Schmerzen während lutealer Phase des Menstruationszyklus
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- Ruth Magdalena Lorentz
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1 abdominelle Schmerzen roter oder dunkler Urin proximale Muskelschwäche Schmerzen während lutealer Phase des Menstruationszyklus Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Hyponatriämie neu aufgetretener Hypertonus kalorienarme Diät kürzlicher Einsatz porphyrinogener Medikamente Die akuten Porphyrien Zusammenfassung Die akuten Porphyrien sind angeborene Krankheiten des Porphyrinstoffwechsels, die zu selten oder häufig erst relativ spät diagnostiziert werden. Ihre Komplikationen können deshalb potenziell lebensbedrohlich sein. Die akuten Porphyrien verlaufen schubweise. Auslösende Faktoren sind Medikamente, Stress, Hormone, Nikotin oder Alkohol. Bei einzelnen Betroffenen rezidivieren die Attacken auch bei Vermeidung bekannter auslösender Faktoren. Akute Porphyrien werden entweder dominant (akute intermittierende Porphyrie, Porphyria variegata und hereditäre Koproporphyrie) oder selten auch rezessiv (δ-ala-dehydratasemangel) vererbt. Der Verdacht auf das Vorliegen einer akuten Porphyrie liegt beim gleichzeitigen Vorliegen abdomineller Beschwerden, proximaler Muskelschwäche, Dunkelverfärbung des Urins und eines neu diagnostizierten Hypertonus nahe. Daneben können auch sensorische Neuropathien und/oder Enzephalopathien auftreten. Bewiesen wird die Diagnose einer akuten Porphyrie durch den Nachweis einer erhöhten Porphobilinogenausscheidung in den Urin und konsekutive Stuhlporphyrinanalysen, Enzymbestimmungen bzw. Genanalysen. Die intravenöse Gabe von Hämarginat stellt die kausale und effiziente Therapie des akuten Schubs dar. Zur Sekundärprävention zählen der Verzicht auf porphyrinogene Medikamente (aktuelle Angaben unter und eine entsprechende Lebensführung. Betroffene Anlageträger sollen einen Notfallausweis erhalten und Familienmitglieder auf die mögliche Vererbung der Anlage untersucht werden. Prof. Dr. P.E. Petrides Schwerpunktpraxis für Hämatologie und internistische Onkologie Zweibrückenstr München Schlüsselwörter Akute Porphyrie Porphobilinogen (PBG) δ-aminolävulinsäure posteriores reversibles Enzephalopathiesyndrom (PRES) abdominelle Attacken motorische und sensorische Neuropathie PBG-Desaminase Hämarginat Genanalyse Fragebeantwortung unter Falk Gastro-Kolleg Titelbild: Mosaik der Symptome, Laborveränderungen und Umstände, die die Diagnose einer akuten Porphyrieattacke nahe legen. 32
2 Die akuten Porphyrien 1. Definition Häm wird im menschlichen Organismus für den Umsatz von Sauerstoff (Hämoglobin, Myoglobin, Neuroglobin) und zahlreiche lebenswichtige Stoffwechselprozesse, an denen Sauerstoff beteiligt ist, wie die Atmungskette (Cytochrome) oder den Abbau von Medikamenten (Cytochrom P450) benötigt. Aus diesem Grund ist jede Zelle zur Synthese von Häm befähigt, die vom Citratzyklus ausgeht und auf Cytosol und Mitochondrium verteilt ist [Abb. 1]. Abb. 1 Glycin + Succinyl-CoA δ-aminolävulinsäure (δ-ala) Porphobilinogen (PBG) Cytosol Hydroxymethylbilan Uroporphyrinogen III Koproporphyrinogen III Protoporphyrinogen IX Protoporphyrin IX Häm Mitochondrium δ-ala-synthase δ-ala-dehydratase PBG-Desaminase Uroporphyrinogen-III- Kosynthase Uroporphyrinogendecarboxylase Koproporphyrinogenoxidase Protoporphyrinogenoxidase Ferrochelatase Prinzip der Porphyrinsynthese mit Rückkoppelungshemmung über das Endprodukt Häm Die einzelnen Zwischenschritte werden durch 8 Enzyme katalysiert; zunächst kondensieren Glycin und Succinyl-CoA zu δ-aminolävulinsäure (δ-ala), die sich mit