Immuntherapien bei CED: Wo geht die Reise hin?
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- Albert Simen
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1 Immuntherapien bei CED: Wo geht die Reise hin? Dr. Anja Kühl Was verstehen wir unter Immuntherapien? Zunächst sind es alle Behandlungsformen, bei denen das körpereigene Abwehrsystem beeinflusst, also stimuliert, moduliert oder unterdrückt (supprimiert) wird. Die wesentliche Bedingung für deren Wirksamkeit ist, dass das Immunsystem an der Entstehung und/oder Aufrechterhaltung der Erkrankung beteiligt ist. Bei CED geht man heute von einer Überaktivier ung des Immunsystems aus, bei der Immunreaktionen des Darmes sozusagen über ihr eigentliches Ziel hinausschießen. Unter anderem schließt man das aus den guten Behandlungserfolgen mit Immunsuppressiva, wie z.b. Kortison oder Ciclosporin. Diese Substanzen wirken allerdings ungerichtet und schlagen sozusagen wie ein Holzhammer auf das Immunsystem ein. Damit treffen sie eben nicht nur aus dem Ruder gelaufene Immunreaktionen, sondern auch alle anderen, nützlichen Abwehrreaktionen. Deswegen sind diese Immunsuppressiva zwar gut zur akuten Linderung, aber wegen der schweren Nebenwirkungen nicht zur Langzeittherapie von CED geeignet. Um Nebenwirkungen zu minimieren und dauerhaft wirksame Behandlungen zu entwickeln, arbeitet man in der Forschung an der Verfeinerung der immuntherapeutischen Methoden, die gezielter gegen die Auslöser einer Krankheit vorgehen sollen. Gegenwärtig wird intensiv daran geforscht, die Auslöser der CED zu 58 Medikamente
2 verstehen. In den letzten Jahren ist das Wissen über molekulare und zelluläre Zusammenhänge der Erkrankungen in enger Zusammenarbeit von Medizin und Naturwissenschaften stetig gewachsen und auf dieser Grundlage wurden zielgerichtete und verträglichere Therapien abgeleitet. Schwerpunkte der Forschung Was sind die Schwerpunkte der gegenwärtigen Forschung und Entwicklung und zu welchen konkreten klinischen Behandlungsformen haben sie geführt? Viele Erkenntnisse basieren auf Tierversuchen, die unter bestimmten Bedingungen den CED vergleichbare Sympto me entwickeln. Tierversuche können zwar die Studien am Patienten nicht ersetzen, erlauben jedoch die reproduzierbare Untersuchung verschiedener Parameter in großem Umfang. Hilfreich sind ebenfalls Blut- und Gewebeproben von Patienten, die mit Proben von gesunden Probanden verglichen werden können, um festzustellen, worin sich der CED-Patient vom Gesunden unterscheidet. Vergleicht man die Proben der CED-Patienten untereinander, gibt dies Aufschluss darüber, ob es sich um individuelle Merkmale oder um eine Gemeinsamkeit aller CED-Patienten handelt. Gleichzeitig fließen viele Erfahrungen aus der Therapie anderer immunologisch-vermittelter Erkrankungen ein. Dies spiegelt einerseits die Schwierigkeit der Aufgabe wider, unterstreicht aber auch die Qualität der bisherigen Erfolge mit gezielten Immuntherapien. Die folgende Tabelle zeigt einige Beispiele für Ziele und beschrittene Wege in der CED-Immuntherapie und die Abbildung versucht, deren räumliche Zuordnung in der Darmwand schematisch zu umreißen. Nicht abgebildet ist die Transplantation eigener blutbildender Stammzellen, da es sich hier ebenfalls um einen generalisierten Ansatz handelt. Zukünftig werden ins Medikamente 59
3 Prinzipien und molekulare/ zelluläre Angriffspunkte Wirkstoffklasse: Wirkstoff (Indikation) Erfahrungen bei CED Wirkung über verschiedene Immunzellen Allgemeine Immunsuppression Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen Selektive Entfernung von Granulozyten und Makrophagen Steroide, Makrolide: Tacrolimus, Zyklisches Peptid: Ciclosporin Mobilisierung von Stammzellen und Leukapherese nach umfangreicher Vorbehandlung Leukapherese mit Adacolumn und Cellsorba Klinisch wirksam in hohen Dosen zur akuten Linderung. Dauerhaft starke Nebenwirkungen. Nicht heilend, starke Nebenwirkungen. In klinischen Studien sehr gut wirksam. Gut verträglich. Prüfung optimaler Behandlungsschemata. Wirkung auf entzündungsfördernde Zellen 1.1 Verhinderung des Einwanderns von Leukozyten Adhäsionsmolekül 4-Integrin auf Leukozyten Interzelluläres Adhäsionsmolekül-1 Antikörper: Natalizumab Oligonukleotid: Alicaforsen Gewisse Wirksamkeit in einer klinischen Studie. In klinischer Studie bisher nicht signifikant wirksam Hemmung der Reifung und Teilung von T-Zellen IL-12 IL-2-Rezeptor Antikörper: ABT-874/human (Morbus Crohn) Antikörper: Basiliximab Antikörper: Daclizumab In klinischer Studie wirksam. Sensitiviert für Steroid-Behandlung bei Steroidresistenz. In klinischen Studien bisher nicht signifikant wirksam. 