Industrielle Nutzung der ISS
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- Lena Hausler
- vor 8 Jahren
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1 Industrielle Nutzung der ISS Bereits das erste ISS-Experiment zur industriellen Nutzung kam aus Deutschland. Es handelt sich um das Projekt "Global Transmission Services" (GTS) von Daimler und dem Uhrenhersteller Fortis. In der GTS-Erprobungsphase auf der ISS werden seit 2002 vor allem zwei Anwendungen getestet: Erstens die weltweite Synchronisation von Funkuhren, die jeweils mit der korrekten Lokalzeit versorgt werden, und zweitens ein globaler Diebstahlschutz, etwa für Kraftfahrzeuge. 1 Neben den wissenschaftlichen Spitzenleistungen in den Material- und Lebenswissenschaften, sind es gerade die industriell relevanten Projekte der ISS-Forschung, die den Menschen auf der Erde nutzen werden. Beispiele hierfür sind die Entwicklung besserer Legierungen für die Automobilbranche, die Medikamentenentwicklung der Pharmaindustrie, die Verbesserung von Knochenimplantaten und medizinischen Diagnosetechniken oder die Verbrennungsforschung für sparsamere Motoren. Mit der ISS werden erstmals stabile Forschungsbedingungen und ausreichende Experimentierzeiten im Weltraum erreicht. Durch ihre großen Ressourcen und den regelmäßigen Zugang wird sie zunehmend für innovative Projekte aus dem industriellen Umfeld interessant und kann einen wirtschaftlich attraktiven "added value" (Wertzuwachs) bieten. Zukünftig soll sich die Raumstation mit Columbus zu einer Großforschungseinrichtung im Erdorbit auch für die Nicht-Raumfahrt-Industrie entwickeln. Langfristig sollen bis zu einem Drittel der europäischen Forschungsressourcen auf der ISS industriellen und kommerziellen Nutzern zur Verfügung gestellt werden. Diese Strategie wird nachhaltig vom für Raumfahrt
2 federführenden Bundesministerium für Wirtschaft- und Technologie verfolgt. Ziel hierbei ist die Gewinnung von Kunden, auch und gerade aus dem Bereich von kleinen und mittleren Unternehmen, die von der Nutzung der Schwerelosigkeit profitieren und Verfahren oder Produkte entwickeln, die wirtschaftlich einen zeitnahen Return of Investment erbringen. 2 Ansprechpartner für die Wirtschaft Im Ruhrgebiet, das einen Strukturwandel anstrebt und Spitzentechnologie ansiedeln möchte, ist mit dem "ISS Lab Ruhr" das erste deutsche industrieorientierte ISS- Anwenderzentrum aufgebaut worden. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der Industrie, des Landes Nordrhein-Westfalen und des DLR. "ISS Lab Ruhr" dient als Anlaufstelle für alle wirtschaftlich orientierten Interessenten, die in Columbus oder den anderen Laboren der Raumstation experimentieren wollen. Auf DLR- steht das MUSC (Microgravity User Support Center) als Nutzerunterstützungszentrum bereit. Das Interesse der Industrie wächst. Auch die deutsche Wirtschaft erkennt, dass Forschung in astronautischen Weltraumlaboren letztlich eine lohnende Investition in die Zukunft darstellt. Klar ist aber, dass die ISS weder kurz- noch mittelfristig eine "verlängerte Werkbank im All" sein wird. Die Versuche in der Schwerelosigkeit sollen dazu dienen, Erfahrungen im All zu sammeln und diese bei Fertigungstechniken und Produktionen auf der Erde in großem Maßstab umzusetzen. So entsteht ein Knowhow-Transfer vom Weltraum zur Erde. Schon im Jahr 1998 rief das DLR die PIN-Initiative ins Leben (PIN: Promotion Industrieller Nutzung der ISS). Sie hat die ISS und andere Mikrogravitations- Fluggelegenheiten bei forschenden Wirtschaftsunternehmen aus Nicht-Raumfahrt-Branchen
3 vermarktet und Unternehmen als Kunden für den Dienstleistungsbereich Raumfahrt gewonnen. Seit 2007 baut die Nachfolgeinitiative des DLR "GoSpace" auf den bei PIN gewonnenen Erfahrungen auf und wahrt damit Kontinuität und Nachhaltigkeit der industriepolitischen Aktivitäten des DLR. "GoSpace" demonstriert den Entscheidungsträgern der Firmen die Möglichkeiten und wirtschaftlich relevanten Vorteile der Nutzung von ISS und Columbus sowie anderer Flugmöglichkeiten (Fallturm, Parabelflüge, Höhenforschungsraketen, Kapseln) für die unternehmenseigene Forschung. Im Dialog zwischen Unternehmen und GoSpace werden Pilotprojekte identifiziert, Business-Pläne erstellt, Begleitprogramme auf der Erde entwickelt und die Vorhaben über Vorbereitungsphase, Testdurchführungen und Flug bis zur Auswertephase von Experten begleitet. 