einem weiteren Molekül δ-aminolävulinsäure zu Porphobilinogen (PBG) zusammenlagert. Aus 4 Molekülen PBG entsteht ein Tetrapyrrol, das durch Eisenaufnahme in Häm überführt wird. Da Häm in das Innere von Proteinen eingebaut werden muss, wird es durch sequenzielle Seitenkettenmodifikationen der Synthesezwischenprodukte immer hydrophober. Die Regulation der Biosynthese erfolgt über eine klassische Rückkoppelungshemmung, bei der die δ-ala-synthase, das erste Enzym, durch das Endprodukt Häm gehemmt wird. Wenn Mutationen in den Genen der Enzyme der Hämbiosynthese auftreten, können sie zu einer strukturellen Veränderung und nachfolgend zu einem partiellen Funktionsverlust des kodierten Enzyms führen. P Bei ausreichenden Hämspiegeln wird die Hämbiosynthese über eine negative Rückkoppelung gehemmt. 33
3 Dieser partielle Funktionsverlust (im Allgemeinen auf 50%) wird normalerweise durch eine Stimulierung der δ-ala-synthase-aktivität ausreichend kompensiert, sodass es nicht zu einem Hämmangel kommt (kompensiertes Stadium). Die betroffenen Individuen weisen keine Beschwerden auf. Je nachdem, welches Enzym von der Störung betroffen ist, spricht man von einer Anlage zur akut intermittierenden Porphyrie (AIP; PBG-Desaminase), hereditären Koproporphyrie (HKP; Koproporphyrinogenoxidase), Porphyria variegata (PV; Protoporphyrinogenoxidase) oder der extrem seltenen δ-ala- Dehydratasemangelporphyrie [Abb. 2]. Abb. 2 Glycin + Succinyl-CoA δ-aminolävulinsäure (δ-ala) Porphobilinogen (PBG) Cytosol Hydroxymethylbilan Uroporphyrinogen III Koproporphyrinogen III Protoporphyrinogen IX Protoporphyrin IX δ-ala-synthase δ-ala-dehydratase PBG-Desaminase Uroporphyrinogen-III- Kosynthase Uroporphyrinogendecarboxylase Koproporphyrinogenoxidase Protoporphyrinogenoxidase δ-ala-dehydratasemangelporphyrie Akute intermittierende Porphyrie (AIP) Hereditäre Koproporphyrie (HKP) Porphyria variegata (PV) P Im kompensierten Stadium der Porphyrinsynthese kommt es nicht zu einem Hämmangel. Häm Ferrochelatase Mitochondrium Die 4 akuten Porphyrien Die Situation kann sich ändern, wenn der Hämbedarf durch Induktion hämhaltiger Abbauenzyme, z. B. bei Medikamenteneinnahme, steigt: Dann wird die Hämbiosynthese so stark stimuliert, dass die Engstelle (durch die Reduktion der Aktivität auf 50%) wirksam wird und die Zwischenprodukte (vor allem die wasserlöslichen Porphyrinvorstufen Porphobilinogen und δ-aminolävulinsäure) akkumulieren und sich im Organismus verteilen. Es liegt dann eine Dekompensation des Hämstoffwechsels vor. Abbildung 3 zeigt dies am Beispiel einer Reduktion der Enzymaktivität der PBG-Desaminase bei der akut intermittierenden Porphyrie (AIP). Unter den akuten Porphyrien stellt die AIP in Europa die häufigste Variante dar; junge Frauen sind häufiger von Schüben betroffen, die Penetranz, d. h. die Häufigkeit, mit der die Genanlage zu klinischen Symptomen führt, beträgt zwischen 10% und 20%. P Porphobilinogen und -Aminolävulinsäure sind für die Entstehung der Symptome bei Patienten mit akuten Porphyrien verantwortlich. 34
4 A Succinyl-CoA + Glycin Abb. 3 (3) + [HÄM] (2) [δ-ala + δ-ala] (4) Tetrapyrrol (1) [PBG] (5) Kompensierter Zustand (1) partieller Enzymdefekt bei AIP (2) Abfall der Hämkonzentration (3) Stimulation der δ-ala-synthase (+) zur Kompensation (4 und 5) B Succinyl-CoA + Glycin deutlich erhöhter Hämbedarf + [HÄM] [δ-ala + δ-ala] Tetrapyrrol [PBG] Dekompensierter Zustand Extrazellulärraum Kompensierter Zustand (A). Dekompensation der Porphyrinsynthese bei starker Erhöhung des Hämbedarfs: Die Engstelle bei partiellem Enzymdefekt führt zum Anstau von Porphyrinvorstufen (B) 2. Provokationsfaktoren akuter Attacken (akuter Schübe) Die meisten Anlageträger sind jahrelang asymptomatisch, bis sich die Krankheit erstmalig in Form einer akuten Attacke manifestiert. Die Anamnese bei den Patienten zeigt als auslösende Faktoren vor allem die Einnahme porphyrinogener Medikamente, daneben auch Stress, Nahrungskarenz, Konsum von Alkohol oder Nikotin bzw. bei Frauen, die häufiger betroffen sind, hormonelle Einflüsse. