Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Transkript

1 Phil. 2, 1-4 Predigt zum Vorabend des 7. S. n. Trinitatis, 21. Juli 2012 in Landau Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen. (Predigttext wird später verlesen. Vgl. Rückseite des Gottesdienstprogramms) Wir beten: Herr, segne dein Wort an uns allen. Amen. 1 Liebe Gemeinde, was macht eigentlich eine gute, christliche Gemeinde aus? Welche Eigenschaften oder Merkmale müsste eine vorbildliche Gemeinde haben? Oder was erwarten vielleicht Außenstehende von ihr / von uns? Was haben Kritiker an ihr / an uns auszusetzen? (Das sind echte Fragen! Keine rhetorischen.) (Zeit zum Sammeln von Gedanken) Liebe Gemeinde, es ist beim Geburtstagsbesuch des Pfarrers. Alles sitzt gemütlich am Kaffeetisch. Man redet über dies und das, Gott und die Welt und ist irgendwie ziemlich fromm. Zwischen Himbeertorte und Kaffeeduft platzt dann dem Enkel der Jubilarin der Kragen: Also, mir brauchen Sie nichts zu erzählen, Herr Pfarrer. Die Leute, die dauernd in die Kirche rennen, die sind doch auch nicht besser. Im Gegenteil Und dann erzählt er von der Hartherzigkeit, von der Jagd nach dem Geld, die er gerade bei solchen Menschen erlebt habe. Und dann die Gottesdienste, die er als Konfirmand mitmachen musste: Steif wär das alles gewesen. Dauernd sei von Liebe die Rede gewesen, aber gespürt habe er sie nie. Also, das können Sie vergessen, sagt er. Was könnten wir diesem Mann antworten, liebe Schwestern und Brüder? Sollten wir ihm sagen, dass es doch auch ganz andere Christen gibt? Menschen, denen man ihren Glauben im Alltag abspürt? Oder dass Christen eben auch nur Menschen sind?

2 2 Oder dass es vielleicht auch andere Gottesdienste gibt als die, die er erlebt hat? Oder ihm den Spiegel vorhalten, dass er doch wohl ziemlich überheblich sei, wenn er so über andere Menschen urteile? All das wäre sicher nicht ganz falsch. Aber wäre das hilfreich für ihn? Würde das helfen, die Enttäuschung zu überwinden und einen neuen, realistischen Blick auf die Christen zu wagen und vor allem auch auf sich selbst? Oder müssten wir dem jungen Mann nicht vielleicht sogar vorbehaltlos zustimmen und sagen: ja, du hast recht? Eigentlich müssten wir viel mehr Liebe ausstrahlen, viel mehr Barmherzigkeit, viel mehr Freude des Glaubens? Und damit dem Philosophen und Kirchenkritiker Friedrich Nietzsche zustimmen, der gesagt hat: Die Christen müssten mir erlöster aussehen., wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte. Und müsste das nicht auch viel öfter und viel deutlicher von dieser Kanzel gesagt werden: Was, ihr wollt Christen sein? Wie ist das denn mit eurer Vergebungsbereitschaft, mit eurem Trost, mit der herzlichen Liebe und der Demut? Seht zu, dass ihr erlöster ausseht! Und dann hören und lesen wir, was der Apostel Paulus an die Philipper geschrieben hat und was uns heute zu predigen ist: 1 Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, 2 so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. 3 Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, 4 und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient. Solche Ermahnungen finden wir ja oft in den Briefen der Apostel. Aber helfen Appelle wirklich? Nein, liebe Gemeinde. Wenn das nur Anforderungen an uns wären, Aufforderungen zum richtigen Handeln, dann wären wir schnell überfordert. Denn wie sehr wir uns auch bemühten, erlöster auszusehen: man würde uns bald ansehen, wie angestrengt erlöst wir aussähen, und damit wie zutiefst unerlöst! Und das wiederum würde jenen jungen Mann und alle Kritiker der Kirche

3 3 noch mehr abstoßen. Das kann es also nicht sein. Und das ist es ja auch gar nicht, wenn die Apostel uns Christen zum christlichen Leben mahnen. Doch: es ist schon ein großer Anspruch, der in ihnen steckt. Aber vor allem und zuerst kommt der Zuspruch: Du bist von Gott bedingungslos geliebt und angenommen. Für dich ist Christus gestorben. Und du bist mit ihm in der Taufe gestorben und auferstanden zu einem neuen Leben. Dir ist der Heilige Geist zugesprochen und geschenkt: Nun gib ihm Raum in deinem Leben und lass ihn in dir und durch dich wirken! Das eine geht nicht ohne das andere, liebe Gemeinde: Ohne das, was Christus uns geschenkt hat, können wir nicht christlich leben. Zugleich aber würden wir das Geschenk Christi geringschätzen oder gar verachten, wenn wir es nicht auch wirklich und bewusst lebten! So sind denn auch die Mahnungen in den Apostelbriefen zu verstehen. Nicht als moralische Appelle an die eigene Kraft: so, jetzt strengt euch mal an, dass ihr wie Christen lebt. Sondern: lebt einfach, was Christus euch geschenkt hat! Also: Als Christ leben, das ist so, als wenn man ein Geschenk auspackt. Aber man ist damit nie ganz fertig: tagtäglich kommt etwas mehr von dem zum Vorschein, was uns längst geschenkt ist. Wenn die Apostel nun mahnen zum christlichen Leben, dann fordern sie nicht dazu auf, tagtäglich etwas von uns, von unserer Leistung in das Geschenk hinein zu tun, sondern von seinem Geschenk zu nehmen. Nicht wir müssen was für Gott tun, sondern wir dürfen das annehmen und wirken lassen und tun, was er für uns längst getan hat. Und je mehr wir von diesem Geschenk auspacken, um so mehr ist erstaunliherweise wieder drin! Dafür hat der Apostel auch die Gemeinde in Philippi gelobt und für sie gebetet, wenn er im ersten Kapitel seines Briefes an diese Gemeinde schreibt: 3 Jedes Mal, wenn ich im Gebet` an euch denke, danke ich meinem Gott für euch alle. 4 Ja, ich bete ständig für euch, und ich tue es mit großer Freude, 5 weil ihr euch, seit ihr an Christus glaubt,` für das Evangelium eingesetzt habt vom ersten Tag an bis heute. 6 Ich bin überzeugt, dass der, der etwas so Gutes in eurem Leben angefangen hat, dieses Werk auch weiterführen und bis zu jenem

