BULLETIN Nr. 47 April 2003
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- Jasper Holzmann
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1 AVES Pfannenstil Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz (AVES) Regionalgruppe Pfannenstil Postfach CH Wald Postkonto BULLETIN Nr. 47 April 2003 Windenergie statt Kernkraftwerke? Mitte Mai 2002 veröffentlichte das Bundesamt für Energie (BFE) das Resultat zweier Studien, die es von den Beratungsfirmen Infras 1, Zürich, und Prognos, Basel, hatte erstellen lassen. Es ging dabei um die Frage, ob die Stromproduktion der 5 schweizerischen Kernkraftwerke durch einheimische und importierte Windenergie ersetzt werden könne. Der Bericht des BFE kommt zum Schluss: Der Ersatz der bestehenden KKW nach 40-jähriger Betriebsdauer durch importierte erneuerbare Energien scheint technisch und mit wirtschaftlich vertretbaren Mehrkosten möglich. Dabei wurde vorausgesetzt, dass einerseits die einheimische Windenergieproduktion in den nächsten 10 Jahren um einen Faktor 10 bis 20 erhöht werden wird und dass andererseits in der Nord- und Ostsee auf einer Fläche von über 500 Quadratkilometern ein Park von grossen Windkraftanlagen gebaut werden wird und dass diese Energie gekauft und in die Schweiz transportiert werden kann. Wie realistisch sind diese Annahmen? Grundlagen der Windenergie Die Energie im Wind Ein bewegter Körper enthält Energie, die sogenannte kinetische Energie. Diese Energie manifestiert sich zum Beispiel bei einem Autozusammenstoss in unerwünschter und zerstörerischer Weise. Die kinetische Energie eines Schwungrades hingegen kann nutzbringende Arbeit leisten. Indem ein Schwungrad abgebremst wird, kann die im rotierenden Schwungrad enthaltene kinetische Energie mit Hilfe eines Generators in elektrische Energie umgewandelt werden. Die kinetische Energie eines Körpers ist proportional zu seiner Masse und ist proportional zum Quadrat seiner Geschwindigkeit, d.h. bei zweimal so grosser Geschwindigkeit ist die kinetische Energie viermal so gross, bei dreifacher Geschwindigkeit neunmal so gross. Die kinetische Energie eines bestimmten Luftvolumens ist daher proportional zur Luftdichte (Kilogramm pro Kubikmeter) und zum Quadrat der Windgeschwindigkeit (v 2 ). Das Luftvolumen, das vom Wind durch eine gegebene Fläche transportiert wird, ist proportional zur Windgeschwindigkeit v. Daher ist die Leistung (d.h. die Energie pro Zeiteinheit), die der Wind durch eine gegebene Fläche transportiert, proportional zur dritten Potenz der Windgeschwindigkeit ( v 2 v = v 3 ). Die durch eine bestimmte Fläche strömende Windleistung wird also bei der doppelten Windgeschwindigkeit achtmal so gross und bei der dreifachen Windgeschwindigkeit 27 mal so gross (2 2 2 = 8, = 27). 1 Das Büro Infras ist keineswegs neutral, sondern hat sich bereits 1985 als kernenergiefeindlich profiliert. Siehe Bulletin Nr. 16.
2 2 Theoretisch nutzbare Windleistung Eine Windkraftanlage 2 entnimmt dem Wind kinetische Energie, indem sie die durch die Anlage strömende Luftmasse abbremst. Je stärker die Luftmasse abgebremst wird, desto mehr Energie wird ihr entzogen. Offensichtlich kann dem Wind niemals die ganze kinetische Energie entzogen werden. Dazu müsste ja die in die Windkraftanlage eintretende Luft bis zum Stillstand abgebremst werden. Die Luft könnte die Anlage gar nicht mehr verlassen, es könnte daher auch keine neue Luft in die Anlage einströmen und es würde gar keine Energie produziert. Würde man andererseits die Luft durch die Anlage strömen lassen, ohne sie abzubremsen, würde ebenfalls keine Energie produziert. Offenbar muss es zwischen diesen beiden Extremen ein Optimum geben, bei dem die maximale Leistung dem Wind entnommen wird. Eine (relativ einfache) Rechnung zeigt, dass die von der Windkraftanlage produzierte Leistung maximal wird, wenn die Anlage die Luftmasse auf 1/3 ihrer ursprünglichen Geschwindigkeit abbremst. Die von der Anlage dem Wind entnommene Leistung ist dann 59 Prozent der in der ungestörten Windströmung transportierten Leistung. Da sich beim Abbremsen der Luftmasse der Luftdruck und damit die Luftdichte praktisch nicht ändert, hat das Luftvolumen, das die Anlage verlässt, einen dreimal so grossen Querschnitt wie das Luftvolumen, das in die Anlage eintritt. Der Durchmesser der den Rotor durchlaufenden Stromröhre ist somit hinter dem Rotor 3 = 1,73 mal grösser als vor dem Rotor. Ferner wirkt sich die Bremsung der Luftströmung durch die Stauwirkung auch schon vor dem Rotor aus, indem bereits vor der Rotorfläche die Luftgeschwindigkeit abnimmt und der Durchmesser der Stromröhre wächst. Abbildung 1 zeigt schematisch den Verlauf der Stromlinien durch die Windkraftanlage. Abbildung 1 Strömung durch eine Windkraftanlage In Wirklichkeit ist die Strömung hinter dem Rotor nicht mehr glatt, sondern stark verwirbelt. So wie jedes Flugzeug hinter sich zwei Luftwirbelschleppen 3 herzieht, erzeugt jedes Rotorblatt eine schraubenlinienförmige Wirbelschleppe, die sich mehrere hundert Meter hinter der Anlage hinziehen kann. Technisch nutzbare Windleistung Es ist also aus physikalischen Gründen unmöglich, mehr als 59 Prozent der in der Windströmung transportierten Leistung auszunützen. Diese 59 Prozent sind jedoch ein rein theoretischer idealer Wert. Aerodynamische Verluste am Rotor und Verluste im Getriebe und im Gene- 2 Der Ausdruck Windkraftanlage ist eigentlich genau genommen ebenso falsch wie die Begriffe Kohlekraftwerk, Kernkraftwerk, Wasserkraftwerk usw. Ein Kraftwerk produziert keine Kraft, sondern wandelt Energie um und produziert Arbeit. Da aber der Ausdruck Windkraftanlage gebräuchlicher ist als das Wort Windenergieanlage, wird er hier ebenfalls verwendet. 3 Die Luftwirbelschleppen von Grossflugzeugen bewirken eine so starke Turbulenz, dass kleinere Flugzeuge einen bestimmten Mindestabstand zu dem vorausfliegenden Grossflugzeug einhalten müssen, damit sie nicht gefährdet werden.