1.3 Einleitung des T Zell-Todes CD3 auf Zelloberfläche Antikörper: Visilizumab Klinische Wirksamkeit und Ansprechraten vielversprechend. Nebenwirkungen vorübergehend. Wirkung auf entzündungsfördernde Zytokine 2.1 Hemmung der Bildung verschiedene Zytokine (z.b. TNF-, IFN-, IL-6, IL-12) Pentapeptid: RDP58 ; Guanylhydrazon: Semapimod (Morbus Crohn) In klinischen Studien bei intravenöser Gabe wirksam. Gut verträglich. Prüfung oraler Gabe. 2.2 Direkte Hemmung TNF- IFN- Antikörper: Infliximab, Adalimumab, Certolizumab, CDP571/humanisiert. Löslicher Rezeptor: Etanercept Antikörper: Fontolizumab (Morbus Crohn) Klinisch wirksam. Erhöhte Anfälligkeit für Infekte,inklusive Tuberkulose. Erhöhtes Lymphomrisiko. In klinischen Studien wirksam. Allgemein gut verträglich. 2.3 Indirekte Hemmung löslicher IL-6-Rezeptor Antikörper: Atlizumab In klinischen Studien wirksam. Allgemein gut verträglich. Wirkung auf das Darmepithel 3. Regeneration von geschädigtem Gewebe Epidermale Wachstumsfaktor in Kombination mit Mesalamin In klinischer Studie sehr gut wirksam. Zytokinbezeichnungen: Tumornekrosefaktor = TNF, Interferon = IFN, Interleukin = IL. 60 Medikamente
4 besondere das mit der Behandlung verbundene Risiko und der wirkliche therapeutische Effekt näher untersucht. Ebenfalls nicht abgebildet, obwohl eine zielgerichtetere Methode, ist die Leukapherese, bei der bestimmte weiße Blutkörperchen aus der Blutzirkulation herausgefiltert werden, während alle anderen Immunzellen dem Körper erhalten bleiben. Die Leukapherese wird allgemein gut vertragen, liefert bisher aber widersprüchliche Ergebnisse (nach günstigen Ergebnissen aus Japan zuletzt keine Wirksamkeit in einer amerikanischen Studie). Fortgeschrittener in ihrer Entwicklung sind Behandlungsansätze, bei denen man sich der Mittel bedient, die das Immunsystem selbst auch verwendet: z.b. der Antikörper, die von sogenannten B-Zellen produziert werden. Antikörper erkennen eng definierte Strukturen und helfen, diese aus dem Körper zu eliminieren. Die ersten therapeutisch genutzten monoklonalen Antikörper wurden aus Mäusen gewonnen. Gegen diese Maus- Antikörper entwickelte der menschliche Körper bei wiederholter Anwendung eine Abwehr und machte das Therapeutikum schlussendlich unwirksam. Um das zu verhindern wurden die Antikörper mit der Zeit vermenschlicht, d.h. immer mehr Mausanteile wurden gentechnisch gegen menschliche (humane) Antikörper-Bestandteile ausgetauscht. Mittler 3. Darmepithel LEGENDE Leukozyten: T-Zellen Makrophagen 1.2 Granulozyten Lamina propria Blutgefäß Zytokin: Vorgang: 2.3 Fördern Blockieren Bezug zu Tabelle: 2.2 Medikamente 61
5 weile werden in der Therapie nicht nur diese chimären Mischantikörper erfolgreich eingesetzt, sondern schon humanisierte oder gar humane Antikörper. Der Patient hat die Möglichkeit, durch den Namen des Medikaments auf der Verpackung auf die Art des Antikörpers zu schließen. Die Endung gibt an, um was für einen therapeutischen Antikörper es sich handelt: chimäre Antikörper (mindestens 70 Prozent humane Anteile) tragen die Endung -ximab, humanisierte Antikörper (mindestens 95 Prozent humane Anteile) enden auf -zumab und -mumab kennzeichnet die vollständig humanen Antikörper. Eine genaue Kenntnis molekularer Zusammenhänge, d.h. das Wissen um die Zielstruktur, gestattet heute auch schon, die Struktur des Wirkstoffs theoretisch abzuleiten und (bio)chemisch herzustellen, eine neue Richtung, die man als rationales