4 4 großen Tag zum Abschluss bringen wird, an dem Jesus Christus wiederkommt. (Neue Genfer Übersetzung) Und daraus folgt dann, was er im zweiten Kapitel schreibt: 1 Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, Er erinnert sie daran, wie sie in der Begegnung mit Christus all das gefunden haben, was sie brauchen zum christlichen Leben. Zum Beispiel Ermahnung in Christus. Das kann natürlich keine Moralpredigt sein, sondern das Werben um einen Menschen, der in der Gefahr steht, die Spur Jesu Christi zu verlieren. Wer so ermahnt, der stellt sich nicht über den anderen, sondern der geht hin zu ihm und steht ihm bei, damit der nicht aus der Bahn kommt, wenn er gescheitert ist das ist Trost der Liebe, die Christus selbst ist und bringt, auch durch den Mitchristen. Zum Beispiel Gemeinschaft des Geistes das ist die durch den Heiligen Geist gestiftete Gemeinschaft unter uns Christen. In dem biblischen Wort Gemeinschaft steckt mehr drin als nur ein Gemeinschaftsgefühl, was ja auch schon wichtig ist für die Gemeinde; es bedeutet so viel wie Teilhabe. Wir haben als Christen aneinander teil. Vielleicht wird das am Bild der Gemeinde als Leib Christi am deutlichsten: Wenn ein Glied leidet, dann leiden alle mit und wenn sich ein Glied freut, dann freuen sich alle anderen Glieder auch. Teilgeben am eigenen Geschick und teilnehmen am Geschick des anderen, an seinen Sorgen und Freuden, das macht uns von Christus her aus. (vgl. die Gemeinschaft beim Gemeindenachmittag, wo wir einander erzählen können, was uns bewegt und belastet.) (Da gibt es täglich viel auszupacken und auch anzupacken!) Zum Beispiel herzliche Liebe und Barmherzigkeit Herzliche Liebe ist im Grunde nur eine Behelfsübersetzung. Im Griechischen steht da wörtlich Eingeweide. Für die Juden und Griechen in der Antike galten die Eingeweide als Sitz der Gefühle. Wir reden in diesem Zusammenhang gerne vom Herzen. Das geht mir zu Herzen, sagen wir. Aber wir reden ja auch vom Bauchgefühl. Intensive Gefühle wie Angst oder Freude empfinden wir auch im Bauch. Wenn die Bibel nun von den Eingeweiden spricht und damit die mitfühlende Liebe meint, dann war sie ihrer Zeit mal wieder viele Jahrhunderte voraus: Die moderne Hirnforschung hat erkannt, dass unsere Eingeweide, z.b. der Darm ein Bauchgehirn ist mit mehr Neuronen als das Gehirn selbst! Bei herzliche Liebe und Barmherzigkeit geht es also um das Gefühl

5 5 des Erbarmens, das einem durch und durch geht, bei dem es einem jammert. All das, was der Apostel von uns Christen erwartet, hat ja Gott selbst getan und uns geschenkt: Da jammert' Gott in Ewigkeit mein Elend übermaßen; er dacht an sein Barmherzigkeit, er wollt mir helfen lassen. Er wandt zu mir das Vaterherz, es war bei ihm fürwahr kein Scherz, er ließ's sein Bestes kosten. (ELKG 239,4; EG 341,3: Nun freut euch, lieben Christen g'mein; Martin Luther) Das, was Gott für uns in Christus getan hat, seine Wahrheit, in die uns der Heilige Geist täglich leitet, das, liebe Gemeinde, lasst uns in den Blick nehmen. Davon lasst uns immer wieder neu nehmen, wenn wir sein Wort hören und ihn selbst, das Beste, das Gott sich hat kosten lassen, im Heiligen Mahl empfangen. Und das lasst uns jeden Tag wieder ein Stück weiter auspacken und leben. Daran hätte der Apostel Paulus dann auch an uns seine Freude wie an den Philippern: dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. Denn wenn wir das leben, was uns geschenkt ist, wenn wir die Vergebung empfangen und weitergeben, mit Demut und Hingabe, dann. Ja, dann werden die anderen vielleicht immer noch sagen: Die jeden Sonntag zur Kirche rennen, sind auch nicht besser als die anderen. Ja, das stimmt: wir bleiben immer sündige und fehlerhafte Menschen. Und: wir müssen auch nicht erlöster aussehen. Es reicht doch, dass wir Erlöste sind! Wir werden zwar immer fehlerhaft bleiben. Und doch zugleich auch von Gott geliebte Menschen. Von den jungen Christen in der DDR habe ich gehört, dass sie damals einen frommen Text auf die Melodie von dem Beatles-Lied Yellow Submarine gesungen haben. Und der Refrain hieß: Besser sind wir nicht, aber besser sind wir dran. Jesus macht uns frei, fängt neu mit uns an. Darauf brauchen wir uns zwar nichts einzubilden. Aber schämen müssen wir uns dafür auch nicht. Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.