3 3 rator bewirken, dass die technisch nutzbare Leistung deutlich kleiner ist. Der effektive Wirkungsgrad einer Windkraftanlage ist zudem von der Windgeschwindigkeit abhängig. Unterhalb einer bestimmten Mindestgeschwindigkeit, der sogenannten Einschaltgeschwindigkeit, läuft die Anlage gar nicht an. Oberhalb der Einschaltgeschwindigkeit steigt der Wirkungsgrad steil an, erreicht bei einer bestimmten Geschwindigkeit, die der Konstrukteur beim Entwurf der Anlage wählen kann, den Maximalwert und sinkt dann bei höheren Geschwindigkeiten wieder ab. Bei Windgeschwindigkeiten über einer bestimmten Maximalgeschwindigkeit muss die Anlage aus Sicherheitsgründen ganz abgeschaltet werden. Dazu werden zum Beispiel die Rotorblätter in Segelstellung gedreht, d.h. die Fläche des Rotorblattes steht parallel zur Windrichtung. Abbildung 2 zeigt einen idealisierten Verlauf des Wirkungsgrades η einer Windkraftanlage als Funktion der Windgeschwindigkeit. Abbildung 2 Wirkungsgrad einer Windkraftanlage Die Anlage startet bei einer Windgeschwindigkeit von 3 m/s, erreicht einen Wirkungsgrad von 40 Prozent bei einer Windgeschwindigkeit von etwas über 7 m/s und schaltet bei einer Windgeschwindigkeit von über 25 m/s ab. Die folgende Tabelle gibt die Leistungsdichte des Windes, den Wirkungsgrad und die von einer Windkraftanlage mit einem Rotordurchmesser von 44 m abgegebene Leistung als Funktion der Windgeschwindigkeit 4. Windgeschwindigkeit Leistungsdichte Wirkungsgrad Leistung m/s W/m 2 % kw Bei einer bestimmten Windgeschwindigkeit wird die Nennleistung der Anlage erreicht. Für höhere Windgeschwindigkeiten wird durch eine Regelung (meistens durch Verstellen der Rotorblätter) dafür gesorgt, dass diese Leistung nicht überschritten wird. Es wäre unwirtschaftlich, den Generator so auszulegen, dass er die Leistung bei den höchsten Windgeschwindigkeiten aufnehmen könnte, zumal diese sehr selten auftreten.