3 In Pilotvorhaben der PIN-Initiative konnten erste industrielle Forschungsprojekte realisiert werden. Als ein Beispiel aus dem Bereich der Materialforschung lässt sich die Bestimmung wärmephysikalischer Eigenschaften von Schmelzen technischer Aluminium-Legierungen nennen. Auf mehreren Parabelflügen und einem Forschungsraketenflug wurden von der Hydro Aluminium Deutschland GmbH Daten zur Oberflächenspannung und Viskosität der Legierungen im Erstarrungsbereich gesammelt und analysiert. Die erzielten Daten dienen zur genaueren Computersimulation von Verfahren des Metallgießens. Die Haut des Astronauten Ein weiteres Experiment fand aus dem Bereich der Humanphysiologie auf der ISS-Langzeitmission Astrolab statt. Aus bisher erfolgten Beobachtungen der menschlichen Haut in Schwerelosigkeit ist bekannt, dass neben dem Auftreten vermehrter Trockenheit
4 insbesondere die Dicke der Haut abnimmt, und damit quasi im Zeitraffer eine Alterung der Haut erfolgt. Die Erforschung der Alterungsvorgänge der Haut und die Entwicklung möglicher Gegenmaßnahmen ist ein Schwerpunkt in der dermatologischen und kosmetischen Industrie. Diesen Fragestellungen ist ein Industrie- Konsortium aus Nordrhein-Westfalen DermaTronnier, Courage +Khazaka sowie Degussa mit dem von ihm finanzierten Experiment SkinCare nachgegangen. Erstmals wurden physiologische Parameter der menschlichen Haut (Feuchtigkeit, Wasserverlust, Faltenbildung, Elastizität und Hautdicke) mit Hilfe moderner nicht-invasiver Messverfahren erfasst. Ausgeführt wurden die Experimente vom deutschen Astronauten Thomas Reiter. Basierend auf den gewonnenen Daten erwartet das Konsortium nach der wissenschaftlichen Auswertung generelle Rückschlüsse auf Alterungsprozesse der Haut. 4 Aus dem Bereich der Flüssigkeitsphysik wurde ein Experiment auf einem ISS-Vorläuferflug durchgeführt. Die DiaCdem Chip Technologies GmbH untersuchte auf einem DLR-Parabelflug das Befüllungsverhalten mikrofluidischer Strukturen in Schwerelosigkeit, um damit diagnostische Verfahren weiterzuentwickeln. Ziel ist die Entwicklung eines miniaturisierten Diagnostiksystems ("Lab on a Chip"), etwa für Blut. Denkbar ist der Einsatz eines solchen Diagnosesystems sowohl im Weltraum als auch in der Notfallmedizin, der Altersheilkunde und auf Expeditionen. Forschungslabor Columbus bietet viele Möglichkeiten Die industrielle Nutzung der ISS kann nach der Inbetriebnahme von Columbus und den im Labor zur Verfügung stehenden umfangreichen Laboreinrichtungen erheblich ausgeweitet werden. Forscher aus
5 Industrieunternehmen, Konsortien sowie Netzwerke aus Industrie und Forschungsinstituten bearbeiten neue Themenbereiche mit dem Ziel, Forschung in Schwerelosigkeit auf Vorläuferflügen und auf der ISS durchzuführen. Weitere mögliche Themen hierfür sind im Bereich der Materialwissenschaften, etwa die wärmephysikalischen Eigenschaften von Stahl-Titan- Legierungen, Nano- und Partikeltechnologien und die Energie- und Verbrennungsforschung. Aus dem Bereich der Lebenswissenschaften sind die Knochen- Demineralisierung, Osteoporoseforschung und Haltbarkeit, etwa von Zahnimplantaten, die Telemedizin und intelligente Textilien sowie die Proteinkristallisation zur Arzneimittelentwicklung in der Pharmaindustrie interessante Themen. 5 Kontakt: Andreas Schütz für Luft- und Raumfahrt (DLR) Tel.: Mobil: Fax: Andreas.Schuetz@dlr.de Eduard Müller für Luft- und Raumfahrt (DLR) Tel.: Fax: Eduard.Mueller@dlr.de Dr. Hartmut W. Ripken für Luft- und Raumfahrt (DLR)
6 Raumfahrt-Agentur, Koordinator für die Nutzungsvorbereitung der ISS Tel.:
7 Die Haut des Astronauten: Thomas Reiter mit dem Experiment SkinCare, das er bei seinem Langzeitaufenthalt 2006 an Bord der ISS durchführte. Bild: NASA.
8 Die GTS-Antenne (Global Transmission Services) von Daimler und dem Uhrenhersteller Fortis. Die quadratische weiße Antenne wurde schon mit dem ersten Modul der ISS ins All gebracht. In der Erprobungsphase seit 2002 wird die Synchronisation von Funkuhren getestet. Außerdem wird ein globaler Diebstahlschutz für Kraftfahrzeuge mit dieser Antenne erprobt. Bild: ESA.
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