Design bezeichnet. Ein gutes Beispiel für das Potenzial einer solchen Herangehensweise ist das Rationally Designed Peptide (RDP) 58. An welcher Stelle greifen nun diese Moleküle in das Entzündungsgeschehen im Darm ein? Zu den an der Entstehung und dem Fortbestehen der CED beteiligten Immunzellen zählen bestimmte Gruppen der weißen Blutkörperchen (Leukozy ten). Zum einen handelt es sich hierbei um bestimmte T-Zellen, die sich unkontrolliert vermehren und entzündungsfördernde Zytokine (Tumornekrosefaktor, Interferon- oder Interleukin 6) in hohem Maße ausscheiden. Zum anderen tragen bestimmte Fresszellen wie neutrophile Granulozyten und Makrophagen über verschiedene Mechanismen zur Gewebeschädigung bei CED bei. Verhindert man ein Einwandern dieser Zellen aus dem Blutstrom in das umliegende Darmgewebe (I.1), könnte man alle weiteren negativen Auswirkungen verhindern. Leider sind die bisher entwickelten Methoden auf diesem Gebiet therapeutisch noch nicht einsetzbar. Ein weiterer Angriffspunkt der CED-Immuntherapie wäre die Hemmung von Teilung und Reifung der unkontrollierten T-Zellen oder sogar die Auslösung ihres Zelltods, um den Teufelskreis der Chronizität zu unterbrechen (I.2 und I.3). Zielt man auf entzündungsfördernde Zytokine, bieten sich heute im Grundsatz verschiedene Ansatzpunkte. Erstens kann die Bildung und Freisetzung der Zytokine durch die Immunzellen verhindert werden. Hier wirkt z.b. das RDP 58, das die Umsetzung der genetischen Information zur Bildung verschiedener Zytokine in den Zellen blockiert (II.1). Freigesetzte Zytokine kann man direkt wegfangen oder man blockiert ihre Bindungsstrukturen (Rezeptoren), denn Zytokine können ihre Wirkung auf anderen Immunzellen nur dann entfalten, wenn sie an ihre Zytokinrezeptoren binden. Zytokinrezeptoren werden auf der Zelloberfläche ausgebildet oder liegen in bestimmten Fällen (z.b. Interleukin-6) in löslicher Form vor. Sowohl das Wegfangen freigesetzter Zytokine als auch die Blockierung der Rezeptoren erreicht man mittels Antikörper. Nach Bin 62 Medikamente
6 dung der Antikörper werden diese Moleküle und Strukturen unwirksam (II.2 und II.3). Grundsätzlich gibt es jedoch nicht nur entzündungsfördernde Zytokine, sondern auch solche, die Entzündungsreaktionen hemmen. Gegenwärtig gibt es zu diesen anti-entzündlichen Zytokinen (z.b. Interleukin 4, 10 oder der transformier ende Wachstumsfaktor ) noch keine klinischen Studien, die deren therapeutischen Nutzen prüfen. Auf einer anderen Ebene, der Reparatur geschädigten Gewebes, wirkt der epidermale Wachstumsfaktor EGF, der die Wundheilung in der Darmwand fördert (III). Naturgemäß beleuchtet dieser Artikel nur einige beispielhafte Aspekte. Dieser Überblick zeigt, dass es zwar noch eine weite Reise zur nebenwirkungsarmen Behandlung von CED ist. Gleichzeitig zeigt er aber auch schon erreichte Dr. Anja Kühl ist Mitarbeiterin des Research Center ImmunoSciences (Forschungszentrums für Immunwissenschaften RCIS) der Charité Universitätsmedizin Berlin. anja.kuehl@charite.de Etappenziele, die es gestatten, aus dem neuen Verständnis der Mechanismen heraus gezielte, wirksame, remissionserhaltende und gleichzeitig verträgliche Therapien abzuleiten.?! Bei CED geht man heute von einer Überaktivierung des Immunsystems aus, bei der Immunreaktion des Darmes über ihr eigentliches Ziel hinausschießt. Eine Therapie mit Immunsuppressiva unterdrückt die Immunreaktion. Damit trifft sie aber nicht nur aus dem Ruder gelaufene Immunreaktionen, sondern auch alle anderen, nützlichen Abwehrreaktionen. Deswegen sind diese Immunsuppressiva zwar gut zur akuten Therapie im Schub, aber wegen der schweren Nebenwirkungen nicht zur Langzeittherapie von CED geeignet. Um Nebenwirkungen zu minimieren und dauerhaft wirksame Behandlungen zu entwickeln, arbeitet man in der Forschung an der Verfeinerung der immuntherapeutischen Methoden, die gezielter gegen die Auslöser einer Krankheit vorgehen sollen. Darüber berichtet dieser Artikel. Medikamente 63
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