4 4 Die Tabellenwerte gelten für eine Luftdichte von 1,29 kg/m 3, d.h. für Luft bei einer Temperatur von 0 C und einem Luftdruck von 1013 hpa (= Normaldruck auf Meereshöhe). Bei 20 C auf einer Höhe von 2000 m wäre die Luftdichte nur 0,94 kg/m 3 und die Werte wären dementsprechend 27 Prozent niedriger. Statistische Verteilung der Windgeschwindigkeit Die Windgeschwindigkeit an einem gegebenen Standort ist selbstverständlich nicht konstant, sondern variiert zwischen null bei absoluter Windstille und dem Maximalwert beim stärksten Orkan. Abbildung 3 zeigt eine typische Windgeschwindigkeitsverteilung für einen Ort mit einer mittleren Windgeschwindigkeit von 7 m/s. Abbildung 3 Wahrscheinlichkeitsverteilung der Windgeschwindigkeit Die Wahrscheinlichkeit W(v) ist eine sogenannte Wahrscheinlichkeitsdichte, d.h. der auf der Kurve abgelesene Wert muss mit einem Geschwindigkeitsintervall multipliziert werden, damit sich überhaupt eine Wahrscheinlichkeit ergibt. Zum Beispiel wäre es sinnlos zu fragen, wie gross die Wahrscheinlichkeit für eine Windgeschwindigkeit von 5 m/s sei. Die Windgeschwindigkeit wird nie genau 5, m/s betragen. Es kann nur gefragt werden, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Windgeschwindigkeit in einem bestimmten Intervall, zum Beispiel zwischen 5 und 6 m/s liegt. Aus der Kurve kann abgelesen werden, dass diese Wahrscheinlichkeit 0,108 1 = 0,108, also 10,8 Prozent beträgt. Für die Wahrscheinlichkeit, dass die Windgeschwindigkeit zwischen 5,0 und 5,1 m/s liegt, ergibt sich 0,108 0,1 = 0,0108, also 1,1 Prozent. Das Maximum der Kurve liegt bei etwa 5,5 m/s, d.h. Windgeschwindigkeiten im Bereich von 5,5 m/s treten am häufigsten auf. Da die Verteilungskurve asymmetrisch bezüglich dieser Geschwindigkeit ist und viel weiter nach rechts als nach links reicht, ist es einleuchtend, dass die mittlere Windgeschwindigkeit (7 m/s) höher ist als 5,5 m/s. Wenn die Windgeschwindigkeitsverteilung erhalten wurde durch Windgeschwindigkeitsmessungen während eines Jahres, so muss berücksichtigt werden, dass die mittlere Windgeschwindigkeit auch noch von Jahr zu Jahr erheblich schwanken kann. Windscherung Die Windgeschwindigkeit steigt mit zunehmender Höhe über dem Boden an, da die Windströmung durch Hindernisse und durch die sogenannte Rauhigkeit des Bodens gebremst wird. Hohes Gras, Sträucher und Büsche ergeben eine hohe Rauhigkeit, während zum Beispiel beto-
5 5 nierte Starbahnen eine kleine Rauhigkeit aufweisen. Noch kleinere Rauhigkeit haben Wasseroberflächen. Je kleiner die Rauhigkeit ist und je weniger Hindernisse (Gebäude, Wälder) vorhanden sind, umso weniger wird die Windströmung in Bodennähe gebremst. Aus diesem Grund ist in Höhen, wie sie für Windkraftanlagen von Bedeutung sind, die Windgeschwindigkeit über dem Meer bei sonst vergleichbaren Bedingungen höher als über dem Land. Eine Windkraftanlage mit Standort im Meer liefert deutlich mehr Energie als die gleiche Anlage mit Standort auf dem Land. Nennleistung und mittlere Leistung einer Windkraftanlage Die als Beispiel betrachtete Anlage liefert eine Nennleistung von 600 kw ab einer Windgeschwindigkeit von 17 m/s. Für die gegebene Windgeschwindigkeitsverteilung ergibt sich eine mittlere Leistung von 170 kw 5, also nur rund 28 Prozent der Nennleistung. Dieser Prozentanteil wird auch als Auslastung bezeichnet. Wäre die mittlere Windgeschwindigkeit nur 5,5 m/s, so ergäbe sich eine mittlere Leistung von 100 kw, also eine Auslastung von weniger als 17 Prozent. Gelegentlich wird dieser Sachverhalt auch durch Angabe der Volllaststunden ausgedrückt. Eine mittlere Leistung von 170 kw ergibt in einem Jahr die gleiche Energie, welche die Anlage bei der Nennleistung von 600 kw in 2480 Stunden liefern würde. Bei einer mittleren Leistung von 100 kw sind es nur noch 1450 Volllaststunden. Im Vergleich dazu erreichen Kernkraftwerke rund 7500 Volllaststunden und mehr. Andererseits bedeuten 1450 oder 2480 Volllaststunden natürlich nicht, dass die Anlage nur so wenige Stunden im Jahr überhaupt in Betrieb ist. Volllaststunden dürfen nicht mit Betriebsstunden verwechselt werden. Für das hier gegebene Beispiel einer Windgeschwindigkeitsverteilung, einer Einschaltgeschwindigkeit von 3 m/s und einer Abschaltgeschwindigkeit von 25 m/s ergibt sich eine Betriebszeit von 86,8 Prozent, d.h. pro Jahr rund 7600 Betriebsstunden. Jedoch wird während dieser 7600 Stunden wie gesagt im Gegensatz zu den konventionellen Kraftwerken nur selten die volle Nennleistung abgegeben. Bauarten von Windkraftanlagen Die verschiedenen Arten von Windkraftanlagen können in zwei Klassen eingeteilt werden: Anlagen mit horizontaler Rotorwelle und Anlagen mit vertikaler Rotorwelle. Weitaus die meisten Anlagen haben eine horizontale Rotorwelle. Ferner können die Rotoren auf dem Widerstandsprinzip oder auf dem Auftriebsprinzip beruhen. Die meisten alten Windmühlen haben eine horizontale Achse und beruhen auf dem Widerstandprinzip, d.h. der Rotor wird durch den Winddruck angetrieben. Diese Anlagen laufen relativ langsam und haben einen niedrigen Wirkungsgrad. Als Antrieb für Wasserpumpen sind sie jedoch durchaus optimal. Die Rotoren haben oft über ein Dutzend Rotorblätter und diese sind häufig relativ breit, d.h. die Rotorfläche bedeckt einen grossen Teil der Rotorkreisfläche. Das bewirkt, dass bei einem Sturm enorme Kräfte auf den Rotor wirken. Die Rotoren moderner Anlagen für Stromerzeugung beruhen auf dem Auftriebsprinzip. Die schlanken Rotorblätter weisen ein ähnliches Profil auf wie eine Flugzeugtragfläche, und genau gleich, wie auf die umströmte Tragfläche eine dynamische Auftriebskraft wirkt, greift am umströmten Rotorblatt eine aerodynamische Kraft an, die auf das Rotorblatt ein Drehmoment ausübt und es in Rotation versetzt. Obwohl die schlanken Rotorblätter nur einen kleinen Bruchteil der Rotorkreisfläche bedecken, haben sie trotzdem einen bedeutend besseren Wirkungsgrad als die klassischen Windmühlen. 5 Weil die Leistung der Windkraftanlage proportional ist zu v 3, ist die mittlere Leistung (170 kw) grösser als die Leistung bei der mittleren Windgeschwindigkeit (134 kw bei 7 m/s).
