niveau der Hochschule entspricht (Sachstands- und Problembericht zur Wahrnehmung wissenschaftlicher Weiterbildung an den Hochschulen, S. 1 - Beschluss der Kultusministerkonferenz vom ) Abs. 1 Nr. 1 Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG) in der Fassung vom (Nds. GVBl. S. 69), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom (Nds. GVBl. S. 172).
4 Jahresbericht 2018 Seite: 145 Wirtschaftsinformatik durch. Am Studiengang Betriebswirtschaftslehre ist auch die Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth beteiligt. Operativ tätig wird in beiden Fällen eine 100%ige Tochtergesellschaft der Fachhochschule Lübeck. Diese Gesellschaft übernimmt auf Basis von Durchführungsvereinbarungen mit den jeweiligen Hochschulen zum einen verschiedene Dienstleistungen, wie etwa Marketingmaßnahmen, die Beratung und Betreuung der Studierenden sowie den E-Learning-Service. Zum anderen obliegt ihr u. a. das Inkasso der Studiengebühren. Diese Aufgabe soll die Gesellschaft ausweislich der Durchführungsvereinbarung als beliehener Unternehmer im Namen und für Rechnung der jeweils modulverantwortlichen Hochschule durchführen. Die Studiengebühren machte die Gesellschaft stattdessen als beliehenes Unternehmen in eigenem Namen mittels eines Gebührenbescheids geltend. Unzulässige Übertragung staatlicher Angelegenheiten auf private Dritte Grundlage der Durchführungsvereinbarungen für die weiterbildenden Online- Master-Studiengänge Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik waren das Schleswig-Holsteinische Landesverwaltungsgesetz und das Schleswig- Holsteinische Hochschulgesetz. Nach der grundsätzlichen Regelung des Schleswig-Holsteinischen Landesverwaltungsgesetzes können Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zur Erledigung in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes unter bestimmten Voraussetzungen an natürliche oder juristische Personen des Privatrechts übertragen werden. 247 Das Schleswig-Holsteinische Hochschulgesetz gestattet in besonderen Fällen in der wissenschaftlichen Weiterbildung eine Kooperation mit Einrichtungen außerhalb des Hochschulbereichs, wobei der Einrichtung übertragen werden kann, die Weiterbildungsangebote zu organisieren, anzubieten und durchzuführen Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom (GVOBl. S. 243, 534). Einschränkungen finden sich in 24 Abs. 2 und 3 LVwG Abs. 4 des Gesetzes über die Hochschulen und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Hochschulgesetz) in der Fassung vom (GVOBl. S. 39), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom (GVOBl. S. 142).
5 Jahresbericht 2018 Seite: 146 Im Unterschied zur Rechtslage Schleswig-Holsteins war die Delegierung der Erhebung und Einziehung der Studiengebühren für die weiterbildenden Online- Master-Studiengänge Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik an die Gesellschaft nach niedersächsischem Recht unzulässig, weil es für die Übertragung dieser Aufgabe einer Rechtsgrundlage bedurft hätte. Die Gesellschaft machte die Studiengebühren entgegen den Festlegungen in der Durchführungsvereinbarung in ihrem Namen geltend, vereinnahmte die Zahlungen auf ihrem Konto und versah die Gebührenbescheide mit einer Rechtsmittelbelehrung, die sie als Adressaten eines möglichen Widerspruchs auswies. Da es sich bei einem Gebührenbescheid um einen Verwaltungsakt 249 handelt, erfordert dessen Erlass die Behördeneigenschaft, die der Gesellschaft als juristische Person des Privatrechts fehlt. Daran vermag auch der Umstand, dass die Gesellschaft in der Durchführungsvereinbarung als beliehener Unternehmer bezeichnet wurde, nichts zu ändern. Von einer Beleihung spricht man allgemein, wenn Privatrechtssubjekte mit der selbstständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts betraut werden. 250 Da eine Beleihung jedoch unter dem Vorbehalt des Gesetzes steht und deshalb nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen darf 251, war für die Übertragung der Befugnis zum Erlass von Studiengebührenbescheiden durch die niedersächsischen Hochschulen auf die Gesellschaft mangels gesetzlicher Grundlage kein Raum. Infolgedessen handelt es sich bei den Bescheiden um sogenannte Scheinverwaltungsakte, die weder bestandskräftig werden, noch Grundlage für eine Verwaltungsvollstreckung sein können Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, vgl. 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom (BGBl. I S. 102), zuletzt geändert durch Artikel 11 Abs. 2 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2745). 250 BVerwGE 61, S. 222 (S. 224); Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2. Auflage 2012, 13 Rdnr. 89; Erichsen, in: ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, 12 Rdnr BVerwGE 137, S. 377 (S. 382, Rdnrn. 23 ff.). 252 Vgl. Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom E 1060/12 - in einer vergleichbaren Konstellation.
6 Jahresbericht 2018 Seite: 147 Ungeachtet der Rechtslage im Falle einer Delegation staatlicher Aufgaben an private Dritte sprechen nach Auffassung des LRH sowohl wirtschaftliche als auch praktische Erwägungen dafür, die Weiterbildung innerhalb der Hochschulen durchzuführen. Dies ermöglicht, Module aus der grundständigen Lehre in die Weiterbildung zu transferieren. Zudem erzielen viele Weiterbildungsangebote keine Kostendeckung, was durch die zusätzlich entstehenden Kosten im Falle der Einbindung privater Dritter etwa durch Gewinnmargen noch vertieft würde. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Hochschulen die Qualitätssicherung gewährleisten müssen. Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur hält eine gesetzliche Ermächtigung für die Übertragung der Durchführung staatlicher Aufgaben auf private Dritte nur für erforderlich, wenn diese hoheitliche Aufgaben im eigenen Namen wahrnehmen sollen. Dies soll insbesondere gelten, wenn es sich dabei zumindest potenziell um den Bereich der Eingriffsverwaltung handelt. Der LRH schließt sich den Ausführungen des Ministeriums an. Da die Gesellschaft im Rahmen der Einziehung der Studiengebühren im Wege eines Bescheids in eigenem Namen tätig wurde, hätte es hierzu einer gesetzlichen Rechtsgrundlage bedurft. Im Ergebnis muss die Landesregierung sicherstellen, dass die Hochschulen die staatlichen Angelegenheiten im Bereich der Weiterbildung in eigener Verantwortung durchführen.
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