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen, manifestieren sich die akuten Porphyrien nicht vor der Pubertät. P Medikamente sind der wichtigste schubauslösende Faktor. 35
5 3. Klinik der akuten Porphyrien Steht die Erhöhung der wasserlöslichen Porphyrinvorstufen im Vordergrund wie bei der akut intermittierenden Porphyrie, so treten akute Symptome auf. Sind dagegen lipidlösliche Porphyrine erhöht, die sich in der Haut ablagern, so dominieren aufgrund der photosensitivierenden Wirkung der Porphyrine (die auch bei der photodynamischen Therapie von Tumoren ausgenutzt wird) kutane Symptome (kutane oder chronische Porphyrien). Dabei handelt es sich um Blasen- mit konsekutiver Narbenbildung an lichtexponierten Stellen. Da bei der PV und HKP sowohl Porphyrinvorstufen als auch Porphyrine erhöht sind, können die Betroffenen akute und kutane Beschwerden entwickeln (sogenannte gemischte Porphyrie). Die akute Symptomatik besteht häufig aus der Trias abdominelle Schmerzen, zerebrale Symptome und periphere Neuropathie. Pathobiochemische Grundlage ist eine durch die Porphyrinvorstufen Porphobilinogen und δ-aminolävulinsäure hervorgerufene neurologische Dysfunktion, die das autonome, zentrale und/oder periphere Nervensystem betreffen kann. Ein wichtiges zusätzliches klinisches Zeichen ist die Rot- oder Dunkelverfärbung des Urins, die bei etwa 30% der Betroffenen auftritt. Die Verfärbung entsteht durch die Bildung von Addukten von Porphobilinogen unter dem Einfluss von Luftsauerstoff. 3.1 Abdominelle Schmerzen Die Symptome kommen durch eine autonome viszerale Neuropathie (Splanchnicusdysfunktion) zustande: kolikartige Abdominalschmerzen mit Herabsetzung der Magenmotilität, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation und Ileus-ähnlichem Bild bestimmen die klinische Symptomatik (bei 90% der Patienten). Daraus kann sich eine völlige Lähmung des peripheren vegetativen Apparats mit einem paralytischen Ileus und einer Blasen- und Mastdarmlähmung entwickeln. Daneben können die Schmerzen auch in der Muskulatur des Rückens oder der Oberschenkel auftreten. Weitere Symptome sind eine Ruhetachykardie oder ein Hypertonus (fehlende Vagushemmung). Die autonome viszerale Neuropathie kann während des akuten Schubs auch isoliert vorhanden sein. P Bei kolikartigen Abdominalschmerzen nicht-geklärter Genese ist die akute Porphyrie in die Differenzialdiagnose einzubeziehen. 3.2 Zerebrale Symptome (akute Enzephalopathie) Als Ausdruck zentralnervöser Störungen kommt es bei etwa 60% der akuten Porphyrieattacken nahezu zeitgleich mit den Abdominalschmerzen zu leichten psychischen Beeinträchtigungen bis hin zu einer paranoiden Psychose, zum Delir oder Koma. Auch Krampfanfälle oder Sehstörungen können auftreten. Bei der (diffusionsgewichteten) MRT-Analyse des Gehirns finden sich als Korrelat multifokaler vasogener Hirnödeme symmetrische Signalintensitätssteigerungen in Marklager und Kortex, besonders occipital und im posterioren Parietal- sowie Temporallappen. Dies wird als posteriores reversibles Enzephalopathiesyndrom (PRES) bezeichnet. Der Veränderung liegt wahrscheinlich eine Beeinträchtigung der Blut-Hirn-Schranke zugrunde, die die Passage neurotoxischer