6 6 Je weniger Blätter der Rotor aufweist, desto weniger stören sich die Blätter gegenseitig durch ihre Wirbelbildung. Rotoren mit nur zwei statt drei Blättern sind einerseits kostengünstiger, aber müssen andererseits mit höherer Drehzahl laufen, um die gleiche Leistung zu erbringen wie ein dreiflügliger Rotor. Zudem entstehen stärkere dynamische Belastungen des Rotors, weil das eine Blatt unten durch die Stauzone vor dem Turm läuft (und damit einer schwächeren Kraft ausgesetzt ist), wenn das andere Blatt sich in der höchsten Stellung befindet und deshalb mit der maximalen Kraft beansprucht wird, da die Windgeschwindigkeit mit zunehmender Höhe über dem Boden ansteigt. Es gibt sogar Anlagen mit nur einem Blatt. Für diese gelten die erwähnten Nachteile noch in verstärktem Mass, und da auf der dem Rotorblatt gegenüberliegenden Seit der Nabe ein Gegengewicht angebracht werden muss, ergibt sich auch keine Gewichtsersparnis. Zudem dürfte die Drehung eines einflügligen Rotors einen ziemlich schwindelerregenden Anblick bieten. Windkraftanlagen mit vertikaler Achse konnten sich für die Stromerzeugung nicht durchsetzen. Der einzige Windgenerator-Typ mit vertikaler Achse, der jemals kommerziell hergestellt wurde, ist der Darrieus-Rotor. Seine gekrümmten Rotorblätter haben ungefähr die Form eines (zu gross geratenen) Schneebesens. Er hat zwar die Vorteile, dass er bei beliebiger Anströmrichtung des Windes funktioniert und daher nicht nach dem Wind ausgerichtet werden muss, und dass sich Getriebe und Generator nicht auf einem Turm, sondern am Boden befinden. Dem stehen jedoch einige Nachteile gegenüber. Die Windgeschwindigkeit in Bodennähe ist sehr viel geringer und die Anlage hat einen deutlich schlechteren Wirkungsgrad als ein Rotor mit horizontaler Achse. Zudem können die Drehzahl und die Leistungsabgabe nicht durch Verstellen der Rotorblätter geregelt werden. Ferner startet die Anlage nicht von selbst, sondern muss erst einmal in Rotation versetzt werden. Dies ist allerdings nur ein kleines Problem für eine Anlage, die ans Netz angeschlossen ist, da der Generator kurzzeitig als Motor geschaltet werden kann. Für die Anlagen mit horizontaler Achse gibt es als weiteres Unterscheidungsmerkmal die Anordnung des Rotors. Bei den sogenannten Luvläufern befindet sich der Rotor auf der dem Wind zugewandten Seite der Anlage, bei den Leeläufern ist der Rotor auf der windabgewandten Seite. Leeläufer haben den Vorteil, dass sie keinen Mechanismus zur Windnachführung brauchen, weil sie sich von selbst in den Wind drehen. Andererseits ergibt sich daraus ein kleines Problem. Die Gondel mit dem Rotor könnte sich zufälligerweise längere Zeit immer in der gleichen Richtung drehen, wodurch die Stromkabel immer mehr verdrillt werden (Schleifringe sind bei grösseren Leistungen keine besonders gute Idee). Es braucht also trotzdem einen Stellmotor, der die Gondel von Zeit zu Zeit wieder in die Grundstellung fährt. Der gravierende Nachteil der Leeläufer besteht darin, dass die Rotorblätter durch den Windschatten und die Turbulenzzone des Turmes laufen. Dadurch wirken ständig stossartige Kräfte auf die Rotorblätter. Um Schäden (Ermüdungsbrüche) zu vermeiden, sind besondere konstruktive Massnahmen (Pendelnabe) erforderlich, die relativ aufwendig sind. Zudem bewirkt der Windschatten ein periodisch sich änderndes Drehmoment, was periodische Spannungsschwankungen des Generators verursacht und zu einer Leistungseinbusse führt. Luvläufer haben den Vorteil, dass die Rotorblätter nicht durch den Windschatten des Turmes laufen. Allerdings besteht auch vor dem Turm eine Stauzone, in der die Windgeschwindigkeit etwas kleiner ist als in der ungestörten Strömung. Die dadurch auf die Rotorblätter wirkenden Störkräfte sind aber bedeutend kleiner als bei einem Leeläufer. Bei einem Luvläufer besteht andererseits immer das Risiko, dass bei einem starken Sturm ein Rotorblatt gegen den Turmgedrückt wird. Rotoren von Luvläufern müssen daher steifer sein und sind deshalb schwerer als Rotoren von Leeläufern. Luvläufer müssen mit einem Nachführmechanismus in den Wind gedreht werden. Nur bei kleineren Anlagen wird das passiv durch eine Windfahne oder durch ein kleines seitliches Windrad (wie bei den holländischen Windmühlen) bewirkt. Bei den grossen Anlagen wird praktisch ausnahmslos eine aktive Nachführung verwendet. Durch einen von
7 7 Windrichtungssensoren gesteuerten elektrischen oder hydraulischen Antrieb wird die Gondel mit dem Rotor in den Wind gedreht. Die meisten modernen Windkraftanlagen haben eine horizontale Achse mit drei Rotorblättern. Abbildung 4 zeigt als Beispiel drei der zur Zeit sechs Windkraftanlagen der Juvent AG auf dem Mont-Crosin im Jura. Bild: VSE 6 Abbildung 4 Windkraftanlagen auf dem Mont-Crosin Abbildung 5 veranschaulicht die Grössenverhältnisse für Windkraftanlagen verschiedener Leistungen. Abbildung 5 Grösse von Windkraftanlagen Leistung: P Rotordurchmesser: d Höhe der Nabe: h Gesamthöhe der Anlage: h + ½ d Bereits 1983 wurde eine Grosswindanlage ( GROWIAN ) mit 3 MW Nennleistung und einem Rotordurchmesser von 100 m in der Nähe von Brunsbüttel in Betrieb genommen. Bereits nach 6 VSE: Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen
8 8 420 Betriebsstunden musste die Anlage wegen Materialermüdung stillgelegt werden, und 1988 wurde sie wieder abgebrochen 7. Im September 2002 wurde bei Magdeburg eine 4,5-MW- Anlage mit einem Rotordurchmesser von 112 m in Betrieb genommen. Sie dient als Prototyp für die geplanten grossen Offshore-Windparks. Windpark Sollen am gleichen Standort mehrere Windkraftanlagen aufgestellt werden, so müssen bestimmte Mindestabstände eingehalten werden, damit sich die Anlagen nicht gegenseitig stören. Die Strömung hinter dem Rotor einer Windkraftanlage ist ja stark verlangsamt. Sie muss daher erst wieder beschleunigt werden, bevor die Windenergie erneut ausgenutzt werden kann. Als Faustregel gilt, dass in der Windrichtung der Abstand zweier Anlagen zwischen 5 und 9 Rotordurchmesser betragen soll. Die Abstände senkrecht zur Windrichtung sollten gleich 3 bis 5 Rotordurchmesser sein. Abbildung 6 zeigt ein typisches Beispiel einer Anordnung. Die in der Abbildung 6 dargestellte Anordnung ist aber nur sinnvoll, wenn eine bestimmte Windrichtung vorherrschend ist. Wenn der Wind aus verschiedenen Richtungen kommen kann, muss in beiden Richtungen der grössere Abstand, also 7 d, gewählt werden. Für den totalen Flächenbedarf eines ungefähr quadratischen Windparks mit n Windkraftanlagen mit dem Rotordurchmesser d ergibt sich die Beziehung 8 : 2 2 n 1 7 d = 49 n 2 n + 1 d. F = ( ) ( ) ( ) 2 Beispiel: Für den Windpark Horns Rev mit seinen 80 Rotoren mit je 80 m Durchmesser erhält man nach dieser Regel: = 7, = 1, F = ( ) ( ) Da d in Metern eingesetzt wurde, ergibt sich die Fläche in m 2. Der Windpark Horns Rev müsste also rund 20 Millionen Quadratmeter, d.h. 20 km 2 beanspruchen. Die Rotoren von Horns Rev haben einen gegenseitigen Abstand von 560 m und sind in 10 Reihen von je 8 Rotoren angeordnet. Sie beanspruchen somit tatsächlich eine Fläche von m 2 = 19'800'000 m 2, d.h. wie erwartet rund 20 km 2. Abbildung 6 Anordnung eines Windparks 7 Siehe auch Bulletins Nr. 5 und Nr Der Ausdruck ( n -1) 2 anstelle von n wird durch den Randeffekt bestimmt: Für die jeweils letzte Reihe der Anlagen (in beiden Richtungen) muss keine Fläche mehr freigehalten werden.