Substanzen wie δ-aminolävulinsäure erlaubt. Patienten können im akuten Schub eine Hyponatriämie entwickeln, der wahrscheinlich eine vermehrte ADH-Freisetzung aus dem Hypophysen-Hinterlappen zugrunde liegt (inadäquate Sekretion von Adiuretin [SIADH]). Die Hyponatriämie kann an der Entwicklung anfalltypischer Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma und epileptischer Anfälle beteiligt sein. Eine Korrektur der Hyponatriämie hat wegen der Gefahr einer zentralen pontinen Myelinolyse langsam zu erfolgen. P Bei Diagnose eines posterioren reversiblen Enzephalopathiesyndroms (PRES) im MRT ist an eine akute Porphyrie zu denken. 36
6 3.3 Akute periphere Neuropathie Patienten mit einer akuten Porphyrieattacke entwickeln eine periphere vorwiegend motorische Neuropathie. Diese tritt nicht isoliert auf, sondern in Verbindung mit den Symptomen der autonomen viszeralen Neuropathie (siehe oben). Bei vielen Betroffenen wird die Neuropathie durch Gabe von porphyrinogenen Medikamenten in Unkenntnis des Vorliegens einer akuten Porphyrie ausgelöst. Die Paresen können bis zu einer Beteiligung der Atemmuskulatur fortschreiten, sodass eine maschinelle Beatmung erforderlich wird. Die Arme sind bei etwa der Hälfte der Betroffenen stärker als die unteren Extremitäten, die proximale Muskulatur bei 80% ausgeprägter als die distalen Muskelgruppen betroffen. Bei einem Drittel der Patienten beginnen die Lähmungen an den Beinen, in der Hälfte der Fälle mit proximaler Betonung. Eine asymmetrische Verteilung der Paresen ist häufig. Als Zeichen einer sensorischen Neuropathie werden Sensibilitätsstörungen entweder socken- und handschuhförmig oder im Rumpfbereich wie ein Badeanzug angegeben. Die Reflexe sind meist erloschen. Weiterhin bestehen bulbäre Symptome oder eine Gesichtslähmung, mehr als die Hälfte geben myalgiforme Beschwerden an. Die Untersuchung des Liquors ergibt einen Normalbefund. Die Prognose der Porphyriepolyneuropathie ist prinzipiell gut, bei 40 50% der Betroffenen lassen sich jedoch neurologische Reststörungen in Form atrophischer Paresen nachweisen. Je länger allerdings eine Porphyrie als Ursache der Polyneuropathie nicht erkannt und behandelt wird, desto schwerer können die Schäden sein. Wie wichtig die Einbeziehung einer Porphyrie in differenzialdiagnostische Überlegungen ist, wird durch eine finnische Studie an einer neurologischen Klinik belegt: 21% der Patienten mit akuter Polyneuropathie oder peripheren Lähmungen wiesen erhöhte Porphyrin- oder PBG-Spiegel auf: Bei 11% von ihnen wurde eine bisher nicht bekannte akute Porphyrie diagnostiziert. P Die motorische Neuropathie kann bis zur Beatmungspflichtigkeit führen. 4. Klinische und biochemische Diagnose der akuten Porphyrien Bei klinischen Zeichen (abdominelle Schmerzen, Verfärbung des Urins, proximale Muskelschwäche, Hypertonus), denen eine akute Porphyrie zugrunde liegen könnte [Titelbild], muss die Konzentration der Porphyrinvorstufe Porphobilinogen (PBG) in einer während des Schubs gewonnenen Spontanurinprobe bestimmt werden. Ist die auf Kreatinin bezogene Konzentration von PBG deutlich erhöht (auf mehr als 1,8 μmol/mmol Kreatinin), gilt das Vorliegen einer der 3 häufigen akuten Porphyrieformen als gesichert. Merksatz: PBG erhöht = Porphyrie Bestimmt Gesichert Zur biochemischen Differenzialdiagnose, welche akute Porphyrie vorliegt, werden Urin-, Stuhl- und Blutproben benötigt. Im Urin werden die Porphyrinvorstufen PBG und δ-aminolävulinsäure (δ-ala) und die Gesamtporphyrine quantitativ analysiert; bei Erhöhung der Gesamtporphyrine erfolgt eine qualitative Porphyrindifferenzierung. Im Stuhl werden die Gesamtporphyrine