9 9 Versorgungssicherheit Da eine Windkraftanlage bei zu schwachem Wind und auch bei zu starkem Wind keine Energie liefern kann, muss stets die entsprechende Kraftwerksleistung in Reserve bereitstehen. Bei einer einzelnen Anlage mit zum Beispiel 600 kw oder 1,5 MW Nennleistung ist das in einem elektrischen Verbundnetz kein Problem. Schwieriger wird es, wenn von einer Flaute oder einem Sturm ein ganzer Windpark betroffen ist. Am 26. Februar 2002 lieferten die 2300 Windkraftwerke in Schleswig-Holstein dank des starken Windes zusammen 1150 MW ins Stromnetz. Doch am Abend wuchs der Sturm zum Orkan an, und schlagartig fiel die Windstrom-Leistung praktisch auf Null, weil nahezu alle Anlagen sich aus Sicherheitsgründen abschalteten. Es musste binnen Minuten von andern Kraftwerken eine Leistung von rund 1100 MW zur Verfügung gestellt werden. Im norddeutschen Netz schwankt die Leistung der Windenergie zwischen 0 und 3500 MW. Einerseits kann die Windstromleistung unverhofft auf Null abfallen, aber andererseits kann auch das Umgekehrte passieren. Statt dass die Windkraftwerke wie von der Windleistungsprognose vorausgesagt 500 MW produzieren, liefern sie plötzlich 2500 MW ins Netz. In einem solchen Fall müssen einige Kraftwerke den teuer produzierten Dampf ungenutzt in die Luft abblasen, weil die Leistung eines thermischen Kraftwerks nicht so schnell heruntergefahren werden kann. Eine Studie der Universität Hamburg für einen hypothetischen Offshore-Windpark in der Deutschen Bucht ergab für die Jahre 1981 bis 1995 im Mittel 12 Sturmabschaltungen pro Jahr mit einer mittleren Dauer von je 6,3 Stunden. Die längste Sturmabschaltung hätte 33 Stunden gedauert. Im gleichen Zeitraum traten im Mittel 128 Flauten pro Jahr mit einer mittleren Dauer von je 18,4 Stunden auf. Die längste Flaute hätte 141 Stunden angehalten. Als Flaute wurden dabei Windverhältnisse gerechnet, bei denen der Windpark weniger als 10 Prozent der Nennleistung abgibt. Aus diesen Gründen kann ein Windenergie-Park mit z.b. total 1000 MW Nennleistung nicht ein normales Kraftwerk von 1000 MW ersetzen. Konventionelle Kraftwerke mit total gleicher Leistungskapazität müssen ständig als Reserve bereitstehen. Dazu müssen diese Kraftwerke in Deutschland in der Regel Kohlekraftwerke im Teillastbereich mitlaufen. Im Teillastbetrieb ist aber der Wirkungsgrad schlechter, d.h. es wird pro produzierte Kilowattstunde mehr Kohle verbraucht und mehr CO 2 produziert. Je grösser der Anteil des Windstromes in einem Netz ist, desto gravierender stellt sich das Problem der Sicherstellung einer ununterbochenen Stromversorgung. Standorte für Windkraftanlagen Schweiz Die Schweiz ist nicht ein klassisches Windenergieland wie etwa Dänemark, Holland oder Norddeutschland. Standorte, die für Windkraftanlagen geeignet sind und die auch unter dem Gesichtspunkt des Landschaftsschutzes akzeptabel sind, gibt es nicht in grosser Zahl. Die Windstromproduktion in der Schweiz beträgt zur Zeit etwa 6000 MWh pro Jahr, wovon rund 80 Prozent auf die sechs Windkraftanlagen der Juvent AG auf dem Mont-Crosin entfallen. Diese 6000 MWh sind aber lediglich weniger als 0,01 Prozent der gesamten Stromproduktion der Schweiz. Selbst wenn nun wie im BFE-Bericht vorausgesetzt die Windenergieproduktion auf das Zwanzigfache erhöht werden könnte, wäre ihr Anteil an der gesamten Stromproduktion erst etwa 0,2 Prozent. Deutschland Ende 2002 betrug die Gesamtleistung der in Deutschland installierten Windenergieanlagen rund 12'000 MW (Nennleistung!). Dies entspricht einem Drittel der weltweiten Windkraftkapazität. Obwohl diese 12'000 MW rund 10 Prozent der in Deutschland insgesamt installierten Stro-
10 10 merzeugungsleistung darstellen, beträgt der Windstromanteil am Gesamtstromverbrauch nur etwa 3 Prozent, denn die Windkraftanlagen erreichen an der deutschen Küste 2000, auf der Schwäbischen Alb weniger als 1500 und im deutschen Durchschnitt weniger als 1800 Volllaststunden, während die thermischen Kraftwerke im Grund- und Mittellastbereich auf 4500 bis 7500 Volllaststunden kommen. Die Nutzung der Windenergie stösst in Deutschland allmählich an ihre Grenzen. Die windreichen Standorte sind bereits weitgehend genutzt. Zudem regt sich in der betroffenen Bevölkerung zunehmend Widerstand gegen die erbauten oder geplanten Windkraftanlagen. Dabei geht es nicht wie bei der Opposition gegen die Kernenergie um Ängste vor einer eventuell möglichen Gefährdung, sondern um eine unmittelbar erlebte Beeinträchtigung der Lebensqualität. Offshore-Windparks Offshore-Windparks (off shore: vor der Küste) haben den Vorteil, dass sie keinerlei Einschränkungen hinsichtlich Lärmemissionen, Lichtreflexen und Schattenwurf unterliegen. Ihr Hauptvorteil ist jedoch, dass sie dank der höheren Windgeschwindigkeiten eine bessere Auslastung erreichen als Anlagen auf dem Land. Es werden Auslastungen von 40 Prozent und mehr erwartet. Die Nachteile der Offshore-Anlagen sind die höheren Kosten der Fundamentierung und der Netzanbindung. Aus diesem Grund sind für Offshore-Anlagen nur grössere Einheiten rentabel. Für die projektierten deutschen Offshore-Windparks sind deshalb 5-MW-Anlagen geplant, eine Baugrösse, die noch gar nicht erprobt ist. Da die Anlagen dem starken Salzgehalt des Wassers und der Luft ausgesetzt sind, werden auch die Wartungs- und Instandhaltungskosten höher sein als auf dem Land. Während Windkraftanlagen auf dem Land Verfügbarkeiten von über 95 Prozent aufweisen, dürfte die Verfügbarkeit von Offshore-Anlagen merklich kleiner sein. Wartung und Reparatur einer Offshore-Anlage hängen stark von den Wetterbedingungen ab. Sturm und hoher Wellengang könnten die Reparatur einer Anlage während Tagen oder gar Wochen verunmöglichen. Zur Zeit existieren weltweit 11 Offshore-Windparks, 5 in Dänemark, 3 in Schweden, 2 in den Niederlanden und 1 in England. Bereits 1985 nahm Dänemark an der Ostküste Jütlands einen Windpark in Betrieb, dessen 16 Windkraftanlagen von je 55 kw auf einer Mole stehen. Die ersten echten Offshore-Windparks wurden von Dänemark Anfang der Neunzigerjahre in Betrieb genommen: Vindeby ( kw) und Tunø Knob ( kw). Im Jahr 2001 wurde zwei Kilometer vor dem Hafen von Kopenhagen der Windpark Middelgrunden mit 20 Rotoren von je 2 MW in Betrieb gesetzt. Ende 2002 und Anfang 2003 gingen zwei weitere grosse dänische Projekte in Betrieb: Samsø in der Ostsee (10 2,3 MW) und Horns Rev in der Nordsee vor der Küste von Jütland (80 2 MW). Alle bisher realisierten grossen Offshore-Windparks wurden relativ küstennah (maximale Entfernung etwa 15 km) und in flachem Wasser (maximale Tiefe etwa 15 m) errichtet. Nur eine davon (Horns Rev) liegt in der Nordsee, alle andern (mit Ausnahme der englischen Anlage) liegen in der Ostsee. Von den zur Zeit geplanten 30 deutschen Offshore-Anlagen befinden sich dagegen 24 in der Nordsee. Diese sind zum Teil mehr als 30 km von der Küste entfernt und in Wassertiefen von 20 bis 35 Metern. Da die Bau- und Unterhaltskosten stark mit der Küstenentfernung und der Wassertiefe anwachsen, können die bisher gemachten Erfahrungen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit nur beschränkt auf die geplanten deutschen Anlagen übertragen werden. Auch in Bezug auf die Lebensdauer der Anlagen stellen sich bei den wesentlich rauheren Bedingungen der Nordsee neue Fragen. Im übrigen existiert in der projektierten Anlagengrösse von 5 MW erst ein Prototyp. Die für Offshore-Windparks zur Verfügung stehenden Nutzungsflächen sind nicht unbeschränkt. Die Forderung, dass die Windparks von der Küste aus möglichst nicht sichtbar sein
11 11 sollen, verlangt eine Mindestdistanz der Anlagen von der Küste. Andererseits geben die maximale Wassertiefe, bis zu der Offshore-Anlagen technisch und wirtschaftlich realisierbar sind, und die Kosten für die Netzanbindung eine obere Grenze für die Distanz der Anlagen von der Küste. Weitere Einschränkungen ergeben sich durch Schifffahrtslinien, durch die Fischerei, durch militärische Sperrgebiete und durch Naturschutzgebiete (z.b. Nationalpark Wattenmeer). Ersatz der schweizerischen KKWs durch einen Offshore-Windpark? Die schweizerischen Kernkraftwerke liefern zusammen eine elektrische Leistung von 3250 MW und haben eine Auslastung von rund 88 Prozent. Sie liefern also pro Jahr rund 25'000 Millionen Kilowattstunden und ihre über das ganze Jahr gemittelte Leistung ist 2860 MW. Wenn nun diese Energie von einem Offshore-Windpark geliefert werden sollte, so müsste dieser also eine mittlere Leistung von 2860 MW erbringen. Wird mit einer Auslastung von 40 Prozent gerechnet, so müsste der Windpark eine Nennleistung von 7150 MW aufweisen. Wenn 2-MW-Anlagen eingesetzt werden, braucht es dazu 3575 Anlagen, also rund 45 mal mehr als beim grossen Windpark Horns Rev. Die beanspruchte Fläche ist 1084 km 2, also rund 54 mal mehr als die von Horns Rev benötigte Fläche 9. Wenn 5-MW-Anlagen zum Einsatz kommen, braucht es zwar weniger Anlagen, aber wegen der grösseren Rotoren beansprucht jede Anlage mehr Fläche, so dass der gesamte Flächenbedarf ungefähr derselbe bleibt. Der eingangs erwähnte Flächenbedarf von 500 km 2 wird offenbar nur erhalten, wenn mit einem Leistungsbedarf von 3200 MW, d.h. mit einer völlig unrealistischen Auslastung von 100 Prozent gerechnet wird. Die Kosten für den Windpark Horns Rev betrugen 268 Millionen Euro. Davon entfielen 40 Millionen allein auf den Netzanschluss zum Festland. Die Kosten des schweizerischen Offshore- Windparks würden sich auf etwa 12 Milliarden Euro oder rund 17 Milliarden Schweizer Franken belaufen. Da jederzeit eine Flaute auftreten kann, die einen ganzen Windpark lahm legt, muss die Leistung notfalls kurzfristig von anderen Kraftwerken bereitgestellt werden können. Bei gewissen Wetterlagen können ohne weiteres sämtliche Windparks in der Nord- oder Ostsee gleichzeitig stillstehen (oder auch wegen zu starkem Wind abgeschaltet werden). Wenn einmal, wie geplant, 20 bis 25 Prozent der Stromversorgung Deutschland durch Windkraftwerke gedeckt wird, ist in einer solchen Situation Deutschland auf alle seine Reservekraftwerke angewiesen und dürfte kaum in der Lage sein, der Schweiz 3250 MW zu liefern. Um 3250 MW in die Schweiz zu transportieren, müssten ferner ein bis zwei neue Höchstspannungsleitungen von rund 700 km Länge von der Nordküste Deutschlands bis in die Schweiz gebaut werden. Ob Deutschland gewillt wäre, eine solche Leitung für die Schweiz bauen zu lassen, ist mehr als fraglich. Ebenso ist es fraglich, ob Deutschland bereit wäre, der Schweiz 1000 km 2 für einen Offshore-Windpark zur Verfügung zu stellen, nachdem die in Frage kommenden Küstenbereiche bereits knapp zu werden beginnen. Ersatz der Kernenergie durch Windenergie ist unrealistisch Dr. Martin Pfisterer, Präsident der Juvent SA, führte an einer Medienkonferenz am 22. November 2002 abschliessend aus:...der Ausfuhr von Windenergie aus Deutschland in die Schweiz sind aus nachvollziehbaren technischen, energiewirtschaftlichen, landschaftsschützerischen und politischen Grün m = 1, m ( ). Wegen des erwähnten Randeffekts kann nicht einfach die Fläche des kleineren Parks mit dem Verhältnis der Anzahl Anlagen multipliziert werden. Also nicht: km 2 = 900 km 2. Die gössere Anlage hat sozusagen relativ weniger Rand.