mit fakultativer Differenzierung (Kopro- und Protoporphyrine) bestimmt. Im Blut ist eine Enzymbestimmung in den Erythrozyten bei akut intermittierender Porphyrie (PBG-Desaminase) und δ-ala- Dehydratasemangelporphyrie möglich. Während bei der akuten intermittierenden Porphyrie die Stuhlporphyrine normal sind, sind sie bei der hereditären Koproporphyrie (wie der Name der Krankheit sagt) deutlich erhöht (Koproporphyrine wesentlich stärker als Protoporphyrine). Bei der Porphyria variegata dagegen sind die Protoporphyrine stärker als die Koproporphyrine erhöht. Die alleinige Untersuchung der Urinporphyrine ist keine geeignete Methode zum Nachweis einer akuten Porphyrie, da die Urinporphyrine auch bei vielen anderen Erkrankungen (Leber-Gallenerkrankungen, Alkoholabusus, Infektionen etc.) erhöht sein können. Entscheidend ist die Untersuchung der Porphyrinvorstufen PBG und δ-ala. P Beweisend für die Labordiagnose einer akuten Porphyrie sind erhöhte Urinwerte der Vorstufe Porphobilinogen. 37
7 Die Diagnose einer AIP wird durch den Nachweis einer reduzierten Enzymaktivität in Erythrozyten (PBG-Desaminase) bestätigt. Eine Besonderheit stellt die sogenannte atypische AIP dar, bei der die PBG-Desaminaseaktivität im Erythrozyten normal, aber in anderen Geweben reduziert ist. In diesen Fällen kann die Diagnose nur über eine molekular genetische Untersuchung des PBG-Desaminasegens im Intron-1-Bereich gesichert werden. Genetische Analysen bei der AIP sind methodisch aufwendig, da zwischenzeitlich über 230 verschiedene Mutationen bekannt geworden sind. Mutationsanalysen sind ebenfalls bei hereditärer Koproporphyrie (Koproporphyrinogenoxidasegen), Porphyria variegata (Protoporphyrinogenoxidasegen) und beim δ-aminolävulinatdehydratasemangel verfügbar. Ist die Mutation bei einem Patienten bekannt, kann eine Analyse von Familienmitgliedern auf das Vorliegen einer Anlage am besten durch eine molekulargenetische Untersuchung erfolgen. Anlageträger müssen über Provokationsfaktoren informiert werden und einen Notfallausweis erhalten. P Mithilfe der Mutationsanalyse wird die Diagnose einer akuten Porphyrie bestätigt. 5. Therapie der akuten Porphyrien 5.1 Absetzen porphyrinogener Medikamente Aufgrund der Seltenheit der akuten Porphyrien wird die Diagnose oft erst nach erheblichen diagnostischen Irrwegen und nach erheblicher Verschlechterung durch den unbeabsichtigten Einsatz porphyrinogener Medikamente (z. B. Phenytoin zur Therapie eines porphyrieinduzierten Krampfanfalls) gestellt. Steht eine akute Porphyrie als Ursache der beobachteten Symptome fest, so ist der erste Schritt die Identifizierung und das Absetzen auslösender Faktoren (porphyrinogener Medikamente). P Erster Therapieschritt: Identifikation und Absetzen potenzieller schubauslösender Medikamente 5.2 Kausale Therapie (Rekompensation der Porphyrinsynthese) Da Häm als Endprodukt seine eigene Biosynthese hemmt (siehe oben), führt die intravenöse Gabe von Häm zu einer Hemmung der δ-ala-synthase-1 (ALA-S1) und damit zum Sistieren der Produktion pathogener Porphyrinvorstufen. Es kommt zu einer Rekompensation der Porphyrinsynthese. Als Präparat steht Hämarginat (Normosang ) zur Verfügung. Die Gabe soll bei einer Porphyrieattacke so früh wie möglich erfolgen, bei bestehenden zentralnervösen Störungen wie Paresen, Krampfanfällen und Psychosen, oder Beeinflussung der Atmung sofort (Dosierung: 3 mg/kg Körpergewicht/ Tag). Da das Medikament im Allgemeinen nur auf Bestellung verfügbar ist, sollte die Zeit bis zum Eintreffen mit einer Glukoseinfusion überbrückt werden. Die Hämarginattherapie ist über mindestens 4 Tage durchzuführen. Eine