12 12 den enge Grenzen gesetzt. Das Gleiche trifft selbstverständlich auch für andere windstarke Länder zu, so etwa für Dänemark und Holland. Es wäre unrealistisch zu glauben, unser Land könne im grossen Stil von den in andern Ländern mit staatlicher und privater Unterstützung aufgebauten erneuerbaren Energien profitieren. Soll Deutschland gewaltige ökologische Risiken und landschaftliche Belastungen auf sich nehmen, um für die Schweiz Windparks offshore in der Grösse des Genfersees und hunderte von Kilometern neue Stromleitungen zu errichten? Soll Deutschland hohe Reservekapazitäten in Gas- und Kohlkraftwerken bereithalten, um der Schweiz bei Windflaute die Versorgungssicherheit zu gewährleisten? Soll Deutschland CO 2 freien Windstrom zum Ersatz CO 2 freier Schweizer Kernenergie abliefern, anstatt entsprechend den Kyoto-Verpflichtungen eigene CO 2 -Emissionen mit Windenergie zu reduzieren? Und wenn das alles geschehen sollte: Was wäre der Preis? Derartige Fragen zeigen deutlich auf, dass dem Windstromimport im grossen Stil mehrfache Grenzen gesetzt sind. Diese Aussage gilt ungeachtet dessen, ob der Produktionsstandort nun Norddeutschland oder ein anderes europäisches Küstenland ist. Windenergie ist sympathisch und umweltfreundlich. Die beschränkt erschliessbare Schweizer Windenergie stellt eine attraktive Ergänzungsenergie dar. Sie hat eine gute Zukunft vor sich als wertvolles Nischenprodukt. Der Import ausländischer Windenergie stellt eine verheissungsvolle Möglichkeit dar. Aus verschiedenen technischen, energiewirtschaftlichen, landschaftsschützerischen und politischen Gründen aber darf das Importpotenzial nicht überschätzt werden. Diese Fakten sind mit Realitätssinn zu akzeptieren. Sie machen deutlich, dass ein Ersatz von 40 Prozent unseres Stromverbrauches mit einheimischer und importierter Windenergie nicht realisierbar ist. Wer dem Nischenprodukt Schweizer Windstrom zu mehr Durchsetzungskraft verhelfen will, der möge ohne in falsche Hoffnungen zu verfallen aktiv mithelfen, die Vorurteile und Vorbehalte gegen Windenergie im Inland abzubauen. Der Versuch, in grossem Stil von der Leistung ausländischer Akteure zu profitieren, führt nicht zum Ziel. Gefragt ist eigene Leistung. Dr. Pfisterer, als Präsident der Gesellschaft, welche die Windkraftanlagen im Jura betreibt, dürfte doch wohl ein Fachmann sein, der frei ist vom Verdacht, er könnte zugunsten der Atomenergie-Lobby argumentieren. Matthias Boxberger von der deutschen E.ON Netz GmbH stellte in seinem Referat Windenergie (k)ein Ersatz für Kernkraft 10 fest: Ob und inwiefern deutscher Windstrom in die Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland exportiert werden kann, hängt ganz wesentlich von den Möglichkeiten eines Netzausbaus ab. Derzeit stellen bereits die Querung von Elbe, Weser und der deutschniederländischen Grenze gravierende Engpässe dar. Als ich gestern hörte, dass die Diskussion allen Ernstes darauf hinausläuft, Windstrom aus der Nordsee über den Rhein zu bringen, da habe ich ganz vorsichtig angemerkt, wir wüssten noch nicht einmal, wie wir ihn über die Elbe bringen. (Kernpunkte Nr. 2, ) A.R. 10 Informationstagung der Schweizerischen Vereinigung für Atomenergie (SVA) am 17. Februar 2003 in Bern: Atom-Ausstieg unrealistisch, teuer, falsch. 11 Kernpunkte: Kurzdokumentation zur Kernenergiediskussion, SVA.
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