Gabe über einen Zeitraum von 7 Tagen hinaus ist jedoch zu vermeiden, da dadurch das Enzym Hämoxidase stimuliert werden kann, was konsekutiv zu einem gesteigerten Abbau von Häm führt. P Hämarginat stellt die kausale Therapie dar. Bei frühzeitiger Gabe von Hämarginat klingen die Beschwerden meist innerhalb von Stunden ab. Der vor der Verfügbarkeit von Hämarginat praktizierten hoch dosierten intravenösen Gabe glukosehaltiger Infusionen liegt ebenfalls eine Hemmung der δ-ala-synthase zugrunde. Diese erfolgt nach in-vitro-untersuchungen indirekt über den sogenannten Peroxisomen-Proliferator-γ-Koaktivator-1α. Die alleinige Gabe von Glukose bei schweren Porphyrieattacken ist aber unzureichend und somit als obsolet anzusehen. Durch frühzeitige Hämtherapie kann das Auftreten der Porphyrieneuropathie vermieden werden. Bei adäquater Dosierung treten keine gravierenden Nebenwirkungen auf. Da bei der Behandlung chronisch rezidivierender Schübe über Häm Eisen zugeführt wird, ist die regelmäßige Ferritinbestimmung sinnvoll. 38
8 5.3 Zusätzliche symptomatische Therapie Die Zusatztherapie richtet sich nach dem klinischen Bild der akuten Porphyrieattacke. Porphyrinogene Medikamente dürfen auf keinen Fall verabreicht werden. Eine aktuelle Übersicht über sichere und unsichere Medikamente findet sich auf der Internetseite der European Porphyria Initiative (EPI) unter P Zur aktuellen Ermittlung der Unbedenklichkeit von Medikamenten wird die Konsultation der Internetseite der European Porphyria Initiative empfohlen Autonome viszerale Neuropathie Bei Schmerzen stellen Opiate die wirksamsten Medikamente dar (Morphin, Pethidin), die bei Bedarf auch in hoher Dosis (z. B. über Perfusor) gegeben werden dürfen. Obstipation kann mit pflanzlichen Laxanzien, Einläufen und Neostigminbromid angegangen werden. Bei Übelkeit und Erbrechen ist Domperidon indiziert. Bei Tachykardie und Hypertonie hat sich die Gabe von β-rezeptorblockern bewährt. 6. Akute Porphyrie und Schwangerschaft Eine akute Porphyrie stellt keine Kontraindikation zu einer Schwangerschaft oder eine Indikation zur Schwangerschaftsunterbrechung dar. Die Schwangerschaft gilt als Risikoschwangerschaft und bedarf der interdisziplinären Betreuung. Eine Zulassung der Gabe von Hämarginat während der Schwangerschaft besteht nicht, es existieren aber Erfahrungsberichte über den problemlosen Einsatz bei Schwangeren. P Porphyriegen-Trägerinnen können schwanger werden. 39
9 Zu empfehlende Literatur Literatur 1 Aarsand AK, Petersen PH, Sandberg S. Estimation and application of biological variation of urinary δ-aminolevulinic acid and porphobilinogen in healthy individuals and in patients with acute intermittent porphyria. Clin Chem 2006; 52: Anderson KE, Bloomer JR, Bonkovsky HL, Kushner JP, Pierach CA, Pimstone NR, Desnick RJ. Recommendations for the diagnosis and treatment of the acute porphyrias. Ann Intern Med 2005; 142: Bylesjö I, Wikberg A, Andersson C. Clinical aspects of acute intermittent porphyria in northern Sweden: a population-based study. Scand J Clin Lab Invest 2009; 69: Herrick AL, McColl KEL. Acute intermittent porphyria. Best Pract Res Clin Gastroenterol 2005; 19: Hift RJ, Meissner PN. An analysis of 112 acute porphyric attacks in Cape Town, South Africa. Medicine 2005; 84: Petrides PE, Frank J, Druschky KF, Kunitz O. Die akuten Porphyrien. Eine Informationsbroschüre für Ärzte, Dietzenbach Pischik E, Kauppinen R. Neurological manifestations of acute intermittent porphyria. Cell Mol Biol 2009; 55: Pischik E, Kazakov V, Kauppinen R. Is screening for urinary porphobilinogen useful among patients with acute polyneuropathy or encephalopathy? J Neurol 2008; 255: Schneider-Yin X, Harms J, Minder EI. Porphyria in Switzerland, 15 years experience. Swiss Med Wkly 2009; 139: Solinas C, Vajda FJE. Neurological complications of porphyria. J Clin Neurosci 2008; 15: von Brasch L, Zang C, Haverkamp T, Schlechte H, Heckers H, Petrides PE. Molecular analysis of acute intermittent porphyria: mutation screening in 20 patients in Germany reveals 11 novel mutations. Blood Cells Mol Dis 2004; 32:
10 Fragen zu den akuten Porphyrien Frage 1: Welche Aussage ist richtig? Entscheidend für die biochemische Diagnose einer akuten Porphyrie mittels Urinanalyse ist eine Erhöhung w Der Gesamtporphyrine w Der Uroporphyrine w Der Koproporphyrine w Von Porphobilinogen w Von δ-aminolävulinsäure Frage 2: Welche Aussage ist nicht richtig? Auslösende Faktoren für einen akuten Schub sind w Nikotin w Schwangerschaft w Medikamente w Sonneneinstrahlung w Alkohol Frage 3: Welche Aussage zu Häufigkeit, Penetranz und Manifestation ist richtig? w Die akuten Porphyrien sind häufige Erkrankungen w Die Penetranz liegt bei % w Männer sind häufiger symptomatisch als Frauen w Die Penetranz liegt zwischen 10% und 20% w Die akuten Porphyrien manifestieren sich häufig bereits im Kindesalter Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Bitte beachten Sie: Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich. Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken! Frage 4: Welche Aussage ist richtig? Die Bestimmung der PBG-Desaminaseaktivität im Erythrozyten erlaubt die Diagnose w Einer atypischen AIP w Einer Porphyria variegata w Einer hereditären Koproporphyrie w Einer typischen AIP w Einer δ-ala-dehydratasemangelporphyrie Frage 5: Welche Aussage ist richtig? Das posteriore reversible Enzephalopathiesyndrom (PRES) w Ist im kranialen CT erkennbar w Ist im MRT erkennbar w Ist irreversibel w Kommt nur bei akuten Porphyrien vor w Ist im diffusionsgewichteten MRT erkennbar Wichtig: Fragebeantwortung unter Falk Gastro-Kolleg 41
11 Frage 6: Welche Aussage ist richtig? Eine Hyponatriämie bei akuten Porphyrien w Sollte schnell korrigiert werden w Ist nicht an der Entstehung von Krampfanfällen beteiligt w Muss langsam korrigiert werden w Wird mit einem Vasopressinrezeptorantagonisten behandelt w Ist nicht behandlungsbedürftig Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Frage 7: Welche Aussage ist richtig? Der akute Schub einer Porphyrie wird am besten therapiert mit w Schmerzmitteln w Niedrig dosierter Glukoseinfusion w Hoch dosierter Glukoseinfusion w Intravenöser Hämarginatgabe w Dextropur Frage 8: Welche Aussage ist richtig? Die genetische Analyse des PBG-Desaminasegens w Ist kostengünstig w Erlaubt die Diagnose der atypischen AIP w Zeigt nur wenige Mutationen w Gibt Informationen über das Manifestationsrisiko w Sollte als erste diagnostische Maßnahme erfolgen Frage 9: Welche Aussage ist richtig? Die aktuellste Information über sichere Medikamente bei akuten Porphyrien findet man w Im Deutschen Ärzteblatt w In der Roten Liste w Auf der Internetseite der Selbsthilfegruppe w Auf der Internetseite der Europäischen Porphyrieinitiative w In der Apothekenumschau Frage 10: Welche Aussage ist richtig? w Die Diagnose einer akuten Porphyrie erfolgt häufig erst spät w Bei der akuten Porphyrie ist der Urin häufig blau verfärbt w Patienten mit kutanen Symptomen einer Porphyria variegata klagen häufig über ein Erythem w Nikotin kann Patienten mit akuten Porphyrien bedenkenlos empfohlen werden w Opiate dürfen bei Schmerzen während akuter Schübe nicht hoch dosiert werden 42
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